Protocol of the Session on September 20, 2001

(Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile dem Minister für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit, Herrn Florian Gerster, das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Dr. Schmitz, Subsidiarität stammt aus der katholischen Soziallehre. Dieser Begriff ist inzwischen ein Allgemeingut geworden, der sehr gut auch in andere Überzeugungen passt und sozusagen mehrheitsfähig geworden ist. Im Sinne der katholischen Soziallehre sind wir alle gute Katholiken geworden. Es geht um die katholische Soziallehre, um einen der sympathischsten Züge der katholischen Kirche.

(Beifall des Abg. Kramer, CDU)

Meine Damen und Herren, in der Koalitionsvereinbarung steht: Die Landesregierung wird dem Landtag den Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes vorlegen. – Wir haben etwa vor einem Vierteljahr eindeutig angekündigt, dass wir dies tun werden. Wir sind nicht unglücklich darüber, dass es sozusagen einen edlen Wettstreit zwischen Bundes- und Landespolitik, verschiedenen Fraktionen und dem Parlament und der Regierung gibt. Ich denke, wir werden im nächsten Jahr gemeinsam mit großen Mehrheiten ein Gesetzeswerk auf den Weg bringen, das einen neuen Politikansatz im Umgang mit behinderten Menschen erkennen lässt.

Bisher waren Behinderte solche Menschen, die in der Vorstellung der Mehrheit der Gesellschaft Defizite aufwiesen und denen mit Mitteln der Fürsorge geholfen werden muss. Inzwischen steht der Behinderte als Subjekt der Politik im Vordergrund. Die Barrieren, die sich für ihn, weil er andere Lebensbedingungen hat, in den Weg stellen, müssen gemeinsam, so gut es geht, aus dem Weg geräumt werden.

Es geht also um die gleichberechtigte Teilnahme am Leben in der Gesellschaft. Das sagt auch die Landesverfassung in dem neuen Artikel 64, in dem es heißt: „Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände schützen behinderte Menschen vor Benachteiligung und wirken auf ihre Integration und die Gleichwertigkeit ihrer Lebensbedingungen hin.“ Es ist schon von Frau Kollegin Ebli gesagt worden, Rheinland-Pfalz hat einen hohen Standard an Angeboten für behinderte Menschen, an Einrichtungen, an Dienstleistungen. Auch wenn wir sicher nicht gemeinsam das eingesetzte Geld zum Maßstab nehmen wollen, wie stark eine Gruppe von der Politik berücksichtigt wird, so darf man doch darauf verweisen, dass allein die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen inzwischen eine Dimension von fast 1 Milliarde DM ausmacht, zur Hälfte vom Land und zur Hälfte von den Kommunen erbracht. Dies gilt nahezu ausschließlich für die stationäre Versorgung in den verschiedenen Einrichtungen.

Gerade weil unser Niveau an Behinderteneinrichtungen so weit entwickelt, vorbildlich und zum Teil weiter entwickelt ist als in vergleichbaren Ländern, müssen wir auch genau hinschauen, ob man es einfach ergänzen kann oder ob man nicht eher niedrigschwellige Angebote schaffen muss, damit es Hilfe nach Maß gibt und nicht ein Übermaß an Angeboten, die unter Umständen auch ein Übermaß an Vollversorgung wären, was im Einzelfall gar nicht sinnvoll und gar nicht gewünscht sein mag.

Politik für die Gleichstellung behinderter Menschen geht weit über Sozialpolitik hinaus. Sie ist eine Politik, die deutlich macht, wie die Gesellschaft mit Minderheiten umgeht und damit einen besonderen ethischen Charakter hat, aber auch einen besonderen Querschnittscharakter. Es zieht sich durch alle Politikfelder hindurch, was wir für behinderte Menschen tun können und tun müssen.

Es ist bereits erwähnt worden – ich möchte das ausdrücklich unterstreichen; es ist in dem Fall kein Selbs tlob, sondern eine Unterstreichung der besonderen Arbeit des Staatssekretärs im Sozialministerium und des Landesbehindertenbeauftragten –, dass wir als rheinland

pfälzische Sozialpolitiker einen ziemlich großen Einfluss auf das haben, was zurzeit bundespolitisch und auch gesetzgeberisch auf den Weg gebracht wird oder gebracht worden ist. Ich möchte ausdrücklich auch dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Bundestagsabgeordneten Haack danken, der in enger Zusammenarbeit mit Dr. Auernheimer wesentliche gesetzgeberische Innovationen auf Bundesebene vorbereitet hat, die wir auf Landesebene ergänzen und zum Teil auch in Landesgesetzgebung übernehmen werden.

Meine Damen und Herren, wir haben für den Gesetzentwurf, den wir vorbereiten, nahezu das komplette Landesrecht durchgesehen. Das ist schlicht und ergreifend notwendig. Das kann eine Fraktion nicht leisten, das würde auch niemand erwarten. Wir werden deswegen ein recht umfangreiches Artikelgesetz vorlegen müssen, weil in sehr viele einzelne Gesetze eingegriffen werden muss. Ich denke, das erfolgt alles nach Prinzipien, die von einem hohen einvernehmlichen Beurteilungsstand getragen sein werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir im nächsten Jahr im Fachausschuss dann den Gesetzentwurf der GRÜNEN, der zunächst schon vorliegt, aber dann auch den Gesetzentwurf der Landesregierung gemeinsam beraten können und dann auch im Lauf des nächsten Jahres die Gesetzgebung für behinderte Menschen in Rheinland-Pfalz zum Abschluss bringen können.

Vielen Dank für die Bereitschaft aller Beteiligten, vor allen Dingen aber auch der Betroffenen, ihrer Verbände und Institutionen, die sich im Landesbehindertenbeirat und an anderer Stelle voll und sehr engagiert einbringen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Marz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Ebli, es hat mich etwas gewundert, Sie haben zunächst einmal die Lobeshymne auf die Tätigkeit der Landesregierung in Bezug auf die Behindertenpolitik zum Ausdruck gebracht. Ich will noch einmal ausdrücklich festhalten, das bezog sich nicht auf meine Rede. Ich habe mit keinem Wort die bisherige Politik der Landesregierung kritisiert.

(Zuruf von der SPD)

Ich habe sie noch nicht einmal gewürdigt – das mögen Sie mir nachsehen –, und zwar aus einem ganz einfachen Grund, weil ein Gleichstellungsgesetz die Bemühungen um die Gleichstellung von Behinderten qualitativ auf eine neue Ebene hebt. Wenn man ein solches Gesetz einbringt, dann heißt das nicht, dass man das abwertet, was vorher passiert ist, sondern man sagt nur, man wird jetzt einen Schritt weiter gehen, besser gesagt zwei Schritte weiter. Nur, damit wir uns richtig verstehen.

Ich möchte mich auch für die Sachlichkeit der Diskussion, die hier angestoßen worden ist, bedanken. Ich bin in meinen Erwartungen nicht enttäuscht worden. Ich gebe zu bedenken, dass die Verknüpfung mit dem Bundesgesetz vielleicht nicht sachgerecht sein könnte. Wir haben im nächsten Jahr Bundestagswahlen. Das könnte bedeuten, dass die Sache sehr weit nach hinten geschoben werden müsste. Ich denke, wir sollten in den Ausschussberatungen sehen, ob das sachgerecht oder nicht sachgerecht ist. Es ist selbstverständlich, dass für ein solches Gesetz eine breite Anhörung der Betroffenen, nicht nur der Betroffenen, stattfinden muss.

Ich möchte aber auch noch einmal darauf hinweisen, dass wir kein Sondergesetz machen wollen. Es ist ein Gesetzentwurf, der die Gleichstellung von behinderten Menschen zum Ziel hat. Das betrifft uns aber zunächst einmal alle. Auf einen Umstand hat Herr Kollege Schmitz hingewiesen. Ich möchte einmal auf andere Umstände hinweisen: Denken Sie beispielsweise an die bauliche Barrierefreiheit, wenn Sie mit einem Kinderwagen unterwegs sind, wenn Sie alt, aber nicht behindert sind, wenn es Ihnen leichter fällt, in eine Bahn oder in einen Bus zu kommen. Daran sehen Sie, dass in vielfältiger Weise Behindertenpolitik keine Sonderpolitik ist, sondern eine Politik, die im Grunde genommen allen zugute kommen kann. Der Hauptansatz, der dahinter steht, ist der Ansatz der Integration, den der Gesetzgeber wahrnehmen sollte, nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/249 – an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Ich stelle die Einstimmigkeit fest.

Ich rufe jetzt noch einmal Punkt 17 der Tagesordnung auf:

Entlastung der Landesregierung und des Rechnungshofs für das Haushaltsjahr 1999

Entlastung der Landesregierung Rheinland-Pfalz für das Haushaltsjahr 1999 Antrag der Landesregierung – Drucksache 13/6572 –

Entlastung des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz für das Haushaltsjahr 1999 Antrag des Rechnungshofs – Drucksache 13/6666 –

Jahresbericht 2000 Unterrichtung durch den Rechnungshof – Drucksache 13/6750 –

Stellungnahme der Landesregierung zum Jahresbericht 2000 des Rechnungshofs (Drucksache 13/6750) Unterrichtung durch die Landesregierung – Drucksache 13/7008 –

dazu: Kommunalbericht 2000 Unterrichtung durch den Rechnungshof – Drucksache 14/52 –

Beschlussempfehlung des Haushaltsund Finanzausschusses – Drucksache 14/251 –

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie fragen, ob noch einmal eine Berichterstattung erfolgen soll. Dies wurde vorhin in Erwägung gezogen. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, an die die Berichterstattung gerichtet ist, diese auch im Protokoll nachlesen können.

Wenn dies so ist, dann bitte ich um Wortmeldungen! – Gibt es keinerlei Wortmeldungen zu Punkt 17 der Tagesordnung? – Will die CDU-Fraktion zu dem Tagesordnungspunkt 17, nachdem Sie vorhin so heftig – – –

Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Beck das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich deshalb vorhin nicht an der Sitzung teilgenommen habe, weil der Herr Bundespräsident in Mainz zu Gast gewesen ist und ich ihn, wie dies das Protokoll und der Anstand gebieten, abgeholt habe, ihn jetzt allerdings nicht mehr, wie dies auch das Protokoll geböte, zum Flugzeug zurückbringen konnte. Ich habe mich beim Herrn Bundespräsidenten für dieses Verhalten entschuldigt. Sie verstehen, dass ich jetzt schon betroffen bin, dass man mich offensichtlich hierher zitiert hat, aber jetzt kein Bedarf zur Aussprache zu diesem Punkt besteht.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich wollte darüber hinaus noch einmal sagen dürfen, dass ich mich ordnungsgemäß beim Präsidenten abgemeldet hatte.

(Beifall der SPD und der FDP – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat niemand weitergegeben! – Ministerpräsident Beck: Dafür kann ich nichts!)

Vielen Dank.

Es spricht nun Herr Abgeordneter Dr. Böhr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, das ist eine Entschuldigung bzw. eine Feststellung, die aller Anerkennung wert ist. Dies ist ein Grund, den jeder von uns akzeptiert hätte.

Uns war nicht bekannt, dass der Bundespräsident in Mainz ist. Ich habe lediglich einen Hinweis aus dem Kalendarium Ihrer öffentlichen Termine, in dem ausgedruckt ist, dass heute um 14:00 Uhr Ihre Rede zur Eröffnung des 4. Bundeskongresses „Soziale Arbeit an der Universität Mainz“ vorgesehen war. Seitens des Präsidiums ist keine Entschuldigung vorgetragen worden.

(Ministerpräsident Beck: Dafür kann ich aber nichts! – Zurufe von der CDU: Ja, aber wir auch nicht! – Hartloff, SPD: Ich habe das vorhin in der Debatte erläutert!)

Nein. Herr Ministerpräsident, ich finde es dann nur nicht ganz fair, uns sozusagen den Vorwurf zu machen, wir hätten Sie zu einem unhöflichen Verhalten gezwungen. Aus unserer Sicht waren all diese Tatsachen nicht bekannt. Ich möchte die vorhin geführte Debatte nicht wiederholen. Ich habe soeben darauf hingewiesen, dass anlässlich des letztmaligen Falles, wo wir ein Thema in Abwesenheit des zuständigen Ressortministers und des zuständigen Staatssekretärs beraten haben, wir uns in solchen Situationen sehr oft von den Gründen Ihrer Abwesenheit haben überzeugen lassen. Aber sie müssen der Opposition auch bekannt sein. Dafür bitte ich dann meinerseits um Verständnis.

(Beifall der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Böhr, ich möchte allerdings etwas klarstellen. Ich habe vorhin in der Debatte erklärt,

(Zurufe von der CDU: Ja, in der Debatte! – Bischel, CDU: Nach der Antragstellung!)

dass sich der Ministerpräsident beim Landtagspräs identen hat entschuldigen lassen. Der Finanzminister hat das Gleiche noch einmal erklärt. Das wollte ich klarstellen.

(Kramer, CDU: Ja, in der laufenden Debatte, aber nicht zu Beginn! Zu Beginn des Tagesordnungspunktes hätte das erfolgen müssen! – Wirz, CDU: Das ist erfolgt, nach- dem die Anträge gestellt waren!)

Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Herr Abgeordneter Jullien.

(Mertes, SPD: Das ist ein tolles Management!)