Protocol of the Session on January 20, 2005

Aus diesem Grund haben auch die rheinland-pfälzischen Strafverfolgungsbehörden, nachdem die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen worden waren, in einer großen Kraftanstrengung über 50.000 Verfahren, die bereits rechtskräftig abgeschlossen waren, dahin gehend überprüft, ob nicht entsprechend den neuen gesetzlichen Voraussetzungen im Nachhinein zur Abgabe einer Speichel- oder entsprechenden Probe gentechnischen Materials aufgefordert werden kann, um eine Speicherung zu ermöglichen.

Nachdem dies durchgeführt worden ist, sind etwa 13.000 entsprechende Datensätze aus Rheinland-Pfalz eingesetzt worden. In der gleichen Zeit, wo dies bei vollem laufendem Betrieb mit einer großen Kraftanstrengung von der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und allen Beteiligten gemacht worden ist, wofür ich an dieser Stelle ausdrücklich Lob und Anerkennung aussprechen will – das ist eine großartige Leistung –,

(Beifall der FDP und der SPD)

ist in laufenden Ermittlungsverfahren in etwa 30.000 Fällen weiter überprüft worden, ob entsprechende Voraussetzungen für die Feststellung des DNA-Codes möglich sind und eine Speicherung infrage kommt.

Aufgrund dieser Tätigkeit sind etwa 20.000 Datensätze aus Rheinland-Pfalz in die entsprechenden Dateien aufgenommen worden.

Ich meine, das macht deutlich, dass die rheinlandpfälzischen Strafverfolgungsbehörden sehr wohl davon Gebrauch machen und sehr wohl bereit sind, diese technischen Möglichkeiten auszuschöpfen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Das ist nicht unser Problem!)

Frau Kollegin Kohnle-Gros, ich komme noch auf die Ausführungen des Kollegen Hörter. Aber lassen Sie mich doch erst einmal darlegen, was Fakt ist; denn Sie und Ihre Partei tun immer gern so, als ob wir in Rheinland-Pfalz technische Möglichkeiten, die es gibt, überhaupt nicht anwenden würden. Diesen Eindruck versuchen Sie doch immer zu erwecken.

(Beifall der FDP und der SPD – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Frau Kollegin Kohnle-Gros, des Weiteren muss ich darauf hinweisen, dass es bei heutiger Rechtslage in jedem Strafverfahren möglich ist, eine am Tatort vorgefundene Spur mit der Spur eines Beschuldigten zu überprüfen.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Eine ganz andere Frage ist, ob sie das Ergebnis, das dort festgestellt worden ist, auch später abspeichern dürfen. Frau Kollegin oder Herr Kollege Hörter, hier macht es durchaus Sinn, sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage auseinander zu setzen.

(Pörksen, SPD: Das wollen die doch gar nicht!)

Das gehört nämlich zu einer seriösen Auseinandersetzung mit dieser Frage.

(Beifall der FDP und der SPD)

Bei diesen von mir erwähnten über 50.000 Fällen, die in Rheinland-Pfalz im Nachhinein überprüft worden sind, ist eine Reihe von Fällen selbstverständlich vor Gericht gelandet, einige auch beim Bundesverfassungsgericht, nicht nur aus Rheinland-Pfalz, sondern auch aus anderen Bundesländern.

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Entnahme einer solchen Probe und die Speicherung des Ergebnisses einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Das ist auch unstreitig.

Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es durchaus zulässig ist, so etwas für die Zukunft zu speichern, hat darauf abgestellt, was gesetzlich geregelt ist, und gesagt, bei schweren Straftaten ist dies möglich. Herr Kollege Baldauf, Sie nicken so kräftig. Hoffentlich nicken Sie auch, wenn ich gleich weiter ausführe. Es hat zusätzlich gesagt, dass das Gericht, das dies feststellt,

sich nicht bloß darauf beschränken darf festzustellen, dass die Katalogtat gegeben ist, sondern in jedem Einzelfall auch prüfen muss, ob das Ergebnis des Strafverfahrens so gewichtig ist, dass, obwohl die Katalogtat gegeben ist, eine Speicherung trotzdem nicht möglich ist, zum Beispiel wenn eine sehr milde Strafe erfolgt ist, zu Bewährung ausgesetzt und sogar der Rest noch erlassen worden ist. Das heißt, eine generelle schematische Prüfung verbietet sich.

Daraus müssen sie zumindest das Problem ableiten, dass es nicht einfach so sein kann, dass sie dies jetzt bei jeder leichten Straftat einsetzen und speichern können, weil das Bundesverfassungsgericht schon sagt, es ist eine Einzelfallprüfung selbst bei schweren Straftaten erforderlich, sodass es so simpel und einfach, wie es dargestellt worden ist, nicht gehen wird.

(Beifall der FDP und der SPD)

Dewegen bedarf es, wenn man darüber diskutiert, einer sehr sorgfältigen Prüfung dessen, auch was das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang gesagt hat.

Natürlich diskutieren wir im Rahmen unserer Justizministerkonferenz über mögliche Verbesserungen.

Herr Kollege Hörter, ich darf darauf hinweisen, die Justizministerkonferenz ist nicht der Gesetzgeber. Wenn wir einen Beschluss fassen, haben wir damit das Gesetz noch nicht geändert. Wir haben einen Beschluss nur dahin gehend gefasst, dass wir uns mit der Sache befassen werden. Eine Arbeitsgruppe ist eingesetzt worden. Die untersucht das deshalb. Wir machen das seriös. Wir bellen nicht einfach bloß mit, wenn der Beckstein in Bayern bellt. Ich bin dafür, den Verstand einzuschalten und erst dann zu bellen, wenn ich nachgedacht habe und nicht, wenn der Beckstein in Bayern bellt.

(Beifall der FDP und der SPD)

Selbstverständlich werden wir diese Untersuchungen sehr sorgfältig durchführen. Natürlich ist es denkbar, unter Umständen nach sorgfältiger Überprüfung zu dem Ergebnis zu kommen, auch in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, bei eventuell leichteren Taten, wenn es ein nachgewiesener Serientäter ist, macht es vielleicht auch Sinn. Das kann das Ergebnis sein. Aber das muss man sorgfältig prüfen und nicht im Hauruck-Verfahren machen.

Herr Kollege Hörter, wenn Sie den Eindruck erweckt haben, nur in Rheinland-Pfalz sei es so, dass es mit dem Richtervorbehalt so gehandhabt würde, ist dies nicht zutreffend.

(Pörksen, SPD: Nur in Bayern ist es anders!)

Es ist die Ausnahme, dass es nicht so gemacht wird.

Die so genannte bayerische Lösung, die Freiwilligkeitslösung, ist nicht die Regel. Deswegen haben die Justizminister sehr wohl den Beschluss fassen können, dass sie es sorgfältig prüfen.

Bei uns gehen Staatsanwaltschaft und Gericht davon aus, dass das Gesetz so, wie es formuliert ist, den Richtervorbehalt vorschreibt. Wenn das Gesetz – so verstanden – es so vorschreibt, dann können sie nicht einfach als Justizminister anordnen, dass das aufgehoben wird. Das ist Sache des Gesetzgebers. Darüber nachzudenken, ist sehr wohl Sache des Gesetzgebers und auch der Justizminister. Dieser „Nachdenkensarbeit“ wollen wir uns auch gar nicht entziehen. Aber das muss dann erst einmal durchgeführt werden.

Sie können nicht einfach so das Gesetz abschaffen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, es gehe bloß darum, das festzustellen, was der Gesetzgeber ermögliche, mehr wolle man gar nicht tun, dann bin ich sehr damit einverstanden. So sollte es immer sein, wenn es rechtsstaatlich ist. Wie war es aber in den vergangenen Jahren bis zu einer vor kurzem erfolgten Gesetzesänderung, die ich mit initiiert und betrieben habe? Da es angeblich technisch gar nicht anders möglich sei, wurde bei Proben bis vor einigen Jahren immer das Geschlecht mitbestimmt, obwohl das Gesetz das überhaupt nicht zugelassen hat. Sie werden unter Umständen in Zunft damit leben müssen, dass es dann heißt: Wir haben ein neues technisches Verfahren. Das und anderes haben wir jetzt auch festgestellt.

Wohlgemerkt: Ich bin überhaupt nicht dagegen, dass das Geschlecht mitbestimmt wird. Deswegen habe ich mich dafür eingesetzt, dass es gesetzlich abgesichert wird, damit die Praxis eine gesetzliche Absicherung erhält. So muss man es machen, mich aber nicht auffordern, ich solle mich einfach über die Gesetze hinwegsetzen und die Staatsanwaltschaft anweisen, sich gegebenenfalls über die Gesetze hinwegzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir bei solchen Entscheidungen zum genauen Nachdenken auffordern, dann tut das niemand, weil wir einen Verbrecher schützen wollen, sondern weil wir jeden Bürger dieses Landes davor schützen wollen, gegebenenfalls in eine Situation zu kommen, in der er sich der staatlichen Allmacht relativ hilflos gegenüber sieht. Das immer mit zu berücksichtigen, gebietet ein Rechtsstaat; denn ein Rechtsstaat muss bei dem, was er anordnet und tut, immer bedenken, dass derjenige, der für ihn handelt, eventuell über das Ziel hinausschießt oder auch irren kann und dies für die Betroffenen unermessliche Folgen haben kann. Dies immer zu berücksichtigen, ist Sache eines Rechtsstaats. Das tun Sie nicht, wenn Sie einfach dem Beckstein nachbellen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Es spricht Herr Abgeordneter Creutzmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Hörter hat laufend dazwischengerufen, wer denn den Antrag gestellt habe. Natürlich haben wir den Antrag zur Aktuellen Stunde gestellt. Das sollte Sie und Frau Kollegin Kohnle-Gros nicht daran hindern, das Thema seriös abzuarbeiten. Der Fall „Moshammer“ und Ihre Einlassung, Herr Kollege Hörter – Ihr fiktives Beispiel, es gebe jemanden, der noch nicht verurteilt sei –, zeigen genau, dass im Moment wieder versucht wird, durch Strafverschärfungen und die Ausweitung strafprozessualer Ermittlungsverfahren auf Kosten unseres Rechtsstaats eine Scheinsicherheit vorzuspielen. Meine Damen und Herren, das darf nicht sein.

Auch durch die Erfassung einer Vielzahl von Straftätern in einer DNA-Datei können künftige Gewaltverbrechen nicht vermieden werden. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass der Staat nur nach sorgfältiger Abwägung einen Eingriff in ihre höchstpersönlichen Grundrechte vornimmt. Der Grundsatz, dass nur Richterinnen und Richter eine DNAAnalyse anordnen können, muss deshalb unangetastet bleiben. Der Richtervorbehalt ist deshalb als effektiver Grundrechtsschutz unverzichtbar.

Anfreunden könnte ich mich jedoch damit, dass bei einer freiwilligen Abgabe einer DNA-Probe der Richtervorbehalt entfallen kann. Vorgeschaltet werden müsste dieser freiwilligen Abgabe allerdings eine entsprechende Belehrung. Dieses Einverständnis zur Abgabe der DNA müsste unmissverständlich und objektiv nachprüfbar erteilt werden. Zudem müsste die Abgabe der DNAProbe wirklich freiwillig erfolgen.

(Hartloff, SPD: Was ist wirklich freiwillig?)

Es kann nicht sein, dass jemand verpflichtet wird, bei seiner Überführung nach einer Straftat aktiv mitzuwirken. Nur für diesen Fall, der allerdings klar gesetzlich geregelt werden müsste, könnte ich mir vorstellen, auf eine richterliche Anordnung zu verzichten.

Die FDP-Fraktion ist keinesfalls ein Gegner der DNAAnalyse. Zur Aufklärung schwerer Straftaten und im Interesse einer effektiven Strafverfolgung ist sie unverzichtbar. Das steht außer Frage. Außerdem ist die FDPFraktion dafür, dass der Richtervorbehalt für anonyme Spuren beseitigt wird. Das muss noch ins Gesetz aufgenommen werden. Darüber hinaus müssen die zur Aufklärung schwerer Verbrechen angewendeten DNAReihentests auf eine sichere Rechtsgrundlage gestellt werden. Wir appellieren deshalb an die Bundesregierung, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den rechtsfreien Raum beseitigt.

Bei all dem muss aber auch in Zukunft gelten: Meine DNA gehört mir. – Dieses vom Grundgesetz garantierte Recht darf nur in dem Maß beschnitten werden, wie es die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters vorgegeben haben.

Vielen Dank. (Beifall bei FDP und SPD)

Es spricht Frau Abgeordnete Kohnle-Gros.

Frau Präsidentin! Herr Creutzmann, jetzt haben Sie mich fast vollständig verwirrt. Jetzt haben Sie alle Argumente selbst noch einmal vorgetragen, die im Hinblick auf eine gesetzliche Neuregelung oder Veränderung auf Bundesebene öffentlich geäußert worden sind.

(Creutzmann, FDP: Dafür sind wir da!)

Ich will nur sagen, dass auch wir das genauso gesagt haben. Ich kann es Ihnen nicht ersparen zu sagen: Wenn wir zu solch einem Thema gefragt werden, dann haben wir eine Meinung, die wir schon länger haben, unabhängig von aktuellen Fällen.

(Creutzmann, FDP: Wir auch!)