Protocol of the Session on January 19, 2005

(Ministerpräsident Beck: Das ist nicht richtig, ein bisschen kompliziert!)

Es ist komplizierter als ein ungedrechseltes Ergebnis.

(Keller, CDU: Echte Handarbeit! – Zuruf des Abg. Schmitt, CDU)

Bemerkenswert an dem Verfahren aber ist, dass die Aufmerksamkeit für die anstehende Frage nur durch – ich würde es so formulieren, Sie würden es wahrscheinlich nicht so formulieren – eine Regelverletzung erzielt werden konnte, eine Regelverletzung nämlich,

weil ein bisher übliches gerichtsfestes, auch verfassungsgerichtsfestes Verfahren geändert wurde; denn am Schluss hat nicht mehr die Empfehlung der KEF gestanden, sondern ein Verhandlungsergebnis der Ministerpräsidenten am Kamin, wenn ich das so sagen darf.

Ich werte das nicht ab, ich stelle das nur fest. Darüber muss in Zukunft noch zu sprechen sein. Dass die Ministerpräsidenten selbst dabei kein allzu gutes Gewissen haben, zeigt die Protokollerklärung Nummer 3, meine ich.

In dieser bekräftigen die Länder, dass nach ihrer Auffassung das im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag festgeschriebene Verfahren der Gebührenfestsetzung, das sie gerade nicht angewandt haben, dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Staatsferne in optimaler Weise Rechnung trägt usw.

Also Ehrenerklärungen für Jungfrauen und Jungfrauen, die Ehrenerklärungen brauchen. Ich will das nicht weiter vertiefen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wir müssen das weiter im Auge behalten.

Mit von entscheidender Bedeutung für die weitere Diskussion, die hier angefangen hat oder zumindest intensiviert wurde, sind die strukturellen Vorgaben, die in diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthalten sind, dass zum ersten Mal – auch darauf ist hingewiesen worden – eine Begrenzung der Hörfunk- und Fernsehprogramme festgeschrieben wurde.

Das sind für den Südwestrundfunk acht Hörfunkprogramme insgesamt. Darauf braucht man jetzt im Einzelnen nicht einzugehen. Das wird sich möglicherweise in der zweiten Beratung noch einmal ergeben.

Man kann das strukturelle Vorgabe nennen. Man kann es aber auch dekretierte Deckelung oder Begrenzung nennen. Dann bekommt es einen anderen Zungenschlag.

Es wird dadurch noch nicht falsch, weil es im Augenblick dem vorherrschenden politischen Meinungsbild in dieser Frage entspricht, sage ich einmal. Wenn ich sage, vorherrschendes politisches Meinungsbild, dann gilt das parteiübergreifend, also einem Meinungsbild entspricht, das alles andere will als eine Ausdehnung öffentlichrechtlicher Rundfunkprogramme.

Dabei muss aber eines klar sein. Wir greifen damit in das Spannungsverhältnis von Bestands- und Entwicklungsgarantie ein. Mit diesem Eingriff ist das Problem noch nicht erledigt, sondern mit diesem Eingriff fangen wir erst an, eine neue Austarierung vorzunehmen, über die in Zukunft noch zu sprechen sein wird.

Zweitens muss klar sein, dass einer Änderung dieser Begrenzung oder dieser Festschreibung in Zukunft alle Ministerpräsidenten aller Länder werden zustimmen

müssen und länderspezifische Regelungen, also ohne die Zustimmung aller anderen, nicht mehr möglich sein werden.

Ich erwähne das nur in dem Zusammenhang, dass wir uns anderswo in dieser Republik über eine Stärkung der Länderkompetenzen im Rahmen der Föderalismusdiskussion bemühen. Auch dies sollten wir nicht ganz aus dem Auge verlieren.

Schließlich ist in diesem Zusammenhang der strukturellen Maßnahmen besonders wichtig, die zweite Protokollerklärung zu § 19 Rundfunkstaatsvertrag, in der festgehalten wird, dass die Länder in Aussicht nehmen, den öffentlich-rechtlichen Programmauftrag durch die Überprüfung der Strukturen, die technologische Fortentwicklung, die Gleichwertigkeit der Versorgung weiter so zu konkretisieren, dass die Programmaktivitäten auch in Zukunft finanzierbar bleiben und dabei der Stellenwert von Werbung und Sponsoring geprüft und deren Bedeutung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geklärt werden soll.

Wenn dies nicht in dieser Protokollerklärung verstauben soll – ich habe soeben mit großem Interesse und mit großer Zustimmung Ihre Einlassung dazu zur Kenntnis genommen, dass dies nicht geschehen soll –, dann kann man dadurch und durch die Art und Weise der Behandlung dieser Protokollerklärung möglicherweise das, was Sie im Hinblick auf das zukünftige Verhalten des Bundeslandes Bayern als Befürchtung nicht ganz ausgeschlossen haben, schon zum Teil ausräumen. Das würde ich jedenfalls für einen guten Weg in dieser Entwicklung halten. Aus der Sicht des Landtages und insbesondere der Opposition heraus könnte ich mir vorstellen, dass die Landesregierung im Sinn eines konstruktiven Miteinanders in dieser zentralen Frage den Landtag über den Fortgang der Angelegenheit, sozusagen im Sinn einer inoffiziellen Selbstverpflichtung, oder wie auch immer, regelmäßig informiert.

Ich möchte zum Schluss noch einmal ganz kurz zum Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag zurückkommen. In § 3 Abs. 1 a ist das Verbot der Kreditaufnahme festgeschrieben. Dies halte ich für längst überfällig. Dies ist nach meiner Kenntnis für den Südwestrundfunk, also für unseren Sender, kein Problem.

(Dr. Schiffmann, SPD: Außer für Investive!)

Das ist etwas anderes! Ich habe es vereinfacht dargestellt.

Etwas anderes ist es, wenn die Zuständigkeiten der KEF in Absatz 1 b festgeschrieben werden, in dem der KEF aufgetragen wird, in Zukunft bei der Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten auch die Selbstverpflichtungserklärungen der Rundfunkanstalten als Grundlage mit heranzuziehen. Das halte ich für sinnvoll und für überfällig.

In dem Punkt aber, wo der KEF aufgetragen wird, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und auch die Entwicklung der Haushaltslage der öffentlichen Hände mit in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen, erreicht man möglicherweise im Endeffekt das Gegenteil von dem,

was man eigentlich erreichen wollte; denn ich habe die Diskussion bisher immer so verstanden, als wollte man die Möglichkeiten der KEF zur Gebührenfindung eher einschränken. Jedenfalls scheint das Verhalten der Ministerpräsidenten darauf hinzudeuten. Hier wird aber die Zuständigkeit der KEF eher ausgeweitet; denn es wird der KEF ein größerer Entscheidungsspielraum eingeräumt, indem der Entscheidungsspielraum auf zwei entscheidende weitere gesellschaftliche und wirtschaftliche Felder ausgedehnt wird.

(Ministerpräsident Beck: Allerdings auf die Reduktion der Kosten hinarbeitend!)

Ja, ja. Das muss man mit bedenken. Das wird in einer wirtschaftlichen Lage wie der jetzigen wahrscheinlich so kommen. Ob das aber systematisch und strukturell die richtige Herangehensweise an die Aufgabe der KEF ist, möchte ich an dieser Stelle mit einem kleinen Fragezeichen versehen und mit der Bitte verbinden, dass wir dies gemeinsam aufmerksam im Auge behalten und verfolgen; denn, wie gesagt, möglicherweise werden wir damit das Gegenteil von dem erreichen, was gewollt ist.

Im Übrigen wird sich der eine oder andere Gesichtspunkt hierzu noch in der zweiten Beratung ergeben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Schiffmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aufgeregte öffentliche Debatte über den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der nur der Vorläufer für den Neunten und den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sein wird, hat diesen nach meinem Eindruck viel zu sehr allein auf die Auseinandersetzung um die neue Rundfunkgebühr verkürzt. Herr Kollege Dr. Weiland, in der ausführlichen Beratung im Ausschuss für Medien und Multimedia wird die Chance bestehen, auch auf die anderen wichtigen Neuerungen, die Herr Ministerpräsident Beck in seiner Einführung zu diesem Gesetzentwurf gestreift hat, im Detail einzugehen.

Ich möchte aber ergänzend auf zwei Punkte hinweisen, die mir aus diesem Katalog noch wichtig sind. Das eine ist das Einfrieren des Gebührenanteils der Landesmedienanstalten und die in der Protokollerklärung angekündigte Überprüfung des Auftrags der Landesmedienanstalten. Herr Kollege Dr. Braun, im Licht der Debatte, die wir vorhin geführt haben, ist dieser nicht unwesentlich.

Zum Zweiten möchte ich im Rahmen der Vereinheitlichung der Gebührenbefreiungstatbestände auf die weitgehende Gebührenbefreiung für Empfänger von Ar

beitslosengeld II und sozialer Grundsicherung im Alter verweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 1,09 Euro oder 88 Cent, 17,24 Euro oder 17,03 Euro, der Unterschied zwischen diesen zwei Zahlen bewegt seit Monaten in einer erhitzten Debatte die medienpolitische Öffentlichkeit. Glaubt man dem einen oder anderen Intendanten, könnte man in Anlehnung an Hamlet den Eindruck gewinnen, als ginge es hierbei in dieser konkreten Frage in letzter Konsequenz um das „Sein oder Nichtsein“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ich erspare mir die Umfrage, wer in diesem Haus bzw. auf den Mainzer Straßen eigentlich auf Anhieb weiß, dass die gegenwärtige Rundfunkgebühr 16,15 Euro beträgt. Der Unterschied von 21 Cent, über den diskutiert wird, macht aber – glaubt man auf der anderen Seite den Bekundungen einiger Ministerpräsidenten und dabei insbesondere den Verfassern des ominösen SMS-Papiers – den Unterschied aus zwischen noch gegebener Sozialverträglichkeit der Rundfunkgebühr und einem Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip, als seien diese 21 Cent im Medienbudget der Bürger quasi der Tropfen, der das Fass der Sozialreform und der Leistungseinschränkungen zum Überlaufen bringen würde. Also haben sie vor diesem Hintergrund durchgesetzt, dass die anderen Ministerpräsidenten bzw. die Rundfunkkommission sich über den ursprünglichen Vorschlag der unabhängigen KEF hinweggesetzt haben.

Zur Erinnerung: Die KEF hatte ohnehin schon den von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemeldeten Erhöhungsbedarf rund um die Hälfte auf 1,09 Euro ab 1. Januar 2005 gekürzt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt, wo Intendanten tiefe Einschnitte beispielsweise in die Rundfunkorchesterlandschaft vorgenommen oder angekündigt haben, wo Beteiligungen an Festivals, Landesfesten und Forschungseinrichtungen gekürzt oder eingestellt werden sollen, werden plötzlich beide SMS-Akteure, die Ministerpräsidenten Milbradt und Steinbrück, von einer mittelschweren Amnesie heimgesucht, weil sie gar nicht mehr wissen, was sie ursprünglich in ihrem Papier gefordert und jetzt losgetreten haben.

Ich möchte nicht über Sinn oder Unsinn des staatsvertraglichen Ratifizierungsverfahrens räsonieren, bei dem wir als Landtage nur ja oder nein sagen können oder uns bestenfalls nach Art der CDU im sächsischen Landtag kurzzeitig wieder wichtig machen können; denn wer wollte letztlich von uns die Verantwortung dafür übernehmen, dass es überhaupt keine Rundfunkgebührenerhöhung gibt? – Die jetzt zu beschließende Gebührenerhöhung ist für die Anstalten auf jeden Fall besser als gar keine Gebührenerhöhung.

Ich denke, auch Ministerpräsident Beck – das ist aus seinen Ausführungen deutlich geworden – wird angesichts dieser Alternative gerade im letzten Jahr so manches Mal seine Moderatorenrolle als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder nicht als besonders vergnügungssteuerpflichtig empfunden haben.

(Ministerpräsident Beck: Das kann man so sagen, ja!)

Dass es nach manchen vorankündigenden Ultimaten und Junktims überhaupt zu einer Einigung über eine Gebührenerhöhung gekommen ist, ist schon auch ein Erfolg von Ministerpräsident Beck als Moderator, der sich eigentlich von Anfang an öffentlich für die Einhaltung des bewährten KEF-Verfahrens eingesetzt hat. Es lässt sich jetzt wohl akademisch trefflich darüber streiten, inwieweit die Abläufe dieser Gebührenerhöhungsrunde den Buchstaben und dem Geist des § 5 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags und dem Gebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 entsprechen, das gerade die Staatsferne des Fes tsetzungsverfahrens für die Gebühr als den Garanten der dualen Rundfunkordnung gefordert hat.

Rein formal sind nach unserer Einschätzung der Ablauf und das Ergebnis dieser Gebührenrunde mit den Verfahrensvorschriften des § 5 gerade noch vereinbar. Immerhin haben die nach der KEF-Runde nachgereichten strukturellen Selbstbindungserklärungen von ARD und ZDF, wie politikfrei und wie freiwillig sie auch immer zustande gekommen sind, eine neue Beratungsgrundlage geschaffen, über die dann dem Gesetz entsprechend auch Beratung der Rundfunkkommission unter Beteiligung der KEF stattgefunden hat.

Immerhin enthält die Begründung zu Artikel 6 Nr. 4 zumindest den Versuch einer rationalen Begründung für die Abweichung vom KEF-Vorschlag, nämlich den Hinweis auf das Umfeld einer deutlich angespannten wirtschaftlichen Lage, auf die selbst erklärten zusätzlichen Einsparpotenziale bei ARD und ZDF, auf die möglichen Kosteneinsparungen durch die Einräumung des Verzichts auf die analoge terrestrische Verbreitung und auf zusätzliche Einnahmequellen durch Veränderungen bei der Gebührenbefreiung, Stichwort „Hotelprivileg“.

Die Verknüpfung der Gebührenentwicklung mit der Entwicklung der öffentlichen Haushalte allerdings – Herr Kollege Dr. Weiland hat schon darauf hingewiesen –, wie sie in den Protokollerklärungen angekündigt wird, dürfte allerdings den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kaum genügen.

Auf jeden Fall aber sollten alle Intendanten auch bedenken, ob eine in den Raum gestellte Klage irgendeiner Anstalt nicht irgendwann mit einem Urteil beschieden werden könnte, das gemessen am Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur Verlierer zurücklassen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das in den Protokollerklärungen aufgenommene Bekenntnis der Ministerpräsidenten zu dem im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag festgeschriebenen Verfahren der Gebührenfestsetzung dokumentiert zumindest verbal die Bereitschaft, sich künftig auch dem Geist nach daran zu orientieren und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine finanzielle Entwicklungsperspektive zu geben.

Es gibt gegenwärtig leider keinen Konsens mehr unter den Ministerpräsidenten, nicht nur entlang von Parteilinien, über die Bestandsgarantie, den Auftrag, die Funktion, den Stellenwert und vor allem die Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deswegen

wird auf mittlere und längere Sicht entscheidend sein, was aus dem sehr kryptisch formulierten Satz der Protokollerklärung folgt, wo es heißt – ich zitiere –: „Davon unabhängige Überlegungen zur künftigen Struktur und Aufgabendefinition der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in programmlicher, technischer und finanzieller Hinsicht berücksichtigen.“

Die Schwierigkeiten der privaten Veranstalter, neue, dauerhaft tragfähige Geschäftsmodelle ergänzend zu der erwiesenermaßen konjunkturanfälligen Werbefinanzierung zu etablieren, dürfen und können aus unserer Sicht nicht durch ein Austrocknen der öffentlichrechtlichen Programme oder ihr Abdrängen in Nischen eines angeblichen informativen Kernauftrags gelöst werden. Es entbindet allerdings auch die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten nicht von Selbstbescheidung, Kosteneffizienz, Überprüfung der Angebotspalette und klarer und nachprüfbarer als bisher formulierter programmlicher Leitlinien nach § 11 Abs. 4 Rundfunkstaatsvertrag.