Protocol of the Session on May 23, 2007

Es wird auch von vielen Fachleuten deutlich gemacht, dass ein Kind spätestens ab dem zweiten Jahr seinen Horizont über den Interaktionsraum der Familie erweitern sollte. Auch dazu trägt unser Gesetz bei.

Wir haben jetzt Ihren Entschließungsantrag vorliegen. Unseren haben wir in der ersten Lesung schon begründet. Dieser Antrag hat mich sehr erstaunt, auch in der Form, in der er formuliert worden ist. Das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich einmal zum Ausdruck bringen. Es wird eine Geschichtsbeschreibung betrieben

(Pörksen, SPD: Klitterung nennt man das!)

Geschichtsklitterung –, die mit den Realitäten nichts zu tun hat.

(Zurufe von der CDU)

Der erste Punkt: Kindertagesstättengesetz und Rechtsanspruch haben wir eingebracht, haben wir aufgebaut und haben es solide finanziert. Der Punkt Tagespflege: Das haben wir finanzierbar gemacht, wir haben die Zertifizierung durchgesetzt und auf den Weg gebracht, ebenfalls die Beitragsfreiheit des letzten Kindergartenjahres, sie ist solide finanziert.

Nun dieses ganze Märchen, was hier zur Finanzierung kommt. Wir haben unseren Vorschlag mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Der Gesetzentwurf schafft bis 2010 schrittweise die Elternbeiträge für den Kindergarten ab und kompensiert die daraus folgenden konnexitätsbedingten Mehrausgaben bei den Jugendämtern durch eine gesonderte Zuweisung aus Landesmitteln. Das ist Realität, das ist abgestimmt, und das ist bei uns solide durchkalkuliert.

(Beifall der SPD)

Wir werden diesen Weg weiter konsequent fortsetzen. Wir sind dankbar dafür, dass wir von der kommunalen Seite auch aus dem Bereich der Pädagogikteams eine so große und solide Unterstützung und einen so großen Rückhalt bekommen haben. Wir freuen uns, dass das Gesetz allgemein auf so große Zustimmung trifft. Wir danken der Ministerin und dem Finanzminister für das Engagement und die zukunftsfeste Finanzierung. Wir freuen uns auf das Inkrafttreten des Gesetzes für die Kinder und für die Familien in Rheinland-Pfalz.

(Beifall der SPD)

Ich erteile Frau Kollegin Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits im Rahmen der ersten parlamentarischen Debatte zu diesem Gesetzentwurf sowie in den Ausschussberatungen hat die FDP-Fraktion deutlich gemacht, dass sie grundsätzlich das Ziel dieses Gesetzentwurfs teilt. Der Kindergarten gewinnt zu Recht und zum Glück immer mehr an Bedeutung, weil er die Institution ist, die die entscheidende Grundlage in der frühkindlichen Bildung für einen erfolgreichen Start in die Schullaufbahn schafft. Wir alle in diesem Haus teilen die Meinung, dass eine solche Bildungsinstitution für alle Kinder zugänglich sein muss und der Besuch einer Bildungseinrichtung gerade am Start nicht an Elternbeiträgen scheitern darf.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Aus diesem Grund hat die FDP-Landtagsfraktion in der vergangenen Legislaturperiode auch dem letzten beitragsfreien Kindergartenjahr im Rahmen des Programms „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ ausdrücklich zugestimmt. Leider müssen wir jetzt feststellen, dass schon dieses letzte kostenfreie Kindergartenjahr im Rahmen des von der SPD-Alleinregierung gestalteten Doppelhaushalts im Jahr 2008 durch die Aufnahme

neuer Schulden finanziert wird. Ab dem Jahr 2011 werden jährlich rund 58,5 Millionen Euro – wie im Gesetzentwurf ausgewiesen – an zusätzlichen Kosten für die Beitragsfreiheit anfallen. Diese 58,5 Millionen Euro sind zwar im vorliegenden Gesetzentwurf, wie Sie mehrfach wiederholt haben, auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden nachvollziehbar berechnet, Sie bleiben jedoch nach wie vor die Antwort schuldig, woher Sie das Geld zukünftig nehmen wollen.

Ich habe auch im Rahmen der Ausschussdebatte noch einmal nachgefragt, welche Sparmaßnahmen die Landesregierung künftig im Landeshaushalt vorsieht, um diesen durchaus sinnvoll eingesetzten Beitrag zu finanzieren. Eine Antwort bekommen wir darauf leider nicht.

(Frau Schmitt, SPD: Haben Sie auch gefragt, als Sie noch mit in der Regierung waren?)

Deshalb muss man davon ausgehen, dass die Grundlage für das neue Gesetz eine Finanzierung der Beitragsfreiheit aus zusätzlicher Neuverschuldung sein wird.

Zum Glück – gerade auch für das Bildungswesen in unserem Land – haben Sie auf eine Absenkung der Eingangsbesoldung bei den Beamtinnen und Beamten verzichtet. Sie haben aber auch hier nicht gesagt, wie Sie das denn im Haushalt kompensieren und wo Sie stattdessen Einschnitte vornehmen wollen. Deshalb ist klar, dass sich zukünftig abzutragende Schulden und Zinsen in diesem Land immer weiter anhäufen werden. Es werden dann genau diejenigen Generationen sein, die jetzt den beitragsfreien Kindergarten besuchen können, die später diese Schuldenlast abtragen müssen.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion ist der Meinung, dass man ein solches Gesetz nicht auf dem Rücken derjenigen finanzieren kann, die eigentlich hiervon profitieren sollten. Im Grunde genommen ist das ein nachgelagerter Kindergartenbeitrag, den die jungen Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer dann abbezahlen müssen, wenn Sie als Landesregierung nicht mehr in der Verantwortung stehen. Das halten wir für nicht besonders verantwortungsbewusst.

(Beifall der FDP)

Meine Fraktion wird sich deshalb trotz der von der FDPFraktion mitgetragenen Intention der Beitragsfreiheit bei der Abstimmung gezwungen sehen, sich zu enthalten. Wir können aus demselben Grund dem Antrag der CDU nicht zustimmen. Sie haben zwar recht, Frau Kollegin Dickes, wenn man sich die Finanzierung und auch die Bedienung der Jugendhilfeträger ansieht, dass ausgerechnet diejenigen nun weniger Zuweisungen bekommen, die vorher die Eltern in möglichst geringem Maße mit Beiträgen belasten wollten.

Sie haben auch recht, wenn Sie sagen, dass die Prämie für diejenigen, die zum Stichtag die Beiträge nicht erhöht haben, nicht abbildet, wie die Beiträge vorher ausgesehen haben. Sie haben möglicherweise auch recht, wenn Sie sagen, die Kostendynamik kann sich so entwickeln,

dass es, wenn man das Konnexitätsprinzip einhalten möchte, notwendig sein wird, die Bezuschussung auch nach einem gewissen Zeitraum zu überprüfen. Aber alles, was Sie dann insgesamt in Ihrem Kanon vorschlagen, führt natürlich auch zu zusätzlichen Mehrkosten, die in dem Landeshaushalt, mit dem wir momentan operieren, den die SPD-Fraktion beschlossen hat, leider nicht abgebildet sind.

(Beifall der FDP)

Vor diesem Hintergrund halten wir es als FDP-Fraktion für noch schwieriger, statt einer schrittweisen Einführung, wie die Landesregierung sie vorschlägt, auf einen Schlag alle Kindergartenjahre beitragsfrei zu stellen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zum Antrag der SPD-Fraktion „Offensive für Kinder erfolgreich fortsetzen“ sagen. Hier wird das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ in seiner ganzen Breite noch einmal positiv hervorgehoben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD – Fuhr, SPD: Zu Recht!)

Es sind tatsächlich viele positive Ansätze, die mit diesem Programm angestoßen wurden.

(Frau Schmitt, SPD: Die Ihr über Jahre mitgetragen habt!)

Natürlich, darum sage ich ja, die haben wir mitgetragen, als es verabschiedet wurde, hören Sie doch einfach zu Ende zu. Angefangen von der Initiative für mehr Betreuung für unter Dreijährige bis hin zur Sprachförderung und der zielgerichteten Vorbereitung auf die Grundschule für Kinder im letzten Kindergartenjahr sind dort positive Ansätze gefunden worden.

Natürlich ist vieles zusätzlich getan worden. Dazu gehört die Reform der Erzieherinnenausbildung, die genannt wurde, die Einrichtung eines Studiengangs an der Fachhochschule Koblenz, der vor allem für Leitungskräfte von Kindertageseinrichtungen konzipiert wurde, und die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen.

Fakt ist auch, dass diese ganzen Inhalte, die auf den Weg gebracht worden sind, vor Ort und im Alltag umgesetzt werden müssen. Erzieherinnen und Erzieher sind in besonderem Maße leistungsbereit und motiviert.

Wenn Sie sich jedoch um Rückmeldungen aus den Einrichtungen bemühen und dort in die Arbeit hereinschauen, dann bekommen Sie auch diejenigen Rückmeldungen, dass alle diese mehr oder weniger gleichzeitig eingeleiteten Reformen zu großen Belastungen führen, zu einem erheblichen zusätzlichen Koordinationsaufwand, zu Umstrukturierungen, zu mehr Arbeit, zu mehr Kommunikations- und Abstimmungsbedarf, zu zusätzlichen Fortbildungs- und Beratungsnotwendigkeiten und damit zur Bindung von Ressourcen, um der geforderten Qualität gerecht zu werden.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Meine Fraktion und ich sind der festen Überzeugung, dass es in Zukunft noch erheblicher zusätzlicher Anstrengungen bedarf, um die Qualität für die Betreuung der unter Dreijährigen sicherzustellen.

(Frau Schmitt, SPD: Was ist das „in Zukunft“?)

Ich sage es jetzt. Neben genügend Zeit gerade für die Kleinsten in den Einrichtungen werden Leiterinnen von Kindertagesstätten die nötige Zeit und Unterstützung für ihre mittlerweile sehr anspruchsvollen Aufgabenfelder brauchen. Erzieherinnen werden zeitlich mehr Ressourcen zur Fortbildung, zur Koordination der Zusammenarbeit mit Grundschulen und Eltern, zur Beobachtung und Diagnostik und für ihre wichtigen Bildungsaufgaben benötigen.

(Zuruf von der SPD)

Wenn ich in die Einrichtungen gehe, erlebe ich, dass sich diese Aufgaben sehr viel zeit- und personalintensiver darstellen, als das vorhersehbar war. Deshalb greift nach meiner Ansicht der Antrag der SPD zu kurz.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch etwas ganz Grundsätzliches sagen. Ich bin sehr froh darüber, dass insbesondere durch die katholische Kirche eine breitere und grundsätzlichere Diskussion darüber angestoßen wurde, was Betreuung, Erziehung und Bildung im Einzelnen für uns bedeuten, in welchen Formen diese Aufgaben in unserer Gesellschaft wahrgenommen werden können und wie wir Familien bei der Wahrnehmung all dieser Aufgaben unterstützen können.

Wir dürfen deshalb bei dieser Diskussion gerade für die Bereiche der Betreuung und Erziehung nicht nur auf die staatlich geförderten Institutionen schauen, sondern wir müssen auch andere Formen wie Tagespflege, die häusliche Betreuung durch ein Kindermädchen oder ein Au-pair-Mädchen oder die Erziehung und Betreuung in der Ursprungsfamilie mit im Blick behalten.

(Beifall der FDP)

Deshalb wird es für die kommenden Monate ganz besonders wichtig sein, dass wir Konzepte entwickeln, die all diese Möglichkeiten gleichermaßen berücksichtigen, die die unterschiedlichen Lebensmodelle der Familien ermöglichen und die gleichermaßen nicht unseren staatlichen Bildungsauftrag vernachlässigen. Das ist nach meiner Ansicht eine sehr grundlegende gesellschaftliche Diskussion, die wir führen, und eine sehr komplexe und schwierige Aufgabe. Ich muss ehrlich sagen, meine Fraktion versucht im Moment, sich sehr intensiv dieser Aufgabe zu widmen, bevor wir mit einem Vorschlag ankommen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Ich möchte diese grundsätzliche Debatte nicht so geführt wissen wie bisher. Ich möchte sie nicht durch eine Diskussion hier im Haus oder durch das Schaulaufen auf Bundesebene zerredet wissen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)