Protocol of the Session on December 13, 2004

Meine Damen und Herren! Herr Mertes, ich war ganz überrascht über das plötzliche Ende.

(Schweitzer, SPD: So ist er halt!)

Ich hatte mich darauf eingestellt, dass Sie noch einmal in Fahrt kommen. Heute habe ich mich nicht des Eindrucks erwehren können, dass Herr Dr. Böhr Ihnen mit seiner Rede ein bisschen den Schneid abgekauft hat.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe Sie schon als vehementeren Verfechter Ihres Haushaltsentwurfs erlebt.

(Lelle, CDU: Er weiß um die Kritik! – Weitere Zurufe von der CDU)

Wenn Sie mehr auf das Kernproblem eingegangen wären, auf das wir bei den Haushaltsberatungen treffen, dann hätte ich von Ihnen tiefer- und weitergehende Antworten gehört. Das will ich am Anfang sehr nachdenklich sagen.

Die heutigen Haushaltsberatungen finden in einer verfestigten Finanzkrise der öffentlichen Haushalte statt. Das erleben wir auf Bundesebene, auf Landesebene und auf der kommunalen Ebene. Jeder, der kommunalpolitisch aktiv ist, weiß dies aus eigenen Erfahrungen im kommunalen Bereich. (Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit für die Rednerin.

Nicht nur, dass aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation von 2001 bis 2003 die Steuereinnahmen zurückgegangen sind, sondern auch die große Steuerreform des Jahres 2000 mit der letzten Entlastungsstufe 2005 hat Steuerausfälle zur Folge. Rund 60 Milliarden Euro Entlastung für Bürger und Bürgerinnen und für die Unternehmen, insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen, werden damit umgesetzt. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen.

Die erwarteten Selbstfinanzierungseffekte sind bisher nicht in vollem Umfang eingetreten. Wegen der Blockade im Bundesrat wurden Subventionen nicht im notwendigen Umfang abgeschafft, reduziert oder Steuervergünstigungen ernsthaft angegangen. Das ist die Situation, in der wir den Haushalt für die nächsten beiden Jahre beraten.

Ich muss feststellen, dass niemand in diesem Haus Grund hat, über die Einnahmensituation zu jammern, wenn eigene Vorschläge zur Verbesserung fehlen oder wenn Blockaden unterstützt wurden. Das trifft alle drei anderen Fraktionen. Das trifft die Regierungsfraktionen mit der Haltung der Landesregierungen bei den Bundesratsentscheidungen. Das trifft die CDU mit ihren Positionen und der Haltung ihrer Ministerpräsidenten in den vergangenen Jahren. Wir sind in einer Situation, in der Steuererhöhungen wie Gift für die Konjunktur erscheinen. Die Verbreiterung der Steuerbasis kommt nicht voran. Das gilt auch für den Subventionsabbau. Unsere Bevölkerung wird immer älter, und die Jüngeren werden immer weniger. Der demografische Wandel wird auf mittlere Sicht die öffentlichen Kassen enorm belasten.

Mit Blick auf den Landeshaushalt warne ich in diesem Zusammenhang vor den steigenden Pensionsbelastungen, die aus dem Haushalt zu erbringen sind.

Warum sage ich das zu Beginn der Debatte und rede nicht über 600 Millionen Euro, wie Herr Dr. Böhr, oder über 1,2 Milliarden Euro, wie Herr Mertes? Das geschieht nicht deshalb, weil ich dem Pessimismus das Wort reden will. Das Gegenteil ist der Fall. Das geschieht nicht, weil ich die Finanzkrise für nicht lösbar halte. Ich bin aber der Überzeugung, dass der Optimismus, den Herr Mittler bei der Einbringung des Haushalts vorgetragen hat, genauso fehl am Platz ist wie die Analyse von Herrn Dr. Böhr, bei entsprechender wirtschaftlicher Entwicklung und besserer Beschäftigung wäre alles wieder geritzt und wir könnten so weitermachen. Das hat er bei der Einbringung des Haushalts gesagt.

Die Finanzkrise in Deutschland und in Rheinland-Pfalz ist in erster Linie strukturell und nicht konjunkturell bedingt. Selbst wenn unsere Konjunktur jetzt noch einmal ordentlich loslegen würde, hätten wir diese Finanzkrise. Die Krise ist permanent. Wir werden Haushaltsberatungen für diesen Doppelhaushalt und für die nächsten Jahre nur bewältigen können, wenn wir das als grundlegendes Problem erkennen. Bei den diesjährigen und bei den vorherigen Beratungen wurden kurzatmige Maßnahmen beschlossen, wie Kürzungen, Rasenmäherkürzungen, wachsende Verschuldung mit dem Hoffen auf konjunkturelle Erholung oder kreative Buchhaltung. Dazu sage ich später noch etwas. Das greift alles zu kurz.

Notwendig wäre eine Haushaltsaufstellung und Haushaltsbeschlüsse, die das Problem wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Das habe ich bei der Einbringung im Oktober schon gesagt. Der Haushalt, der politische Plan müsste im Grundsatz um die wichtigsten Aufgaben und Leistungen des Staats aufgebaut werden, die für die Zukunftsgestaltung, für die wirtschaftliche, für die soziale, gesundheitliche und innere Sicherheit der Menschen im Land unverzichtbar sind. Das ist mehr als wohlfeile Formulierungen nach Aufgabenkritik. Das ist ein grundsätzlich anderes Herangehen bei der Haushaltsaufstellung. Das gilt auch für die Beratungen. Aus diesem Grund waren wir so verärgert und kritisch, dass Sie die Haushaltsberatungen zusammengedrängt haben. Das war nicht deswegen, weil wir nicht hinterher kommen, sondern weil es keinen Raum gibt, diese grundsätzliche Debatte zu führen und grundsätzliche Veränderungen an Ihrem Vorgehen vorzunehmen. Das ist nicht nur aus der Opposition heraus so. Sie entziehen sich dieser Möglichkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine Konzentration auf das, was gewollt ist, und nicht auf das, was nicht mehr bezahlbar ist, müsste die Leitlinie sein. Dann würden wir wieder Menschen in diesem Land bewegen, an solchen Beratungen und Veränderungen mitzuwirken.

Herr Mertes ist gerade nicht anwesend. Ich weiß, er muss sich nach einer Rede ein bisschen erfrischen. Ich muss es aber an der Stelle sagen. Zum vierten Mal seit dem Jahr 2000, wo wir diese zurückgehenden Steuereinnahmen und dieses Problem der Finanzierung des Haushalts haben, höre ich von ihm, man müsse sich überlegen, was dieser Staat überhaupt noch tun und leisten kann. Das sei die Kernfrage.

Herr Mertes, meine Damen und Herren von der Landesregierung und von der SPD-Fraktion, nach vier Jahren hätte ich gern Antworten gewusst. Diese sind Sie in diesem Haushalt schuldig geblieben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Koalition ist nicht in der Lage, diese grundsätzliche Umkehr vorzunehmen. Ihnen geht während der laufenden Legislaturperiode die Luft aus. Ausnahme ist vielleicht der Finanzstaatssekretär, der immer neue Wege der vordergründigen Haushaltsbereinigung findet. Statt an den Start zu gehen, denken Sie schon an das Auslaufen. Das ist der Fehler bei jedem Start. Herr Mertes ist Läufer und weiß genau, man muss bis zum Ende laufen und darf vorher nicht aufhören.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Wir stärken die Wachstumskräfte“ – das ist Ihre Argumentation. Ich sage Ihnen, Ihre Politik bekommt damit lediglich ein neues Etikett, ob es sich um den Globalhaushalt der Universität Mainz, die Zweck-KG oder den Stabilisierungsfonds handelt. Der Haushalt bekommt wieder neue Schattenhaushalte. Sie setzen die falschen Instrumente auch wieder in der Zukunft ein. Die FDP darf sich mit dem Straßenbau und der Wirtschaftsförderung laben, die SPD mit Schule und Hochschule profilieren. An die strukturellen Probleme wagt sich diese Koalition nicht heran. Das ohnehin nicht übermäßige Reformtempo in Rheinland-Pfalz bremsen Sie aus. Sie entwerfen einen Haushalt, der vielleicht Ihren Wahlkampfzwecken dient, der aber das Land nicht wirklich nach vorn bringt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist unverantwortlich. Damit lasten Sie den nachfolgenden Generationen nicht nur die Schuldenberge auf, die Sie angehäuft haben, sondern auch noch die ungelösten Probleme. Das wollen wir nicht.

Ich sage Ihnen das am Anfang, weil das nach sechs Wochen nicht öffentlicher Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss das klare Ergebnis ist.

Dann muss auch einmal deutlich werden, wie enttäuschend diese Beratungen waren, und zwar nicht vonseiten der Opposition, sondern weil es überhaupt keine Bereitschaft ihrerseits gab, sich auf eine Beratung einzulassen, meine Damen und Herren.

(Billen, CDU: So ist es!)

Wo hatten wir denn einmal eine vertiefende Debatte in diesen Haushaltsberatungen? Wo hatten wir denn einmal die Möglichkeit, uns tatsächlich diesen Problemen zu stellen und gemeinsam um Lösungen zu ringen.

(Hartloff, SPD: Im Haushaltsausschuss!)

Darum ging es Ihnen doch nicht, sondern Sie wollten Ihren Haushalt vor den Weihnachtsferien über die Bühne haben. Damit haben Sie Chancen vertan.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartloff, SPD: Sie konnten beraten, so lange Sie wollten!)

Wir haben in diesem Haushalt eigene Vorschläge und Anregungen gemacht. Wir haben auch die Bereitschaft immer wieder bekundet, an einer grundlegenden Neuaufstellung für Rheinland-Pfalz mitzuwirken. Wir erschöpfen uns nicht im Lamentieren, sondern wir wollen, dass dieses Land vorankommt und seine Stärken ausbaut. Wir wollen den Motor für einen Neustart anwerfen, meine Damen und Herren.

Herr Mertes, die rheinland-pfälzische CDU führt die Patriotismusdebatte zwar nicht hier, aber im Land überall. Aber an die CDU in Rheinland-Pfalz muss ich sagen, mit Patriotismusdebatten und Verfassungsklagen kann man ein solches Land nicht regieren, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Was Sie zum Teil in diesen Haushaltsberatungen geboten haben, das war einer großen Oppositionsfraktion nicht würdig. Mit solcher programmatischer Nichtregierungsfähigkeit werden Sie in diesem Land und auch im Bund nicht vorankommen.

(Keller, CDU: Abwarten!)

Wenn das auf diesem Niveau bleibt, dann sitzen Sie dort auch verdient, wo Sie heute sitzen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben versucht, mit unseren Anträgen klare Schwerpunktsetzungen zu machen, und zwar für Kinderkrippen, für Forschung und Lehre an den rheinlandpfälzischen Hochschulen und für einen Innovationsschub bei der Energiepolitik und der Ressourcenschonung.

Meine Damen und Herren, das sind für uns Zukunftsinvestitionen. Wir setzen außerdem mit unseren Vorschlägen auf die Verbesserung der Einnahmensituation und wollen dafür mit dem Gesetzgeber im Bund an den überfälligen Abbau von Subventionen und an die Beseitigung von Steuervergünstigungen heran.

Herr Mertes – erschrecken Sie nicht –, ich würde gern einmal erleben, dass Sie und Ihre Landesregierung in solchen Fragen so entschieden vorangehen, wie das die GRÜNEN im Land und im Bund machen, wenn es um die Frage des Subventionsabbaus geht.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

Da habe ich Sie in den vergangenen Jahren immer mit auf der Seite der Zögerer und nicht der nach vorwärts Marschierenden erlebt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Es sei denn, es sind Windmühlen!)

Wir wollen trotz der notwendigen Zukunftsinvestitionen nicht wie Sie das Handtuch vor der Herausforderung der Haushaltskonsolidierung werfen.

(Ministerpräsident Beck: Kinder, hört doch auf!)

Was dem einen die Windmühle ist, ist dem anderen die Entfernungspauschale, Herr Ministerpräsident.

(Ministerpräsident Beck: Ist ja wahr, ich gebe es ja auch zu!)