Protocol of the Session on June 28, 2007

Okay, ein Doktor zu viel ist besser als einer zu wenig. Herr Rüddel, ich sage Ihnen aber noch einmal, Sie fordern auch den Kapitalstock und die Rückstellung. Ich habe in der Öffentlichkeit noch nie ein Wort darüber gehört, wie Sie eigentlich den Aufbau des Kapitalstocks finanzieren wollen. Wir brauchen jetzt 0,25 % zusätzliche Beitragspunkte, um die Leistungserhöhung und eine finanzielle Absicherung bis zum Jahr 2014 sicherzustellen. Wenn wir einen Kapitalstock aufbauen, dann kommt dieser nicht vom Himmel gefallen. Sie tun immer so, als käme – um 2030 das Problem zu lösen – das Geld heute vom Himmel gefallen.

(Beifall bei der SPD)

Wovon bauen wir diesen Kapitalstock auf?

(Pörksen, SPD: Wir haben virtuelles Geld!)

Die ursprüngliche Idee im Koalitionsvertrag war, das Geld aus dem Transfer dafür zu nutzen, auch einen Kapitalstock aufzubauen. Wenn Sie nach wie vor diese Forderung erheben, dann sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern bitte auch, dass sie zusätzlich etwas zu zahlen haben, um den Kapitalstock wirklich auch aufbauen zu können.

(Beifall bei der SPD – Pörksen, SPD: Genauso ist es!)

Ich möchte einen letzten Punkt dazu ansprechen. Wir wissen, dass wir 2030 den Demografieberg zu bewältigen haben. Aber wir brauchen nicht 50 % mehr Geld. Auch das ist eine Übertreibung, Herr Dr. Schmitz. Die Zahlen sind gut kalkuliert. Es ist klar, dass wir bis zum Jahr 2030 sicherlich eine weitere Beitragserhöhung benötigen. Ich glaube aber, dass wir auch heute der jüngeren und mittleren Generation nachvollziehbar vermitteln müssten, dass sie wiederum einen höheren Beitrag bezahlen müssten, um den Kapitalstock zu gründen, um 2030 dann nicht noch mehr Beiträge zu bezahlen. Diese Generation zahlt zurzeit schon sehr sehr viel für die eigene soziale Absicherung, zum Beispiel für das Thema „Rente“. In dieser Generation ist es angekom

men, dass sie eine zusätzliche private Rente und Absicherung brauchen, um tatsächlich im späteren Alter ihre Absicherung zu haben. Diese Generation ist die Generation, die Familie gründet, genauso wie das immer in dieser Generation ist. Das heißt, die Zusatzbelastung über einen Kapitalstock, damit 2030 der Beitrag nicht noch einmal steigt, muss man natürlich auch vermitteln. Sie wäre aus meiner Sicht vermittelbar gewesen, hätten wir den Koalitionsvertrag einhalten können. Das war mit der CDU nicht drin. Deswegen ist es konsequent, dass wir jetzt diesen Weg gemeinsam gegangen sind.

(Beifall bei der CDU)

Meine abschließende Bemerkung gilt dem Land Rheinland-Pfalz und dem, was wir inhaltlich in der Pflegeversicherungsreform noch errungen haben. Ich glaube, mit Fug und Recht behaupten zu können, dass wir in Rheinland-Pfalz wirklich stolz auf unsere Struktur und auf das sein können, was jetzt von der Pflegeversicherungsreform in Angriff genommen worden ist, zum einen der Pflegestützpunkt, zum anderen aber auch die Qualifizierung auch von arbeitslosen Menschen, um in Zukunft Haushaltsassistenzen anzubieten. Hinzu kommt der Punkt ehrenamtliches Engagement. All dies haben wir mit unseren Partnerinnen und Partnern im Land schon im letzten und vorletzten Jahr stark umgesetzt. Das heißt, wir können stark davon beim Aufbau der Pflegestützpunkte profitieren – wir haben das vom Prinzip her, nämlich in den Beratungs- und Koordinierungsstellen –, das Fallmanagement, was wir begonnen haben, zu entwickeln, was die Menschen auch in Zukunft brauchen, die von heute auf morgen pflegebedürftig werden und auch diese Beratung und Unterstützung brauchen, wie sie eigentlich ihren Pflegealltag organisieren wollen. Wir haben das von der Struktur her in Rheinland-Pfalz. Wir werden sehr schnell diese Eckpunkte mit der Pflegeversicherungsreform weiterentwickeln können.

Wir haben die Haushaltsassistenz vor eineinhalb Jahren in der Pflege mit dem Ziel entwickelt, Assistenzleistungen im Haushalt anzubieten, die vom Preis her auch für den Haushalt erträglich sind und somit tatsächlich eine Antwort auf das Thema „Schwarzarbeit“ sind. Auch das ist in dem Gesamtpaket vorgesehen. Ich danke deshalb noch einmal den Partnerinnen und Partnern im Land, die immer sehr konstruktiv mit uns gemeinsam verfahren.

Ich hatte seit der Eckpunkteveröffentlichung schon einige Gespräche mit diesen Partnerinnen und Partnern. Ich kann Ihnen sagen, diese sind froh darüber, dass wir die Pflegeversicherungsreform in dieser Form demnächst als Gesetz bekommen werden, weil wir in RheinlandPfalz weiterhin große Schritte machen können, um den Menschen im Land immer wieder deutlich zu machen, jeder hat ein Recht und einen Anspruch auf menschenwürdige Pflege, wenn er in diese Situation kommt. Dazu fühlen wir uns auch verpflichtet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank.

Bevor ich Herrn Kollegen Dröscher das Wort erteile, darf ich erst noch Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar Mitglieder des SPD-Arbeitskreises Soziales aus Wittlich und des SPD-Ortsvereins Klausen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Herr Kollege Dröscher, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir genauer in den Kompromiss zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung hineinschauen, dann sehen wir eine ganze Reihe von Dingen, die in die Zukunft weisen. Wir sehen, dass Pflege nicht nur als Geld- und Sachleistung begriffen wird, sondern auch als soziale Kultur einer Gesellschaft. Wenn wir hineinschauen, sehen wir, dass es auch darum geht, dass Investitionen in die soziale Infrastruktur getätigt werden, es Anreize für Eigenverantwortung und Solidarität gibt, es eine Öffnung in Richtung eines Systems von vernetzter Versorgungsformen gibt, was die Fachleute schon lange fordern. Letztlich wird es auch um die Überwindung von sektoralen Abgrenzungen und Abteilungen gehen. Darüber werden wir noch reden müssen.

Es geht auch um die Verzahnung vom ambulanten und stationären Bereich und anderen Leistungsbereichen. Das wird eine Fortsetzung finden, wenn es um das Heimgesetz geht. Dort werden wir die Aufgaben haben. Der Pflegekompromiss bietet diese Möglichkeiten. Die Frage, ob es ein schlechter Kompromiss oder eine große Reform ist, ist leicht damit zu beantworten, dass die richtigen Schritte in die richtige Richtung gegangen werden. Das ist qualitativ eine große Reform.

Wir Sozialdemokraten sind nicht mit dem zufrieden, was im Bereich der Finanzierung geregelt wird. Die Ministerin hat schon deutlich gesagt, unser Ziel bleibt die Bürgerversicherung „Pflege“. Ein wichtiges Ziel wird die Einbeziehung aller in die solidarische Finanzierung sein. Das war im Moment nicht möglich. Die Dinge brauchen Zeit. Ich bin sicher, die Entwicklung wird den sachlichen Notwendigkeiten folgen.

Zum Schluss will ich noch etwas anmerken. Man kann es sich sicher einfach machen und Dinge, für die viele Betroffene, viele in der Pflege Tätige und viele in der Politik Tätige über Jahre gekämpft haben, sehr locker angehen, indem man es sich selbst auf die Fahne schreibt. Ich habe einen Artikel. Ich zitiere mit Genehmigung der Präsidentin. Es ist ein Artikel der stellvertretenden Landesvorsitzenden der CDU.

Ich zitiere: Auch die Pflege spielt eine wichtige Rolle. Ich bin froh, dass Seehofer, Mitglied in der Arbeitsgruppe zur Pflegereform, meine Anregung aus dem Wahlkreis eingebracht hat. Es ist unsere Pflicht, etwas für die älteren Menschen zu tun, vor allem für die Demenzkranken. – Ich halte das für fast unerträglich, dass sich jemand so etwas ganz locker und als Eigenverdienst an die Fahne

heftet, wofür viele Experten und viele andere sich ernsthaft eingesetzt und über viele Jahre gekämpft haben.

(Beifall bei der SPD – Pörksen, SPD: Das kann man nur als Frechheit bezeichnen!)

Die Reform ist ein Anfang. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ein herzliches Dankeschön geht an die Ministerin und an den Ministerpräsidenten, die in Berlin dafür sehr stark gekämpft haben.

(Beifall der SPD)

Herr Kollege Rüddel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin, wir sind der Meinung, dass die derzeitige Pflegeversicherung deutlich reformbedürftig ist. Wenn wir sie über eine Bürgerversicherung finanzieren wollten, dann kommen wir zu einem sehr maroden System, denke ich.

Mit der Reform der Pflegeversicherung muss unsere Gesellschaft die Frage beantworten, was uns die pflegerische Versorgung wert ist. Steigende Fallzahlen, längere Phasen der Pflegebedürftigkeit und Leistungen für demente Menschen verlangen nach einer entsprechenden guten finanziellen Ausstattung. Forderungen nach Erstattung weiterer Leistungen müssen daher auch mit Vorschlägen versehen werden, wie sie finanziert werden können.

Die Grenzen zur internen Steigerung der Wirtschaftlichkeit sind allmählich erreicht. Die professionellen Dienste und Einrichtungen haben im vergangenen Jahrzehnt große Erfolge bei der Optimierung ihrer Leistungen erbracht. Externe Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation der Pflege bestehen sicherlich durch den noch ausstehenden Bürokratieabbau im Heim- und Pflegebereich. Mit der Reduzierung des bürokratischen Aufwands für die Pflegedienste und -einrichtungen ist eine deutliche Stärkung der Leistungsangebote machbar.

(Vizepräsident Bauckhage übernimmt den Vorsitz)

Wir müssen Strukturen schaffen, die die Pflegenden ans Bett und nicht an den Schreibtisch binden. Hier sind gerade auch die Landtage nach der Föderalismusreform gefordert.

Alle relevanten Dinge müssen auf den Prüfstand: Kann die Pflegedokumentation weiter vereinfacht werden? Ist die Pflegebuchführungsverordnung entbehrlich? Können Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen abgeschafft werden? Ist es sinnvoll, die Wirksamkeits- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen einzuschränken? Welche Schnittstellenproblematiken müssen noch gelöst wer

den? Kann eine noch bessere Vernetzung und Verzahnung der Versorgungsangebote sowie von Heimgesetz und SGB XI erfolgen? Sollte die starre Trennung zwischen ambulanter, stationärer und teilstationärer Pflege- und Hauswirtschaft aufgelöst werden? Sind die Prüfkompetenzen zwischen Medizinischem Dienst der Krankenversicherung und Heimaufsicht wirklich klar abgegrenzt? Ist es wirklich richtig, die Prozess- und Strukturprüfung so in den Vordergrund zu setzen, oder brauchen wir ein Hin zu einer besseren Prüfung der Ergebnisqualität?

All dies sind Fragen, die wir im Spannungsfeld von Qualität, Wirtschaftlichkeit und Finanzbedarf klären müssen.

Generell stehen Politik, Verbände, Einrichtungen und die Betroffenen im Zusammenhang mit der Frage der Pflegefinanzierung vor weiteren schwierigen Entscheidungen. Einerseits sollen die Kosten der Pflege die Menschen nicht über einen noch zu verkraftenden Eigenanteil hinaus belasten, andererseits scheint eine weitere Belastung der Beitragszahler unvermeidlich, um den gestiegenen Anforderungen in der Pflegeversicherung gerecht zu werden. Dabei muss die Pflegeversicherung so ertüchtigt werden, dass eine Versorgung der Pflegebedürftigen ohne Einsatz von Steuermitteln oder die Überwälzung von neuen Kosten auf die Sozialhilfe möglich sein kann. Das ist ein schwieriges Unterfangen, wenn man die Pflegeversicherung weiterentwickeln will.

Es bleibt weiterhin die Frage der Finanzierung bestehen. Die Pflegeversicherung als marode Bürgerversicherung wird es mit uns nicht geben. Die umlagefinanzierte Pflegeversicherung muss vielmehr um kapitalgedeckte Elemente erweitert werden. Wir brauchen mittelfristig den Übergang des konventionellen Umlagesystems zu einer kapitaldeckenden privaten Versicherungspflicht, die möglichst unabhängig von staatlichen und unternehmerischen Transferleistungen ist. Nur so ist es möglich, den Anforderungen nach höheren Leistungen und der gesteigerten Zahl von Leistungsempfängern zukünftig gerecht zu werden.

Es spricht viel dafür, einen Kapitalstock als Demografiereserve anzulegen. Hier sind Vorschläge im Raum. Ich erinnere an den Stevens-Vorschlag oder die RiesterRente.

Da die letzte Regierung im Bereich der Pflegeversicherung fast nichts unternommen hat, ist der Druck im System enorm. Etwas Luft hat die Große Koalition jetzt abgelassen. Weitere Schritte zur Stärkung der Pflegedienstleistungen sind bereits mit den Eckpunkten der Gesundheitsreform erfolgt.

Eine Herkulesaufgabe bleibt die Schaffung niedrigschwelliger Hilfen zur Unterstützung der häuslichen Pflege zu bezahlbaren Preisen. Haushaltsnahe Dienstleistungen müssen noch stärker gefördert werden.

Es wurde zwar in der Vergangenheit erreicht, dass haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich absetzbar sind, dies allein kann jedoch nicht genügen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen Pflegebedürftiger Rechnung zu tragen.

Wir haben noch große Aufgaben im Rahmen zukünftiger Reformen der Pflegeversicherung vor uns. Hier sind Mut und Kreativität gefragt. Ideologie und Angst sind die falschen Berater. Wenn auch noch vieles zu lösen ist, so hat die Reform dennoch einen notwendigen Anfangspunkt gesetzt, den wir in der nächsten Legislaturperiode zu einem guten Ende bringen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, ich verstehe nicht, warum Sie sich so aufregen, wenn ich Frau Ministerin Dreyer die Gelegenheit gebe, eine Sache, die von hoher Bedeutung ist, klarzustellen. Ich habe nicht ohne Grund nachgefragt.

(Ministerpräsident Beck: Ich habe kein Wort gesagt!)

Ich will jetzt nicht in dieser Sache weiterbohren. Es gab durchaus Positionen, die nicht eindeutig zu verstehen waren. Deshalb habe ich mir erlaubt nachzufragen. Das muss im rheinland-pfälzischen Landtag möglich sein.

Zu den Inhalten: Frau Ministerin Dreyer bestreitet, dass meine Vorschau auf das Jahr 2030 mit Finanzvolumina, die 50 % über dem liegen, was wir jetzt haben, ein realistisches Szenario beschreibt. Frau Ministerin Dreyer, wenn Sie davon ausgehen, dass Sie auf der Entlastungsseite bisher nur den besseren Konjunkturverlauf haben, auf der anderen Seite chronisch defizitäre Pflegeversicherung bis auf ein Jahr, wo sie dreizehnmal statt zwölfmal zugeschlagen haben – das war ein Sondereffekt; das wissen wir alle –, wenn Sie davon ausgehen, dass im Jahr 2030 ein Drittel Pflegefälle nominal mehr da sein werden, wenn Sie davon ausgehen, was sie selbst in Ihrer Rede angesprochen haben, dass es auch in der Pflege medizinischen Fortschritt gibt, den man finanzieren muss, und wenn Sie dazunehmen, dass Sie in dieser Reform auch die Leistungen für Demente erweitert haben, dann hoffe ich, dass wir mit diesen 50 %, die ich prognostiziere, auskommen. Zu behaupten, dass das zu hoch gegriffen ist, kann ich in der Tat nicht nachvollziehen.