Protocol of the Session on January 26, 2011

(Beifall der CDU – Heiterkeit bei der SPD)

Das Wort hat der Herr Finanzminister.

(Eymael, FDP: Wieso spricht er jetzt und nicht zwi- schendurch? Das werden wir im Ältestenrat ansprechen!)

Das können Sie ansprechen. Es ist das Recht der Landesregierung, jederzeit und damit zu dem von ihr gewünschten Zeitpunkt zu reden. Es gibt keine Diskussion, Herr Parlamentarischer Geschäftsführer.

(Eymael, FDP: Die werden wir im Ältestenrat führen!)

Es gibt keine Diskussion darüber. Das machen Sie immer wieder, und Sie werden immer wieder von mir dagegen Widerstand bekommen.

(Ramsauer, SPD: Wollen Sie ihm einen Maulkorb umhängen? – Unruhe im Hause)

Herr Minister, Sie haben das Wort, und zwar zu Recht.

Danke schön, Herr Präsident.

(Unruhe bei CDU und FDP)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, niemand in diesem Haus,

(Bracht, CDU: Eine Unverschämtheit ist das!)

und schon gar nicht die Regierung, stellt die Unabhängigkeit des Rechnungshofs infrage. Der Rechnungshof ist frei darin, wie er seine Analysen vornimmt. Der Rechnungshof ist frei darin,

(Unruhe im Hause)

welche Zahlen er zur empirischen Grundlage seiner Analysen macht,

(Glocke des Präsidenten)

und der Rechnungshof ist völlig frei darin, – –

Meine Damen und Herren, hören Sie doch bitte zu.

wie er seine Schlussfolgerungen zieht.

Ich meine im Übrigen nicht, dass im Rechnungshofbericht an einer Stelle eine Zahl steht, die so nicht richtig oder nicht wahr wäre. Manche Zahl müsste nach meiner Auffassung, um sie aussagekräftiger zu machen, differenzierter dargestellt werden; andere Zahlen hätten vielleicht nur benannt werden müssen, um ein besseres Verständnis für die besondere Situation des Landeshaushalts zu bekommen. Es bleibt aber natürlich dem Rechnungshof selbst überlassen, wie er seine Schlussfolgerungen vorher mit Zahlen untermauert. Es ist aber auf der anderen Seite auch das gute Recht der Landesregierung – ich meine, das haben der Ministerpräsident und auch ich gegenüber der Presse deutlich gemacht –, dass man dann, wenn man andere Zahlen zugrunde legt, zu anderen Schlussfolgerungen kommen kann.

Ich möchte Ihnen das an wenigen Beispielen deutlich machen. Der Rechnungshof sagt unbestritten, dass die Landesfinanzen von Rheinland-Pfalz nicht rosig aussehen. Ja, das stimmt. Das tun sie aber in 15 anderen Bundesländern in den beiden Jahren, die der Rechnungshof ins Auge gefasst hat, nämlich in den Jahren 2009 und 2010, auch nicht.

Das hat etwas mit der Wirtschafts- und Finanzkrise zu tun.

Herr Mertin, es ist richtig, diese gab es in allen Ländern, und deswegen haben wir in allen Ländern diese Entwicklung. Natürlich haben sich in Rheinland-Pfalz die Verschuldungsindikatoren – Kreditfinanzierung, Schuldenstand oder Zins-Ausgaben-Quote – in den Jahren 2009 und 2010 verschlechtert. Das Gleiche ist in 15 anderen Bundesländern und im Bund passiert.

Das eine wird im Rechnungshofbericht mitgedacht. Das andere steht da. Das ist nicht zu kritisieren. Ich finde, dass wir das in einer Erwiderung, wenn wir danach gefragt werden, zur Kenntnis bringen, ist völlig normal und in Ordnung; denn wir müssen auch unsere Schlussfolgerungen begründen können.

Tatsache ist – auch das steht im Rechnungshofbericht und ist natürlich richtig –, dass Rheinland-Pfalz eine überdurchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung im Vergleich zu den anderen alten Flächenländern hat. Es liegt im Übrigen knapp darüber. Das hat Rheinland-Pfalz seit 60 Jahren. Dafür gibt es gute Gründe.

In den ersten 40 Jahren hatte Rheinland-Pfalz im Bereich der Bildungsinfrastruktur der Hochschulen und der konventionellen Infrastruktur und in den letzten 20 Jahren – das ist bereits angesprochen worden – im Bereich der aktiven Strukturpolitik in Rheinland-Pfalz unter dem Stichwort „Konversion“ vieles nachzuholen.

Hätten frühere Landesregierungen in den ersten 40 Jahren und diese Landesregierung in den letzten 20 Jahren nicht so gehandelt, hätten wir alle etwas gemacht, was unseren Job nicht ernsthaft ausgefüllt hätte. Wir hätten letzten Endes dem Land Schaden zugefügt, wenn wir kleinkariert einen in die Zukunft investierten

Euro zugunsten einer vermeintlichen Konsolidierung zurückgehalten hätten.

Ich finde, die Schlussfolgerung des Rechnungshofs ist legitim, aber sie war für mich schon erstaunlich. Sie ist heute zitiert worden, nämlich dass angesichts der hohen Verschuldung dem Land der Verlust seiner finanzpolitischen Handlungsfähigkeit droht.

Ich war deswegen erstaunt, weil es in der Bundesrepublik ein Gremium gibt – Herr Puchtler hat es angesprochen –, und zwar den Stabilitätsrat, der nach fest vorgegebenen vergleichbaren Kriterien für alle Länder und für den Bund – im Übrigen völlig transparent unter www.stabilitätsrat.de – alles transparent veröffentlicht und die Länder nach bestimmten Indikatoren miteinander vergleicht. Wenn bestimmte Werte erreicht werden, wird ein Land automatisch zu einem solchen, von dem behauptet wird, es drohe eine Haushaltsnotlage, also das, was man mit anderen Worten finanzpolitische Handlungsunfähigkeit nennt.

Rheinland-Pfalz ist im Oktober letzten Jahres angesichts des gleichen Haushalts 2009 und 2010, der in Rede steht, bescheinigt worden, dass ihm nicht eine solche Haushaltsnotlage droht. Jetzt mag der eine oder andere sagen, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Das ist nicht so. Vier Länder haben dies attestiert bekommen. Vier Länder werden harte Sanierungsauflagen bekommen. Es sind im Übrigen keine ostdeutschen Länder. Es sind vier westdeutsche Länder.

(Beifall bei der SPD)

Ich nenne einen anderen Aspekt. Es wurde gesagt, eine Trendwende sei nicht erkennbar und eine Veränderung der Haushalts- und Finanzplanung nicht in Sicht. Das ist die prospektive Analyse. Auch diese wird von dem Stabilitätsrat vorgenommen; denn er prüft die mittelfristige Finanzplanung, die wir mit dem Haushalt vorgelegt haben. Wir mussten ein langfristiges Konsolidierungskonzept vorlegen. Das ist genau das Konsolidierungskonzept, das Sie auch kennen und von dem Sie meinen, es sei kein belastbares Konzept.

Neun andere Länderfinanzminister, die von der CDU kommen, und sechs andere, die aus SPD-geführten Regierungen kommen, und ein CDU-Bundesfinanzminister haben eine andere Auffassung. Ich finde, es ist völlig legitim, bei allem Respekt vor der Meinung, die sich der Rechnungshof bildet, dass wir zu einer anderen Auffassung gelangen können.

(Beifall der SPD)

Ich komme zum letzten Punkt, bei dem es leider ein bisschen sperrig wird, weil Herr Baldauf es so betont hat, als hätten wir einen nicht verfassungsgemäßen Haushalt. Es ist mir klar, dass es nicht einfach zu verstehen ist, wenn jeden Tag in der Zeitung steht, dass sich das Land im Aufschwung befindet, und man auf der anderen Seite sagt, für einen konkreten Haushalt liegt eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vor.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Herr Bracht, es ist relativ leicht zu verstehen. Ich glaube, Sie sind Volkswirt und haben das wahrscheinlich in Makroökonomie auch einmal gelernt. Wir hatten im Jahr 2009 minus 5 % Wachstum. Dann hatten wir 2010 3,5 %. Jetzt erwarten die Auguren für 2011 2,5 %. Ja, das heißt, es geht bergauf.

Pi mal Daumen haben wir über die drei Jahre eine Veränderung des Sozialprodukts um plus 1 %. Wenn sich diese plus 1 % in den letzten drei Jahren anders dargestellt hätten, nämlich 0,5 % Wachstum, 0,5 % Wachstum und null Wachstum, wären wir alle – ich kann es mir gar nicht anders vorstellen – der Auffassung, dass sich das Land in einer tiefen Rezession befände.

Wäre denn die Höhe des Sozialprodukts im Jahr 2011 eine andere und damit der Auslastungsgrad des Produktionspotenzials ein anderer? Nein, natürlich nicht. Da die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine Frage der Auslastung des Produktionspotenzials ist, muss man schon attestieren, dass ein Einbruch von 5 % nach zwei satten Wachstumsjahren nicht notwendigerweise mit einer Überauslastung des Produktionspotenzials – das wäre ein Boom im konjunkturellen Sinne – und damit nicht mehr mit einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gleichbedeutend ist. Sie wissen, dass sich das auf die Steuereinnahmen entsprechend auswirkt. Dazu kommt noch eine zeitliche Verzögerung. Deswegen haben wir das Problem, dass sich das erst in den nächsten Jahren noch langsamer bereinigen wird als die konjunkturelle Entwicklung im Bereich des Bruttosozialprodukts.

Das ist nicht einfach. Das ist etwas sperrig. Das ist für eine Debatte im Landtag nicht angetan. Aber wenn man die Dinge, wie Herr Baldauf, so pauschal und undifferenziert darstellt, muss man sich auch eine etwas differenziertere Analyse anhören.

(Beifall der SPD – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Herr Bracht, versuchen Sie einfach, noch ein paar Zahlen dazuzuaddieren. Dann ist es anders. Es ist traurig.

Meine Damen und Herren, der Haushalt 2011 war nach meinem Gefühl ein deutlicher Einstieg in die Konsolidierung. Gab es in Rheinland-Pfalz schon einmal ein Ausgabenwachstum von minus 1 %?

(Baldauf, CDU: Bei euch nicht!)

Weiß ich. Bei euch auch nicht, oder?

Herr Baldauf, schauen Sie es einmal nach. Ich bin gespannt. Eine Nettoneuverschuldung von minus 23 % war möglich, weil sich die Krise langsam erholte und wir die Konjunkturprogramme zurückgefahren haben. Ich sehe nicht, dass kein Bemühen vorhanden und kein Einstieg zu erkennen ist, wenn man ein Viertel der Nettoneuverschuldung zurückholt.

Wir haben ein Konsolidierungskonzept vorgelegt. Ich sage es noch einmal. Die Kollegen in den anderen Ländern waren erstaunt, dass wir uns auf diese Art und

Weise doch schon quantitativ und qualitativ bis 2020 so festlegen wollen. Wir sind die einzigen, die eine solche Analyse bis 2020 abgeliefert haben.

(Bracht, CDU: Sie können doch nicht behaupten, dass Sie das selbst glauben, was Sie hier erzählen!)

Natürlich weiß ich das. Schauen Sie in die Berichte, die unter www.stabilitätsrat.de abgelegt sind. Sie werden kein anderes Land finden, das eine solche Konsolidierungsplanung bis 2020 vorgelegt hat.