Es wurde eine Grundredezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich darf zunächst Herrn Minister Hering das Wort erteilen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rheinland-Pfalz ist ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort. Dies können wir an der Entwicklung des Bruttosozialprodukts und insbesondere an der Entwicklung des Arbeitsmarktes festmachen, an der drittniedrigsten Arbeitslosenquote und an der Tatsache, dass in keinem Bundesland in Deutschland in den letzten zehn Jahren so viele neue Arbeitsplätze geschaffen wurden wie in Rheinland-Pfalz.
Das Ziel der Landesregierung ist es, diesen Wirtschaftsstandort weiter zu stärken, indem sie für faire Wettbewerbsbedingungen sowie für gute Arbeit sorgt.
Meine Damen und Herren, zu einem starken und zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort gehören keine Dumpinglöhne.
Deutschland ist mittlerweile das einzige Land in Europa, in dem es keine flächendeckende Regelung über Mindestlöhne gibt. In anderen europäischen Staaten, in denen es diese Regelungen nicht gibt, gibt es Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen, die im Grunde die gleiche Wirkung haben.
In der gestrigen Debatte über Mindestlöhne haben wir erfahren, dass mittlerweile auch Teile der CDU verstanden haben, dass dies dazu beiträgt, einen Wirtschaftsstandort mit der Zielsetzung zu stärken, einen Wettbewerb um Qualität und nicht um niedrige Löhne zu schaffen.
In diese Gesamtstrategie gehört das Gesetz der Landesregierung zur Tariftreue, das wir heute ins Parlament einbringen. Klar für uns ist, dass die öffentliche Hand ihrer Vorbildfunktion gerecht werden muss und dass es nicht akzeptabel ist, dass dort, wo mit Steuergeldern öffentliche Aufträge vergeben werden, sich manche Firmen einen Wettbewerbsvorteil dadurch verschaffen, dass sie mit Dumpinglöhnen arbeiten. Wir werden dafür sorgen, dass dies in Rheinland-Pfalz nicht mehr möglich ist.
Wir haben auch während der Beratung des Gesetzes erfahren, dass es vonseiten der kommunalen Spitzenverbände sowie auch in Stellungnahmen der Kommunen einhellige Zustimmung zu diesem Gesetz gegeben hat und dass es insbesondere aufseiten der Kommunen das Bedürfnis gibt, für einen fairen regionalen Wettbewerb zu sorgen. Einige von Ihnen, die in der Kommunalpolitik Verantwortung tragen, kennen Fallkonstellationen, dass sich Unternehmen, die eine lokale Verankerung haben und anständige und faire Löhne zahlen, zu Recht darüber beschwert haben, dass sie nur deswegen einen Auftrag nicht bekommen haben, weil andere Unternehmen aus anderen Regionen mit Dumpinglöhnen arbei
ten. Ich selbst kenne Fälle aus meiner Arbeit als Umweltstaatssekretär, bei denen Unternehmen in der Abfallwirtschaft Entlassungen vornehmen mussten, weil sich Konkurrenzunternehmen mit unverantwortbaren Arbeitsbedingungen gerade in der Abfallwirtschaft einen Wettbewerbsvorteil verschafft haben. Dies sind Situationen, die wir in einem zukunftsfähigen und qualitativ hochwertigen Wirtschaftsstandort wie Rheinland-Pfalz nicht mehr entstehen lassen wollen.
Ein gut funktionierendes Tarifvertragssystem ist auch ein wichtiger Standortfaktor; denn es sorgt für sozialen Frieden und für eine Sozialpartnerschaft, die ein wichtiges Fundament eines guten und erfolgreichen Wirtschaftsstandortes ist. Rheinland-Pfalz ist ein Land – und auch dafür soll die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand dienen –, das sehr stark von der Exportwirtschaft abhängig ist. Wir werden insgesamt als Wirtschaftsstandort nur dann erfolgreich sein, wenn das klare Signal von unserem Land ausgeht: Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen und insbesondere einen Wettbewerb um Qualität von Dienstleistungen und von Produkten. Wir wollen diesen Wettbewerb intensivieren, aber wir wollen keinen Wettbewerb um Dumpinglöhne, mit denen sich andere einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Diesen Wettbewerb brauchen wir nicht in Rheinland-Pfalz!
Deswegen vertreten wir mit dem Tariftreuegesetz nicht nur die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die berechtigterweise für ihre gute Arbeit anständige Löhne erwarten, sondern wir vertreten damit auch die Interessenslagen der Unternehmen und insbesondere der mittelständischen Wirtschaft. Dies kann man an der Tatsache festmachen, dass viele Verbände und Vereinigungen gerade des Handwerks der Zielsetzung des Tariftreuegesetzes positiv gegenüberstehen. Wir haben viele Arbeitgeberverbände, die die Initiativen der Landesregierung unterstützen und begrüßen.
Meine Damen und Herren, mit den Änderungen, die jetzt in Berlin angedacht werden, ist das Gesetz, das wir Ihnen heute in Rheinland-Pfalz vorlegen, das weitreichendste Tariftreuegesetz in Deutschland vom Anwendungsbereich her. Tarifgebunden sind zukünftig Land, Kommunen und alle Unternehmen, an denen die öffentliche Hand mit mehr als 50 % beteiligt ist. Es gilt – auch das ist sehr weitgehend in Deutschland – für das Baugewerbe, für das Reinigungs- und Bewachungsgewerbe, für Immobiliendienstleistungen, für die Abfallentsorgung, den öffentlichen Nahverkehr und auch den freigestellten Schülerverkehr.
Im Gegensatz zu einigen anderen Tariftreuegesetzen in anderen Ländern werden wir dieses Gesetz mit konsequenten Sanktionen versehen, nicht nur der Möglichkeit, die Arbeitgeber, die gegen das Tariftreuegesetz bei öffentlichen Aufträgen verstoßen haben, zukünftig von öffentlichen Aufträgen auszuschließen, sondern wir werden das auch mit der Möglichkeit versehen, Bußgel
Meine Damen und Herren, wir werden für eine unbürokratische Umsetzung des Tariftreuegesetzes sorgen. Im Geschäftsbereich meiner Kollegin Malu Dreyer wird eine Servicestelle eingerichtet werden, die allen Auftraggebern mitteilt, welcher Tarifvertrag für die spezielle Branche gültig ist. Dann, wenn mehrere Tarifverträge für eine Branche, die den Auftrag betrifft, gelten, was auch möglich ist, wird die Servicestelle das dem Auftraggeber mitteilen. Der Auftraggeber entscheidet für die wenigen Fälle, bei denen mehrere Tarifverträge einschlägig sind, welcher Tarifvertrag gilt. Man kann das dann mit einem zügigen und unbürokratischen Verfahren umsetzen.
Es wird insbesondere für die Firmen kein Mehraufwand sein, die tarifgebunden sind. Für die, die nicht tarifgebunden sind und Dumpinglöhne zahlen, wird es einen gewissen Mehraufwand bedeuten. Das bedauern wir nicht.
Erfreulicherweise gibt es mittlerweile eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, auch eine Stellungnahme des Generalanwalts bei der Europäischen Kommission, die ausdrücklich bestätigen, dass die Möglichkeit legitim und rechtmäßig ist, im Vergaberecht Tariftreue vorzusehen. Wir bewegen uns also auch rechtlich auf sicherem Boden.
Meine Damen und Herren, nahezu die Hälfte aller Länder in Deutschland hat ein Tariftreuegesetz. Wir haben beobachtet, nachdem wir den ersten Entwurf unseres Tariftreuegesetzes veröffentlich haben, was sehr interessant war, dass die CDU-Landtagsfraktion in Hessen einen ähnlichen Gesetzentwurf eingebracht hat, nicht ganz so weitreichend wie der rheinland-pfälzische Entwurf, aber man befindet sich zumindest in diesem Punkt in Hessen, was Sie häufig als Beispiel heranziehen, ansatzweise auch auf dem richtigen Weg im Punkt Tariftreue seitens der CDU-Fraktion über dem Rhein.
Meine Damen und Herren, ich wünsche mir konstruktive Beratungen in dem zukünftigen parlamentarischen Verfahren. Lassen Sie uns gemeinsam einen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Rheinland-Pfalz durch fairen Wettbewerb und gute Arbeit leisten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hering hat zum Schluss erwähnt, es ist tatsächlich rechtlich abgesichert, dass Tariftreuegesetze möglich sind. Sie sind vom Bundesverfassungsgericht
für mit der Verfassung vereinbar erklärt worden. Nach dem, was an Stellungnahme des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, können wir auch 2008 dort mit einer positiven Entscheidung rechnen. Möglich sind also Tariftreuegesetze. Die Frage ist, sind sie sinnvoll,
Da haben wir heute und sicherlich bei der Beratung noch eine Reihe von Fragen, die wir in der Anhörung werden stellen wollen. Ich gehe davon aus, dass wir diese auch mit Beteiligung all derer, die Sie eben angesprochen haben, durchführen werden. Uns sind schon andere Stellungnahmen zu Ohren gekommen, die bei weitem nicht so positiv klangen, Herr Minister, wie Sie das eben dargestellt haben. Worum geht es? Es geht darum festzustellen, dass öffentliche Auftraggeber eine Vorbildfunktion haben. Dies teilt durchaus auch die CDUFraktion. Es sollte gewährleistet werden, dass wir Auftragnehmer haben, die tarifliche ordentliche Löhne zahlen. Es ist allerdings die Frage, ob dies nur über ein Tariftreuegesetz zu regeln ist. Ich sage, nein, da gibt es durchaus andere Möglichkeiten, ein solches Ziel zu erreichen.
Man kann durch die Formulierung von Aufträgen und durch Engagement der Wirtschaft, was in Teilen dieses Landes schon durch Präqualifizierungssysteme geschieht, sehr wohl zum gleichen Ergebnis kommen, dass dann auch nur diejenigen Angebote abgeben, die diesen Standards gerecht werden. Von daher ein Fragezeichen, ob es überhaupt notwendig sein wird.
Wir sind auch noch keineswegs überzeugt, ob das Tariftreuegesetz so, wie Sie es hier vorlegen, tatsächlich so unbürokratisch und damit auch wirkungsvoll in der Umsetzung sein wird. Ich fange ganz vorne an, Herr Minister. Sie haben in Ihrer Begründung noch einmal sehr deutlich gesagt, wir in Rheinland-Pfalz passen nicht zu Dumpinglöhnen. Ich vermisse in diesen sehr ausführlichen Begründungen und Erläuterungen eine Beschreibung der Ausgangssituation in Rheinland-Pfalz.
Ich hätte schon gerne Zahlen gelesen, in welchen Wirtschaftsbereichen und in welchem Umfang wir den Eindruck oder Erkenntnisse haben, dass Unternehmen tatsächlich Dumpinglöhne bezahlen.
Warum sagen Sie dazu nichts? Es passt auch überhaupt nicht zu Ihrer Aussage am Ende dieser Gesetzesvorlage, dass eine Gesetzesfolgenabschätzung nur retrospektiv möglich sei, weil man nur über die Anwendung des Gesetzes feststellen könne, wie es wirke. Das kann ich auch nur dann sinnvoll abschätzen, wenn ich einen klaren Ausgangspunkt habe. Diesen klaren Ausgangs
Sie sagen dann im Weiteren, dass dieses Gesetz die Umsetzung relativ unbürokratisch ermöglicht. Ich bestreite das an dieser Stelle.
Es ist richtig, dass die Servicestelle das, was bei anderen Tariftreuegesetzen von den Anwendern als sehr bürokratisch und aufwendig beklagt wurde, sicherlich in den Griff bekommen kann. Aber das ist bei Weitem nicht der einzige Aufwand, der durch dieses Gesetz gegeben sein wird.
Herr Minister Hering, selbst dort, wo wir heute schon gesetzliche Regelungen für Mindestlöhne haben, nämlich beispielsweise im Entsendegesetz, wissen wir alle, welch immenser Aufwand notwendig ist, um auch die richtige Umsetzung und Anwendung dieses Entsendegesetzes in der Praxis zu überprüfen. Da sind Tausende von Mitarbeitern in ganz Deutschland unterwegs, um dies festzustellen. Sie sagen, hier ist das überhaupt kein Problem. Mitnichten! Es wird ein Riesenaufwand auch für die Unternehmen sein.
Herr Hering, Sie haben kürzlich in der Presse noch einmal sehr gelobt, was Sie alles an Entbürokratisierung für die Wirtschaft auf den Weg gebracht habe. Ich sage Ihnen, Sie mussten das tun, damit Sie jetzt nicht ganz von dem erschlagen werden, was Sie den Unternehmen an bürokratischem Aufwand zumuten.