Es geht dem Aktionsbündnis der Deutschen Behindertenverbände vor allen Dingen um die Barrierefreiheit, die wir sehr ausdrücklich in unseren Gesetzen haben, aber Sie können sich sicherlich noch in diesem Haus an die Diskussion zum Thema „Barrierefreiheit“ erinnern. Auch da ist die Umsetzung nicht immer so optimal wie wir uns das wünschen, weil wir in unserem Gesetz eine Einschränkung mit „soweit wie möglich“ haben. Diesen Punkt haben wir bereits im Parlament diskutiert. Deshalb kann ich mir an dieser Stelle weitere Ausführungen ersparen. Ich meine, das sollte auch noch einmal im Ausschuss diskutiert werden können.
Wir brauchen das Thema „Barrierefreiheit“ auch noch einmal sehr dringend beim Thema „Mobilität“ und bei der Frage, wie die Deutsche Bahn noch deutlich besser eine Barrierefreiheit herstellen kann. Das soll vor dem Hintergrund der UN-Konvention natürlich auch im grenzüberschreitenden Verkehr gelten, bei dem es bisher Grenzen gibt.
Wir müssen darauf hinwirken, dass international, in Europa und darüber hinaus die Möglichkeiten der behinderten Menschen verbessert werden. Ich würde mich freuen, wenn wir hierüber noch einmal ausführlich im Ausschuss diskutieren könnten.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon oft angesprochen. Man kann es aber nicht oft genug sagen. Der Begriff „Behinderung“ wird heute ganz anders eingesetzt, gebraucht und gewertet als noch vor zehn oder 20 Jahren. Wir können alle stolz darauf sein, dass bei diesem Paradigmenwechsel, der Veränderung der Wahrnehmung von Behinderungen, Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle gespielt hat.
Alle Fraktionen waren daran beteiligt. Ich bin überzeugt davon, dass alle Fraktionen die Grundintention teilen, die Herr Kollege Dröscher vorgetragen hat, Menschen mit Behinderungen zu einer möglichst umfassenden Teilhabe zu führen und ihnen die Wege barrierefrei zu ebnen.
Meine Damen und Herren, in der Vorbereitung auf dieses Thema habe ich Gespräche über den Behindertensport geführt. Diese hatten ein ganz interessantes Ergebnis. Menschen mit Behinderungen, die mit einem Bein 100 Meter sprinten, laufen sehr viel schneller als wir alle im rheinland-pfälzischen Parlament. Gewissermaßen sind wir die Behinderten.
Das ist der moderne Begriff von Menschen mit Behinderungen. Man stellt nicht die Behinderung, sondern die Befähigungen in den Vordergrund. Auch deshalb unterstütze ich diesen fraktionsübergreifenden Konsens.
Meine Damen und Herren, ich nehme auch sehr ernst, was der Ministerpräsident in seinen europapolitischen Ausführungen mit klugen Worten bedacht hat, nämlich die Subsidiarität.
Herr Kollege Dröscher, ich warne davor, dass wir einen so umfassenden Vorschlag, wie er dieser UNKonvention zugrunde liegt, blauäugig auf nationales Recht und damit letztlich auch auf Landesrecht übertragen.
Wir haben sehr viel getan, was sich in diesen UNKonventionen jetzt schon auf dieser Ebene ebenfalls findet. Es ist auch noch ein weiter Weg zu gehen. Das bestreitet niemand. Eine solche UN-Konvention ist keine „Pillepalle“-Veranstaltung. Das ist ein völkerrechtsverbindlicher Vertrag mit außerordentlich weitreichenden Konsequenzen, die man spätestens bei der Ratifizierung zumindest im Wesentlichen überschauen sollte, wenn man dafür seine Hand hebt.
Deshalb plädiere ich ausdrücklich dafür, diesen Antrag an den Sozialpolitischen Ausschuss und mitberatend an den Rechtsauschuss zu überweisen, damit wir uns noch einmal damit auseinandersetzen können. Ich glaube, dass wir erst dann seitens des Landes eine Ratifizierung betreiben sollten, wenn die offizielle Übersetzung vorliegt; denn wer die Arbeitsübersetzung gelesen hat, stolpert über viele Holprigkeiten, die den Eindruck einer Computerübersetzung machen. Viele Sätze sind in ihrer wirklichen völkerrechtsverbindlichen Tragweite zum jetzigen Zeitpunkt nach meinem laienhaften Verständnis überhaupt nicht komplett absehbar.
Meine Damen und Herren, das gilt beispielsweise für das, was der Kollege Dröscher als Ombudsmann beschrieben hat. So beschrieben, ist das eine gute Idee. Aber auch hier warne ich davor, unser gut funktionierendes Ombudswesen in Rheinland-Pfalz auf die große weite Welt zu übertragen. Stellen Sie sich das bitte nicht so vor, dass ein Fax in New York eingeht, und in der nächsten Sitzung des UN-Ombudsausschusses wird eine entsprechende Regelung getroffen. Das sind komplizierte Verfahren, die angestoßen werden.
Wir müssen aufpassen, dass wir die Balance zwischen einem Ombudsrecht und der Aushöhlung parlamentarischer demokratischer Rechte, Pflichten, Kompetenzen und Verantwortungen behalten. Wir sind gewählte Volksvertreter. Die Bundestagsabgeordneten sind es ebenfalls.
Eine Delegation von Rechten nach New York ist eine Sache, die wohlbedacht sein will, insbesondere dann, wenn man sich vergegenwärtigt, was in den Ausführungen des Herrn Weiß beschrieben ist, nämlich dass eine ganz starke Rolle im Follow-up, wie er es nennt, eine konsequente und kontinuierliche Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und nationalen Menschenrechtsinstitutionen für die Erfolge unverzichtbar macht. Es ist eine gute Idee, über Regierungen und Parlamente hinaus andere Strukturen mit einzubeziehen. Wer aber hat welches Recht zu welchem Zeitpunkt? Auch das muss man bedenken, bevor man ratifiziert.
Meine Damen und Herren, wir müssen darüber hinaus achtgeben, dass wir keinen bürokratischen Moloch schaffen, der Hoffnungen weckt, die nachher nicht erfüllt werden. Aus all diesen Gründen heraus bitte ich auch die SPD-Fraktion, vorläufig von einer Abstimmung abzusehen und die Überweisung an die Ausschüsse mitzutragen.
Jahrestage feiern. Es ist fast genau fünf Jahre her, nämlich am 4. Dezember 2002, als wir im Parlament unser Gleichstellungsgesetz mit breiter Mehrheit verabschiedet haben. Es gab gute Vorläufe, schöne Anhörungsverfahren und Diskussionen. Ich glaube, es lohnt sich, das noch einmal zu erwähnen.
Wir waren immerhin das erste Bundesland, das nach dem Bundesgleichstellungsgesetz ein Landesgleichstellungsgesetz verabschiedet hat. Ich danke an dieser Stelle allen noch einmal, dass dieses Thema immer in einem solch großen Konsens vorangetrieben worden ist.
Dass dem Gesetz auch Taten folgen, können wir immer wieder in den Diskussionen über die Berichte bei der Umsetzung – Herr Dröscher hat bereits darauf hingewiesen – nachvollziehen. Ein Anliegen von mir ist, dass bei uns die Nichtregierungsorganisationen sehr gut eingebunden sind. Wir haben in Rheinland-Pfalz ein sehr gutes System entwickelt, über Zielvereinbarungen Nichtregierungsorganisationen aus der Behindertenszene mit einzubeziehen und damit ein neues Instrumentarium entwickelt, um in Rheinland-Pfalz auch Dinge sehr unbürokratisch zwischen den unterschiedlichen Partnern miteinander zu vereinbaren und das Thema „Barrierefreiheit“ voranzubringen.
Was ist der zweite Jahrestag? Der 13. Dezember ist geradezu für die heutige Diskussion auserkoren. Es ist nämlich der Tag, an dem in New York die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, über die wir heute sprechen, angenommen hat. Weltweit war das sicherlich für eine an Bürgerrechten orientierte Gesetzgebung ein sehr wichtiger Schritt. Das ist auch das ganz zentrale Anliegen der UN-Konvention.
Ich möchte aus diesem Grund aus der Präambel zitieren. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen unterstützt damit nämlich die Feststellung – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –, „dass jede Diskriminierung eines Menschen auf Grund einer Behinderung eine Verletzung der angeborenen Würde und des innewohnenden Werts des Menschen darstellt“. Das ist eine sehr weitgehende Formulierung und ein sehr weitgehendes Selbstverständnis, wie es von Herrn Dr. Schmitz an dem schönen Beispiel des Schnellläufers dargestellt worden ist.
Mittlerweile – Frau Thelen hat es gesagt – haben 118 Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, diese Konvention gezeichnet. Es ist so, dass wir die amtliche Übersetzung benötigen, um letztendlich beurteilen zu können, ob und was wir an den einzelnen Punkten gut oder nicht besonders gut finden.
Ich darf aber sagen, dass sich das Land Bremen bereits umfassend damit befasst hat, was wir heute im Landtag tun. Das Land Rheinland-Pfalz wäre das zweite Bundesland, das sich mit diesem Thema befasst. Herr Dröscher hat auch gesagt, dass Bremen nur die Konvention und nicht das Zusatzprotokoll für gut befunden hat. Ich glaube, das ist eher ein Problem.
Wir sollten uns die Zusatzprotokolle sehr genau anschauen; denn im Zusatzprotokoll wird nicht nur der Ausschuss mit Ombudsfunktionen anerkannt, sondern werden auch die behinderten Menschen selbst erst richtig mit einbezogen, das heißt, die Beteiligung behinderter Menschen selbst und deren Verbände ausdrücklich begrüßt und geregelt.
Insofern werbe ich dafür, dass wir uns der alten Tradition entsprechend im Haus intensiv damit auseinandersetzen, und zwar mit der Konvention und dem Zusatzprotokoll, das aus meiner Sicht sehr wichtig ist.
Ich möchte in diesem Zusammenhang keine Inhalte nennen, sondern mich nur auf Stichpunkte beschränken. Von Herrn Abgeordneten Dröscher wurde bereits ausgeführt, dass diese Konvention 50 Artikel enthält. Darin werden im Grunde genommen alle Lebensbereiche aufgegriffen, die für behinderte Menschen eine Rolle spielen. Es geht um das Recht auf Leben, um die Barrierefreiheit, um die Rechtsfähigkeit behinderter Menschen, um gemeinsame Bildung und auch um den Zugang zum Gesundheitssystem. Es geht natürlich auch um selbstbestimmte Lebensführung und die Teilhabe an der Gesellschaft. Nach dieser Konvention haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass behinderte Menschen ihren Wohnsitz frei wählen und auch entscheiden können, mit wem sie zusammen leben.
Dies bedeutet in der Umsetzung, sie dürfen natürlich einerseits nicht verpflichtet werden, in bestimmten Wohnformen zu leben, aber müssen andererseits auch einen Zugang zu einer Reihe von häuslichen, institutionellen und auch anderen gemeindenahen Unterstützungsangeboten oder -diensten haben. Das ist ein Beispiel dafür, dass es ganz klare Umsetzungskonsequenzen gibt, wenn man diese Konvention ratifiziert.
In Rheinland-Pfalz stellt dies alles nicht wirklich ein Problem dar; denn Studien wie „Wohnen, wo ich will“, die vorhin schon genannt worden sind, verfolgen genau diese Intention, dass es eben nicht nur eine einseitige Form der Unterstützung von behinderten Menschen in stationären Einrichtungen gibt, sondern auch eine Vielzahl von Wohnangeboten und insbesondere auch die Wahlmöglichkeiten. Insofern glaube ich, dass wir mit dieser Konvention sehr gut leben können. Wir werden sie im Detail diskutieren. Dies unterstütze ich nachhaltig, und ich hatte auch die Signale so verstanden, dass es gewünscht ist, im Sozialpolitischen Ausschuss intensiv darüber zu debattieren.
Für mich ist prägend in dieser Konvention, dass sie eine ganz neue Grundhaltung formuliert: Sie geht eigentlich von einem sozialen Modell der Behinderung aus und nicht mehr vom medizinischen Modell, wie dies früher noch der Fall war. Sie ist damit eben nicht mehr nur defizitorientiert, sondern – im Gegenteil – stärken- und fähigkeitsorientiert. Ausgehend von diesem Grundsatz entwickeln sich all die Grundsätze, die in dieser Konvention wiederzufinden sind.
Wir sind in Rheinland-Pfalz sehr weit fortgeschritten, und daher glaube ich, wir können mit dieser Konvention sehr gut umgehen. Aber ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen – dies war auch immer Konsens in diesem
Haus –, wenn man beispielsweise in Länder wie Amerika gereist ist, die schon 25 Jahre ein Antidiskriminierungsgesetz haben, erkennt man natürlich die Unterschiede: Dort gibt es keine Stadt, in der die Bordsteine nicht abgesenkt sind. Man kommt in jede Metro hinein, auch wenn man auf den Rollstuhl angewiesen ist. Wenn man in eine Bank hineinfährt, gibt es einen abgesenkten Schalter, damit der Rollstuhlfahrer über die Theke schauen kann. Man sieht also trotz allem noch große Unterschiede in den Ländern, die schon sehr viele Jahre länger in diesem Bereich tätig sind. Dies soll uns nicht davon abhalten zu sehen, dass wir bis zum heutigen Tag in Rheinland-Pfalz Gutes vollbracht haben, aber es soll uns auch ein Anreiz sein, noch weiterzumachen und eines Tages einen völligen Durchbruch herzustellen.
Ich danke Ihnen sehr herzlich. Ich denke, die Konvention kann uns Rückenwind in unseren Bestrebungen geben, und ich freue mich auf die Diskussion.
Es wurde vereinbart, den Antrag an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend – sowie an den Rechtsausschuss zu überweisen. Besteht darüber Einverständnis? – Dann ist dies so beschlossen.
Landesgesetz zu dem Staatsvertrag über die Einrichtung eines gemeinsamen Studienganges für den Amtsanwaltsdienst und die Errichtung eines gemeinsamen Prüfungsamtes für die Abnahmeder Amtsanwaltsprüfung Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/1667 – Erste Beratung
Gemäß Absprache im Ältestenrat soll dieser Tagesordnungspunkt ohne Aussprache direkt an den Rechtsausschuss überwiesen werden.
Ich darf nun Gäste im Landtag begrüßen, und zwar Weinköniginnen aus dem Wahlkreis 24, Bürgerinnen und Bürger aus der Verbandsgemeinde Schweich sowie Mitglieder des SPD-Ortsvereins Kindenheim. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!
Landesgesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen (Landestariftreuegesetz – LTTG –) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 15/1696 – Erste Beratung
Es wurde eine Grundredezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich darf zunächst Herrn Minister Hering das Wort erteilen.