Protocol of the Session on September 27, 2007

(Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD, macht ein Handzeichen)

Bei uns – erinnern Sie sich – ist das so ein dickes Buch. In Hessen gibt es ein einziges Blatt.

Herr Kollege Keller, ich gebe zu, das ist einfacher zu lesen. Aber es gibt viel weniger Informationen. Es gibt keine einzige Information über die einzelne Schule. Es gibt überhaupt keine Informationen über den Unterschied zwischen Soll und Ist der einzelnen Schulen. Nichts davon.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Es gibt überhaupt keine Einzelanalysen, übrigens auch nicht auf Nachfrage. Das ist in Hessen alles Fehlanzeige. Bei uns bekommen sie das für jede einzelne Schule spätestens Ende November in die Hand gedrückt.

Unter dem Strich: In Rheinland-Pfalz wird das Parlament klar, umfangreich und mit intensiven Zusatzinformationen informiert. Wir zumindest sind dafür dankbar.

(Beifall der SPD)

Herr Kollege, schauen Sie in die Informationen. Es sind eben keine 10 % strukturelle Unterrichtsversorgung.

Ich glaube, von diesem Pult aus hat noch niemand bestritten, dass wir in Rheinland-Pfalz zum Beispiel in der Schulart Gymnasien immer wieder zum Teil sogar große Probleme mit der Unterrichtsversorgung haben. Herr Kollege, aber meistens nicht, weil die Planstellen fehlen, nicht weil die strukturelle Unterrichtsversorgung bei der Zuteilung schlecht ist, sondern weil Sie wie wir die dafür notwendigen Lehrerinnen und Lehrer leider nicht „backen“ können. Physik, Chemie und Mathematik sind Mangelfächer, und zwar in der ganzen Republik.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Ich würde mich irrsinnig dafür interessieren, von Ihnen zu hören – Herr Dr. Rosenbauer, der Sie in Ihrem Wahlkreis darüber Märchen erzählen –, wie Sie es schaffen würden, Mathematikstudierende, die nicht in die Schule gehen wollen, dazu zu zwingen, Lehrerin oder Lehrer zu werden. Wir wollen pädagogische Kräfte an unseren Schulen, die überzeugte Pädagogen und nicht gezwungene Pädagogen sind. Das sei hierzu gesagt.

(Beifall der SPD)

Aber ich verstehe die Rede des Herrn Kollegen Keller ganz gut. Jetzt haben wir ihm durch das, was in Rheinland-Pfalz passiert ist, seine Spielwiese Unterrichtsausfall kaputtgemacht. Er kann nicht mehr so oft, wie er möchte, das Wort „Unterrichtsausfall“ sagen. Er kann nicht mehr so oft, wie er möchte, sagen, die Landesregierung hätte versagt. Da hat er ein neues Pferd gesattelt, und er hat Mitreitende: Frau Kollegin Dickes und Herrn Kollege Günther.

Da schauen wir uns das schöne Thema an, das diese beiden aufgezogen haben. Es heißt Bingen-Büdesheim. Was ist da passiert? – Frau Kollegin Dickes und Herr Kollege Günther sind auf die tolle Idee gekommen nachzufragen, nicht nur wie der strukturelle Unterrichtsausfall in diesem Jahr ist, nicht nur ob die Ministerin im Moment weiß, was in dieser Schule los ist, ob es jemand gibt der krank, in Schwangerschaftsurlaub oder Ähnliches ist, sondern wir fragen das Ministerium und damit die Schule, wie das mit dem temporären Unterrichtsausfall – jetzt hören Sie einmal zu – in den letzten fünf Jahren war.

Ich habe mir die Aufgabe gestellt. Jetzt muss ich rechnen. Ich hoffe, ich kann es besser als vor langer Zeit Herr Kollege Keller. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, was das für den Schulleiter bedeutet hat.

Für den Schulleiter heißt das, fünf Jahrgänge à zwölf Klassen macht 60 Klassenbücher. Pro Woche ist das eine Doppelseite. Bei 40 Unterrichtswochen im Jahr sind das pro Jahr 80 Klassenbuchseiten. Das macht durchzuarbeiten 4.800 Klassenbücherseiten mit jeweils fünf bis sechs Stunden pro Seite Aufwand. Es muss durchgelesen und dokumentiert werden, welcher Lehrer hat wann seinen Unterricht nicht gehalten, warum und von wem ist er vertreten worden oder auch nicht.

Ich verstehe den Schulleiter, der bei einem Telefonat gesagt hat: Können sie mir einmal erklären, warum ausgerechnet ich das machen musste?

(Beifall der SPD)

Nein, ich sage es ihnen, ich kann es mir nicht erklären.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Licht?

Herr Kollege, der Mann in Bingen-Büdesheim tut mir leid. Der Schulleiter tut mir leid. Diesen Aufwand – damit Ihnen das allen klar ist –, den ich Ihnen eben vorgerechnet habe, wollen Sie mit Ihrem heute vorliegenden Antrag ab sofort für alle Schulen und für immer machen. Nicht nur ein Schulleiter wird uns fragen „Können sie mir sagen, warum ausgerechnet ich?“, sondern jeder Schulleiter wird fragen: Warum haben sie ausgerechnet diesen Blödsinn beschlossen?

Frau Kollegin, wir beschließen das nicht. Wir machen das nicht. Wir wollen – dies sage ich mit aller Betonung – etwas, das Sie in der Drucksache 15/1117 auch gewollt haben. Wir wollen, dass man vor jeder neuen Statistik sich bitteschön doch überlegt, warum, wieso und welche Folgen das Ganze hat.

Ich lese es Ihnen einmal vor. Sie haben damals geschrieben, im Vorfeld der Erhebung neuer oder der Anpassung bestehender Statistiken ist eine KostenNutzen-Analyse durchzuführen. Vielleicht versuchen Sie sich einmal auszurechnen, was es allein gekostet hat, 4.800 Seiten alte Klassenbücher zu analysieren. KostenNutzen-Analysen fänden wir bei dem Antrag der CDU wichtig, weil wir das den hellen Wahnsinn finden.

(Zuruf der Abg. Frau Thelen, CDU)

Kolleginnen und Kollegen, statt in der Schule Schule zu veranstalten oder Statistiken erstellen zu lassen und Dokumentationen aufzubauen, sagen wir zu unserer Frau Ministerin mit allem Nachdruck: Bitte solche Statistiken nicht, bitte solche unsinnigen Ideen überhaupt gar nicht überlegen.

(Beifall der SPD)

Meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich möchte von Ihnen gerne wissen, wenn Sie solche Anträge stellen, wenn Sie solche – wie soll ich es sagen – Misstrauensdarstellungen gegen Schulleitungen darlegen, ist Ihnen eigentlich klar, wie das ein Schulleiter empfinden muss, der seinen „Laden“ gut organisiert, wenn Sie von ihm verlangen, dass er sein selbstverständliches Geschäft des Schulmanagements in dieser Form dokumentieren soll?

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, mehr Misstrauen kann man Schulleitungen eigentlich überhaupt nicht entgegenbringen. Auch das möchte ich betonen: Eine solche Form von Misstrauen bringen wir unseren Schulen nicht entgegen.

(Ministerpräsident Beck: Sehr gut!)

Wir denken nicht nur, nein, wir wissen, dass die Schulleitungen in unseren Schulen es bestens hinbekommen: Krankheitsvertretungen, Weiterbildungsvertretungen, Klassenausflugsvertretungen und was es noch für Gründe für temporären Unterrichtsausfall gibt. Diese Vertretungen selbstverantwortlich hinzubekommen, dafür müssen wir ihnen nicht auch noch Formblätter oder Datenbasen vorlegen, die zu füttern sind. Wir vertrauen unseren Schulleitungen.

Ich sage Ihnen ganz klar, wir wollen diese „Zeitverplemperung“ in unseren Schulen nicht.

(Beifall der SPD)

Wir wollen keine Beschäftigungstherapien für Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer. Wir begrüßen es aber außerordentlich, dass die Ministerin angeboten hat, dort, wo diese Daten „von selbst vorhanden sind“, zum Bei

spiel in diesem Projekt „PES“, diese dem Parlament zur Verfügung zu stellen.

Auch das ist eine Informationsbasis – das sage ich mit Nachdruck –, die es in keinem anderen Bundesland in der Bundesrepublik gibt. Fühlen Sie sich einmal als etwas Besonderes. Sie erhalten viel mehr Informationen als ein Bayer oder Baden-Württemberger im Parlament.

Wir begrüßen auch, dass die Ministerin sogar angeboten hat zu überprüfen, ob man stichprobenhaft temporären Unterrichtsausfall für einzelne Gebiete mitteilen kann. Wir würden es aber nicht akzeptieren, wenn diese Aufforderung an jede Schule für die gesamte Zeit eines Schuljahres gestellt würde und jede Schule einen Datenbeauftragten haben müsste, der nichts anderes machen müsste, als aufzuschreiben, wer, wann, wo, wen, warum und wieso nicht vertritt.

Wir wollen nämlich, dass in unseren Schulen pädagogisch gearbeitet wird. Wir wollen, dass unsere Schulen für ihre Kernaufgaben des Unterrichtens und des Erziehens sowie das Unterstützen und Beraten Zeit haben. Wir wollen, dass sich unsere Schulen in unsere Qualitätsoffensive einbringen. Deswegen haben wir in unserem Antrag einen deutlichen Schwerpunkt auf die Qualitätsarbeit unserer Schulen gesetzt. Wir glauben, dass dies bei der Arbeit von Schulen deutlich Vorrang hat.

Ich möchte noch einen Satz zu dem Glauben sagen, den der Herr Kollege Keller erneut formuliert hat, nämlich man könne so quasi – schnipp – ein Software-Programm in Schulen unterbringen, das ganz einfach zu bedienen ist und in jedem Moment nur auf Knopfdruck jede Form von Daten ausspucken kann, nach denen man fragt.

Nicht nur, dass es so etwas in keinem Bundesland bis jetzt gibt und zwei Bundesländer, nämlich BadenWürttemberg und Bayern, mit größtem Aufwand und Probelaufen permanent dahin kommen, dass es nicht funktioniert, sondern wir haben auch ein Nachbarland, das den Mut hatte, ein solches Programm zu installieren, und glaubte, dass diese wundersamen Datenausspuckungen, die sich der Herr Kollege Keller gewünscht hat, dort funktionieren müssten. Sie wissen alle genauso gut wie wir, was dort passiert ist.

Runde 1 des Debakels: Alle Zeugnisse wurden zurückgerufen, weil sie alle falsch waren. Unsere Software hatte einen Fehler gehabt.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Herr Kollege Rosenbauer, man muss ab und zu einmal über den Rhein schauen.

Runde 2 des Debakels: Der Bildungsausschuss des Landtags von Hessen hat sich mit der Frage dieser Software beschäftigt. Der dafür zuständige Staatssekretär Jacobi hat im Ausschuss sogar eingeräumt – lesen Sie das Protokoll nach; das macht ganz viel Freude –, dass es zu groben Fehlern gekommen sei, er dafür die politische Verantwortung übernähme – das hat ihm sicher keinen Spaß gemacht – und jetzt schon sagen könne, dass frühestens für das Schuljahr 2008/2009 all

diese Software-Probleme behoben sein würden und man im Schuljahr 2008/2009 damit arbeiten könnte.

Frau Ministerin, bitte muten Sie unseren Schulen so etwas nicht zu. Wir möchten kein Software-Programm, das auf dem Weg der ersten Anwendung gleich in die Knie geht, die Schulen überfordert, falsche Daten ausspuckt und dazu führt, dass man Zeugnisse wieder einsammeln muss.

Meine Damen und Herren, bitte nicht. Ihr Vorschlag ist völlig unausgegoren.

(Beifall der SPD)

Warten wir einmal, ob es ein Bundesland gibt, das damit Erfolg hat. Unsere Schulträger versuchen im Moment, ihren Schulen noch zu helfen. Das ist keine Frage. Es wäre wünschenswert, ein solches Programm zu haben. Es wäre sogar wünschenswert, dass dieses einfach zu bedienen ist. Wir haben den größten Wunsch, dass das Programm auch funktionieren muss. Vorher installieren wir so etwas an unseren Schulen nicht.

(Ministerpräsident Beck: Sehr gut! So machen wir das!)