Meine Damen und Herren, gerade weil sich RheinlandPfalz in den letzten Jahren sozialpolitisch wacker geschlagen hat, richten sich unsere gespannten Blicke bei der Vorlage des Einzelplans 06 für die Jahre 2007/2008 darauf, ob die jetzt allein regierende SPD die richtigen Antworten auf diese drängenden sozialpolitischen Fragen gibt. Das ist nicht nur deshalb spannend, weil die Antworten von gestern niemals ausschließlich die Lösungen von heute sein können und weil unsere Gesellschaft nach sozialpolitischen Antworten, die glaubwürdig den Weg aus der Krise zeigen, geradezu giert, sondern es ist auch spannend, weil bis in die SPD hinein das Aufbrechen starrer Positionen zu beobachten ist.
Immerhin ist es unser Ministerpräsident gewesen, der die Unterschichtsdiskussion losgetreten hat, und auch die folgende Äußerung lässt aufhorchen – ich zitiere –: „Der nachsorgende und überwiegend beitragsfinanzierte Sozialstaat bismarkscher Prägung bietet keine … Perspektiven mehr. Wir haben keinen Grund, nostalgisch weiter an ihm festzuhalten. Der vorsorgende Sozialstaat setzt auf Bildung und Qualifizierung. Er ist etwas grundsätzlich anderes als ein materiell versorgender und fürsorglicher Sozialstaat.“
Meine Damen und Herren, es wird Ihnen nicht verborgen sein, dass das Worte Ihres früheren Bundesvorsitzenden Platzeck sind. Kompliment, Herr Platzeck!
Vorsorge statt Fürsorge, Prävention statt Sozialpolitik als wirtschaftliche Ergebniskorrektur, das sind ganz neue Töne, meine Damen und Herren. Was macht RheinlandPfalz konkret daraus? Ich greife weit voraus. Auf diese neuen Fragen gibt auch der vorliegende Doppelhaushalt Antworten, viele Antworten, aber nicht nur überzeugende Antworten. Insgesamt neben den Dingen, die wir gemeinsam tragen, die uns wichtig sind, die Schwerpunktsetzungen darstellen, gibt es zu viel „Business as usual“, zu viel Beharren auf Rezepten der Vergangenheit, zu wenig Schwerpunktbildungen, gerade diesen neuen Herausforderungen gegenüber. Das Ganze ist eingebettet in unzählige Einzelmaßnahmen, im Haushalt oft gegenseitig deckungsfähig, deren Wirkung im Einzelnen aber nicht ausreichend überprüfbar ist. Das ist bei dem vielen Geld, um das es geht, etwas, was man nicht einfach durchgehen lassen kann.
Meine Damen und Herren, über all dem steht das kräftezehrende Primat politischen Marketings: keine Woche ohne Einladungen, Hearings, Fortbildungen, Preisverleihungen usw. – Jetzt mag man sagen, das gehört zum politischen Geschäft. Sei es drum, ich habe gewissermaßen Verständnis dafür, und wenn die Schatullen voll wären, würde ich kein Wort darüber verlieren. Aber ein Bundesland, das sich mit einer, wenn auch nur virtuellen, weil das Ganze bei Neuverschuldung faktisch nicht stattfindet, Zinslast von 1,2 Milliarden Euro herumschlagen muss, ist das keine Bagetelle mehr, die man einfach nicht ansprechen sollte, sondern das ist schon ein Kern des Problems.
Meine Damen und Herren, beispielsweise im Bereich der Beratungs- und Koordinierungsstellen – Frau Thelen ist ein wenig darauf eingegangen –, hatten wir in der letzten Legislaturperiode eine höchstrichterliche Entscheidung zu akzeptieren. Da ging es immerhin um 2,7 Millionen Euro Zuschuss. Dieses Geld sollte für den letzten Haushalt – so hatte ich es verstanden – einmalig noch einmal gezahlt werden. Für die Zukunft jedoch sollten die Ausgaben auf den Prüfstand. Wir möchten zukünftig wissen, was insbesondere die Ausgewogenheit dieser Mittelverwendung hinsichtlich kirchlicher Beteiligung, freigemeinnütziger Beteiligung und auch privater Beteiligung angeht. Wir werden im Ausschuss nachfragen.
Meine Damen und Herren, insgesamt ist mir wichtig, dass es nicht die einzelne Aktivität ist, die ich als kritikwürdig empfinde, sondern die mangelnde Effizienz und die damit manchmal fehlende synergetische Stoßkraft. Verzettelungsgefahr droht statt sozialpolitischer Durchbrüche, zu viel „allen wohl und niemand weh“, zu wenig Bereitschaft, lieb Gewordenes zugunsten neuer Schwerpunkte zurückzustellen.
Ein weiteres Beispiel gefällig? – Die gesundheitspolitische Unterstützung in sozialen Brennpunkten oder bei der Männergesundheit. Dies ist selbstverständlich, wie so vieles, gut gemeint, aber sie muss scheitern, solange die chronische Unterfinanzierung im ambulanten Gesundheitsbereich das genaue Gegenteil bewirkt. Da schiebt man mit dem Hintern der Gesundheitsreform das wieder um, was man auf Landesebene mit Steuergeldern aufzubauen versucht. So geht es nicht.
Liebe Parteifreundinnen und Parteifreunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe es mehrfach gesagt – –
Fraktionsfreunde – –, wichtige Fragen bleiben unbeantwortet. Man tut viel für die Chancengerechtigkeit für Kinder. Herr Ministerpräsident, wie will man den Durchbruch für das Thema, das Sie angerissen haben, für die Motivation der Unterschicht, in der Unterschicht korrekterweise, wie den Durchbruch bei der Integration von Migrantinnen und Migranten schaffen? Wie schaffen wir es in Rheinland-Pfalz, ausreichende Arbeitsplatzangebote für Menschen mit niedriger Qualifikation vor allem auf dem ersten Arbeitsmarkt sicherzustellen? Wie bringt sich Rheinland-Pfalz auf Bundesebene ein, vor allem mit dem doppelten Gewicht unseres Ministerpräsidenten? Das meine ich natürlich nur politisch.
Was ist mit der Gesundheitsreform, der Pflegeversicherungsreform, der Fortentwicklung von Hartz IV, dem jahrelang angekündigten Präventionsgesetz, der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte? Seit vielen Jahren gibt es Ankündigungspolitik und beruhigende Worte.
Meine Damen und Herren, die FDP kritisiert aber nicht nur, wir machen auch konkrete Vorschläge in einer Größenordnung, die sich sehen lassen kann. Immerhin 12,5 Millionen Euro aus ESF-Mitteln – sie waren heute schon mehrfach Thema – setzen wir um aus der allgemeinen Arbeitsmarktpolitik im Rahmen des SGB II für
eine Neuakzentuierung bei den Hochschulen. Dies tun wir in der Überzeugung, dass mit den ca. 88 Millionen Euro der Bundesagentur für Arbeit für SGB-IIIntegrationsmaßnahmen – 88 Millionen Euro – und immerhin noch nach Abzug unserer 12,5 Millionen verbleibenden 23,5 Millionen Euro aus Landes- und ESFMitteln ein vollkommen ausreichender Betrag in diesem zugegebenermaßen wichtigen Politikfeld zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren, diese Mittel wollen wir ganz im Sinne einer modernen Sozialpolitik im Hochschulbereich einsetzen. Sie komplettieren das von der FDP geforderte Hochschulsonderprogramm auf 50 Millionen Euro pro Jahr, dies ganz im Sinne auch Ihrer Forderung, der Arbeitslosigkeit den Nachschub zu entziehen; denn auch akademische Arbeitslose sind Arbeitslose. Ich gehe nicht davon aus, dass die SPD dies anders sieht.
Meine Damen und Herren, den Einwendungen der Frau Kollegin Grosse kann ich getrost und gut gewappnet entgegentreten. Selbstverständlich haben wir gerade die juristischen und europarechtlichen Fragen vorher auf Herz und Nieren geprüft, und alle kompetenten Befragten haben uns beteuert, dass insbesondere unter der Neuformulierung der ESF-Bedingungen ab 2007 genau dieser Weg nicht nur möglich ist, sondern nachgerade als mit gefordert erscheint.
Frau Kollegin Grosse, sind Sie beruhigt, es wird gehen, wenn Sie denn wollen. Das haben Sie infrage gestellt.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus kann man natürlich – ich habe es schon erwähnt – zwei Jahre nach Einführung von Hartz IV füglich nicht mehr von einer Startphase sprechen. Wir hatten seinerzeit Mittel an die Begründung gebunden, diese Startphase im Rahmen der regionalen Budgets entsprechend zu begleiten.
Meine Damen und Herren, die Zeit eilt. Ich versuche, einen Teil einzudampfen, und möchte mir erlauben, zum Ende meiner Ausführungen noch einmal auf einen Punkt einzugehen, der in den nächsten Monaten und Jahren in Rheinland-Pfalz von hoher Bedeutung sein wird. Es sind die Auswirkungen der laufenden Gesundheitsreform. Wir haben die Beziehung auch zu diesem Haushalt durch unseren Entschließungsantrag hergestellt, bei dem wir eindringlich die Landesregierung auffordern, Mittel beispielsweise der Krankenhausfinanzierung so einzusetzen, dass sich die Auswirkungen der Gesundheitsreform auf Rheinland-Pfalz als Flächenland nicht so auswirken, wie sie sich auswirken müssen, wenn man Honorarreduzierungen, Krankenhaussonderopfer, Mehrwertsteuererhöhung und Tariferhöhungen zusammenführt; denn das ist eine teuflische Mischung insbesondere für Krankenhäuser in der Fläche, in der auch der Hinweis, das ließe sich mit Aktivitäten im ambulanten Bereich kompensieren, nach unserer sicheren Überzeugung insbesondere kurzfristig nicht greifen wird. Weitere Ausführungen zu dieser Spezialproblematik haben an dieser Stelle keinen Platz.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, nicht in einer Art von Beratungsresistenz zu verharren und das Gefühl aufkommen zu lassen, die gesamte kommentierende und schreibende Zunft dieser Bundesrepublik sei von der Opposition gekauft oder sei inkompetent und könne dieses Reformwerk nicht beurteilen.
Ich habe im politischen Raum noch nie etwas erlebt, was einer so verheerenden Unisono-Kritik unterworfen wurde.
Meine Damen und Herren, wenn Sie es aufgrund des weit fortgeschrittenen politischen Prozesses nicht hinkriegen, diese Dinge zu revidieren – immerhin haben Sie Einwirkungsmöglichkeiten über den Bundesrat; andere Bundesländer versuchen sehr massiv, noch einmal Schlimmeres zu verhindern –, dann sollten Sie sich wenigstens die von mir angesprochenen, in Zukunft anstehenden Reformen unter diesem Aspekt anschauen und nicht versuchen, erneut eine eierlegende Wollmilchsau zu konstruieren, die dann am Schluss eher eine Missgeburt ist, vor der nicht nur die Leistungserbringer – von Ihnen Lobbyisten genannt, Herr Ministerpräsident – verständlicherweise Angst haben, sondern vor der Patienten und Beschäftigte im Gesundheitswesen Angst haben müssen. Meine Damen und Herren, das sind sehr viele. Die zählen auch in Rheinland-Pfalz noch Hunderttausende.
Das ist erstens das Wegkommen von einer sozialpolitischen Gießkannenpolitik, Schwerpunktsetzungen für klarere und erfolgskontrollierbare Konzepte. Setzen Sie sich sozialpolitische Ziele, deren Erfüllung Sie selbst und auch wir überprüfen können.
Tragen Sie damit dazu bei, soziale Sicherungssysteme vom Kopf auf die Füße zu stellen und dauerhaft die Unterstützung in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten.
Kinder und Jugendliche aus gesellschaftlichen Problemgruppen brauchen fördernde und fordernde Unterstützung in einer anderen Dimension als bisher, wenn man die Dinge wirklich zum Besseren wenden will.
Meine Damen und Herren, kämpfen Sie mit uns gemeinsam und kraftvoll für die Wiederherstellung der Durchlässigkeit unserer Gesellschaft.
Drittens sind das Einhalten des Lohnabstandsgebotes einerseits und ausreichende Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor andererseits der Schlüssel. Beidem gleichzeitig gerecht werden Sie nur durch eine Maßnahme: die
Meine Damen und Herren, beenden Sie viertens eine Schuldenpolitik auf Kosten der nächsten Generation, die selbst in Zeiten konjunkturellen Aufschwungs zur Konsolidierung unfähig ist. Der Hinweis des Finanzministers in der Einbringungsrede auf kreditfinanzierte Investitionen in den sozialen Frieden muss für jeden ordnungspolitisch halbwegs gefestigten Politiker zynisch klingen.
Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Herr Ministerpräsident, Sie haben heute ein ständig neues Ausbalancieren versprochen und eingefordert. Die FDP reicht die Hand zu solchem Ausbalancieren, wenn es im Sinne neuer Schwerpunktsetzungen erfolgt. Unser Thema ist die Vorsorge. Unser Thema ist die Sozialverantwortung einer jeden Bürgerin und eines jeden Bürgers in unserem Land.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Es wird nicht möglich sein, auf all diese Themen adäquat einzugehen. Aber ich werde versuchen, in den 20 Minuten die wesentlichen Dinge, die diesen Sozialetat umfassen, wenigstens zu streifen.
Vorab etwas sehr Grundsätzliches: Auch wenn der Sozialetat mit seinem Gesamtvolumen von ca. 1,5 Milliarden Euro sehr vielschichtig ist und die Einzelausgaben sich in einer Bandbreite von 100 Euro bis mehrere 100 Millionen Euro bewegen, so gibt es doch eine große Klammer, die alles verbindet. Diese Klammer verbindet die Investitionen, die Ausgaben, und macht sehr deutlich, dass es eben nicht das Gießkannenprinzip ist, das wieder mehrfach angesprochen ist, sondern unsere Investitionen sehr zielorientiert getätigt werden.
Die Klammer – sie ist heute schon einmal genannt worden – um alle Bereiche meines Ressorts könnte man mit den zentralen Werten definieren: Soziale Gerechtigkeit, Verantwortung, Solidarität sowie Zukunftssicherung aller Generationen. Konkret heißt das was? Es bedeutet,
dass der Sozialetat die finanzielle Grundlage dafür ist, Menschen zu unterstützen, Vorsorge für eine positive Lebensgestaltung zu treffen – das ist eben von Herrn Dr. Schmitz angesprochen worden –, zum Beispiel durch gesundheitliche Prävention oder durch Stärkung der Erziehungskompetenz, um zwei von vielen Beispielen in unserem Etat zu nennen.
Es bedeutet, dass der Sozialetat die finanzielle Grundlage dafür ist, Menschen in Rheinland-Pfalz Sicherheit zu geben, dass sie im Bedarfsfall die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können, sei es, dass sie arm, krank, alt, verletzt oder behindert sind. Es ist natürlich auch die finanzielle Grundlage dafür, Menschen in Rheinland-Pfalz darin zu unterstützen, ihre Notlage selbst zu überwinden, aktiv überwinden zu können, zum Beispiel durch die gezielte Arbeitsmarktpolitik oder im Bereich der Sicherstellung der medizinischen Versorgung.