Protocol of the Session on May 14, 2008

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet im Klartext, die Politik läuft immer ein Stück weit der Realität hinterher. Ob überhaupt das Hinterherlaufen der Politik verändert werden kann oder sogar verändert werden soll, ist und bleibt eine spannende Frage.

Um dies vorweg zu sagen, die Antwort auf diese Frage kann nur sehr differenziert ausfallen. Die Politik wird es schwer haben, in vorauseilendem Gehorsam nicht erkennbaren technischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Dies in Gesetzesform zu gießen, ist schlichtweg undenkbar. Die Politik wird sich schwertun, gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen, wenn sich diese überhaupt noch nicht eingestellt haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein bisschen anders ist die Rolle der Politik zu sehen, wenn man den Sendebetrieb und die neuen Geschäftsfelder der öffentlichrechtlichen Anstalten betrachtet. Ob hier immer nur reagiert werden muss oder man durchaus auch agieren kann, ist nicht abschließend beurteilt.

Ich denke dabei durchaus an die latent anstehende Frage zur Qualitätsdefinition und an die Definition zum Grundversorgungsauftrag bzw. zum Funktionsauftrag. Dabei sind sich offensichtlich alle Parlamentarier in allen Bundesländern über alle Parteigrenzen hinweg – dies sei ausdrücklich festgehalten –, auch die Landesregierungen, schnell einig, wenn es darum geht, die noch offenstehenden Punkte konsequent anzugehen bzw. weiterzuentwickeln, insbesondere im Bereich der Qualitätsdefinition.

Allzu schnell kommt bei allen die Reaktion, es wäre nicht erschöpfend machbar. Meine Damen und Herren, schon ist das Buch zur Weiterentwicklung der Definition der Medienqualität, des Grundversorgungsauftrags und des Funktionsauftrags geschlossen. Meine Damen und Herren, aber genau dabei könnte der Gesetzgeber agieren und nicht nur ständig reagieren.

(Beifall der CDU)

Ich begründe das auch. Meine Damen und Herren der Landesregierung, genau an diesem Punkt sind Sie natürlich insbesondere gefragt. Sie setzen in diesem Punkt für meinen Geschmack zu wenig Akzente. Sie schwimmen im Konzert der bundesweiten Meinungsbilder mit und versäumen es, sich an die Spitze einer Bewegung zu setzen, die agiert und nicht nur reagiert.

Das muss ich Ihnen zum Vorwurf machen. Herr Ministerpräsident, Sie haben die Chance, in den nächsten Rundfunkänderungsstaatsverträgen hier Akzente zu setzen. Wir sind darauf sehr gespannt.

Zulassung und Aufsicht über private, bundesweite Rundfunkveranstalter sowie für die bundesweite Zuweisung von Übertragungskapazitäten an Rundfunkveranstalter und Plattformanbieter: Diese Neuregelung im Bereich Zulassung und Aufsicht darf durchaus als eine Reaktion auf unterschiedliche neue Entwicklungen gesehen werden.

Die technische Entwicklung im Bereich der Übertragungskapazitäten, aber auch die sich immer stärker globalisierende Medienwelt sind Triebfedern zum Schaffen dieser neuen Kommission. Die innere Organisation dieser neuen Kommission – Herr Ministerpräsident, Sie haben es festgestellt – ist unstrittig und kann nachgelesen werden. Deswegen will ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen.

Ich greife aber gern noch einmal das Stichwort „globalisierende Medienwelt“ auf. Die derzeit existierenden weltweiten Netze, die in Bruchteilen von Sekunden abrufbaren Informationen und die immer größer werdende Transparenz weltweit und logischerweise dadurch auch in Deutschland sind Anlass genug, über zentrale bzw. dezentrale Zulassungsstrukturen nachzudenken.

Herr Ministerpräsident, hören Sie zu, dabei sind zentrale Strukturen dem Grunde nach nicht föderal. Aber der föderale Gedanke besagt, wenn Untergliederungen in der Lage sind, die ihr zugewiesenen Aufgaben zielführend zu erledigen, dann soll diese Untergliederung auch diese Aufgaben erledigen.

Aber genau diesbezüglich ist die Frage zu stellen, ob diese Untergliederungen, in unserem Fall die einzelnen Landesmedienanstalten, überhaupt in der Lage sind, der Globalisierung im Bereich der Medien ausreichend Rechnung zu tragen. Man ist sich politisch offensichtlich weitgehend darüber einig – das wird meiner Erkenntnis nach auch von den Landesmedienanstalten so mitgetragen –, dass ein zentraler Ansatz mehr Effizienz verspricht.

(Frau Pepper, SPD: Genau!)

So viel zur neuen Kommission für Zulassung und Aufsicht, die auch das Zulassungsrecht der Länder vereinfacht hat. Auch Herr Ministerpräsident Beck hat dies so formuliert.

Der Zehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag trägt auch der immer schneller steigenden technischen Übertragungsfähigkeit Rechnung. Nur im Zuge dieser Entwicklung ist es möglich, dass sich immer mehr digitaldrahtgebundene oder digital-drahtlose Plattformen etablieren. Die neuen Regelungen sind deswegen grundlegend, weil sie einen Bereich abdecken, den es früher, als die Übertragungsfähigkeit nicht vergleichbar ausgebildet war, so einfach nicht gab.

Dies kommt erneut einer politischen Reaktion auf technische Entwicklungen gleich. Auch hier hat die Politik keine Chance, der technischen Entwicklung vorzugreifen. Meine Damen und Herren, allein die Tatsache, dass bereits der Elfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, aber auch der Zwölfte, der Dreizehnte und der Vierzehnte bereits in Arbeit sind und im Konzept vorliegen – eine Debatte im Plenum werden wir in absehbarer Zeit beantragen –, zeigt erneut, wie schnelllebig sich der Medienbereich darstellt. Man muss versuchen, die Medienpolitik in einen größeren Kontext zu stellen und sich Leitlinien zu geben. Ohne ein solches Vorgehen verlieren politische Entscheidungen an Richtung und somit an Effizienz. Dies macht die Medienpolitik aufwändig, aber auch hochinteressant und spannend.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat nun Herr Kollege Heinrich.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Während in der Öffentlichkeit sowie auch in der Wahrnehmung vieler Kolleginnen und Kollegen bereits heftig über den Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag diskutiert wird und damit insbesondere über die Frage, was die öffentlich-rechtlichen Sender im Online-Bereich dürfen, befassen wir uns heute mit dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Ich gestehe gern zu, dass mich dies nicht ganz zufriedenstellt. Natürlich haben wir die Themen, die in diesem Staatsvertrag geregelt werden, in den öffentlichen Sitzungen des Ausschusses für Medien und Multimedia bereits mehrfach angesprochen und diskutiert, aber ich würde mir dennoch wünschen, dass die parlamentarische Begleitung zeitnah zur öffentlichen Diskussion stattfinden könnte. Dieser Hinweis richtet sich aber in erster Linie an uns selbst.

Dabei befinden wir uns in Rheinland-Pfalz in einer komfortablen Situation. In vielen anderen Bundesländern gibt es keine ausdrücklichen Medienausschüsse. Wir haben also die Möglichkeit, uns in die medienpolitische Diskussion einzubringen und sie nicht nur den Staatskanzleien zu überlassen.

Die SPD ist darüber hinaus in der komfortablen Situation, mit der Medienkommission beim Parteivorstand ein hervorragendes Instrument für Meinungsaustausch und Koordination zu besitzen. Bei den anderen Parteien konnte ich ein solches Gremium bisher nicht ausmachen. Wenn jemand Akzente in der Medienpolitik setzt, dann sind es unser Ministerpräsident, unser Staatssekretär Stadelmaier und diese Medienkommission.

(Dr. Weiland, CDU: Und Herr Heinrich! – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Danke schön!

Für die Nichtmedienpolitiker möchte ich noch einmal den Hinweis geben, dass wir vor dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der sich derzeit in der öffentlichen Diskussion befindet, auch den Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrag verabschieden müssen. Mit diesem Staatsvertrag wird die Rundfunkgebühr für die Gebührenperiode bis 2012 festgelegt. Gedanklich ist bei den Bürgern diese neue Gebühr schon seit Langem abgehakt, wir werden uns im Parlament aber voraussichtlich erst nach den Sommerferien damit befassen können.

Dass ich dies meinen Ausführungen zum Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag voranstelle, hat mit der Rolle der Politik in der sich rasant entwickelnden Medienlandschaft zu tun. Während wir es gerade noch vor wenigen Jahren nur mit den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunkanbietern zu tun hatten und die Spielregeln zu organisieren hatten, sind heute eine ganze Reihe anderer Medien auf dem Markt, die sich im Format oder im Verbreitungsweg nicht wesentlich unterscheiden. Diese Konvergenz verlangt neue Regelungen.

Über die Frage, ob mit diesem Staatsvertrag die Herausforderungen des digitalen Zeitalters angemessen angenommen wurden, scheiden sich die Geister bzw. streiten sich die Experten. Ich finde, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn auch noch lange nicht am Ziel.

Der Rundfunk ist, wie Herr Ministerpräsident Kurt Beck immer wieder zu Recht betont, in erster Linie Kulturgut und nicht Wirtschaftsgut. Dieses Kulturgut gilt es zu pflegen und die Spielregeln festzulegen und zu kontrollieren.

Für die Aufsicht sind die Landesmedienanstalten zuständig, und für Fragen, die alle Bundesländer betreffen, sind gemeinsame Kommissionen eingerichtet worden. Es wird eine neue Kommission für Zulassung und Aufsicht, die bereits genannte ZAK-Kommission geben. Sie ist für die Zulassung des bundesweit verbreitenden Rundfunks und die Verteilung neuer Übertragungskapazitäten zuständig. Sie setzt sich zusammen aus den gesetzlichen Vertretern der 14 Landesmedienanstalten.

Neu installiert wird die Gremienvorsitzendenkonferenz, GVK genannt. Die GVK hat die Aufgabe, für den Fall, dass es mehr antragstellende Anbieter als Übertragungskapazitäten gibt, die Auswahlentscheidung über die Zuweisung zu treffen. Die bisherige Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten wird aufgelöst. Dafür gehören künftig sechs Vertreter der Landesmedienanstalten der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich – KEK – an. Bisher bestand dieses Gremium aus sechs unabhängigen Sachverständigen aus dem Rundfunk- und Wirtschaftsrecht. Es wird sich weisen müssen, ob diese Zusammensetzung erfolgreich sein wird. Wird sich das aus Sachverständigen und Landesmedienanstalten besetzte Gremium nicht einig, entscheidet künftig die Stimme des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters, der aus der Gruppe der unabhängigen Experten kommt. Eine gute Zusammenarbeit der vier Kommissionen – es existiert auch noch die Kommission für den Jugendmedienschutz – wird erforderlich sein.

Im Rundfunkänderungsstaatsvertrag gibt es auch neue Regelungen für Gewinnspiele. Die Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) Rheinland-Pfalz hat sich bereits mehrfach mit diesem Thema beschäftigt und konnte sich im letzten Jahr auf einheitliche Regeln einigen. Aber immer wieder wurde gegen diese Regeln verstoßen. Nun verlangt der Staatsvertrag, dass Gewinnspiele transparent sind und den Interessen der Teilnehmer nicht zuwiderlaufen. Insbesondere ist im Programm über die Kosten der Teilnahme, über die Teilnameberechtigung, den Jugendschutz, die Spielegestaltung sowie über die Auflösung der gestellten Aufgabe zu informieren.

Die Sender scheinen sich weitgehend an diese Spielregeln zu halten. Ich habe mir dies vor einigen Tagen einmal eine halbe Stunde lang angetan.

Eine Klarstellung gibt es darüber hinaus beim Inkasso für die Rundfunkgebühren. Die GEZ darf künftig im Interesse der Gebührengerechtigkeit personenbezogene Daten bei nicht öffentlichen Stellen nutzen. Auch der Nachweis für den Antragsteller bei Rundfunkgebührenbefreiungen wird erleichtert. Die Frage der Rundfunkgebühr – ob Geräte-, Haushalts- oder sonstige Abgabe – werden wir in einem späteren Diskussionsprozess beantworten müssen.

Ein weiterer Bereich, den ich nur kurz ansprechen möchte, betrifft die Regelungen für digitale Plattformen. Durch die Anzeigepflicht für Plattformbetreiber wird die Kontrolle durch die ZAK erst ermöglicht.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mit dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sind wir auf einem

guten Weg zur Vereinheitlichung der Medienregulierung. Die zuvor angesprochenen vier Kommissionen sind bundesweite Entscheidungsgremien. Bis 2012 sollen die Ministerpräsidenten einen Vorschlag für eine gemeinsame Geschäftsstelle vorlegen.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass die SPD nach wie vor für eine Medienanstalt der Länder eintritt. Danach würden wir auch nicht auf eine – wie auch immer strukturierte – Landesmedienanstalt verzichten müssen. Lokaler Rundfunk, Offene Kanäle oder das besondere Engagement unserer LMK im Bereich der Medienkompetenzvermittlung verlangen länderspezifische Lösungen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass wir in Europa eines der besten Mediensysteme haben, und deshalb sollten wir damit auch verantwortungsvoll umgehen.

Danke schön.

(Beifall der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Bauckhage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden über den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in einer Zeit, in der die Medienwelt revolutionäre Veränderungen vornimmt, in einer Zeit, in der die Technik – mein Kollege von der CDU sagte es bereits – einen enormen Fortschritt macht. Dies ist eine Bewegung, die von der Politik derzeit begleitet wird. Ich begrüße es sehr, dass die Technik sich schnell entwickelt und die Revolution voranschreitet, aber gleichzeitig ist es schwer, dies noch zu reglementieren. Darin muss ich Ihnen recht geben.

Da ist man ein Stück hinterher. Wenn man daneben ist, ist die andere Technik unterwegs. Deshalb war es richtig, jetzt einen Rundfunkänderungsstaatsvertrag auf den Weg zu bringen, der übrigens sehr stark reglementiert, was man sehen muss. Es geht damit eine sehr starke Reglementierung einher, die teilweise auch richtig angelegt ist. Ich denke dabei an Glücksspiele usw.

Herr Kollege Heinrich, das, was Sie zum Schluss gesagt haben, ist richtig. Medienpolitik ist Kulturpolitik. Das ist gar keine Frage. Medien sind auch keine Ware wie ein Brötchen – das kann man schon so sagen –, sondern mehr und etwas ganz anderes. Von daher gesehen sind eine entsprechende Begleitung und ein entsprechender Rahmen von besonderer Bedeutung.

Ich kann also diesen Rahmen nicht nach normalen, marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten ablaufen lassen. Aber man soll gleichzeitig so viel Freiheit lassen wie möglich. Hier wird ein Stück in diese Rundfunkfreiheit eingegriffen.

Es gibt jetzt die sogenannte ZAK, die Kommission für Zulassung und Aufsicht bundesweit verbreitender Medien. Da besteht natürlich die spannende Frage, wie der Endpunkt ist. Wo liegt der Endpunkt? Liegt er dann tatsächlich bei der Medienanstalt der Länder auf Bundesebene, oder haben die Länder, gerade Länder wie Rheinland-Pfalz und andere Länder, die in der Medienpolitik Avantgardisten waren, was man sehen muss, überhaupt noch eine Chance?

Im Prinzip ist diese ZAK ein richtiges Instrument, wenn Rundfunk bundesweit ausgestrahlt wird. 14 Landesmedienanstalten sind derzeit dabei beteiligt. Das muss man sehen. Es gibt also noch die Chancen der Länder. Dann kommt die neue KEK. Bisher waren es sechs Sachverständige aus Rundfunk und Wirtschaftsrecht. Sie wurden übrigens von den Ministerpräsidenten ernannt. Jetzt gibt es eine Erweiterung mit den Landesmediendirektoren bzw. den Vorsitzenden. Von daher gesehen glaube ich, es ist ein richtiges und gutes Instrument, weil es – ähnlich wie im Kartellrecht vorgesehen – sofort die Klagemöglichkeit bietet, es also nicht mehr wie früher ist, dass der entscheidende Sitz dem Vorsitzenden gehörte, der dann beim Stichentscheid entscheiden konnte.

Das alles sind Instrumente, die auf den Weg gebracht worden sind, die aus meiner Sicht Sinn machen. Große Aufmerksamkeit ist darauf zu lenken, wie es bleibtund wie es mit den Landesmedienanstalten wird. Diesem Punkt gehört unsere allergrößte Aufmerksamkeit; denn die Kulturhoheit der Länder ist nach der Verfassung eine originäre Landesaufgabe. Es ist äußerst wichtig, dass man aufpasst, dass wir nicht am Ende eine Bundesmedienanstalt aller Länder bekommen, wobei die Länder dann auch noch unterschiedlich gewichtet werden. Das ist die große Gefahr.