Protocol of the Session on May 23, 2007

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich finde, es ist eine ganz besondere Stunde im Parlament, bei der wir die Beitragsfreiheit für die Kindertagesstätten und die Kindergärten beschließen. Frau Abgeordnete Raab hat gesagt, es ist ein Meilenstein. Für mich ist es mehr als ein Meilenstein. Ich glaube, das gilt auch für viele andere. Es ist der Beleg dafür, dass die Kindertagesstätten als Bildungseinrichtungen wirklich anerkannt und gleichgestellt werden. Ich glaube, das ist für viele im Haus ein Herzensanliegen. Deswegen freue ich mich sehr, dass wir diesen Gesetzentwurf heute beschließen. (Beifall der SPD)

Nach den Ausschussberatungen hatte ich den Eindruck, wir könnten uns zusammen freuen. Immerhin hat die CDU die Zustimmung zu dem Gesetzentwurf angekündigt. Ich muss sagen, die Freude nach den Ausschussberatungen ist ein bisschen getrübt durch die Rede von Frau Kollegin Dickes.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Sie ist auch ein bisschen wegen der markigen Enthaltung der FDP in dieser Frage getrübt. Wir haben noch nicht abgestimmt. Ich bin aber relativ sicher, dieser Gesetzentwurf wird gleich rechtliche Wirkung entfalten. Das ist eine gute Nachricht für dieses Land. Das ist eine gute Nachricht für die Eltern. Es ist eine gute Nachricht für die Kinder und für die Kindertagesstätten, deren Arbeit damit gewürdigt wird.

(Beifall der SPD)

Das Wichtigste ist damit gesagt. Aber ich will natürlich auf ein paar wenige Aspekte eingehen, die angesprochen worden sind.

Frau Abgeordnete Dickes, Sie erzählen stolz aus dem Land Niedersachsen, wie gut das dort in den Kindertagesstätten ist. In den letzten Wochen sind Listen in den Zeitungen veröffentlicht worden, wie die Versorgung der unter Dreijährigen ist.

(Zuruf der Abg. Frau Dickes, CDU)

Wenn ich mich recht erinnere, steht das Land Niedersachsen fast an letzter Stelle dieser Tabelle. Dieses Land zum Mekka für Kindergärten erklären zu wollen, scheint mir doch ein bisschen verwegen zu sein.

(Beifall der SPD – Zurufe der Abg. Frau Dickes und Keller, CDU)

Ich habe den Eindruck, mit unseren 1.800 Sprachfördermaßnahmen, von denen rund 11.000 Kinder im Land profitieren, und mit der qualifizierten Fort- und Weiterbildung, die in diesem Bereich angeboten und permanent weiterentwickelt wird, kann sich das Land RheinlandPfalz sehen lassen. Frau Dickes, vielleicht gehen Sie einmal mit mir in eine Kindertagesstätte. Ich kann Ihnen zeigen, wie das in Rheinland-Pfalz läuft.

(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Dickes, CDU)

Kernpunkt heute ist die Beitragsfreiheit. Diese hat etwas mit der Besuchsquote unserer Kindertagesstätten zu tun. Als wir das letzte Jahr des Kindergartens beitragsfrei gestellt haben, waren wir uns nicht sicher, ob es die Wirkung entfalten wird, die wir wollen, dass tatsächlich möglichst alle Kinder in die Kindertagesstätten gehen.

Wir haben auch nicht gewusst, wie lange es dauern würde, bis wir dieses Ziel erreichen. Wir haben dieses Ziel schon in diesem Kindergartenjahr mit einer Besuchsquote von 99 % erreicht. Hätte es eines Beleges für den Erfolg der Beitragsfreiheit bedurft, dann wäre das der Beleg gewesen.

Insofern bin ich mir ganz sicher, dass das, was wir heute auf den Weg bringen, ähnliche Wirkung für die Drei- und Vier- und für die Vier- und Fünfjährigen zeigen wird. Das ist wichtig. Wir wissen, dass Kinder aus sogenannten bildungsferneren Elternhäusern und Kinder mit Migrationshintergrund nach wie vor seltener und kürzer die Kindertagesstätten besuchen. Das wollen wir hiermit ausgleichen. Es ist deswegen ein so wichtiger pädagogischer Meilenstein und eine wichtige Frage der Chancengleichheit in dieser Gesellschaft.

(Beifall der SPD)

Sie haben in Ihrem Antrag ausführliche historische Betrachtungen gemacht. Ich möchte nur eine historische Facette hinzufügen. Das sind die Ausgaben für die Kindertagesstätten. 1990 waren es 60 Millionen Euro, 1997 167 Millionen Euro, heute sind es 247 Millionen Euro. So viel sage ich zur historischen Entwicklung der Bedeutung der Kindertagesstätten in diesem Land.

(Beifall der SPD)

Ich dachte ehrlich, Sie würden sich heute ein ganz klein bisschen vorsichtiger ausdrücken; denn Frau Abgeordnete Barbara Schleicher-Rothmund war in der letzten Plenarsitzung aufgefordert, als Sie uns die Ausstattung der Kindertagesstätten vorgeworfen haben, und Sie blicken in Ihrem Antrag bis 1990 zurück. Ich empfehle Ihnen einen Blick in das Protokoll der EnqueteKommission

(Harald Schweitzer, SPD: So ist es!)

jetzt muss ich wieder nachschauen – aus dem Jahr 2004/2005. Sie brauchen gar nicht so weit zurückzuschauen. Da haben die Abgeordneten Ihrer Fraktion die Landesregierung massiv kritisiert, dass sie nicht bereit

ist, die Standards in den Kindertagesstätten – es ging um die Personalstandards – zu öffnen.

(Harald Schweitzer, SPD: So sind sie!)

Wir haben in diesem Land die Linie gehalten.

(Starker Beifall der SPD)

Frau Abgeordnete Dickes, wissen Sie, was der größte Fehler in der Bildungs- und Kindertagesstättenpolitik ist? – Sich in Sonnenzeiten zu diesen Einrichtungen zu bekennen, aber sobald man ein bisschen Gegenwind hat zu sagen, so wichtig sei es dann doch nicht. Die Landesregierung und die sie tragende Fraktion stehen für 16 Jahre kontinuierliche Unterstützung von Kindertagesstätten in diesem Land, um das auch noch einmal deutlich zu sagen.

(Starker Beifall der SPD)

Ich muss Ihnen wirklich sagen, zu solchen Aspekten wie 5,4 Minuten pro Kind sind dann doch noch eine Reihe von Gesprächen mit Erzieherinnen und Erziehern über die heutige pädagogische Arbeit in unseren Kindertagesstätten

(Frau Spurzem, SPD: Nötig!)

notwendig. Lassen Sie mich auf einen letzten Punkt eingehen, der hier angesprochen worden ist, die Zusammenarbeit mit den Kommunen. Ich denke, es ist keine Frage – das merkt man jetzt auch wieder, wenn es um die Verhandlungen auf Bundesebene geht –, wenn eine solche Frage zu entscheiden ist, dann haben die jeweiligen politischen Ebenen ein Interesse daran, möglichst gut abgesichert zu sein.

Deswegen hat man sich in diesem Land entschieden, das Konnexitätsprinzip einzuführen. Deswegen hatten wir diesen Gesetzentwurf nach dem Konnexitätsausführungsgesetz mit den Kommunen zu verhandeln. Natürlich starten solche Gespräche, indem unterschiedliche Positionen und Fragen dort eingebracht werden. Sie sind aber einvernehmlich abgeschlossen worden.

(Pörksen, SPD: Sehr wahr!)

Das Land übernimmt den kompletten Mehrbelastungsausgleich für die Beitragsfreiheit.

(Beifall der SPD)

Hier werden keine Geschäfte zulasten Dritter gemacht. Wir sind uns unserer Verantwortung voll bewusst.

Abschließend: Wir werden im Jahr 2010 in diesem Land in der Situation sein, dass wir einen Rechtsanspruch auf einen beitragsfreien Kindergartenplatz für alle Kinder von zwei bis sechs Jahren haben. Das sucht bundesweit seinesgleichen. Das kann sich international sehen lassen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltend starker Beifall der SPD)

Zu einer Kurzintervention hat Frau Kollegin Dickes das Wort.

(Harald Schweitzer, SPD: Die hat sich doch erst blamiert! Muss man das immer zweimal machen? Einmal reicht doch!)

Frau Ministerin, wenn ich davon spreche und wenn wir als CDU-Fraktion davon sprechen, dass wir Standards absenken wollen, dann soll es nicht an der Qualität geschehen,

(Heiterkeit bei der SPD)

dann soll es nicht an der Qualität der Erzieherinnen passieren, sondern dabei geht es ganz klar um Standards wie Baumaßnahmen, wie die Toiletten, die wir heute hier fordern.

(Harald Schweitzer, SPD: Das ist doch nicht wahr! – Fuhr, SPD: Das hat mit Qualität nichts zu tun? – Harald Schweitzer, SPD: Ihr wollt Personal entlassen!)

Es geht uns in unserem Antrag nicht darum, Personal abzubauen.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Frau Brede-Hoffmann, ich würde gern ausreden. Das ist höflich. Auf der Zuschauertribüne sitzen auch junge Leute, die das vielleicht in ihren Elternhäusern gelernt haben.

Der Personalschlüssel in unseren Kindertagesstätten ist ziemlich gering, was die Kinder betrifft. Wir können trotzdem eine Förderung machen, wenn wir die Gruppen homogener im Alter gestalten. Das ist unser Problem in den Einrichtungen. Wir haben Zweijährige, und wir haben Siebenjährige. Das ist jedenfalls bei mir zu Hause so.

Ich weiß, dass man die Kinder durchaus zusammen erziehen kann, aber ich brauche viel Zeit für jedes einzelne Kind. Wenn ich meine Kleine und meinen Großen zusammen fördern will, dann klappt das wirklich schlecht. Deswegen sprechen wir von der fördernden Grundschule. Deswegen wünschen wir uns auch altershomogenere Gruppen. Es kann nicht sein, dass wir eine riesige Altersspanne in unseren Kindertagesstätten haben. (Unruhe im Hause)

Ich möchte noch einmal auf das Beispiel von Niedersachsen zurückkommen, das ich eben gebracht habe. Ich habe ganz klar von der Sprachförderung in Niedersachsen gesprochen, die dort unter der SPD-Regierung eingeführt wurde, überhaupt nicht funktioniert hat, evaluiert wurde und heute vernünftig gestaltet wird.