Das ist Ihre Standortpolitik. Wenn es um große Projekte geht, die Schwierigkeiten machen, dann sind Sie die Bedenkenträger.
Ein Weiteres ist ebenfalls Ergebnis des Dialogs mit der Wirtschaft. Die Wirtschaft sagt: Zunehmend werden die hohen Stromkosten zu einem Problem des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Wer blockiert Investitionen in Kohlekraftwerke? Wer sammelt Widerstand gegen notwendige Maßnahmen? Auch das sind Sie. Auch das gehört zur Verantwortung in der Wirtschaftspolitik hinzu, die getragen werden muss.
Manches muss man Ihnen mehrfach deutlich sagen; denn Sie verstehen es beim ersten Mal offensichtlich nicht.
Herr Baldauf, ich bin gespannt, wie Ihre Politik zu den Kohlekraftwerken bei der IHK und anderen, wie Ihre Politik zu Protesten gegen große Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen von der Wirtschaft aufgegriffen wird. Ich habe Rückmeldungen, wie man dazu steht. Dass eine große Volkspartei Standortpolitik im negativen Sinne betreibt, wird in der Wirtschaft sehr wohl diskutiert, Herr Baldauf, zwar nicht laut, aber sehr intensiv.
Herr Schreiner, Sie erweisen dem Image der CDU auf Dauer einen Bärendienst. Ich werde Sie häufiger zitieren, wenn es um Standortpolitik geht. Wie Sie in der CDU Widerstand gegen ein Kohlekraftwerk organisiert haben, das ist Standortpolitik á la CDU Rheinland-Pfalz.
Es gibt weitere Punkte, bei denen wir mit Sicherheit zu einer ruhigen, sachlichen Debatte kommen werden, weil dies notwendig ist: Eigenkapitalausstattung, Entbürokratisierung, das, was wir im Bereich DSL vorangebracht haben.
Herr Eymael im Gegensatz zu Ihnen sind wir für unseren Ansatz der Entbürokratisierung von der Handwerkerschaft gestern Abend gelobt worden. Ich habe das sehr wohl zur Kenntnis genommen.
(Beifall bei der SPD – Große Heiterkeit bei der CDU – Baldauf, CDU: Heute ist nicht der 1. April! – Wirz, CDU: Das ist okay!)
Wir haben als Wirtschaftsministerium im Gegensatz zu anderen den Mut, das Thema aufzugreifen. Andere haben dies nicht zum Schwerpunkt ihrer Politik gemacht. Ich bin auch davon überzeugt, dass das, was die Kollegin Ahnen im Schulbereich mit der Realschule plus auf den Weg gebracht hat – keiner ohne Abschluss –, von der Wirtschaft insbesondere bei Praxistagen als richtiger Weg erkannt wird. Auch das ist genannt worden.
Auch das zeigt, dass Politik in enger Abstimmung zwischen den Häusern gestaltet wird und dass wir in Rheinland-Pfalz eine wirklich mittelstandsorientierte Politik betreiben. Wir haben keine Angst vor zukünftigen Studien und Rankings, weil die Grunddaten stimmen. Wir wissen, was das Interesse des Mittelstands ist, und das werden wir in Rheinland-Pfalz konsequent verfolgen.
Wir sind am Ende der Debatte über das erste Thema der Aktuellen Stunde angelangt und kommen nun zum zweiten Thema der
„Auswirkungen des EuGH-Urteils zum niedersächsischen Landesvergabegesetz auf Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 15/2108 –
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entscheidung des EuGH und ihre Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz – Diesbezüglich ist zu fragen, wie es mit dem Tariftreuegesetz aussieht, das die SPD-Fraktion vorgelegt hat und das wir diskutieren. Ist der vorgelegte Gesetzentwurf im Lichte dieser Entscheidung haltbar? Ich weiß, dass der zuständige Ausschuss beantragt hat, der Wissenschaftliche Dienst des Landtags möge hierzu ein Gutachten liefern. Diesem Gutachten möchte ich nicht vorgreifen. Nach meiner Einschätzung hat es die Entscheidung des EuGH, die zu Niedersachsen und zu ähnlich gelagerten Regelungen ergangen ist, nicht erlaubt, dieses Gesetz weiterzuverfolgen. Ich bedaure dies ausdrücklich, und ich möchte einige Sätze dazu sagen, warum Tariftreuegesetze notwendig sind.
Sie sind notwendig, weil in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, im Gegensatz zum europäischen Ausland, kein Mindestlohn existiert. Im Grunde sind sie auch notwendig, um es dem öffentlichen Sektor zu ermöglichen, einen Wettlauf um das Dumping bei Löhnen zu vermeiden, was zu Wettbewerbsvorteilen führen würde, hiesige mittelständische Unternehmen ausbluten ließe und letztlich zur Arbeitslosigkeit führte. – Dies alles habe ich jetzt nur kurz erwähnt.
Der EuGH hat, nachdem das Oberlandesgericht Celle Zweifel daran hatte, ob ein solches Gesetz mit EU-Recht vereinbar ist, festgestellt, dass es nicht vereinbar ist, weil die Auslegung der entsprechenden Richtlinie und des Artikels 49 des EG-Vertrages bestätige, dass die Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs eine garantierte Grundfreiheit in der EU sei. Arbeitnehmerschutzinteressen oder andere Interessen rechtfertigten eine solche Einschränkung dieser Richtlinie nicht.
Unser Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2006 – damals ging es um das Berliner Tariftreuegesetz – dazu entschieden, dass der Landesgesetzgeber verfassungsrechtlich legitime Ziele verfolge und das Ziel, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, aufgrund des Sozialstaatsprinzips Verfassungsrang habe.
Wir haben einen Konflikt zwischen den nationalen Grundrechten und dem, wie sich der Europäische Gerichtshof in verschiedenen Entscheidungen der letzten Zeit geäußert hat und Recht setzt.
Meine Damen und Herren, am 3. April 2008 war ein Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“, der auch hier im Pressespiegel war. Dieser war von Clemens Pornschlegel. Er zeigt nach meiner Meinung gut auf, welches Problem wir haben. Der Artikel ist mit „Adieu 1789!“ überschrieben. 1789 – was war da? Wikipedia sagt uns Folgendes: „Die Französische Revolution … gehört zu den folgenreichsten Ereignissen der neuzeitlichen europäischen Geschichte. Die Abschaffung des damaligen feudalabsolutistischen Ständestaates sowie die Propagierung und Umsetzung grundlegender Werte und Ideen
der Aufklärung als Ziele der Französischen Revolution – das betrifft insbesondere die Menschenrechte …“
Das betrifft insbesondere die Menschenrechte, also Errungenschaften wie die Arbeitnehmerrechte, die in Jahren und Jahrzehnten entwickelt worden sind. Diese drohen unter das Rad der Dienstleistungsfreiheit zu kommen, die in der Europäischen Union über viele andere Sozialstandards gesetzt wird. Das geschieht entgegen der nationalen Rechtsprechung. Wenn wir politisch tätig sind, muss uns das Sorge bereiten.
Meine Damen und Herren, in dem Artikel wird darauf eingegangen, dass die EU fordert, dass der öffentliche Sektor gleich behandelt werden muss wie der private Sektor. Hat nicht der öffentliche Sektor ganz andere Aufgaben, wenn er Schulen baut, wenn Straßen gebaut werden? Macht man das nicht auch, um Beschäftigung zu schaffen? Macht man das nicht auch, um strukturell anzusetzen? Ist das das Gleiche wie das Private? Glauben Sie wirklich, dass es sinnvoll ist, dass wir das gleichstellen?
An Herrn Eymael sage ich in diesem Zusammenhang einen Satz aus diesem Artikel: „Mit ‚Liberalismus’ im politischen Sinn,“ heißt es hier in dem Artikel, „d. h. mit der Garantie der größtmöglichen Freiheit für Individuen, hat das nichts mehr zu tun. Im Gegenteil. Es bedeutet deren Preisgabe zugunsten unternehmerischer Interessen.“ Diese müssen bei Privaten natürlich im Vordergrund stehen. Das ist keine Frage. Das kann nicht die europäische Maxime sein, wie wir wirtschaften und wie wir Rahmenbedingungen setzen, wie soziales Leben und Arbeitnehmerrechte in Deutschland zu gestalten sind.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hartloff, die europäische Richtlinie sagt nicht, dass wir den Staat außer Kraft setzen. Lassen Sie uns erst einmal zu dem Punkt des Urteils des Europäischen Gerichtshofs und Ihren Antrag auf Aktuelle Stunde im Verhältnis zum Tariftreuegesetz kommen, was von der SPD-Fraktion eingebracht worden ist.
Ich will die rechtliche Bewertung nicht vornehmen. Ich finde es gut, dass der Ausschuss den Wissenschaftlichen Dienst beauftragt hat, ein Gutachten zu erstellen. Das ändert jedoch nichts an der politischen Bewertung.
Es hat ein Stück zur Erheiterung beigetragen, wie Herr Minister Hering gesagt hat, wir in der Wirtschaftspolitik entbürokratisieren. Wenn die CDU in NordrheinWestfalen ein Gutachten in Auftrag gegeben hätte, wie das nordrhein-westfälische Tariftreuegesetz, das unserem Gesetzentwurf sehr ähnelt, gewirkt hat, dann hätte ich Verständnis dafür, wenn Sie sagten, dass die CDU einen Gutachter ausgesucht habe, der in ihre Richtung begutachtet. Rotgrün hat damals das Gutachten in Auftrag gegeben und den Gutachter ausgesucht. Wir unterstellen nicht, dass damals ein Gutachter ausgesucht wurde, der von vornherein das Ziel hatte zu sagen, das Tariftreuegesetz taugt nichts, es ist nicht anzuwenden, man sollte es abschaffen.
Dieses Gutachten besagt Gleiches wie viele andere, die sich damit beschäftigt haben. Im Rahmen des Gutachtens wurden beispielsweise Umfragen gemacht und Bewertungen vorgenommen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass 97 % der am Tariftreuegesetz Beteiligten in Nordrhein-Westfalen das Gesetz nicht wollen. Wenn 97 % der Befragten mit Blick auf ihre Erfahrungen mit dem Tariftreuegesetz sagen, das wollen wir nicht, es taugt nichts, und es daraufhin abgeschafft wird, dann fragt man sich, warum es hier eingebracht wird. Selbst Gewerkschafter sagen, dass es den Zweck, den es erfüllen soll, überhaupt nicht erfüllt und auch nicht erfüllen kann. Die CDU bleibt klar bei der Ablehnung dieses Gesetzentwurfes, und zwar unabhängig von der rechtlichen Beurteilung.
Es gibt eine zweite Frage. Ich habe mich ein bisschen gewundert, dass Sie das bei Ihrer Rede nicht an den Anfang gestellt haben. Wenn ich das als Nichtjurist richtig verstanden habe, hat der Europäische Gerichtshof in die Begründung geschrieben, dass eine Voraussetzung für das Tariftreuegesetz der Mindestlohn wäre.
So war es im Ansatz beschrieben. Sie haben gesagt, wir haben keinen Mindestlohn und haben vor den Gefahren gewarnt, die auf uns zukommen, dass die Menschen ausgebeutet werden. Sie sind ziemlich weit bei den Errungenschaften zurückgegangen.
Ich sage es noch einmal offiziell für das Protokoll. Als wir eben gelacht haben, haben wir über etwas anderes gelacht als über das, was Sie gesagt haben. Das soll vorkommen. Ich hätte es an Ihrer Stelle vielleicht auch genutzt.