Protocol of the Session on June 7, 2006

In den zurückliegenden Diskussionen ist das besonders strittig für den Bereich der Bildungspolitik diskutiert und besprochen worden. Durch die Neuordnung, die uns jetzt als Entwurf vorliegt, ist die Kompetenzlage für die Länder in diesem Bereich gestärkt.

Die Verantwortung der Länder wird damit größer. Ich glaube, ich kann vorweg sagen, das Land RheinlandPfalz, aber auch – wenn ich es richtig beobachtet habe – die anderen Bundesländer übernehmen diese Verantwortung gern, stellen sich ihr und wollen auch das Zusätzliche an Aufgaben übernehmen.

(Beifall der SPD)

Die schulische Bildung bleibt Länderverantwortung. Herr Kollege Baldauf, zu Ihren ersten Einlassungen, wir seien eigentlich nur noch zu einer Verwaltung verkommen und die Gestaltung sei auf der Strecke geblieben, möchte ich in diesem Zusammenhang sagen: Schulische Bildung war unsere Kompetenz und ist von uns so genutzt worden, dass zumindest im Land Rheinland-Pfalz eine tiefe Gestaltungsqualität vorgelegen hat. Wir beabsichtigen, diese Gestaltungsqualität, die uns in dem neuen Entwurf

erneut zugewiesen ist, auch weiterhin wahrzunehmen und durchzuführen.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Der Entwurf hat in der Tat den Bereich der schon lange nicht mehr – zumindest in der eigentlich vorgesehenen Qualität – wahrgenommenen Gemeinschaftsaufgabe der Bildungsplanung gestrichen und hat dafür eine neue Gemeinschaftsaufgabe formuliert. Ich denke, es ist bemerkenswert, dass dies als Gemeinschaftsaufgabe aufgenommen worden ist. Ich spreche von der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich. Auch diesen gemeins amen Auftrag wird zumindest das Land Rheinland-Pfalz – wie auch in der letzten KMK von allen Ländern bestätigt worden ist – intensiv wahrnehmen.

Im Bereich der Hochschulen entfällt die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau, und die Länderzuständigkeit hierfür soll als Steuerungsinstrument dienen. Neuaufteilungen bei der Forschungsförderung sind vorges ehen.

Die neue Regelung, die in § 104 des Grundgesetzes aufgenommen worden ist und die die Einmischung des Bundes in die Finanzierung und Steuerung bei AlleinLänder-Zuständigkeitsfragen vorsieht, hat – wie soeben schon angesprochen – zu mehrfachen Diskussionen geführt. Nachlesen können wir das Ganze in den §§ 91 a und b sowie in den §§ 104 a und b des Grundgesetzes, wobei die b-Paragraphen jeweils die neuen Paragraphen sind. Die Bildungshoheit ist traditionell das Aufgabenfeld der Länderparlamente. Warum ist das so? Warum war das so? Warum hat man sich dies von vornherein so ausgedacht, und warum bleibt es so?

Es ist schon in mehreren Beiträgen erwähnt worden, wir sind näher dran. Wir fühlen uns Auge in Auge mit denjenigen, für die wir entscheiden, auch für die Aufgaben verantwortlich. Wir kennen die Notwendigkeiten in unseren Länderparlamenten deutlich besser, die vor Ort entstanden sind. Wir kennen die Nachfrage bei Eltern, Schülern und Studierenden genauer, da sie direkt mit uns reden. Wir kennen auch die Bedarfe der regionalen Wirtschaft genauer; denn auch die reden mit uns direkt. Wir können deswegen schneller agieren und bessere und zielgenauere Angebote entwickeln. Wir können besser Kooperationen mit außerschulischen oder außeruniversitären Partnern knüpfen; denn wir kennen deren Angebote schneller und präziser.

Die Liste der Argumente, die für eine Länderhoheit bei den Bildungsfragen spricht, könnte ich – darin sind Sie sicher – um dutzende von weiteren Argumenten verlängern.

Was haben wir in Rheinland-Pfalz mit dieser Zuständigkeit und mit dieser Verantwortung eigentlich angefangen? – Ich nenne einmal ein paar Stichworte aus der großen Palette. Ich nenne Projekte, die ganz deutlich dadurch zustande gekommen sind, dass wir als diejenigen, die vor Ort wissen, worum es geht und was notwendig ist, entschieden haben. Ich nenne beispielsweise das Thema Regionale Schule oder Duale Oberschule, die Volle Halbtagsschule, die Ganztagsschule, die

Schwerpunktschulen, die Reform der Lehrer- und Lehrerinnenbildung, aber auch unsere Qualitätsoffensive. Dies alles sind Maßnahmen, die entstanden sind, weil wir wussten, was vor Ort gebraucht wird, was unsere Schülerinnen und Schüler brauchen und wie die Reform tatsächlich in diesem Land spezifisch für die Probleme der Kinder, Jugendlichen und der Studierenden aussehen muss.

Es gibt keinen Zweifel – ich bin sicher, darin sind wir uns fraktionsübergreifend einig –, dass in dieser kurzen Zeit, die wir als Landesparlament dafür gebraucht haben, solche Entwicklungen und solche Projekte in der Diskussion einer Bundeszuständigkeit nicht hätten durchgeführt werden können. Solche Reformprojekte hätten auf Bundesebene unendlich viel länger gebraucht, wenn sie je in der Qualitätstiefe entstanden wären.

(Beifall der SPD)

Man stelle sich vor, die Diskussionen, die Anhörungen, die Gespräche, die Besuche, die Recherchen, die in diesem Land durchgeführt worden sind, um zum Beispiel das Projekt Ganztagsschule zu entwickeln, wären auf Bundesebene für die Entwicklung eines Ganztagsschulprojekts für die Bundesrepublik Deutschland durchgeführt worden. Stellen Sie sich die tausende von Besuchen, von Gesprächen, von Recherchen und die Phasen von immer wieder neuem Nachdenken vor, und überlegen Sie sich, wie viel Zeit wir dafür gebraucht hätten. Überlegen Sie sich, ob wir überhaupt ein kompromissfähiges Modell in einer überschaubaren Qualität hätten entwickeln können, und überlegen Sie sich, an welcher Stelle das Projekt wahrscheinlich entnervt zu den Akten gelegt worden wäre. Ich bin froh, dass wir die Länderzuständigkeit hatten.

Ich bin froh, dass wir im Gespräch mit außerschulischen Partnern, mit Menschen aus der Jugendhilfe, mit Menschen aus der Pädagogik diskutieren konnten und wir das entwickeln konnten, was entwickelt worden ist. Ich bin froh, dass wir dafür in der Tat nur ein halbes Jahr in Rheinland-Pfalz gebraucht haben. Danach sind wir gestartet und konnten das Projekt laufen lassen. Man stelle sich dies in Bundeszuständigkeit vor!

Was ist schlecht an dem Begriff Wettbewerb? – Wir haben vorhin schon darüber Reden gehört. Jetzt möchte ich es betonen: Wettbewerb, wenn er denn dazu führt, dass tatsächlich bei 16 Ideen die schlechteste 16. oder vielleicht auch die schlechteste 15. Idee und, wenn irgend möglich, alle schlechten Ideen, die Kinder, Jugendliche und Studierende auf dem Bildungsweg zu Verliererinnen und Verlierern machen, nicht wahrgenommen werden, sondern wenn sehr schnell und sehr intensiv gelernt werden kann, aus den guten Ideen der Länder, die gute Ideen in diesen Wettbewerb eingebracht haben – – –

(Beifall der SPD)

Ich glaube, dass ein Ideenwettbewerb zwischen föderal strukturierten Ländern in der Tat zu Weiterentwicklungen im Bildungssystem führen kann und in den zurückliegenden Jahren geführt hat. Dafür müssen wir uns allerdings alle selbst in die Pflicht nehmen, nicht das zu tun,

was man natürlich leicht tut, nämlich immer zu sagen: „Unseres ist gut, und das andere muss deswegen schlechter sein“,– sondern immer wieder zu recherchieren, zu fragen und zu schauen, wo bei den anderen in deren Ideen das Gute steckt, und sich nicht als Dieb zu fühlen, sondern als derjenige, der das Rad nicht neu erfinden will, wenn er dann die guten Ideen der anderen übernimmt. Was kann also an einem Wettbewerb schlecht sein, der befruchtet und anregt? Wie kann man glauben, dass dies ein Prinzip ad absurdum führt?

Wir stehen zur Entscheidung von Föderalismus. Wir stehen zur Entscheidung der Reform, die Bildungskompetenz den Ländern zuzufügen, aber wir sollten uns in dieser Diskussion heute die Zeit nehmen und nicht darüber hinwegreden, dass es natürlich eine ganze Menge Bedenken aus der Fachwelt von Experten gab, die schon den Finger auf kleine Wunden oder auf kleine Punkte legten, bei denen vielleicht auf dem Kompromissweg beim ersten Schritt Dinge entschieden worden sind oder entschieden werden, die in Wirklichkeit diesem Prinzip nicht unbedingt förderlich sind. Ich denke, darüber sollten wir aber auch ganz klar reden.

Es muss Chancengleichheit im Bildungssystem sichergestellt sein. Es muss Durchlässigkeit der Systeme weiterhin geben. Es muss das Angebot gleicher Lebensbedingungen bei allen Planungen und allen Projekten beachtet werden. Es muss die Gewährleistung der Freizügigkeit und die Sicherung von Mobilität durch, während und in Bildungssystemen garantiert sein. Länderzuständigkeiten dürfen nicht Barrieren schaffen, sie dürfen nicht Barrieren, die vorhanden sind, zementieren, sondern wir müssen die Chance dieser Diskussion nutzen, bei Angebotsvielfalt Barrieren abzubauen und keine neuen Barrieren entstehen zu lassen.

(Beifall der SPD)

Wir brauchen eine stärkere Harmonisierung der Bildungssysteme zwischen den Ländern, und wir brauchen deswegen auch das, was in den zurückliegenden Monaten, soweit ich es beurteilen und beobachten konnte, die KMK getan hat, nämlich länderübergreifende Bildungsstandards zu entwickeln, die für alle Länder verlässlich werden, und über diese einvernehmliche Verständigung hinaus, die wir im Bildungs - und Erziehungssystem zwischen den Ländern in den Bildungsstandards gefunden haben, die Überprüfung der Erreichung dieser Standards tatsächlich durchzuführen.

Ich glaube, dass der letzte Beschluss, den die Kultusministerkonferenz am vergangenen Wochenende gefasst hat, ein optimistisches Zeichen ist und das Prinzip, mehr Selbstständigkeit, aber auch verlässliche Standards und regelmäßige Evaluation tatsächlich kräftig in die Hände genommen worden ist.

Ich möchte einen kleinen Satz zu Rheinland-Pfalz sagen. Ich glaube, wir haben auch in diesem Bereich in den zurückliegenden Jahren gezeigt, dass der positive Wettstreit im Bereich der Evaluation von den einzelnen Ländern ausgehen kann. Ich erinnere an das Prinzip VERA, das zunächst bei uns entwickelt worden ist und nach und nach von immer mehr Bundesländern übernommen worden ist. Ich habe die Hoffnung, VERA wird

eines der wirklich wichtigen Evaluationsinstrumente, die tatsächlich Chancengleichheit im Bildungssys tem gewährleisten können.

Ein Punkt ist jetzt schon ausführlich klar gemacht worden. Natürlich ist ein Punkt in dieser ganzen Diskussion im Bildungssystem ganz wesentlich. Wir brauchen die finanziellen Rahmenbedingungen, die dann tatsächlich auch die Entwicklung von Bildungssystemen in den Ländern im positiven Wettstreit voranbringen.

Zweifellos ist das Thema im Bereich Forschung und Hochschule ganz wichtig. Für Forschung und Lehre innerhalb und außerhalb unserer Hochschulen hatten und haben wir große finanzielle Probleme. Wenn wir uns überlegen, dass die Studierendenzahlen im sechsstelligen Bereich anwachsen werden, was zumindest die Prognosen sagen, dann wissen wir, dass wir an einen Punkt kommen werden, an dem die Länderfinanzen wahrscheinlich deutlich nicht mehr ausreichen werden und die Länder allein total überfordert sind. Ich sage es einmal so.

Wir sehen in einzelnen Bundesländern die Reaktionen, die mutig und tapfer hingehen und einfach die Studierendenzahlen kürzen und Chancen für junge Menschen einschränken. Die Folge werden Num erus-claususRegelungen in wahrscheinlich abenteuerlicher Strenge sein. Das kann und darf in dieser Föderalismusauseinandersetzung nicht die Antwort sein. Das ist nämlich nicht die Vielfalt von Ideen, sondern nur noch das gemeinsame Kürzen und Sparen.

In der vergangenen Woche hat im Bundestag besonders zum Bereich Bildung, Hochschule und Forschung eine Anhörung stattgefunden. Darauf ist schon hingewiesen worden. Es sind 24 Anzuhörende eingeladen gewesen. Die Anhörungsdauer betrug 10,5 Stunden. Einen Teil davon habe ich mir im Internet im Originalton angehört. 10,5 Stunden habe ich nicht geschafft.

Es ist aber klar geworden, dass dort Vorwurfsqualitäten wie folgende kommen:

Die Länder können überhaupt keine Bildungsplanung machen. Es ist das Wort vom Bildungswirrwarr in der Anhörung gefallen.

Sie sind keine verlässlichen Partner, denen Standards und Qualität wichtig wären, sondern wichtig sind ihnen Einsparchancen.

Sie sehen die Notwendigkeiten von Investitionen nicht ein, sondern sie wollen lieber Dinge zusammenstreichen.

Sie reagieren populistisch und nur auf Druck.

Ich hoffe, dass ich zumindest mit den Beispielen, die wir in der rheinland-pfälzischen Bildungspolitik in den zurückliegenden Jahren aufgrund unserer föderalen Verantwortung durchgeführt haben, gezeigt habe, dass zumindest in diesem Bundesland diese Vorwürfe absolut ins Leere laufen. Qualität war uns immer wichtiger. Unsere Haushaltsschwerpunkte haben wir von Jahr zu Jahr deutlicher auf den Bereich der Bildung gelegt. Da war

nicht die Spardose das Prinzip, sondern im Gegenteil die Investitionsquote.

(Beifall bei der SPD)

Es wurden aber auch Bedenken gegen die Formulierung des neuen Artikels 104 b des Grundgesetzes erhoben. Herr Kollege Jochen Hartloff hat schon kurz darauf hingewiesen. Es ist die neue Grundgesetzformulierung, die eine Mitfinanzierung des Bundes für Angelegenheiten, die allein in Länderzuständigkeit liegen, unmöglich machen soll.

Zweifellos bedeutet dieses Kooperationsverbot für den Gesamtbereich der Hochschulpolitik, besonders für Lehre und Forschungsförderung, eine äußerst negative Einschränkung.

Natürlich gibt es Reaktionswege, zum einen der schon erwähnte mögliche Wegfall bzw. die Einschränkung dieses Kooperationsverbots für den Bereich der Hochschulpolitik, außerdem die Ländervereinbarung für die Akzeptanz des Modells „Vorteilsausgleichsregelung“, wobei in diesem Modell der Bund natürlich mindestens die finanzielle Gesamtverantwortung für internationale und ausländische Studierende übernehmen könnte oder im Rahmen der Finanzreform die Übertragung von deutlich mehr Steuerquellen auf die Länder, worauf schon in der Debatte über die Föderalismusreform II eingegangen worden ist, um den Ländern für die Aufgaben der Forschung und Lehre mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Bleiben kann es bei der Einschränkung so, wie es ist, nicht, zumindest nicht dann, wenn wir uns dem Ziel verpflichtet fühlen, es müssen die adäquaten Mittel für den Bereich der Lehre und der Forschung in die Hochschulen fließen.

Aber auch im Bereich der schulischen Bildung hat die Unterstützung für die Entwicklung von neuen und mehr Ganztagsschulen, Stichwort IZBB, gezeigt, dass das Bildungsziel der Chancengleichheit durch eine gemeinsame Finanzverantwortung von Bund und Ländern ausgesprochen hilfreich sein kann, ohne dass damit die Bildungszuständigkeit des Landes Rheinland-Pfalz oder anderer Länder auch nur im Geringsten eingeschränkt gewesen wäre. Das möchte ich betonen. Wir haben unser Modell entwickelt und die zusätzlichen Investitionsmittel unseren Schulen zur Verfügung stellen können.

Was also soll dieses Kooperationsverbot im Bereich schulischer oder universitärer Bildung? Es erschwert Innovation. Ich denke, es sollte überdacht werden.

Meine Damen und Herren, die Föderalismusreform dient ohne Frage dem Bereich Bildung, Hochschule und Forschung. Ich denke aber, es gibt ein paar Eckpunkte, die dabei beachtet und sichergestellt sein müssen. Nur dann dienen sie wirklich. Die Abstimmung muss so sein, dass neue Strukturen im Interesse von Chancengleichheit und Mobilität in den Schulen vorhanden sind, der Wettbewerb zur Qualitätssteigerung führt, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, unsinnige Barrieren wie zum Beispiel das Kooperationsverbot fallen, die neue Gemeinschaftsaufgabe für die Feststellung der Leistungsfähigkeit mehr Transparenz ins Bil

dungssystem bringt und veränderte Finanzierungsmodalitäten besonders auf dem Forschungssektor nicht Nachteile bei der Finanzierung der Lehre in unseren Hochschulen mit sich bringen und damit die künftigen Studierenden in unserem und in den anderen Bundesländern vor gute, für sie zukunftsträchtige Studienbedingungen gestellt werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich den Deutschen Bundeswehrverband Cochem -Zell. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!