Der schnelle Fahndungserfolg in München, über den wir jeden Tag erneut in der Zeitung lesen dürfen – insbesondere, weil es um das Wohlbefinden des Hundes Daisy geht –, darf doch nicht dazu führen, dass wir jetzt eine Hauruck-Diskussion führen. Ich glaube, das würde dem Thema am allerwenigsten dienen.
Herr Kollege, hören Sie doch einmal zu. Herr Keller, Ihre Zwischenrufe sind nicht gerade von großer Bedeutung. Als ich am Montag von einem Rundfunkreporter angerufen worden bin und nach dem Thema gefragt wurde, habe ich als erstes gesagt, man muss sich davor hüten, einen solchen Erfolg zur Grundlage einer solchen Diskussion zu machen. Das ist gefährlich, weil es um ein bisschen mehr geht als nur um einen genetischen Fingerabdruck. Es geht um die Frage des Eingriffs in ein Grundrecht. Das kann man nicht in der Weise behandeln, wie Sie das hier tun. Das sage ich Ihnen sehr deutlich.
Es dient schon gar nicht dazu, hier Schnellschüsse zu fabrizieren. Das gilt für alle, die sich dazu zurzeit äußern.
(Frau Kohnle-Gros, CDU: Geben Sie einmal dem Herrn Pörksen eine Zeitung! – Weitere Zurufe von der CDU)
Danke schön, dass Sie es gemacht haben. Das gilt für diejenigen aus meiner Sicht genauso wie für die Namen, die Sie vielleicht besser kennen als ich. Also von daher habe ich überhaupt keine Probleme mit der Nennung dieser Namen. Das gilt auch für die. Das populistische Behandeln eines solchen Themas ist einfach gefährlich, weil es für mich und für uns um die Frage geht, ob wir
die Schwelle dessen, was an Grundrechtsschutz für die Menschen wichtig ist, herabsetzen. Da müssen wir sehr gründlich diskutieren und nicht einfach hier vom Leder ziehen. Das geht doch nicht.
Sie haben gesagt „den Teufel an die Wand malen“. Das verfassungsrechtliche Vorgehen in dieser Frage ist uns vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben. Das scheint doch für Sie auch keine Bedeutung zu haben. Es hat sich in mehreren Entscheidungen in den Jahren 2000 und 2001 mit der Frage der DNA-Analyse beschäftigt und gesagt: Grundsätzlich zulässig aus den Gründen, die Sie zum Teil hier angesprochen haben.
Es hat es aber erstens begrenzt auf den so genannten nicht codierenden Teil und hat gesagt, die Grenze ist einmal da, wo es um Straftaten von erheblicher Bedeutung geht. Das ist dann in dem Gesetz im Einzelnen aufgeführt. In § 81 g sind die einzelnen Straftaten aufgeführt. Es heißt übrigens „insbesondere“ und der „Richtervorbehalt“. Der Richtervorbehalt ist natürlich als eine Kontrolle der Einhaltung der Grundrechte zu sehen. Ich denke, das ist etwas ganz Wichtiges, weil wir demnächst noch in anderen Bereichen diskutieren werden.
Die Behandlung des genetischen Fingerabdrucks in der Weise, wie es nicht nur von Ihnen, aber so allgemein gemacht wird, halte ich auch nicht für unproblematisch. Es ist eben nicht wie ein Fingerabdruck, der normal genommen wird. Man kann viel mehr damit anfangen. Wir wissen noch lange nicht, was man damit in der Zukunft noch alles anfangen kann. Wenn man heute Entscheidungen treffen muss, dann kann man sie nicht kurzsichtig aus einer Tagespolitik machen, sondern man muss überlegen, was in Zukunft möglicherweise passiert. Wir stehen doch erst am Anfang dieser Entwicklung. Das ist doch eine ganz neue Entwicklung.
Ich halte das in großem Maß für leichtfertig. Ich rede überhaupt nicht gegen den genetischen Fingerabdruck. Ich komme gleich noch darauf zu sprechen.
Dass Sie da anderer Auffassung sind, das weiß ich auch. Sie gehen als Dampfwalze über solche Themen hinweg. Das kennen wir doch nicht anders.
Eine grenzenlose – nicht gnadenlos; gnadenlos sind Sie meistens – Öffnung dieses Bereichs des genetischen Fingerabdrucks würde auch zu Millionen von Daten führen. Ich führe hier nicht dem Begriff „Missbrauch“ das Wort, aber die Gefahr ist doch riesengroß. Lesen Sie doch die ganzen Artikel, die wir seit Tagen und Wochen in den Medien über dieses Problem lesen können. Dann werden Sie möglicherweise – ich glaube es zwar nicht,
aber möglich wäre es – zu einem etwas differenzierteren Urteil kommen, als Sie es hier gerade abgegeben haben. Natürlich müssen wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Es ist kein neues Thema, sondern Sie haben selbst die Justizministerkonferenz zitiert, die sich seit längerer Zeit damit beschäftigt und demnächst – der Minister wird gleich dazu etwas sagen können – wieder damit beschäftigen wird.
Wir werden uns dem Thema nicht entziehen können. Das sollen wir auch gar nicht. Aber wir sollten es anders diskutieren, als Sie es tun. Ich werde das gleich noch einmal klarer ausdrücken.
Meine Damen und Herren! Der Auslöser dieser Diskussion – das war wohl auch die Grundlage, auf der diese Aktuelle Stunde gefordert wurde – war diese Diskussion um den Mordfall „Moshammer“ und was danach an Forderungen durch die Presse auch gerade von der CDU/CSU gegeistert ist. Dass natürlich diese Dinge auch die Grundlage dessen sind, worauf wir uns hier einlassen in der Aktuellen Stunde, das muss man auch sagen.
Natürlich ist es richtig, wenn Sie sagen, natürlich kann man sozusagen auch das kritisieren, was hier in Rheinland-Pfalz gesetzliche Grundlage ist, aber wenn Sie den ersten Punkt nehmen, dass bei freiwilliger Zustimmung, dass man eine DNA-Analyse machen lässt, es keinen Richtervorbehalt mehr geben soll, das ist genau eine richtige Sache, dass man hier auch weiterhin den Richtervorbehalt hat.
Wenn Sie sagen, dass das von einem großen Misstrauen gegenüber der Polizei zeugt, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass gerade die Polizei in dieser Diskussion in den letzten Wochen sehr deutlich gemacht hat, dass sie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht besonders hoch schätzt, sondern bei ihr natürlich der schnelle Ermittlungserfolg in erster Linie dasteht. Ich denke, gerade das macht uns deutlich, dass der Richtervorbehalt in allen Bereichen noch wichtig ist.
Meine Damen und Herren, was ich schon erstaunlich finde, ist, dass wir jetzt schon so weit sind, nicht erst dann, wenn ein schweres Verbrechen begangen ist, die Verschärfung des Strafrechts von konservativer Seite zu fordern, sondern jetzt schon dann, wenn es einen raschen Ermittlungserfolg gehabt hat. Schon dann wird jetzt auch sofort wieder reagiert: „Wir müssen das Strafrecht verschärfen“.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier einmal fes thalten, die Überführung des Täters in München erfolgte gerade nach geltendem Recht. Damit ist logischerweise auch klar belegt, dass gerade dieser Mordfall „Moshammer“ nicht gerade ein Beweis dafür ist, dass hier eine Regelungslücke besteht.
(Frau Kohnle-Gros, CDU: Haben Sie das auch einmal reflektiert, was Sie in der Zeitung gelesen haben?)
Meine Damen und Herren von der CDU, die Erfolge, die die Ermittler aufgrund der DNS-Datei bis jetzt schon in den letzten Jahren erzielt haben, sind uns doch auch schon seit längerem bekannt. 320 Tötungsdelikte, darunter auch Kindermorde, wurden mithilfe des neuen Ermittlungsinstruments bisher aufgeklärt. Wohlgemerkt geschah das auf der Grundlage des geltenden Rechts.
Meine Damen und Herren, der schnelle Ermittlungserfolg im Mordfall „Moshammer“, der jetzt sozusagen der 321. Fall ist, kann aber doch jetzt nicht die Gründe, die bei der Einbringung des Gesetzes gegen eine Ausweitung der DNA-Analyse bestanden, plötzlich vom Tisch wischen. Es gibt da zwei Gründe, warum diese Ausweitung problem atisch ist und nicht von uns unterstützt wird.
Der erste Grund ist, dass die DNA-Analyse ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und in das inform ationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen darstellt. Es wurde vom Bundesverfassungsgericht eindeutig definiert, dass der Einzelne und nur er selbst als Person über die Verwendung seiner Daten selbst bestimmt, ganz allein bestimmt und er vor allem darüber hinaus das Recht hat, darüber informiert zu werden, was mit seinen persönlichen Daten passiert. Welche der persönlichen Daten sind intimer und schützenswerter als meine Erbgutdaten, wie sie in jeder menschlichen Zelle vollständig vorhanden sind, auch in der Speichelprobe und in der Haarprobe?
Meine Damen und Herren, weil dieser Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht so gravierend ist, darf er nur vorgenommen werden und ist er nur dann verhältnismäßig, wenn es sich auch um schwer wiegende Straftaten handelt. Das geltende Gesetz hat diese Verhältnismäßigkeit beachtet und ist daher auch verfassungsgemäß. Eine Ausweitung auf Bagatelldelikte, so, wie es auch von der CDU und der CSU gefordert wurde, ist nicht mehr verhältnismäßig und damit auch nicht verfassungskonform. Wir lehnen es eindeutig ab.
Meine Damen und Herren, es wurde auch schon von den Vorrednern darüber geredet, dass es eben nicht so ist, dass man einen genetischen Fingerabdruck, wie es immer so leicht gesagt wird, mit einem normalen Fingerabdruck vergleichen kann. Aus der DNA-Analyse lassen sich viel mehr Dinge herauslesen als von einem norm alen Fingerabdruck. Darum ist es leichtfertig, das gleich
Es gibt natürlich in der Erfahrung mit dem Gesetz jetzt Initiativen, auch von der Bundesjustizministerin, bestimmte Dinge auszuweiten. Ich denke besonders an Daten von Exhibitionisten. Dass so etwas auf der Bundesebene von der rotgrünen Koalition diskutiert wird, zeigt, dass man auch bereit ist, aus Erfahrung zu lernen.
Meine Damen und Herren, aber eine Ausweitung sozusagen als Routineinstrument der Polizei für alle Straftaten, die begangen werden, seien sie noch so klein, lehnen wir ab. Die wird es mit uns nicht geben.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es dürfte unstreitig sein, dass die Analyse von gentechnischem Material oder von gentechnischen Spuren ein wichtiges Mittel zur Aufklärung von Straftaten ist. Deswegen ist es grundsätzlich sinnvoll, die Möglichkeiten des technischen Fortschritts auch insoweit zu nutzen. Auch das dürfte unstrittig sein.