Protocol of the Session on August 27, 2008

Das Wort hat Frau Kollegin Raab.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir werden heute über keine Änderung des Kindertagesstättengesetzes beraten.

An einem Tag wie heute, an dem wir wieder einmal feststellen durften, dass die Landesregierung bundesweit Vorreiter bei der schnellen und konsequenten Umsetzung der Verwaltungsvereinbarung zum Kinderbetreuungsausbau 2008 bis 2013 ist, redet es sich leicht und gut über die Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz.

103 Millionen Euro vom Bund und weitere 13,5 Millionen Euro aus der Landeskasse belegen, dass Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Vorschulalter ein politischer Schwerpunkt der von Kurt Beck geführten Landesregierung sind und bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Wir scheuen keinen Vergleich und keine Evaluation; denn zahlreiche Studien belegen diesen quantitativ und qualitativ guten Standard, sei es das Deutsche Jugendinstitut in München oder die Bertelsmann-Stiftung in ihrem Länderreport über das frühkindliche Bildungssystem. Auch Ihr bisweilen hektisches Lamentieren ändert daran nichts, liebe Kollegin Dickes.

Bei der Anhörung, die auf Ihren Antrag stattgefunden hat, wurde deutlich, dass die Drucksache, die die Nummer 15/1929 trägt, von uns abgelehnt wird, weil sie nichts Neues enthält.

Ich betone es noch einmal. „Änderung eines Gesetzes“ steht über diesem Papier, das wohl auch noch einige Änderungen in der Fraktion erfuhr. Im Grunde genommen ist es ein Entschließungsantrag. Ich will gern die vier Punkte dieses Antrages argumentativ abarbeiten.

Als Erstes nenne ich das Thema „Personalschlüssel“. Wir haben in dieser Anhörung viel gehört. Wir haben den Zahlenspiegel des Deutschen Jugendinstituts gehört, der auf der Grundlage dieser neuen Kinder- und Jugendhilfestatistik läuft. Wir haben gehört, RheinlandPfalz liegt auf einem Spitzenplatz.

(Zuruf der Abg. Frau Dickes, CDU)

Ich darf zitieren: Hinsichtlich der Gruppengröße in den Krippengruppen kann man sagen, dass Rheinland-Pfalz am oberen Rand der Altersgruppe der dreijährigen Kinder die europäischen und amerikanischen Standards erreicht. Hinsichtlich der klassischen Kindergartengruppen liegen die Durchschnittswerte in Rheinland-Pfalz eher im oberen Drittel der Bundesländerverteilung. –

(Beifall bei der SPD)

Bei der durchschnittlichen Gruppengröße U 3 reden wir in Rheinland-Pfalz von neun bis zehn Kindern, im Vergleich dazu Niedersachsen – ich glaube, das ist das Bundesland, in dem die Familienministerin von der Leyen einmal tätig war – sind es 13 Kinder pro Gruppe.

Bei den Drei- bis Sechsjährigen sind es bei uns in Rheinland-Pfalz meistens 20 Kinder, in einigen seltenen Fällen 22 Kinder. Man höre und staune, in Bayern – ich glaube, da regiert gerade Herr Beckstein – sind es 24 Kinder pro Gruppe. Ich denke, wir können uns mit dem, was wir hier geleistet haben, gut sehen lassen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir müssen auch feststellen, dass wir leider immer weniger Kinder haben und leider immer weniger Kinder die Kindertagesstätten besuchen. Das wird bei Ihnen in Waldböckelheim nicht anders als bei uns in Cochem-Zell sein. Bei der Anhörung ist Folgendes klar geworden: Erfreulich ist, dass 75 % des pädagogischen Fachpersonals bei uns über einen qualifizierten Fachschulabschluss verfügen. Damit liegt das formale Qualifikationsniveau insgesamt über dem Bundesdurchschnitt.

Wenn ich beim Punkt „Qualität“ bin, bin ich auch gerne bei der Tagespflege. Ich möchte sagen, dass wir diesen hohen pädagogischen Anspruch nur dort erreichen kön

nen. Deshalb haben wir den Schwerpunkt eindeutig und klar gesetzt. Das heißt aber nicht, dass wir Tagespflege nicht fördern, das passiert auch. Das geschieht über Zertifizierungen. Unser Schwerpunkt ist klar.

Ich möchte noch den Punkt der Kooperation mit den Schulen aufgreifen. In dieser neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung über frühkindliche Bildung, in dem Länder-Report für Rheinland-Pfalz, den ich Ihnen zur Lektüre empfehle, wird festgestellt, dass gerade in RheinlandPfalz im Kindertagesstättengesetz eine verbindliche Regelung zur Kooperation von Kita und Grundschule enthalten ist. Auch das Schulgesetz ist um eine entsprechende Regelung erweitert worden. In den Bildungs- und Erziehungsempfehlungen werden sogar die Grundsätze und Formen der Kooperation definiert. Zusätzliche Mittel werden für solche Kooperationen gewährt. Das ist nach der Bertelsmann-Stiftung bundesweit einmalig.

(Beifall bei der SPD)

Dies alles begründet, warum wir an unserer Ablehnung zu diesem von Ihnen gestellten Antrag festhalten, weiter an der „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ festhalten, damit Rheinland-Pfalz bildungspolitisch für die Kleinsten unserer Kleinen weiterhin auf einem guten und soliden Weg bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Morsblech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute abschließend einen Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, den wir sehr ausführlich im Ausschuss und auch im Rahmen einer Anhörung diskutiert haben. Zusammenfassend darf ich für die FDP-Fraktion sagen, dass dieser Gesetzentwurf einige gute Ansätze zur Weiterentwicklung der Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz enthält. Wir vertreten jedoch gerade im Hinblick auf die Umsetzung der zum Teil gemeinsamen Ziele weitestgehend eine unterschiedliche Auffassung.

Lassen Sie mich kurz etwas zu den einzelnen Bereichen sagen. Sie fordern in Ihrem Antrag zu Recht, einen Blick auf die Gruppengröße und die Betreuungsrelation in den Kindertagesstätten zu werfen. Hierzu fordert Ihre Fraktion eine regelmäßige Evaluation der Gruppengröße. Im Rahmen der Anhörung hat insbesondere Professor Sell darauf aufmerksam gemacht, dass eine Evaluation nur dann sinnvoll ist, wenn sie mit einem inhaltlichen Konzept verbunden wird. Diese Auffassung teilen wir. Natürlich spielt die Gruppengröße für die Qualität von frühkindlicher Bildung und Kindertagesbetreuung eine entscheidende Rolle, an dieser Stelle wissen wir allerdings auch schon durch zahlreiche Erhebungen und wissenschaftliche Studien sehr gut, welche Gruppengröße die ideale wäre und wo wir in Rheinland-Pfalz stehen. Im

bundesweiten Vergleich haben wir tatsächlich eine der besten Betreuungsrelationen.

Wir wissen aber auch, dass nach wie vor immer etwas verbessert werden kann. Gerade durch den erweiterten Bildungsauftrag von Kindertagesstätten in den vergangenen Jahren, mehr Dokumentationspflichten, zusätzliche Aufgaben wie Sprachdiagnostik und Sprachförderung und einen erheblich gestiegenen Fortbildungsbedarf in diesem Zusammenhang ist es Erzieherinnen natürlich auch ein berechtigtes Anliegen, dass sie personellen Spielraum in ihren Einrichtungen bekommen, um die entsprechenden Fortbildungsangebote und Aufgaben auch wahrnehmen zu können.

Es wird aber auch zunehmend wichtiger, Kindertagesstättenleitungen für ihre Leitungsaufgaben freizustellen, gerade im Hinblick darauf, dass viele von ihnen ein berufsbegleitendes Studium absolvieren und sich die Leitungsfunktion selbst natürlich auch tiefgreifend verändert hat. Diesen Handlungsbedarf kann man allerdings auch ohne eine Evaluation wahrnehmen. Diese würde nur dann Sinn machen, wenn sie auch Qualitätsindikatoren der pädagogischen Arbeit innerhalb der Einrichtungen mit erfassen würde, die Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern, die tatsächliche Umsetzung der Bildungs- und Erziehungsempfehlungen und anderes.

Wir teilen auch die Auffassung, dass eine bedarfsgerechtere und flexiblere Gestaltung der Kindertagespflege ein sinnvolles Anliegen für die Landschaft in RheinlandPfalz ist. Wir können uns dem grundsätzlich anschließen. Wir halten jedoch einen anderen Ansatz für zielführend, wenn es darum geht, eine wirklich bedarfsgerechte und individuell gestaltbare Kinderbetreuungsinfrastruktur aufzubauen. Die FDP – Sie wissen das – fordert dafür einen Betreuungsgutschein, der Eltern wirkliche Wahlfreiheit ermöglicht, indem nicht mehr die Einrichtungen, sondern jedes Kind selbst gefördert wird und Eltern dann die freie Wahl haben, ob sie den Gutschein für einen Platz in einer Kindertagesstätte in öffentlicher oder privater Trägerschaft, für einen betrieblichen oder betriebsnahen Betreuungsplatz oder eine Tagespflegeperson einsetzen wollen.

Wir fordern darüber hinaus auch, dass der Gutschein für diejenigen, die die Betreuungs- und Bildungsleistung im frühkindlichen Bereich selbst erbringen wollen, steuerlich abgesetzt werden kann oder im Rahmen der Alterssicherung und der Pflegeleistungen anerkannt werden kann.

(Beifall der FDP)

Das ist – um das noch einmal zu skizzieren – ein umfassenderer Ansatz, der weit über Ihre hier formulierten Zielvorstellungen hinausgeht.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zum Schluss vielleicht noch einige Sätze zum Ausbau der Familienzentren. Wir teilen hier grundsätzlich auch die Idee des Auf- und Ausbaus von Familienzentren. Wenn man sich ansieht, welchen Weg Rheinland-Pfalz bisher auf diesem Gebiet einge

schlagen hat, dann wäre in der Tat dort noch einiges verbesserungsbedürftig. Ich sage aber auch, wenn man sich ansieht, welchen Weg Nordrhein-Westfalen, das Sie als Vorbild ansehen, beschritten hat, und das dann einmal mit unseren europäischen Nachbarn – beispielsweise in Großbritannien – vergleicht, dann können wir abschließend nur zu der Bewertung kommen, dass man diese Idee insgesamt in Deutschland noch erheblich konsequenter und gewinnbringender umsetzen könnte. Deshalb sehen wir auch da Ihren Antrag als nicht so beispielgebend an.

Jetzt habe ich auch „Antrag“ gesagt, es ist ein Gesetzentwurf, Entschuldigung.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass es eine große Übereinstimmung darin gibt, unsere Kindertagesstätten zum einen qualitativ weiterzuentwickeln und zum anderen flexiblere und vielfältigere Betreuungsmöglichkeiten für Eltern zu schaffen und auch neue Ansätze in diesen Bereichen in Rheinland-Pfalz zu verwirklichen. Was den Weg betrifft, können wir noch weiter miteinander diskutieren. Diesem Gesetzentwurf kann die FDPLandtagsfraktion leider nicht zustimmen.

Danke schön.

(Beifall der FDP)

Für Landesregierung hat Frau Staatsministerin Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich immer auf die Diskussion über dieses Thema, weil zum Ausdruck kommt, dass alle Fraktionen im Parlament erkannt haben, wie wichtig die Bedeutung der frühen Förderung und der Kindertagesstätten ist. Sie werden aber verstehen, ich nehme an der Stelle schon in Anspruch, dass es gedankliche Väter und Mütter gibt. Die sind in dem Fall ganz eindeutig auf Regierungsseite und auch bei der SPD-Fraktion zu suchen; denn viele der Debatten, die wir heute so einvernehmlich führen, mussten wir, als es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ging, als es um die Bedeutung der Kindertagesstätten ging, anfänglich gegen Sie führen. Immerhin haben wir an dieser Stelle einen Fortschritt erzielt.

(Beifall der SPD)

Frau Abgeordnete Dickes, ausgerechnet an dieser Stelle mir vorzuwerfen, ich würde es mir bequem machen, dazu kann ich nur sagen, wir haben in Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle übernommen. Von der leben noch heute viele Vorschläge von Frau von der Leyen.

(Frau Spurzem, SPD: So ist es!)

Sie schaut, was in Rheinland-Pfalz umgesetzt ist, und überlegt sich, was sie davon auf Bundesebene über

nehmen kann. Von Bequemlichkeit beim Ministerium und in diesem Hohen Hause in Fragen der Kindertagesstättenpolitik kann wahrlich keine Rede sein.

(Beifall der SPD)

Wenn wir schon beim Thema „Bequemlichkeit“ sind, so hätte ich den Vorwurf nicht erhoben, aber da stimme ich dann doch ganz der Abgeordneten Frau Morsblech zu.

(Eymael, FDP: Oh!)

Wenn man Evaluation fordert, dann muss man sich doch wenigstens der Aufgabe unterziehen, was man unter welchen inhaltlichen Aspekten evaluiert haben möchte. Dazu sagt Ihr Gesetzentwurf im Grunde nichts. Sie sagen, die Landesregierung soll evaluieren. Ich bedanke mich für das Vertrauen. Ich darf Ihnen versichern, sie tut es auch ohne Ihren Gesetzentwurf.