Protocol of the Session on November 17, 2010

Wenn ich zum Inhalt der Aktuellen Stunde „Vorkasse und Kopfpauschale“ zurück darf,

(Heiterkeit bei der CDU)

so muss ich zu dem Begriff „Vorkasse“ sagen, die deutsche Sprache ist präzise und eindeutig, ihr lieben Leute.

(Zuruf von Frau Staatsministerin Dreyer)

Die Präposition „vor“ ist eine klare Sache. Es ist das, was man vor Leistungserbringung zahlt. Wer das nicht kapiert, braucht die Sprachstandserhebungen, über die wir morgen noch zu sprechen haben.

(Beifall der FDP und bei der CDU – Eymael, FDP: So ist es!)

Herr Kollege Hartloff, wenn es jemals eine Vorkasse gab im Gesundheitssystem, dann ist es die Praxisgebühr. Diese wurde auch 2004 oder 2005 von der „roten Ulla“ eingeführt. Auch damit hat Philipp Rösler überhaupt nichts zu tun.

(Beifall der FDP und bei der CDU – Eymael, FDP: So ist es! – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD – Zuruf von der SPD: Das war euer Programm!)

Diese von Ihnen so genannte Vorkasse heißt ins Explizite übersetzt – ich erkläre Ihnen das gern noch ausführlicher – nichts anderes als die bisher schon möglichen freiwilligen Kostenerstattungen. Hier ist nicht die „BILD“Zeitung, hier ist der Landtag des Landes RheinlandPfalz, meine Damen und Herren.

(Beifall der FDP und bei der CDU – Heiterkeit bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Mein Gott, jetzt Herr Ramsauer auch noch. Das hat noch gefehlt. Pörksen fehlt noch in der Reihe.

(Heiterkeit und Beifall bei FDP und CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Diese freiwillige Kostenerstattung bleibt erhalten. Das Einzige, was sich im Wesentlichen ändert, ist, dass die Festlegung, die jeder treffen muss, die bisher jeden drei Jahre gebunden hat – deshalb hat es auch keiner gemacht –, jetzt auf drei Monate verkürzt ist. Bravo Philipp Rösler, ein guter Schritt.

(Beifall der FDP und bei der CDU – Baldauf, CDU: Genau! Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns weiter vor Augen halten, was diese Zeit seit 1998 unter Frau Fischer, glaube ich, hieß sie, und dann unter Frau Ulla Schmidt gebracht hat, da war das eine Fülle von Zuzahlungen. Es war nicht nur die Praxisgebühr, es waren nicht nur die 0,9 %, die Sie als entsolidarisierend entlarvt haben, die die SPD uns gebracht hat, es war eine Fülle von Krankenhaustageszuzahlungen, von Arzneimittelzuzah

lungen und von vielen anderen Dingen, die in alle möglichen Spargesetze verpackt wurden, Herr Hartloff.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Dazu stehe ich. Ein Teil dieser Maßnahmen jetzt ist auch Spargesetzgebung. Das muss man einräumen. Welche andere Chance hätte er denn gehabt nach der Übernahme eines Systems, das sich dermaßen in Grund und Boden gewirtschaftet hatte?

Sie reden seit zehn Jahren von der Bürgerversicherung. Liebe Leute, warum haben Sie sie denn nicht eingeführt?

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Rot und Grün hatten keine Mehrheit, Frau Ministerin. Von 1998 bis 2005 hatten Sie die Chance, Ihre fulminante Bürgerversicherung einzuführen. Sie waren gut beraten, es nicht zu tun. Alles andere im zweiten Teil.

(Beifall der FDP und bei der CDU)

Frau Ministerin, Sie haben das Wort, bitte schön.

(Hartloff, SPD: Es geht doch nichts über qualifizierte Beiträge, Herr Kollege! – Heiterkeit bei der CDU – Bracht, CDU: Dann fangen Sie damit an, Herr Kollege!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Ich drücke es einmal ein bisschen drastisch aus: Werte Kollegen von der CDU und der FDP, Sie haben noch nicht einmal den Mut, dazu zu stehen, was Sie tun.

(Beifall der SPD – Noss, SPD: So ist es!)

Sie stehen noch nicht einmal zu den Dingen, die Sie tun.

Die FDP ist damit angetreten: das Prinzip der Kopfpauschale,

(Dr. Enders, CDU: Es ist keine Kopfpauschale da!)

das Prinzip der Kostenerstattung, die Ablösung des Sachleistungsprinzips usw. Das ist klar erklärte Politik der FDP.

Die CDU hat da schon etwas mehr Schwierigkeiten, hinter diesem Kurs zu stehen. Meine Damen und Herren, aber Sie haben es gemeinsam beschlossen. Sie haben es durchdringend beschlossen.

(Dr. Schmitz, FDP: Was denn?)

Sie haben nicht eine Zusatzprämie beschlossen, Sie haben eine komplette Abkehr vom System beschlossen.

(Ministerpräsident Beck: So ist es! – Zurufe von der SPD: So ist das!)

Es ist ein Unterschied, ob ich zu einer Zusatzleistung acht Euro zu bezahlen habe oder den Arbeitgeberanteil festschreibe und alle künftigen Mehrkosten im Gesundheitssystem ausschließlich zulasten der Versicherten regele.

(Pörksen, SPD: Genau das ist es!)

Das ist der Unterschied zwischen einer Zusatzprämie und einer Kopfpauschale. Das ist auch der Unterschied zwischen einer einmaligen Leistung und einem Systemwechsel.

Herr Dr. Schmitz, ich sage es noch einmal – lesen Sie noch einmal die Protokolle aus der Bundestagsdebat- te –: Ihre Frau Flach in der FDP im Bundestag

(Pörksen, SPD: Warum heißt die denn so!)

hat einen ganz anderen Mut. Sie beginnt ihre Rede damit, dass sie sagt: „Endlich, wir schaffen den Einstieg in eine Systemänderung. Wir ändern die Struktur dieses Gesundheitswesens.“

(Beifall der FDP – Dr. Schmitz, FDP: Bravo! – Dr. Altherr, CDU: Das ist auch richtig!)

Die steht genau dazu. Das tun Sie nicht.

Ich sage Ihnen, wir haben unterschiedliche Meinungen an der Stelle. Wir sehen das Gesundheitssystem auf dem Weg, auf dem es jetzt ist, auf dem Weg ins Aus. Wir sehen die Entsolidarisierung unseres Gesundheitssystems.

(Ministerpräsident Beck: So ist es!)

Ich sage deutlich: Wir haben eine vollkommen andere Konzeption als Sie. Aber wenn Sie das als CDU/CSU und FDP schon beschließen, dann sagen Sie es auch, und sagen Sie es auch den Bürgern, wenn Sie demnächst eben Pauschalen zu zahlen haben, die sie ausschließlich ohne Arbeitgeber zu bezahlen haben, dass das Ihr Kurs, Ihr Wille ist und Sie so die Zukunft des Gesundheitssystems sehen, meine sehr verehrten Herren und Damen. Wir tun das nicht.

(Beifall der SPD)

Im Übrigen ist das nicht nur eine Diskussion unter Gesundheitspolitikern, das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich sagen. Kaum ein anderes Thema als das Thema „Gesundheit“ beeinflusst die Menschen so nachhaltig in ihrem Lebensalltag. Deshalb ist es ein gesamtgesellschaftliches Thema, und deshalb begrüße ich es auch, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD dazu spricht. Ich wünsche mir eine gesellschaftspolitische Debatte en gros über dieses Thema und nicht nur unter den Experten und Expertinnen.

Herr Dr. Enders, Sie haben von uns im Landtag kein Wort dazu gehört, dass wir einzelne Sparmaßnahmen kritisiert hätten. Zwar würde ich persönlich das eine oder andere anders machen, aber für uns ist völlig klar, das Gesundheitssystem ist und bleibt – egal, wie man die Einnahmenseite konstruiert – immer ein System, bei dem wir sparen müssen. Dies ist auch keine besondere Errungenschaft von Herrn Dr. Rösler. Das Besondere ist eigentlich nur, dass er damit angetreten ist – ich erinnere mich noch gut daran – und gesagt hat, keinesfalls mehr ein Spargesetz. Ein solches Gesetz kommt nicht mehr in Frage.

(Vizepräsident Bauckhage übernimmt den Vorsitz)

Aber dass wir im Gesundheitssystem sparen müssen, ist doch selbstverständlich. Es gab auch kein Wort von uns zu der Beitragserhöhung auf 15,5 %.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sind doch auf Bundes- und auf Landesebene angetreten mit der Aussage „weniger Bürokratie“ und „von unserer Seite wird es keine Beitragserhöhung“ mehr geben. – Daran müssen Sie sich nun messen lassen.