Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich herzlich Dankeschön sagen, Herr Weiland und Frau Morsblech, dass wir auch heute wieder dieses wichtige Thema diskutieren können. Nachdem wir im letzten Plenum und drei Stunden im letzten Bildungsausschuss darüber geredet haben, ist es schön und wichtig, dass wir es heute auch wieder tun.
diese Strukturreform, über die wir auch heute wieder diskutieren, fügt sich ein in die Reihe erfolgreicher Schulstruktur- und Schulreformen in Rheinland-Pfalz,
in die Einführung der Vollen Halbtagsschule, in die Einführung der Ganztagsschule, in das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“, in alle Programme, die ausdrücken: Respekt vor dem Elternwillen, Respekt vor dem Schülerinnen- und Schülerwillen.
Ich erlaube mir aufgrund der Rede des Herrn Kollegen Weiland schon an dieser Stelle zu sagen: Gegen alle diese Projekte, gegen alle diese Konzepte haben Sie seinerzeit für die breite Mehrheit in diesem Land erklärt, Sie würden diesen Weg nicht mitgehen. – Heute lese ich von Kolleginnen und Kollegen von Ihnen, dass Sie die Erfinder der Ganztagsschule in Rheinland-Pfalz sind. Eine interessante Metamorphose von Meinungen.
Meine Damen und Herren, wir reden über ein Projekt, in dem aus einem dreigliedrigen Schulsystem, das von Förderschulen und berufsbildenden Schulen umrahmt wird, ein zweigliedriges Schulsystem werden soll bei Erhalt der Gymnasien, bei Erhalt der Integrierten Gesamtschulen, bei Erhalt der Förderschulen, bei Erhalt des berufsbildenden Schulsystems. So weit zum Wort
Wir setzen auf einen Weg zusammen mit Eltern, mit Schulen, mit Schulträgern. Wir setzen auf eine Entwicklung der Schulstruktur, die nicht von oben verordnet wird, sondern bei der Leitlinien und Zielpunkte vorgegeben werden und dann – das ist ganz erfreulich, Herr Kollege – eine lebhafte, natürlich auch eine kontroverse, natürlich auch eine interessengeleitete Diskussion in unserem Land über dieses Konzept stattfindet.
Wir stehen am Anfang der Diskussion über dieses Konzept, und es wäre doch erstaunlich, wenn die entsprechenden Interessenvertreter jetzt nicht mit ihrer Brille auf das Konzept schauen und mit den unterschiedlichsten Maßgaben von „Das ist uns viel zu viel“ bis „Das ist uns viel zu wenig“ und „Wir wollen das nicht, aber wir begrüßen jenes“ reagieren würden. Alle diese Reaktionen sind wichtig im Diskussionsprozess, den wir zu führen haben. Er wird leidenschaftlich geführt.
Mir macht diese Art der Diskussion mit Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern, Lehrern, Schülern und Eltern sehr viel Freude, Herr Kollege Creutzmann, weil es zeigt, dass in diesem Land Anteil an den wichtigen Zukunftsfragen für unsere Kinder genommen wird und wir in diesem Prozess einen ganz wichtigen Anstoß gegeben haben und uns auf dem Weg mit Schulen, mit Schulträgern, mit Eltern und mit Schülerinnen und Schülern befinden. Das ist ein ganz erfreulicher, aber auch ein ganz normaler Prozess.
Meine Damen und Herren, unendlich viele Haupt- und Realschulen haben schon viel mehr gemacht. Während Sie jammern, dass es tatsächlich kritische Bemerkungen zu dem Projekt gibt, haben sich unendlich viele Real- und Hauptschulen schon getroffen, schon gemeinsame Arbeitsgruppen entwickelt, schon Anträge gestellt und planen schon, ihre gemeinsame Orientierungsstufe im kommenden Sommer zu beginnen. Frau Kollegin Schäfer, besuchen Sie einmal den Lerchenberg in Mainz.
Gehen Sie einmal nach Morbach oder nach Bad Dürkheim. Es ist auch schön, in die Region Trier zu gehen. Überall dort sind Schulen schon ganz weit auf diesem Weg, den wir als Anstoß gegeben haben. Wir können nur sagen: Diese Abstimmung mit dem Planungsstift, diese Abstimmung in den Schulen ist genauso real und genauso wichtig, wie zu beobachten war, dass es die Abstimmung mit den Füßen in unseren Hauptschulen gegeben hat, obwohl wir dort pädagogische didaktische Stützmaßnahmen, Schulsozialarbeit, Ganztagsschule und vieles mehr hinzugegeben haben. Dennoch war die Akzeptanz in diesen Schulen nicht gegeben.
Sie wollen jedoch einfach an dieser Diskussion nicht teilnehmen – Herr Weiland hat es uns vorhin mehr als deutlich gesagt –, und das, obwohl aus eigenen CDUReihen Stimmen kommen, die Anträge zu stellen, be
und Landräte der CDU bereits ihre Schulen auffordern, sie mögen sich bitte zusammentun und bitte diesen Weg mitgehen, er brächte doch nur Vorteile für die Kinder.
Obwohl das so stattfindet, Herr Kollege Weiland, haben Sie uns eben vollmundig erklärt, sie werden diesen Weg nicht mitgehen. Schicken Sie Ihre Landräte allein!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Über Bildungswege und -chancen wird in unserem Bildungssystem zu früh entschieden. Wir werben daher für ein Schulsystem, in dem Kinder so lange wie möglich zusammen und voneinander lernen. Dies ist am besten zu erreichen in einer gemeinsamen Schule bis zur zehnten Klasse.“
Das ist, wie Sie sich denken können, nicht die neue Position der FDP-Landtagsfraktion zur Frage der neuen Schulstruktur in Rheinland-Pfalz.
Nein, dies ist ein Zitat aus dem Grundsatzprogramm der SPD, das diese auf ihrem Hamburger Bundesparteitag beschlossen hat.
In der gestrigen Ausgabe der „Rhein-Zeitung“ war auf Seite 4 darüber hinaus zu lesen – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –: „Die SPD strebt eine gemeinsame Schule für alle Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse an. Eine solche Schule sei künftig am besten geeignet, die frühe soziale Auslese in Deutschland zu überwinden.“ So heißt es im Beschluss von SPD-Parteivorstand und Parteirat.
Wir alle in diesem Hohen Hause kennen den Bundesvorsitzenden der SPD gut. Wir wissen, dass Kurt Beck und seine SPD-Bundesvorstandskollegin Doris Ahnen für große Verlässlichkeit und Durchsetzungskraft stehen, was die Umsetzung von einmal klar formulierten politischen Zielen betrifft.
Deshalb muss uns allen klar sein, dass, während wir hier im Sinne der Kommunen, der betroffenen Schulen, aber auch vor allem der betroffenen Kinder und Jugendlichen detailliert und sorgfältig über die Realschule plus diskutieren, genau diese Realschule plus und die damit ver
bundene Abschaffung von Haupt- und Realschulen nur ein erster Schritt hin zu dem großen Ziel der SPD sein soll, eine Gemeinschaftsschule zu schaffen.
Meine Damen und Herren, dieser erste Schritt wird, wenn er einmal getan ist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Er wird einen ersten tiefgreifenden Einschnitt in unser Schulsystem hin zur Einheitsschule für alle, hin zu größeren Schulen, hin zu größeren inhomogenen Lerneinheiten bedeuten,
in denen es immer schwieriger wird, den individuellen Lernbedürfnissen und Voraussetzungen von Kindern und Jugendlichen zu entsprechen.
Alle an diesem Diskussionsprozess Beteiligten müssen sich deshalb darüber im Klaren sein, was dies für die Qualität unserer Bildungsangebote und auch für die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz bedeutet.
Natürlich kenne ich persönlich und kennen auch die Mitglieder meiner Fraktion Beispiele von Gemeinschaftsschulen in unseren europäischen Nachbarländern, in denen die individuelle Förderung, das selbstgesteuerte Lernen, Leistungsmotivation, persönliche Zielvereinbarung, projektorientiertes Lernen und damit auch der größtmögliche Lernfortschritt für jedes einzelne Kind hervorragend umgesetzt werden. Wir wissen aber auch, dass das nur dann gelingt, wenn man sehr viel Geld in die Hand nimmt und seine finanzpolitischen Prioritäten deutlich umstrukturiert.
In kleinen Lerngruppen, durch Teamteaching durch zusätzliche Fachkräfte anderer Berufsgruppen, durch eine hervorragende Ausstattung mit Lernmaterialien und neuen Medien lässt es sich in der Tat bewerkstelligen, dass Kinder und Jugendliche auch in inhomogenen Lerngruppen ihre individuellen Leistungspotenziale ausschöpfen können, gefordert sind und auch hervorragend gefördert werden. Das ist allerdings nicht das, was die SPD-Landesregierung hier vorhat.
An den Rahmenbedingungen, die die Ministerin für die Realschule plus formuliert hat, ist bereits jetzt klar zu erkennen, dass Sie bei Ihrem Konzept des längeren gemeinsamen Lernens vom ideologischen Glauben gelenkt werden und keinen Cent zusätzlich in die Hand nehmen wollen,
Sie treffen damit – das hat mein Kollege Weiland schon treffend ausgeführt – vor allem die derzeitigen Haupt
schülerinnen und -schüler. Für diese jungen Menschen erreichen Sie mit der Zwangsfusion von Haupt- und Realschulen nur eines: Sie kommen zurück in größere Klassen, sie kommen in Klassen mit einem erheblich größeren Leistungsspektrum, sie werden dort Lehrerinnen und Lehrer vorfinden, die diesem Spektrum bei dieser Gruppengröße kaum noch gerecht werden können, und sie werden erneut um ihre Chancen kämpfen müssen.
Gleichzeitig sind der zusätzliche Run von Eltern realschulempfohlener Kinder auf das Gymnasium und die Tendenz der Kommunalpolitiker der großen Parteien, dann lieber doch gleich Integrierte Gesamtschulen einzurichten, vorprogrammiert. Das ist wohl auch das, was Sie eigentlich wollen; denn das fördert Ihr Ziel.