Protocol of the Session on December 13, 2004

Die Frage ist nur, in welchen Bereich mehr Geld fließt. Das würde ich gern einmal nachrechnen lassen, und ich glaube, dann treffen wir uns hier noch einmal.

Also noch einmal, wir wollen auch mit der Haushaltskonsolidierung weitermachen. Herr Mertes, das werfe ich Ihnen vor, das tun Sie in diesem Haushalt nicht mehr. Ich sage nicht, dass Sie überhaupt nie gespart haben. Sie haben vorhin einige Beispiele genannt. Sie wissen, dass wir bei einigen auch an Ihrer Seite standen.

Aber wir können uns jetzt, fast zu Beginn des Jahres 2005, keine Konsolidierungspause erlauben. Es gibt keine Alternative. Es gibt auch keine Auszeit vor den Wahlen. Für Ihre Wahlkampfversprechen – die finden Sie in diesem Haushalt jede Menge – müssen nämlich die Kinder unserer Generation zahlen. Das wollen wir so nicht. Deswegen erfinden wir für die Ausgaben neuer Aufgaben auch keine neuen Schattenhaushalte, sondern wir kürzen in Ausgabenfeldern, die ökologisch oder ökonomisch schädlich oder ineffizient sind.

Das sind unsre Leitlinien und Vorschläge für die kommenden zwei Jahre. Die sind konkret. Sie sehen das in unseren Haushaltsanträgen. Sie sind zukunftsweisend. Das sehen Sie in unseren Entschließungsanträgen, wo das auch noch einmal im Detail erläutert ist. Sie sind ein Angebot zum Mitmachen, meine Damen und Herren.

Für uns gehören Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur auf die Tagesordnung dieser Haushaltsberatungen, also zusätzliches Geld für den Ausbau von Betreuung der unter 3-Jährigen, für Schule und Ausbildung und für Forschung und Lehre an den Hochschulen. Das sind für uns produktive Investitionen. Damit können wir den Innovationsstandort Rheinland-Pfalz stärken. Damit können wir zugleich eine bessere Politik zugunsten von Kindern und Familien machen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Mertes, damit haben Sie Recht, natürlich ist ein eindeutiger Schwerpunkt unserer Vorschläge die 30,9 Millionen Euro, die wir in den kommenden zwei Jahren in den Ausbau der U-3-Betreuung stecken wol

len. Wir konzentrieren uns nämlich auf den Start ins Leben. Dann sagen Sie: „Warum kämpfen Sie eigentlich nicht für eine bessere Finanzierung auf Bundesebene?“

Erstens haben Sie als Landesregierung dort andere Möglichkeiten auch bei der Bundesratsangelegenheit. Zweitens muss ich Ihnen sagen, dass dieses Thema mit dieser Vehemenz in der Bundesregierung vertreten wurde, ist auf das Engagement der GRÜNEN zurückzuführen. Wir haben immer darauf gedrängt – auch auf der Bundesebene –, eine andere und bessere Finanzierung als über die Hartz-IV-Entlastung zu bekommen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber dann sage ich Ihnen einmal umgekehrt: Warum stehen Sie eigentlich nicht mit uns Seite an Seite, wenn es um die ersatzlose Abschaffung der Eigenheimzulage für sämtliche neuen Fälle geht? – Das frage ich Sie, warum Sie da nicht mit uns an einer Seite stehen. Warum stehen Sie da mit der Bundesregierung nicht an einer Seite.

Sie wissen auch, dass wir mit 30 Millionen Euro Steuereinnahmen im Jahr 2006 und über 120 Millionen Euro im Jahr 2012 bei Abschaffung der Eigenheimzulage für Innovation, für Forschung, für Hochschule, für Kindertagesstättenbetreuung und Betreuung von unter 3Jährigen auch im Land eine ganz andere finanzielle Grundlage hätten. Deswegen fordere ich Sie noch einmal von dieser Stelle aus auf, sich bei den zukünftigen Beratungen im Bund und vor allen Dingen bei der Entscheidung im Bundesrat nicht für irgendwelche gestrickten Stellvertretermodelle, wie Herr Mittler sie in die Debatte führt, stark zu machen, sondern für die Abschaffung der Eigenheimzulage, damit die Länder, der Bund und die Kommunen Geld für eine Innovationsoffensive haben, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein zweiter Schwerpunkt ist die Auflage unseres 25Millionen-Programms für neue Energien in RheinlandPfalz. In diesem Programm führen wir die Gelder für die Förderung von energiepolitischen Maßnahmen zusammen, und wir widmen auch einseitige Technologieförderung des Wirtschaftsministeriums für umweltfreundliche Energien in Rheinland-Pfalz um. Nennen wir dieses Programm „Start in die solare Zukunft“. Das umfasst sehr viel mehr als die Solarenergie. Das umfasst alle Maßnahmen und das Engagement, das erforderlich ist, um Klimawandel mit einer wirtschaftlichen Entwicklung zu verbinden, die diesem Land etwas bringen kann, meine Damen und Herren.

Die nächsten Jahre werden entscheidend dafür sein, ob die globale Erwärmung auf ein verträgliches Maß eingeschränkt werden kann. Sie wissen spätestens jetzt seit der Tagung, die in Buenos Aires zur zehnten Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention stattfindet, dass die Ziellatte hoch liegt. Wir müssen bis 2050 die Treibhausgasemissionen um 50 % unter den Wert von 1999 verringern. In Anbetracht dieser hohen Ziellatte muss man feststellen, dass gemessen daran das Potenzial der erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz

nicht optimal ausgeschöpft wird, obwohl das Land beste Voraussetzungen für deren Nutzung und Energie hat.

Wir haben Sonne, wir haben Wind, wir haben jede Menge Biomasse, wir haben Wasser und Erdwärme, wir haben kluge Köpfe, und wir haben Unternehmen bis hin zu Großunternehmen, die alle auf ihrem Gebiet wesentliche Anteile leisten können. Worauf warten Sie also eigentlich noch, wenn es darum geht, hier einen wirklichen Schritt nach vorn zu kommen?

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rheinland-Pfalz hat die Möglichkeiten, die die Initiativen des Bundes bieten, durchaus genutzt, aber anders, als es zu nutzen wäre. Sie haben sie nämlich genutzt, um vor allen Dingen eigene Mittel einzusparen. Beispiel: bei der Förderung der erneuerbaren Energien. – Hier wird Jahr für Jahr mit Hinweis auf die Bundesprogramme das eigene Engagement zurückgefahren, statt zu schauen, wo wir eigentlich begleitend und ergänzend mit unseren Mitteln noch einmal ein stärkeres Vorankommen in diesem Bereich hinbekommen können.

Gute Ansätze in diesem Land muss man gar nicht verschweigen. Wir haben wissenschaftliche Einrichtungen wie den Umweltcampus in Birkenfeld. Die Transferstelle der Fachhochschule in Bingen, die Universität in Kaiserslautern und andere sind zu nennen. Aber manchmal haben die nicht mehr als eine Alibifunktion.

Ich will Sie daran erinnern, was mit dieser Biomassestudie erfolgt ist, die das Umweltministerium in Auftrag gegeben hat. Nachdem sie fertig gestellt wurde, hat diese Studie erst einmal monatelang in Schubladen herumgelegen, statt die Ergebnisse wahrzunehmen und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Wenn ich heute in Ihren Haushaltsentwurf und auch in Ihre Änderungsanträge schaue, dann finde ich jedenfalls keine einzige der als notwendig beschriebenen Maßnahmen oder Projekte wieder. Die Konsequenz aus der Biomassestudie heißt doch, wir müssen diese Technologie und diese Anlagen in Rheinland-Pfalz puschen, weil wir damit Grundlage und Grundmasse schaffen können. Da liegt eine der auch wirtschaftlichen Erfordernisse für Rheinland-Pfalz, ob es für die Landwirte oder für diejenigen, die ansonsten diese Energie nutzen wollen, ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kuhn, es ist schon bezeichnend, wenn Sie presseöffentlich nach dem Motto „es werde doch schon alles erledigt“ danach fragen, was wir denn überhaupt noch fördern wollen.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Ja, ungefähr so haben Sie sich in Ihrer Pressemitteilung ausgedrückt.

Damit haben Sie das Problem doch schon auf den Punkt gebracht. Solang Vertreter wie Sie und die FDP, die rückwärtsgewandt die niedrigen Energiepreise preisen und einer veraltenden Energiepolitik hinterherlaufen, solang Sie für diesen Politikbereich verantwortlich zeichnen, solang wird in Rheinland-Pfalz bei den erneuerba

ren Energien und in einer verantwortungsbewussten Energiepolitik nichts vorankommen. Sie werden in diesem Bereich so, wie Sie es machen, auf keinen grünen Zweig kommen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kuhn, die Bremser sitzen überall, vor allen Dingen aber im Wirtschaftsministerium. Sie sehen, es gibt kein Konzept für ein Klimaschutzprogramm in diesem Land. Im Innenministerium wird in der Landesplanungsbehörde zum Teil gegen erneuerbare Energien gearbeitet. Vom Finanzministerium als oberste Baubehörde kommt auch nicht der entsprechende Schub, um in diesem Bereich voranzukommen.

Ich sage es noch einmal: Wir sehen in diesem Bereich Chancen für den Arbeitsmarkt und die Umwelt. Es gibt jede Menge Forschungsansätze und weiteren Forschungsbedarf, von dem auch Hochschulen, Institute und Firmen in Rheinland-Pfalz profitieren können. Da wollen wir unsere Innovationsoffensive „anstarten“. Herr Kuhn, wir wollen nicht alles, was neu ist, mit dem Begriff „innovativ“ überlagern, ohne zu wissen, ob es wirklich qualitative Verbesserungen bringt.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

Sie in der FDP haben einen völlig anderen Innovationsbegriff. Alles, was neu ist, soll von Ihnen besetzt werden, ob es die Gentechnik, bioethische Fragestellungen usw. sind. Was Sie mit innovativ verbinden, ist richtungslos. Wir wollen der Innovation mit unserem Programm eine Richtung geben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kuhn, FDP: Wer ist denn da rückwärtsgewandt?)

Meine Damen und Herren, bevor ich zu dem dritten Schwerpunkt unserer Vorschläge komme – das ist der Schwerpunkt in Bildung und Forschung –, muss ich Ihnen sagen, wenn man heute über Bildungspolitik redet, dann kann man nicht an der aktuellen Debatte über die aktuellen PISA-Ergebnisse vorbeigehen.

Ich glaube, wir können weder behaupten, dass unsere Kinder, unsere Jugendlichen dümmer sind als die anderen. Das hat die Studie nicht ergeben. Wir können aus der Studie nicht behaupten, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer schlechter wären als die anderen. Sie haben gemessen an dem, was sie an Bildung und Ausbildung erfahren haben, und gemessen an dem System, in dem sie arbeiten, alltäglich ihr Bestes in der Schule gegeben. Aber das Schlimme an dem PISA-Ergebnis ist doch, dass es offen legt, wo die großen Schwächen unseres gegliederten Schulsystems liegen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

Es ist die Unfähigkeit, individuelle Begabung zu erkennen und zu fördern und die Kinder stärker nach ihrer sozialen Herkunft zu sortieren als nach Talenten.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Diese systemimmanente Hauptschwäche des deutschen und damit auch des rheinland-pfälzischen Schulsystems ist, dass es die Schulen aus der Verantwortung entlässt, sich um schwierige Schülerinnen und Schüler zu kümmern. Sie können sie woanders hinschicken.

Ich will einen kleinen Einschub machen. Sie wissen, ich habe, bevor ich in diesem Landtag war, lange Zeit in der Psychiatrie gearbeitet. Auch wenn ich einen weiten Bogen spanne, sehe ich hier doch schon Parallelen. Ich habe in einer psychiatrischen Klinik gearbeitet, wo jede Station, in der Patienten aufgenommen wurden, die Möglichkeit hatte zu sagen, die passen eigentlich nicht zu uns und die schicken wir auf eine andere Station.

Ich muss Ihnen sagen, es wurde unglaublich viel Zeit darauf verwendet, erneute Anamnesen zu machen, erneute Beziehungen aufzubauen, Akten zu führen, dies und das, alles Energie, die darauf hätte verwendet werden können, mit den erkrankten Menschen, mit den betroffenen Menschen konzentriert zu arbeiten und sie in der Krankheit und hin zu ihrer Gesundung zu begleiten.

Es mag weit hergeholt sein, aber in der Schule, in diesem gegliederten Schulsystem machen wir nichts anderes, als dass wir eine Menge Zeit, Energie und Kraft darauf verwenden zu schauen, welche Schülerinnen und Schüler jetzt nicht in meine Klasse passen, um sie woanders hinzuführen. Dann muss dort wieder eine neue Diagnostik herbeigeführt werden. Es muss wieder ein erneuter Beziehungsaufbau stattfinden und so weiter und so fort.

Wenn wir all diese Energie bündeln und diese tatsächlich in die individuelle Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler stecken würden, dann wären wir ein ganzes Stück weiter.

Ich sage Ihnen, dieses Verfahren kann man nicht einfach mit einem abfälligen Begriff der Einheitsschule bekleben, sondern das wäre tatsächlich intelligentes Herangehen und die intelligente Schlussfolgerung aus den PISA-Ergebnissen. Wir wollen nämlich nicht im gegliederten System beim Mittelmaß hängenbleiben, sondern wir wollen an die Spitze kommen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lelle, CDU: Genau die kann man nicht ziehen!)

Meine Damen und Herren, wenn man das Problem erkennt – ich weiß, ich bekomme die entsprechende Rückmeldung, und wir sehen Ihre Anträge –, dann ist es noch lange nicht gebannt; denn dann schaut man auf die Anträge der CDU. Was wollen Sie retten? Die Haupt

schule, damit Sie nicht sagen müssen, dass Sie eigentlich das Gymnasium retten wollen. So ist es doch.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe des Abg. Keller, CDU)

Sie argumentieren für die Hauptschule, und tatsächlich wollen Sie das Gymnasium retten.

Herr Keller, das ist durchschaut. Da brauchen Sie sich auch nicht mehr zu verstecken.