Protocol of the Session on November 16, 2006

Stellen Sie sich einmal vor, wir würden das, was Sie vorgeschlagen haben, umsetzen, nämlich die Dauer der Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung dafür ausschlaggebend machen, wie lange man im Bezug des Arbeitslosengelds I bleibt. Wie sieht es aus, wenn wir das auf die Gesundheit hochrechnen? Es ist nicht so wie in der Rentenversicherung. Das ist aus guten Gründen so.

Ein kleiner Exkurs: Es ist schon pikant, dass Sie die Sozialdemokraten in die Rolle derer bringen, die die Bremser darstellen, weil Sie plötzlich Ihr soziales Herz entdecken. Das finde ich schon erstaunlich.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Wenn wir das auf die Gesundheit umrechnen würden, wäre das wenigstens die logische Konsequenz dessen, was Sie jetzt fordern. Schlicht und ergreifend machen Sie überhaupt keinen Finanzierungsvorschlag. Sie machen es deshalb nicht, weil es nicht finanzierbar ist. Vielleicht können Sie erläutern, wie Sie sich das vorstellen.

Unabhängig davon wird unser Solidarsystem mit dem gefährdet, was Sie eben erläutert haben. Unser Solidarsystem lebt davon, dass starke Schultern mehr tragen als schwache.

(Zuruf des Abg. Dr. Rosenbauer, CDU)

Unser Solidarsystem baut darauf auf, dass die Gesunden für die Kranken zahlen. Ich frage mich, warum Ihnen das jetzt alles einfällt. Ich frage mich, wie Sie mit diesem Widerspruch umgehen. Ich erinnere noch einmal an Ihre harte Linie im Vermittlungsausschuss.

Herr Baldauf, ich erinnere noch einmal an Ihre höchst populistische Forderung, den SGB-II-Bezug zu kürzen. Ich darf auch darauf hinweisen, dass Herr Glos von der CSU im Moment fordert, den Kündigungsschutz ganz zu streichen. Wie das alles zusammenpasst und wie Sie das rechtfertigen wollen, weiß ich nicht.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Sie sehen, dieser Antrag der CDU „Mehr Gerechtigkeit bei Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung für Arbeitsuchende“ wirft weit mehr Fragen auf, als Sie Antworten geben können.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass Sie sich damit völlig unglaubwürdig machen. Wenn ich Ihr ganzes Verhaltensmuster beginnend mit der Diskussion um die „Hartz“-Reform bewerten darf, würde ich sagen, dass es ein einziges Trauerspiel ist. Wir haben angefangen, als das Gesetz noch nicht in Kraft getreten war. Da haben Sie sich in die Büsche geschlagen und so getan, als hätten Sie mit der gesamten „Hartz“-Gesetzgebung nichts zu tun. Sie waren die Scharfmacher. Jetzt sind Sie diejenigen, die Gerechtigkeit fordern. Das passt überhaupt nicht zusammen, meine Damen und Herren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD)

Für eine Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesem Beitrag bleibt einem fast die Spucke im Halse stecken.

Frau Kollegin, sind Sie mir bitte nicht böse, ich habe etwas mehr berufliche Erfahrung, um zu sagen, dass es diese Fälle gibt. Ich muss Ihnen das wirklich sagen. Sollten Sie das nicht wissen, dann empfehle ich Ihnen dringend, in diesem Bereich ein Praktikum zu machen und sich in Ihrem Wahlkreis umzuschauen, wie viele Menschen jetzt unter diesem System leiden.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, das haben Sie nicht ganz wahrgenommen. Das ist eine ganz schlimme Sache.

Man schaue mich bitte an, ich bin der Böse, der das SGB II abschaffen will. Entschuldigen Sie bitte, davon haben wir überhaupt nicht geredet. Es war eine andere Spur. Sie sollten bitte eines nicht tun, was auch zu Politikverdrossenheit führt. Wenn es Gesetze gibt, die nicht fair sind oder die sich nach einer Erprobungsphase nicht so darstellen, wie sie sein sollen, nämlich für die Menschen und hilfreich für die Menschen,

(Beifall bei der CDU)

dann muss man doch auch darüber nachdenken, was man ändert, Frau Grosse.

Wenn alle Gesetze so gut wären, dann könnten wir den Landtag und den Bundestag zuschließen, dann brauchte man uns nicht mehr. Deshalb bitte ich Sie, dieses etwas ernster zu betreiben.

Wir reden über Schicksale von Menschen. Ich habe nicht zu Ihnen gesagt, haben Sie sämtliche älteren Arbeitnehmer vergessen. Das habe ich nicht getan. Aber so hat es bei Ihnen geklungen.

(Beifall bei der CDU)

Umgekehrt das Argument aufzunehmen, wir würden das auf Kosten der Jüngeren machen, was gesetzestechnisch nicht zutrifft, finde ich ein Armutszeugnis. Erkundigen Sie sich vorher, bevor Sie so etwas sagen, und dann nehmen Sie bitte ernsthaft zu diesen Vorschlägen Stellung.

(Zuruf von der SPD)

Anders kann ich das nicht und will ich es nicht akzeptieren. Im Übrigen will keiner von der Union an den Menschen, die nichts dazu können, in diesem System zu bleiben, sparen. An Menschen zu sparen, ist schlimm. Das können wir schon gar nicht unterstreichen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Kollegin Grosse das Wort.

Herr Baldauf, ich habe Sie auf Ihre in der Zeitung nachzulesenden Vorschläge angesprochen, die SGB-II-Bezüge zu kürzen. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist Folgendes: Sie hatten vorgeschlagen, dass die Jüngeren nicht darunter leiden sollten. Bei dem von Ihnen aufgezeigten großen Finanzpaket müsste das die Arbeitslosenversicherung mit hineinnehmen. Das würde zwingend nach sich ziehen, dass die Lohn

nebenkosten erheblich steigen müssten. Das wäre die logische Konsequenz. Das können wir nicht mittragen.

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich erteile das Wort Herrn Ministerpräsidenten Beck.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu diesem Thema einige Anmerkungen. Diese mache ich zunächst zu dem mit aufgerufenen Antrag über die Kosten für die Unterkunft.

Wir hatten eine Regelung oder wir haben sie noch bis zum Ende des Jahres, die eine direkte Verbindung zwischen der Zahl der Bedarfsgemeinschaften und den Leistungen, die über die Länder an die Kommunen für die Kosten der Unterkunft gehen, herstellt. Das beruhte auf einer Vereinbarung, die dem Bund auferlegte, einen Beitrag in der Größenordnung von 71,9 % zu leisten, und die Kommunen hatten den Betrag von knapp 30 % zu erbringen. Diese Regelung hat für Rheinland-Pfalz Nachteile gebracht, weil wir relativ wenige Bedarfsgemeinschaften im Vergleich zu den anderen Ländern haben. Das gilt besonders für Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.

Diese erfreuliche Tatsache, weniger Bedarfsgemeinschaften zu haben, nämlich weniger Menschen in sozialen Sicherheitssystemen, das heißt, mehr Menschen in einer selbstverantworteten Situation zu haben, ist mit einem zweiten Finanzansatz verbunden, der keine Beziehung zueinander hat. Mit dieser Transferzahlung sollen 1,5 Milliarden Euro für die Kommunen als Finanzausgleich für die Betreuung der unter Dreijährigen geleistet werden.

Daraufhin haben wir aus rheinland-pfälzischer Sicht gegen diese Regelung votiert und uns dagegen gewandt. Wir haben sie am Ende akzeptiert, weil wir keine Mehrheit bekommen hätten. Außer Baden-Württemberg hatten alle anderen Länder keine gleiche Interessenlage. Das gilt auch für den Bund. Allerdings hatten wir damals ausgehandelt, dass es im März des Jahres 2005 eine Revision geben sollte.

Diese Revision konnte dann nicht stattfinden, weil aufgrund der unklaren Datenlage – das hing mit der Umstellung der Bundesagentur für Arbeit zusammen – keine Grundlage für eine Evaluierung der Richtigkeit der Zahlen vorlag.

Es ist dann vereinbart worden, im September des Jahres 2005 diese Evaluierung nachzuholen. Das wiederum ist der vorgezogenen Bundestagswahl zum Opfer gefallen. Ich habe daraufhin gegenüber dem Bundesarbeitsminister und dem Bundesfinanzminister erklärt, dass ich mit einer solchen Regelung nicht weiter einverstanden bin und wir nicht nur eine Fortschreibung zum Ende dieses

Jahres, weil das Gesetz ausgelaufen wäre und die Kommunen dann überhaupt keine Leistung dafür bekommen hätten, verlangen, sondern auch eine Veränderung in der Höhe der Transferleistungen des Bundes an die Länder, also den vertikalen Ausgleich, und wir darüber hinaus reklamieren – das muss in einem Gesetz geregelt werden, weil die Prozentzahlen im Gesetz letztendlich festgelegt werden –, dass es auch zu einer horizontalen neuen Vereinbarung zwischen den Ländern kommen muss, die allerdings der Bund im Bundesgesetz mit akzeptieren muss.

Ich habe dies auch zum Gegenstand der Begegnung der Frau Bundeskanzlerin mit den Kollegen Müntefering und Stoiber gemacht, als wir uns im Sommer dieses Jahres in Bayreuth getroffen haben. Es hat daraufhin einen Auftrag gegeben, über diese Fragen zu verhandeln. Die Verhandlungen haben für Rheinland-Pfalz im Wesentlichen der Finanzminister, der Kollege Professor Dr. Deubel, und der Chef der Staatskanzlei geführt. Wir haben nach einem wirklich schwierigen Prozess, der wieder einmal zu einer der berühmten Nachtsitzungen geworden war, dann eine Regelung miteinander gefunden, was auch zwischen Stadtstaaten und Flächenstaaten gar nicht so einfach auszutarieren ist, dass der Bund seinen Ansatz, den er im Haushaltsentwurf stehen hatte, für 2007 von 2 Milliarden Euro auf 4,3 Milliarden Euro erhöht hat.

Das war die Basis dafür, dann über neue Prozentzahlen aufgrund dieser Austarierung zu reden. Diese Prozentzahlen will ich Ihnen nennen. Sie sind nämlich dann von diesen 29,9 % auf 31,8 % hochgesetzt worden. Dort musste dann die Interessenlage des Landes RheinlandPfalz einsetzen zu sagen, so haben wir nicht gewettet, weil das gehießen hätte, wir, die wir weiter unten hängen, hätten zwar auch gewonnen, aber mit allen anderen, und die, die überversorgt sind, hätten natürlich, weil es prozentual ist, an absoluten Beträgen noch mehr gehabt. Der Abstand wäre also in realen Beträgen zulasten der rheinland-pfälzischen Kommunen größer geworden.

Daraufhin hat es einen sehr langen Prozess gegeben. Wir haben uns dann darauf verständigt, am Ende dieses langen Abends oder der langen Nacht, 0,7 % dieser Größenordnung nach den Benachteiligungskriterien zu verteilen. Das bedurfte dann noch einmal intensiver Gespräche, um das im Einzelnen durchzudeklinieren. Es ist Gott sei Dank gelungen. Es sind dann von diesen 0.7 % 0,5 % genutzt worden, um die Länder BadenWürttemberg und Rheinland-Pfalz – also jeweils die Kommunen, die Länder handeln ja nur treuhänderisch für die Kommunen an dieser Stelle – anzuheben, und die 0,2 % Prozent sind genommen worden, um allen anderen noch einmal eine Austarierung zu geben, was letztendlich für alle anderen Länder mit Ausnahme von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – da gab es noch eine Sonderproblematik mit Nordrhein-Westfalen, ich lasse es jetzt der Zeit wegen weg – dazu geführt hat, dass die in einer Größenordnung jetzt von etwa 31,2 % sind. Das wird jetzt noch in der Gesetzgebung austariert. Aber das ist die Größenordnung.

Wir sind bei gut 40 %, und diese 40 % bedeuten, dass das Land Rheinland-Pfalz bzw. seine Kommunen eine

Besserstellung von ungefähr 50 Millionen Euro – vielleicht ein bisschen mehr, vielleicht ein bisschen weniger, wenn die Spitzabrechnungen das ergeben, weil die Bezugsmonate noch hergestellt werden müssen; wir waren ja noch nicht am Ende eines Jahres, sondern im Verlauf eines Jahres – erfährt. Ich denke, diese Anstrengung hat sich für die rheinland-pfälzischen Kommunen gelohnt. Ich bin zufrieden über unsere Anstrengungen.

(Beifall der SPD)

Das war die Auseinandersetzung, nicht die um Fragen der Heizkosten, wie Sie gesagt haben, Herr Kollege Baldauf. Die sind da mit drin.

(Baldauf, CDU: Eben!)

Sie sagen ja „eben“. Das hat aber mit dem, was Sie gesagt haben, überhaupt nichts zu tun, entschuldigen Sie bitte,