Herr Ministerpräsident Beck, ausgerechnet Ihre Partei hat in den letzten Jahren, Monaten und Wochen immer gegen die Freiberuflichkeit im Gesundheitsmarkt gewettert. Ich könnte nun Zitate von Herrn Professor Dr. Lauterbach in Serie bringen.
Herr Ministerpräsident, ich möchte einmal die Qualität Ihrer Pressemitteilung deutlich machen. Herr Kollege Winter hat sie auch schon einmal zitiert. Ich möchte einen Satz daraus vorlesen:
„Durch Zentralisierung von Service-, Einkaufs- und Verwaltungsleistungen oder die gemeinsame Nutzung von Labors werden aber innovative Wege vom Krankenhausmanagement und den Praxisärzten beschritten, um diese Modernisierungsprozesse erfolgreich umzusetzen und zu einem Beschäftigungsaufbau zu gelangen.“
Wenn ich so etwas lese, fällt mir wirklich die Kinnlade herunter. Wissen Sie, weshalb diese Prozesse stattfinden? – Damit man überleben kann. Damit wird nicht Beschäftigung aufgebaut, sondern es wird Beschäftigung abgebaut.
70 % der Kosten im Krankenhauswesen sind Personalkosten. Wenn man keine Luft mehr hat, versucht man, zusammenzustreichen und genau diese Kosten zu sparen. Dies dient nicht zur weiteren Beschäftigung.
„Für das Handwerk“ – es geht um Dienstleistungen – „bedeutet dies eine stärkere Nachfrage auch im Dienstleistungsbereich, neue Marktchancen, vor allem aber neue und nicht exportierbare Arbeitsplätze in den privaten Haushalten.“
Meine Damen und Herren, wer hat noch vor einigen Jahren gegen die Arbeitsstellen in den privaten Haushalten gewettert? – Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, was Sie gesagt haben. Sie haben es weggeschoben. Es wäre zumindest einmal notwendig gewesen, an dieser Stelle zu sagen, dass wir in der ambulanten Pflege Riesenprobleme haben und mit Kollegen aus den europäischen Nachbarländern in der ambulanten Pflege Riesenprobleme haben. Erwin Rüddel hat das an dieser Stelle hundertmal betont.
Wir glauben, der Zukunftsmarkt heißt Gesundheitsmarkt, aber dann muss man ihm die Fesseln abnehmen und ihn gewähren lassen und darf nicht wie Sie durch Staatsdirigismus in alles hineindirigieren. Dann wird auch mehr Beschäftigung entstehen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! An und für sich sollte man froh sein, dass auch die SPD die von uns immer wieder eingeforderte Position, das Gesundheitssystem als positiven Leistungsbeitrag einer Volkswirtschaft zu sehen und anzuerkennen, ernst nimmt.
Als solches nehme ich diesen Vorschlag. Selbstverständlich bin ich auch nicht frei davon, einen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der, wie Teilnehmer sagten, etwas überhastet wirkenden Veranstaltung und der hektisch durchgepeitschten Reform im Bundestag. Weil kein Mensch mehr ertragen konnte, was er selbst als Beiträge zu liefern hatte, musste das Ganze schnell zur Abstimmung gebracht werden. Es war also eine Nebelkerze durchaus im Sinne der Dinge, die wir immer eingefordert haben. Wenn jetzt noch das, was die Regierung tut und in Berlin unterstützt, und das, was sie hier fordert, zusammengebracht werden, gehen wir rosa Zeiten entgegen.
Frau Ministerin Dreyer und Minister Hering halten fest, dass große Wachstumssegmente in den Bereichen Krankenhäuser, Pflege, freie Arztpraxen, institutioneller Rahmen und Pharmaindustrie zu erwarten sind. Dem ist nichts hinzuzufügen. Auch das sehen wir ganz genauso.
Was den Bereich Krankenhäuser angeht, so haben wir uns aber schon ausgetauscht. Meine Damen und Herren, der Bereich Pflege war mehrfach und wird immer wieder in diesem Haus Thema sein, weil es ein Musterbeispiel für einen potentiellen Wachstumsmarkt ist, der chronisch unterfinanziert seine Wachstumskräfte nicht entfalten kann.
Zum Bereich Arztpraxen habe ich eben schon etwas gesagt. Man versucht jetzt, mit Medizinischen Versorgungszentren – nicht „Vorsorgezentren“, Herr Kollege, Kleinigkeiten, aber immerhin – eine andere Praxisstruktur auf den Weg zu bringen. Ob es gelingen wird, dass die MVZ früher erfolgreich sein werden – ich möchte nicht so weit gehen und Vergleiche mit den anderen Teilen Deutschlands anstellen, die ähnliche Formen im Repertoire hatten –, weiß noch niemand. Dass das ambulante System über die freien Praxen in Gefahr ist, weiß jeder und gesteht auch jeder zu.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zum institutionellen Rahmen. Der institutionelle Rahmen umfasst all die Beschäftigten, die nicht als direkte oder indirekte Leistungserbringer im System beteiligt sind, sondern beispielsweise Angestellte bei Krankenkassen oder bei der Debeka in Koblenz. Auch da sind die Auskünfte eindeutig. Es droht dauerhaft Arbeitsplatzabbau, auf gar keinen Fall Arbeitsplatzaufbau.
Der letzte Bereich der Pharmaindustrie wurde auf der Seite der forschenden Pharmaindustrie, was die Gesundheitsreform angeht, sehr einschlägig kommentiert.
Es bleibt einfach das Problem, das Sie mit solchen Nebelkerzen nicht wegbekommen, dass Sie die richtigen Fragen stellen, aber die falschen Antworten geben. Herr Kollege, selbstverständlich ist der Gesundheitsbereich ein zentraler Wachstumsfaktor des 21. Jahrhunderts. Aber bitte handeln Sie doch danach und nicht an der dritten Stelle hinter dem Komma bei einem zweitklassigen Kongress in Kreuznach, sondern da, wo die Musik gespielt wird, wo Sie im Bundestag und im Bundesrat Verantwortung für ein System tragen, das Wachstumskräfte entfalten kann und das nicht wie bisher im Strangulieren von Leistung sein erstes Ziel sieht.
Meine Damen und Herren, ich darf in Erinnerung rufen, das Gesundheitskonzept sollte die Entkoppelung von Arbeits- und Gesundheitskosten herbeiführen. Es sollte Demografievorsorge treffen. Es sollte den medizinischen Fortschritt befördern, und es sollte einen positiven volkswirtschaftlichen Beitrag leisten. In allen diesen Bereichen ist der Reformprozess grandios gescheitert. Ihr Antrag zum Gesundheitsstandort Rheinland-Pfalz mag so gar nicht dazu passen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! So ein bisschen könnte man heute den „Blues“ bekommen. Man kann wirklich den Eindruck haben, dass wir in Rheinland-Pfalz mit der Gesundheit, dem Alter, mit der Pflege und allem, was damit zusammenhängt, so richtig auf dem absteigenden Ast sind.
Es tut mir leid, ich muss Sie mit einigen Zahlen konfrontieren, auch wenn Sie sie vielleicht aus der Presse schon kennen. Vorab noch einmal eine grundsätzliche Bemerkung. Wir haben den Anspruch, mit unserer Politik tatsächlich Ziele zu verfolgen und zu gestalten, auch wenn die Rahmenbedingungen manchmal schwierig sind. Deshalb hat unser Ministerpräsident zu Recht in seiner Regierungserklärung bereits angekündigt, dass das Thema „Gesundheitswirtschaft“ einer unserer Schwerpunkte sein wird.
Unser Ziel ist es, mit gemeinsamen Kräften, nämlich den Stärken des Wirtschaftsministeriums sowie den Stärken des Gesundheitsministeriums und der ganzen Partner
möglichst viel in diesem Bereich für uns alle herauszuholen. Man kann auch sagen, dass wir auf dem Gesundheitskongress, der jetzt wenig freundlich von Herrn Dr. Schmitz kommentiert worden ist, direkt die Möglichkeiten und Perspektiven durchaus spüren konnten, weil auf diesem Fachkongress viele unterschiedliche Bereiche miteinander ins Gespräch gekommen sind und auch dadurch eine Verbindung ihrer unterschiedlichen Tätigkeitsfelder tatsächlich zum ersten Mal entstanden ist und wir Chancen sehen, diese positiv weiterzuentwickeln.
Sehr geehrter Herr Dr. Schmitz, ich halte es nicht für legitim, jede Debatte zum Gesundheitswesen – auch im weiteren Sinne, wenn wir über Gesundheitswirtschaft diskutieren – auf das Thema „Gesundheitsreform“ zu reduzieren.
Wie ich mich gut erinnern kann, haben Sie bei der letzten Gesundheitsreform – in der Pfalz würde man so sagen – wie ein Rohrspatz im Plenum geschimpft,
und trotzdem muss man sagen, dass sich die Zahlen in diesem Bereich vollkommen anders entwickelt haben, als das ursprünglich von Ihnen prognostiziert worden war.
Im Bereich der Gesundheitswirtschaft, aber auch im Bereich der Seniorenwirtschaft haben wir erhebliche Wachstumspotenziale in den letzten Jahren, auch in den letzten Jahren seit der Gesundheitsreform, wenn ich das einfügen darf.
Ich möchte Ihnen ein paar davon nennen, weil die meisten Teilmärkte tatsächlich auch letztlich den Kernbereich der Gesundheit darstellen. Die Krankenhäuser beispielsweise haben von 1999 bis 2005 eine Wachstumsquote von plus 5 %, was Beschäftigung betrifft. Das ist mir wichtig zu sagen, weil vorhin so komische Bilder über unsere Krankenhäuser gezeichnet worden sind.
Sie sprechen von Nebelkerzen bezogen auf die Gesundheitswirtschaft, und das, obwohl beispielsweise in nicht ärztlichen medizinischen Berufen in den Jahren 1999 bis 2005 ein Wachstum von immerhin plus 12 % zu verzeichnen war.
Sie sprechen von der Pharmazie, die aus Ihrer Sicht sozusagen große Probleme hat. Sie hat in den letzten Jahren Gewinne zu verzeichnen wie selten in den Jahren zuvor. Das gilt für unsere ganzen pharmazeutischen Unternehmen nicht nur in Rheinland-Pfalz. Das sind wenige Beispiele. Die Pflege wäre natürlich auch noch zitierfähig. Die Pflege ist ein Bereich, der einen unglaublichen Wachstumsfaktor in den letzten Jahren darstellt, vor allem seit der Einführung der Pflegeversicherung. Die ambulanten Pflegedienste haben sich vervielfacht. Das weiß auch jeder der Sozialpolitiker ganz genau. Sie sind nach wie vor im Wachsen.
Natürlich bewegen wir uns im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft immer auch im Spannungsfeld der Finanzierbarkeit. Das ist doch selbstverständlich. Natürlich muss man das auch immer miteinander abwägen und darf sich nichts vormachen. Dennoch verweise ich auf die Entwicklung der letzten Jahre, wo dieser Konflikt für viele unzureichend, für viele zureichend gelöst worden ist, dass wir Wachstumspotenziale in dieser Branche haben. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Wir wollen diese Prozesse beflügeln.
Warum wird es sich nicht ändern? Das hat damit zu tun, dass wir Veränderungen in unserer Gesellschaft haben, dass es unterschiedliche Impulsgeber gibt. Das eine ist, dass die Bevölkerung einen zunehmenden Trend zur Erhaltung der Vitalität ihrer Gesundheit zeigt. Man kann durchaus sagen, dass es ein neues Bewusstsein für die eigene Gesundheit gibt, dass Menschen auch ein ansteigendes Gesundheitsbewusstsein haben, dass sie auch Geld für Themen wie „Prävention“ beispielsweise in die Hand nehmen und einfach eine stärkere Hinwendung zu diesem Thema stattfindet.