Protocol of the Session on November 18, 2010

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Puchtler.

Das steht doch im engen Zusammenhang mit dem Thema „Gewerbesteuer“. Wie beurteilen Sie die Überlegung, das kommunale Hebesatzrecht als eine Art Einstieg in den Ausstieg aus der Gewerbesteuer?

Diese Gefahr besteht natürlich ein Stück weit, insbesondere dann, wenn man gleichzeitig – das ist heute im „Handelsblatt“ zu lesen – überlegt, die sogenannten Hinzurechnungen, also die ertragsunabhängigen Komponenten der Gewerbesteuer im Gegenzug zurückzuführen. Wenn man das tut, dann nähert man die Gewerbesteuer von ihrer Bemessungsgrundlage her immer mehr der Einkommensteuer an. Dann führt der nächste Gang zum Bundesverfassungsgericht meiner Ansicht nach zwangsläufig dazu, dass die Gewerbesteuer kassiert wird, weil nicht mehr deutlich zu machen ist, warum mit zwei verschiedenen Steuern sozusagen der gleiche Steuertatbestand, nämlich der Ertrag eines Unternehmens, besteuert wird. Ich habe auch ein wenig die Befürchtung, dass das denjenigen, die diesen Weg gehen wollen, im Hinterkopf schwebt, sozusagen Abschaffung der Gewerbesteuer auf kaltem Wege.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hartloff.

Herr Minister, hat man sich nach Ihrem Wissen da schon Gedanken über die Frage gemacht, wie denn die Ausschöpfung eines solchen Hebesatzes wäre, wenn nicht gedeckte Haushalte vorhanden sind und die Kommunalaufsicht ist bei der Beachtung von Haushaltskonsolidierung auf der kommunalen Seite zum Handeln gezwungen?

(Baldauf, CDU: Das gibt es doch bei der Gewerbesteuer auch schon!)

Das ist ganz richtig, Herr Baldauf. Das haben wir heute schon bei der Gewerbesteuer, aber natürlich auf einer viel engeren Basis.

Die Kommunalaufsicht müsste letzten Endes die Kommunen auffordern, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. Ich habe gesagt, die Kommunen, die hohe Soziallasten haben, die tendenziell auch eine einkommenschwächere Bevölkerung haben, wären die Kommunen, die als Erste mit diesen Forderungen nach einer deutlichen Erhöhung der Hebesätze konfrontiert würden. Damit würde das

Prinzip, das sich in der Einkommensteuer verbirgt, das eigentlich unstrittig ist, das in dem progressiven Tarif widergespiegelt wird, zum Teil zurückgenommen, wenn es extrem wäre, bei den Hebesätzen zum großen Teil zurückgenommen. So könnten Fälle eintreten, dass in einer Kommune Leute mit niedrigerem Einkommen höhere Steuern zahlen müssen als Leute in anderen Kommunen mit höherem Einkommen,

(Baldauf, CDU: Die zahlen doch keine Einkommensteuer!)

und zwar über die gesamte Steuerbelastung hinweg. Das wäre eine Pervertierung des Gedankens des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips, das, glaube ich, in Deutschland über alle Parteigrenzen hinweg – ich füge hinzu „noch“ – aber unstrittig ist.

Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Puchtler.

Herr Staatsminister, Sie hatten an dem Beispiel des bayerischen Finanzministers Georg Fahrenschon dargelegt, wie kompliziert die Gemengelage ist, wenn verschiedene Ansätze, Wohnsitz, Finanzamt, Berufsstätte, Arbeitsplatz, Familienwohnsitz entsprechend in Anwendung kommen.

Wie wird es dann aussehen, was durchaus in der heutigen flexiblen mobilen Gesellschaft notwendig ist, wenn ich während eines Jahres oder auch öfter umziehen muss, sodass sich das Ganze dann noch verkompliziert? Das dürfte doch noch wesentlich schwieriger werden. Wie wäre das zu beurteilen? Wie kann ich das überhaupt verrechnen? Muss da nachveranlagt werden? Wie schätzen Sie das ein?

Diese Fälle sind in dem sogenannten Arbeitskreis „Administrierbarkeit“, in dem die Fachleute aus den Steuerverwaltungen von Bund und Ländern gesessen haben, alle durchgespielt worden. Es wären keine guten Steuerfachleute, wenn es ihnen nicht gelungen wäre, für jedes Problem eine Lösung zu finden.

Aber die Fallbeispiele, die dann immer komplizierter werden, ziehen einen solchen Rattenschwanz an zusätzlicher Bürokratie hinter sich, dass das absurd wäre.

Das von Ihnen genannte Beispiel ist eines, das einen immensen zusätzlichen Aufwand produziert. Es kommt noch etwas Zweites hinzu. Bei der großen Lösung, nämlich Ersatz Einkommensteuerhebesatz und Wegfall Gewerbesteuer, war angedacht worden, dass man in der Ausgangssituation keine Kommune von ihrer Aufkommenssituation her schlechter stellt, als sie es zuletzt war, als sie noch Gewerbesteuereinnahmen erzielt hat. Man hat dann sogenannte Proberechnungen gemacht und versucht durchzurechnen, welchen bürokratischen Auf

wand eine sozusagen simulierte Aufkommenssicherung über die Jahre hinweg ergibt. Man kann das alles lösen, nur, es ist insbesondere ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Finanzverwaltung und leider auch für die kommunalen Verwaltungen.

Es führt natürlich zu einem immens hohen Aufwand bei den Unternehmen, weil die Unternehmen in ihrer Buchführung, Buchhaltung und in ihren Meldungen an die Steuerverwaltung in ihrer Lohnbuchhaltung die unterschiedlichen Hebesätze mit unterjährigen Verwerfungen, die Sie beschrieben haben, Herr Puchtler, berücksichtigen müssen. Ich glaube, dieses bürokratische Monster kann sich niemand wünschen.

Vielen Dank. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Somit ist die erste Mündliche Anfrage beantwortet.

(Beifall bei der SPD)

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dorothea Schäfer und Christine Schneider (CDU), Scheitern der Verhandlungen über einen neuen Vertrag zur Kooperation der Länder Rheinland-Pfalz und Hessen bei der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Geisenheim – Nummer 2 der Drucksache 15/5141 – betreffend, auf.

Ich erteile Frau Schneider das Wort.

Herzlichen Dank.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Mitbestimmungsrechte des Landes Rheinland-Pfalz an der Auswahl und Durchführung der Arbeit der Forschungsanstalt Geisenheim und welche Rechte zur Nutzung der Forschungsergebnisse und der Einrichtungen der Anstalt entfallen mit dem Auslaufen des Vertrages zum Jahresende?

2. Über welche Themen und Sachverhalte die Arbeit der Forschungsanstalt Geisenheim betreffend hat es in dieser Legislaturperiode in den Gremien der Anstalt oder unmittelbar zwischen den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz Auseinandersetzungen oder nicht gelöste Konflikte gegeben?

3. Welche konkreten Vorstellungen für eine qualifizierte Mitbestimmung des Landes Rheinland-Pfalz über die Geschicke der Forschungsanstalt Geisenheim hat die Landesregierung in den Verhandlungen seit der Kündigung des Vertrages geltend gemacht?

4. In welcher Weise will die Landesregierung die bisherigen Beiträge für die Forschungsanstalt Geisenheim in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro, sofern diese nicht eingespart werden sollen, für die Agrarforschung einsetzen?

Für die Landesregierung antwortet Staatsminister Hering.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung und einer besseren Koordinierung der Weinbauforschung in Deutschland hat das Land Rheinland-Pfalz mit Schreiben vom 15. Juni 2010 den Staatsvertrag mit dem Land Hessen über die Forschungsanstalt Geisenheim gekündigt, um die finanzielle Beteiligung des Landes neu zu verhandeln.

Das Land Rheinland-Pfalz ist weiter an einer langfristig ausgerichteten Kooperation mit der fachlich anerkannten und international renommierten Forschungsanstalt interessiert. Der Forschungsanstalt Geisenheim sollte unter den veränderten Rahmenbedingungen eine hohe mittelfristige Planungssicherheit über einen Zeitraum von jeweils fünf Jahren gegeben werden. Zukünftig wird die Zusammenarbeit in Form von Finanzierung von Forschungsschwerpunkten und Projekten umgesetzt. Hierzu wurden auf Staatssekretärsebene unter Einbindung der Fachabteilung Gespräche geführt.

Zwischenzeitlich wurde mir in einem Brief von Ministerin Kühne-Hörnemann mitgeteilt, dass Hessen die Grundfinanzierung auch ohne Rheinland-Pfalz sicherstellen wird. Mit dieser Zusage wird die Forschungseinrichtung auch weiterhin auf hohem Niveau weinbauliche Forschung betreiben können.

Zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:

Zu Frage 1: Durch den bisherigen Staatsvertrag und die dort festgeschriebene institutionelle und projektbezogene Förderung hatte Rheinland-Pfalz sowohl einen Sitz im Verwaltungsrat als auch im Kuratorium der Forschungsanstalt Geisenheim. Das Kuratorium ist ein beratendes Gremium, das im Wesentlichen von den Branchenverbänden getragen wird.

Dem Verwaltungsrat obliegt die Genehmigung des Haushaltsplanes, des Forschungsprogramms sowie des Jahresberichtes. Weiterhin bedarf es der Zustimmung des Verwaltungsrates bei der Ernennung des Direktors der Forschungsanstalt, zur Bestellung der Institutsleiter und zur Berufung der Professoren.

Im Gegensatz zur Forschung von Unternehmen zum Zweck der Neu- und Weiterentwicklung von Produkten und Verfahren ist die Nutzung von öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Arbeiten, soweit nicht anders vereinbart, jedem Interessierten zugänglich. So konnten bislang und werden auch zukünftig andere Bundesländer oder national oder international im Weinsektor tätige Forschungsinstitutionen von den Ergebnissen der Geisenheimer Forschung partizipieren und mit den dortigen Institutionen kooperieren.

Mit dem Wegfall des Staatsvertrages entfallen zum Jahresende die Mitwirkungsrechte des Landes Rheinland-Pfalz in den Gremien des Kuratoriums und des Verwaltungsrates, wo wir jeweils einen Sitz hatten.

Die Möglichkeiten der Forschungskooperation und die Fortführung von bereits laufenden oder für die aus unserer Sicht für die Zukunft wichtigen Forschungsprojekte bleiben davon unberührt. Dies gilt gleichermaßen für die Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen, die eine wissenschaftliche Expertise in Fragen der Agrar- und Ernährungsbranche vorweisen können.

Zu Frage 2: Es gab in der abgelaufenen Legislaturperiode weder Auseinandersetzungen noch ungelöste Konflikte mit den Gremien der Forschungsanstalt.

Zu Frage 3: Mit der Genehmigung des Forschungsprogramms werden die grundsätzlichen Forschungsziele der Geisenheimer Institute anerkannt. Mit der Finanzierung der Forschungsinfrastruktur durch die bisherige Förderung war Rheinland-Pfalz hieran beteiligt. Eine weitere Einwirkungsmöglichkeit bei der Forschungsausrichtung bietet die Förderung bzw. Unterstützung von einzelnen Forschungsprojekten oder Forschungsanfragen.

In den Verhandlungen über die modifizierte Form der Zusammenarbeit hat das Land Rheinland-Pfalz Hessen eine Anschlusslösung vorgeschlagen, die ein stärkeres Gewicht auf Forschungsschwerpunkte und Projekte legt. Dies geschah auch vor dem Hintergrund unserer eigenen Überlegungen zur Haushaltskonsolidierung und der Etablierung anderer Forschungseinrichtungen in den letzten Jahrzehnten. Mit der vorgeschlagenen Lösung wäre Rheinland-Pfalz zeitnah in der Lage gewesen, aktuelle und praxisrelevante Forschungsfragen in den Rebgebieten durch Geisenheim bearbeiten zu lassen, wo die landeseigene Weinbauforschung keine oder nur begrenzte wissenschaftliche Kapazität hat. Diese Vorgehensweise wäre für die gesamte heimische Weinwirtschaft von Vorteil gewesen.

Die von Rheinland-Pfalz vorgeschlagene Form der künftigen Zusammenarbeit wurde vom zuständigen hessischen Wirtschaftsministerium ebenso abgelehnt wie das Angebot, für eine Übergangszeit mit einem reduzierten Beitrag zur Grundfinanzierung in Höhe von 500.000 Euro und Beibehaltung der Projektförderung zu der beschriebenen Neuausrichtung unsere Unterstützung beizutragen.

Zu Frage 4: Wir haben unverändert 660.000 Euro im Entwurf des Haushaltsplans 2011 für die Weinbauforschung vorgesehen. Der Differenzbetrag zwischen dem Ansatz 2011 zum Ansatz 2010 wird für allgemeine Rückführungsvorgaben im Rahmen der Haushaltskonsolidierung verwendet. Es ist beabsichtigt, die Mittel für laufende und aktuelle Forschungsschwerpunkte und Projekte im Weinbausektor einzusetzen.

So weit zur Beantwortung der Anfrage.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Anklam-Trapp.

Sehr geehrter Herr Minister, nach Ihren Ausführungen habe ich folgende Frage: Bleibt das Land RheinlandPfalz bei den Verhandlungen gegenüber dem Nachbarland Hessen oder Frau Ministerin Kühne-Hörnemann weiter aufgeschlossen, um auch nach Ablehnung des rheinland-pfälzischen Angebotes von 500.000 Euro für das Institut bzw. 200.000 Euro für die Projektförderung offen zu sein? – Mein Frage ist folgende: Ist die Tür für Rheinland-Pfalz damit geschlossen, oder sehen Sie noch Möglichkeiten?

Unsere Tür ist weiterhin geöffnet.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Nachdem das Schreiben der hessischen Kollegin vom 3. November, das zeitgleich auch der Presse vorgelegen hat, vorlag, habe ich in einem Telefonat gegenüber der hessischen Kollegin, Frau Kühne-Hörnemann, mitgeteilt, dass wir weiter nicht nur an einer Zusammenarbeit interessiert sind, sondern auch bereit sind, eine langfristige Vereinbarung abzuschließen. Wir haben ferner mitgeteilt, dass wir bei gegebenen Haushaltsschwierigkeiten mit unserem Beitrag bereit sind, uns für einen Übergangszeitraum an den Grundkosten zu beteiligen. Dazu wurde mitgeteilt, dass die Hessen in der Lage wären, dies selbst zu finanzieren. Man wolle sich jedoch diesen Vorschlag noch überlegen. Dort ist ziemlich apodiktisch geäußert worden, dass erwartet wird, dass weiterhin die Grundkosten in der Größenordnung von über 1 Million Euro durch das Land Rheinland-Pfalz finanziert werden. Das widerspricht dem Grundansatz von uns, verstärkt in die Projektförderung einzusteigen. Damit soll das Kriterium stärker berücksichtigt werden, wie stark und konkret die Forschung von der Wirtschaft nachgefragt wird und inwieweit die Wirtschaft an diesem Ergebnis interessiert ist. Das kommt sehr stark dadurch zum Ausdruck, inwieweit sie sich durch Drittmittel an den Forschungskosten beteiligt.