Protocol of the Session on March 16, 2005

Außerdem haben wir hinsichtlich Toll Collect befürchtet, dass Software und Hardware nicht rechtzeitig in der Lage sein werden, dieses komplizierte Vorhaben verwaltungstechnisch zu begleiten. Diese Angst ist nicht mehr da. Wir wissen, dass es funktioniert. Das ist ebenfalls erfreulich.

(Beifall bei FDP und SPD)

Wir hatten uns darauf eingestellt, dass die Auszahlung der Gelder im Januar stocken würde. Deshalb haben wir Notsysteme gestrickt, wie wir die Auszahlung der Gelder herbeiführen können. Bis auf ganz wenige Einzelfälle hat das mustergültig funktioniert. Deshalb ein großes Kompliment an die Verwaltung, die das zu verantworten hat.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, noch ein letzter Satz. Verehrte Frau Kollegin Thelen, bei den Friedhofsmitarbeitern der Arbeitsgemeinschaften gibt es zwei Kategorien, nämlich diejenigen, die es können, und diejenigen, die es nicht können. Ich würde nicht jemandem die Kompetenz absprechen, nur weil er auf dem Friedhof arbeitet.

(Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Herr Kollege Gölter, bitte warten Sie den zweiten Teil des Satzes ab. Das habe ich nicht unterstellt. Ich habe es als offene Frage formuliert, Herr Gölter. Insbesondere Sie sind des Deutschen mächtig.

Wichtig ist mir, dass die Friedhofsmitarbeiter nicht in Verantwortung der Landesregierung oder der Bundes agentur zu dieser Tätigkeit entsandt wurden. Sie haben in der zweiten Runde die Möglichkeit, das aufzuklären, Frau Thelen. Ich habe Sie von vorn bis hinten zwar verstanden, ich kann aber nicht nachvollziehen, mit welch destruktiver Grundhaltung Sie an ein Gesetz herangehen, das von Ihnen selbst bzw. von Ihren Parteifreunden in Berlin geschaffen wurde.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Marz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke zunächst einmal Herrn Kollegen Dr. Schmitz, dass er es geschafft hat, den Adrenalinspiegel der Menschen in diesem Saal etwas zu senken. Ich weiß auch nicht, wie ihm das gelungen ist, aber es ging offensichtlich.

Deshalb erlauben Sie mir bitte den einleitenden Hinweis: Wenn es richtig ist, wenn alle sagen, welche Dimension diese Reform hatte – unabhängig davon, wie man im Einzelnen dazu steht –, dann ist es nach zweieinhalb Monaten natürlich noch zu früh, um auch nur eine Zwischenbilanz zu ziehen.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Eine solche Zeit eignet sich nicht, um zu feiern. Sie eignet sich auch nicht, um alles in Grund und Boden zu reden, Frau Kollegin Thelen. Lassen Sie uns doch auf dem Teppich bleiben und das tun, was wir in einer solchen Zeit tun können, nämlich mögliche Mängel aufzei

gen und zu schauen, ob wir bzw. die Landesregierung die Möglichkeit hat, korrigierend einzugreifen.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Zunächst einmal stört mich der Titel dieser Aktuellen Stunde. Der Stand der ARGE-Gründungen sagt überhaupt nichts aus über den Erfolg der Umsetzung dieses Gesetzes. Da niemand darüber redet, will ich das auch nicht tun.

Bei Umsetzungsproblemen rate ich, sehr fein zu unterscheiden. Einige aktuelle Umsetzungsprobleme beziehen sich darauf, dass die Arbeitsgemeinschaften mit der Erstellung der Bescheide sehr stark überlastet sind. Hinzu kommen die Überprüfungen der angemessenen Wohnungsgröße. Vieles von dem, was der Eile geschuldet ist, mit der die Gründung der Arbeitsgemeinschaften erfolgt ist, steht natürlich im Zusammenhang damit, dass die Union im Bund sehr lange blockiert und damit den Gesetzgebungsprozess hinausgezögert hat, sodass erst dadurch diese Eile entstehen konnte.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb kann ich es Ihnen nicht durchgehen lassen, heute genau diesen Umstand zu beklagen.

Zweiter Punkt: Bundesagentur für Arbeit. Weshalb reden wir nicht offen darüber? Die Bundesagentur für Arbeit ist bei vielen Arbeitsgemeinschaften der Teil, der sich als schwerfällig erwiesen hat, der schlechte und unflexible Entscheidungsstrukturen hat, der sich immer wieder mit Nürnberg rückkoppeln muss und der vieles aufhält. Wir hören außerdem von den Arbeitsgemeinschaften von einem arroganten Umgang der Verantwortlichen der Bundesagentur für Arbeit. Das ist nicht hilfreich und muss deshalb angesprochen werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Grosse hat auf die moderierende Funktion hingewiesen, die das Sozialministerium im Vorfeld der Gründungen der Arbeitsgemeinschaften übernommen hat. Ich erwarte mir Antworten darauf, wie Sie diese moderierende Funktion im laufenden Prozess weiter wahrnehmen wollen, wie Sie sie wahrnehmen wollen bei der Frage von Beschäftigungsgesellschaften, die nach meiner Information hinsichtlich lokal und regional aktiver Beschäftigungsgesellschaften in einer kritischen Situation sind, weil es bei vielen Arbeitsgemeinschaften mit Ersatzstrukturen nicht schnell genug vorangeht. Darauf erwarte ich mir Antworten, weil die Landesregierung Zugriffs- und Eingriffsmöglichkeiten darauf hat.

Gestatten Sie mir ein letztes Wort zu der merkwürdigen Vermehrung von ALG-II-Empfängern, die sich in den vergangenen Monaten möglicherweise tatsächlich oder auch nur mutmaßlich abgespielt hat. Sie wissen, worauf ich abziele, nämlich auf die Frage, ob jemand arbeitsfähig oder nicht arbeitsfähig ist. Hinsichtlich der Zahlen warne ich davor, abschließende Urteile zu bilden. Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die nach den Vorgaben dieses Gesetzes völlig unstreitig nicht arbeitsfähig sind. Es ist nicht nur unseriös, sondern auch unanständig, wenn man solchen Menschen aus kommunalem

Eigennutz die Arbeitsfähigkeit bescheinigt und sie darüber in das ALG II schiebt.

(Glocke des Präsidenten)

Das geht natürlich nicht. Das sind Mängel, auf die wir im Moment achten müssen und auf die wir in der Weise reagieren müssen, dass wir sie korrigieren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile nun Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Herren und Damen! Die Aktuelle Stunde habe ich so verstanden, dass wir heute über den Start und den Stand der Arbeitsgemeinschaften sprechen. Das heißt nicht, dass wir heute schon eine Bilanz ziehen sollten. So habe ich das nicht verstanden, und das ist heute natürlich auch noch nicht möglich. Ich bin der Meinung, dass das Thema so wichtig ist, dass man sich regelmäßig über den Stand der Entwicklungen im Parlament auseinander setzen sollte.

(Beifall der SPD)

Das bedeutet einerseits, dass man das Thema nicht dramatisiert, und andererseits, dass man versucht, sachlich damit umzugehen. Es ist vollkommen klar, dass die Höhe der Arbeitslosenzahlen uns alle nachhaltig immer wieder beschäftigt und uns schlaflose Nächte bereitet. Wir sollten uns aber angewöhnen, in dieser Debatte etwas differenzierter zu diskutieren.

Da im Moment den Arbeitsgemeinschaften eigentlich alles zugeschoben wird, weise ich darauf hin, dass wir unterschiedliche Arbeitslosengruppen haben. Die Bezieher von Arbeitslosengeld I und teilweise von Arbeitslosengeld II sind Menschen, die gut qualifiziert sind, die aus unterschiedlichen Gründen ihren Job verloren haben und die eigentlich nichts anderes brauchen als einen Job. Wenn man in der Öffentlichkeit permanent suggeriert, die Politik könnte diese Aufgabe erledigen, ist das schlicht und ergreifend falsch. Wenn die Wirtschaft nicht die Arbeitsplätze für die Qualifizierten zur Verfügung stellt, werden wir das Problem Arbeitslosigkeit niemals vollständig in den Griff bekommen.

(Beifall der SPD – Zuruf der Abg. Frau Schmitt, CDU)

Der zweite Punkt ist, dass wir uns natürlich mit der Arbeit der Arbeitsgemeinschaften zu beschäftigen haben und im Rahmen des ALG II auch Menschen Hilfe em pfangen, die früher Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen waren. Darunter haben wir ein großes Potenzial an Menschen, die nicht gut qualifiziert sind, die in der Vergangenheit in Beschäftigungsgesellschaften aktiv

waren, die in der Vergangenheit Qualifizierungsmaßnahmen gemacht haben, die aber teilweise Biographien aufweisen, wonach sie jahrelang keinen regulären Job oder Beruf ausgeübt haben. Die Arbeitsgemeinschaften stehen heute vor der großen Herausforderung, dass sie mit diesem unterschiedlichen Klientel arbeiten müssen und eigentlich auf eine ganz neue Art und Weise arbeiten müssen.

Auch an dieser Stelle – das sage ich ausdrücklich an die Adresse der CDU, die immer wieder das Thema „Arbeitsmarktpolitik“ bekämpft und als überflüssig empfindet – sage ich ganz, ganz deutlich: Wir sollten endlich die Ehrlichkeit haben, öffentlich zu sagen, dass es Menschen in dieser Gruppe gibt, die niemals direkt in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln sind. Sie brauchen Qualifizierung, sie brauchen Beschäftigung und sie sind vielleicht perspektivisch in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, wobei dies aber nicht von heute auf morgen geschehen kann. Deshalb müssen wir in diesem Bereich sehr aktiv sein.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich möchte noch einen dritten Punkt ansprechen. Frau Thelen, Sie haben gesagt, im Internet handele es sich zu 95 % beim Thema „Arbeitsgemeinschaften“ um Umsetzungsprobleme. Ich will die einzelnen Punkte ansprechen. Zum einen sage ich, dass es natürlich große Abstimmungsprobleme in diesem Bereich gibt. Dazu muss man sich artikulieren und sich auf etwas verständigen. Es ist aber auch ein wenig Tribut unserer Zeit, dass wir nur über die Probleme sprechen. Ich möchte im Zusammenhang mit dem SGB II und Hartz IV ein gutes Beispiel dafür nennen: Wir lesen täglich die erhöhten Zahlen zu den Arbeitslosengeld-II-Empfängern. Wir lesen nie, dass wir derzeit über 90 % weniger Sozialhilfeempfänger haben. Auch das ist meiner Meinung nach erwähnenswert.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das bedeutet, wir haben die Grundsicherung für die älteren Menschen, und wir haben das Arbeitslosengeld II geschaffen, um diejenigen, die erwerbsfähig sind, tatsächlich in das gemeinsame System der Arbeitsverwaltung und die damit verbundenen Vermittlungs- und Qualifizierungschancen zu bringen.

Man muss betonen, dass dies eine politische Absicht war, die von allen getragen wurde, um sozusagen das Zweiklassensystem aufzuheben. Deshalb wäre es nur fair, öffentlich immer wieder auch die Zahlen zu transportieren, dass sich in der Sozialhilfe derzeit sehr, sehr viel bewegt.

Als vierten Punkt möchte ich nennen, dass der Start der Arbeitsgemeinschaften natürlich auch eine Rolle spielt, Herr Marz. Wir machen im Land Rheinland-Pfalz die Erfahrung, dass die Kommunen und Agenturen, die schon sehr früh aufeinander zugegangen sind und miteinander Verträge abgeschlossen haben, viele Probleme schon bewältigt haben, vor denen andere noch stehen.

Frau Thelen, Sie haben ein Sozialamt zitiert, bei dem es sich hoffentlich nicht um das Sozialamt aus Ihrem Land

kreis handelt. Der Landkreis Ahrweiler ist nämlich der einzige Landkreis, der es bisher noch nicht geschafft hat, zu einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung zu kommen.

(Frau Thelen, CDU: Ich komme nicht aus Ahrweiler!)

Ich sage das nur.

Alle anderen Landkreise in Rheinland-Pfalz waren von Anfang an so weit. Ahrweiler befindet sich noch auf dem Weg zu einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung.

Jetzt noch etwas zum Stand. Wir haben täglich mit neuen Herausforderungen zu kämpfen. Das ist die schlichte Wahrheit. Das war von Anfang an so der Fall, und das wird uns auch noch eine ganze Weile begleiten. Jeder, der etwas anderes erzählt, hat meiner Meinung nach noch nicht richtig hineingeschaut. Wir haben uns deshalb überlegt – das haben Sie auch der Presse entnehmen können –, dass mein Ministerium – der Herr Staatssekretär und ich – eine Art Rundreise macht und wir uns einzelne Arbeitsgemeinschaften von innen anschauen.