Protocol of the Session on November 11, 2004

Zum Zweiten möchte ich sagen, diese alte Auseinandersetzung zwischen der Frage „Lautsprache oder Gebärdensprache“, die Sie aufgegriffen haben, ist durch die Gleichstellungsgesetze auf Bundes- und Landesebene gelöst, die ich zitiert habe. Ich möchte nicht sagen, man hat sie zugunsten der Gebärdensprache gelöst, aber man hat gesagt, die Gebärdensprache ist eine eigenständige Möglichkeit für gehörlose Menschen, sich eigenständig auszudrücken. Sie erfüllt sozusagen einen emanzipatorischen Ansatz, den man im Gesetzgebungsverfahren haben wollte.

Es ist deshalb nicht besonders hilfreich, wenn man diese alte Auseinandersetzung erneut aufwärmt. Es gibt nicht die Alternative zwischen Lautsprache und Gebärdensprache. Es gibt aber das berechtigte Interesse von Gehörlosen, eine eigenständige Ausdrucksmöglichkeit, wie wir sie hier sehen können, zu haben. Sie wollen eine eigenständige vielfältige Ausdrucksmöglichkeit haben. Das ist der Hintergrund dafür, dass man die Förderung der Gebärdensprache in die entsprechenden Gesetzeswerke hineingeschrieben hat.

(Frau Ebli, SPD: War Ihre Redezeit zu kurz, dass Sie das jetzt noch einmal ausführen müssen?)

Das ist der Hintergrund dafür, dass man nun in der Umsetzung schauen muss, dass diese Förderung nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch in der Realität funktioniert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Ebli, SPD: Das beinhaltet unser Antrag!)

Als Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüße ich die Vertreter des Beamtenbundes Trier. Herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Zu einer Erwiderung erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer das Wort.

Sehr geehrter Herr Marz! Ich würde mich freuen, wenn Sie wirklich einmal zuhören würden. Ich habe selbst vorgetragen, dass Sie Ihren Antrag abgeschwächt haben. Sie haben aber nicht die Kraft gehabt, mit uns einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Das Ergebnis der Anhörung war relativ eindeutig. Ich gebe Ihnen Recht, es hat nicht immer so funktioniert, dass Erkenntnisse aus der Anhörung mit übertragen worden sind.

Sie haben aber auch nicht den ganzen Schritt gemacht, der, glaube ich, relativ leicht zu machen gewesen wäre. Das ist meine erste Anmerkung.

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, über den ich mich schon sehr ärgere. Sie haben formuliert, ich hätte den Gegensatz zwischen Gebärdensprache und Lautsprache aufgeworfen. Das habe ich in keiner Weise getan.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Wenn Sie genau zugehört hätten, hätten Sie gehört, dass ich formuliert habe, dass unsere ganze Kraft zunächst einmal eingesetzt werden solle, dass wir die Lautsprache möglichst erlernen können. Wenn dies nicht der Fall ist – diese Fälle gibt es und wird es immer wieder geben –, soll dann selbstverständlich die Gebärdensprache als eigenständige Sprache auch weitergeführt und gefördert werden. Genau dies steht in dem Antrag, der gemeinsam formuliert worden ist. Wir müssen beide Schienen sehen.

Ich muss Ihnen aber ganz klar und deutlich sagen, man muss jede Chance nutzen, gerade bei Neugeboren, wenn es möglich ist, die Lautsprache mit Hilfsmitteln zu erlernen, da dies die Integration noch viel mehr als die Gebärdensprache beeinflussen kann. Die Lautsprache zu erlernen, ist das größte Integrationsmittel in die Gesellschaft, welches wir überhaupt haben.

Warum sprechen wir denn sonst immer davon, dass die Sprache das wichtigste Kommunikationsmittel ist? Ich glaube, dass das dann der erste Punkt ist, bei dem wir ansetzen müssen. Das steht in überhaupt keiner Diskrepanz zu der Gebärdensprache. Wir müssen beides tun und beides nicht unterlassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure sehr, dass der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kraft gefehlt hat, diesen gemeinsamen Antrag der drei übrigen Fraktionen zu unterstützen. Herr Kollege Marz, ich bedaure es umso mehr, als Sie als ein Kollege, der über alle Fraktionen hinweg geschätzt wird, in dieser Frage wohl mit feiner Ironie versucht haben, diesen drei Fraktionen Sachverstand abzusprechen.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine Unterstellung!)

Diesen Sachverstand nur Ihrer eigenen Position zuzuweisen, ist am Rande dessen, was dieses Thema verdient hat. (Vizepräsidentin Frau Hammer übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, inhaltlich greife ich das auf und schließe mich dem an, was Frau Kollegin Ebli zu den Inhalten unseres Antrags gesagt hat. Ich möchte auch das unterstreichen, was Herr Kollege Dr. Rosenbauer zu den Unterschieden gesagt hat. Ich möchte für unsere Fraktion noch einmal darauf hinweisen, dass Anhörungen nur dann einen Sinn machen, wenn man in sie insoweit offen hineingeht, dass wesentliche neue Erkenntnisse auch in den eigenen Antrag einfließen sollten.

Wenn ich nur sprachlich das modifiziere, was ich vorher an Festlegungen betonköpfig verinnerlicht habe, dann brauche ich keine Anhörung mehr.

Sie müssen sich insbesondere nach Ihrem Redebeitrag eine bestimmte Frage stellen lassen. Herr Kollege Marz, ich nenne jetzt einen harten Vorwurf. Ich habe mir überlegt, ob ich das so sagen soll. Ich habe es erst noch schärfer formuliert, versuche es aber zumindest sprachlich vorsichtig an Sie heranzutragen. Sie müssen sich die Frage stellen lassen, ob Sie sich nicht zulasten der Betroffenen zum Sprachrohr eines einzelnen Verbandsinteresses machen lassen. Wir sind für diesen Verband in der Abwägung der Unterstützung aller Menschen mit Hörbehinderungen. Wir sind sehr für diesen Verband. Aber wir sind auch für das, was Kollege Dr. Rosenbauer gesagt hat. Wir sind auch für das Erlernen der Normalsprache bei all denen, die es ermöglichen können.

Dass sich in Ihrem Antrag kein Wort vom Neugeborenenscreening befindet, spricht da leider eine sehr eindeutige Sprache.

Ihr Antrag ist zu eng gefasst, weil er sich nur der Gebärdensprache widmet und nicht der Gesamtproblematik so, wie die Anhörung sie zum Ziel hatte.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist auch der Titel Ihres Antrags!)

Ihr Antrag ist zu einseitig, weil gerade die Anhörung unterschiedliche Positionen deutlich gemacht hat.

Frau Professor Keilmann hat zum Ausdruck gebracht, dass es glücklicherweise unter 6 % der Hörbehinderten sind, die letztlich auf die Gebärdensprache angewiesen sind. Für diese Betroffenen sieht das Landesgesetz zu Recht vor, dass die Gebärdensprache eine eigenständige Sprache ist. Deshalb unterstützen wir das nachhaltig in uns erem Antrag.

Sie müssen aber auch die übrigen 95 % in Ihre Überlegungen mit einbeziehen. So zu tun, als ob das Erlernen der Sprache zweitrangig wäre, hat in diesem Antrag eigentlich keinen Platz. Es sollte zumindest keinen Platz haben.

Sie sprechen von der Größe, eigene Positionen aufzugeben. Ich hoffe, Sie haben die Größe, sich in dieser Frage zwischen diesen beiden Anträgen zumindest zu enthalten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen Abgeordnete! Zunächst möchte ich mich sehr herzlich bei den Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses dafür bedanken, dass Sie sich so umfassend und, wie ich denke, auch sehr sachgerecht mit dem Thema befasst haben. Selbstverständlich wird die Landesregierung die Ergebnisse der Anhörung und des gemeinsamen Antrags auch aufgreifen, weil wir immer offen für Verbesserungen sind, zumal dann, wenn sie zugunsten der betroffenen Menschen vorgebracht werden. – Vielen Dank.

Ich denke, dass die Kooperation zwischen der Landesregierung und dem Landesverband der Gehörlosen grundsätzlich funktioniert. Vor kurzem hat es noch einmal ein Gespräch zwischen dem Landesverband und dem Landesbeauftragten für die Belange behinderter Menschen, Herrn Staatssekretär Dr. Richard Auernheimer, gegeben. Dort wurde nochmals betont, dass es einfach eine unverzichtbare Einbeziehung des Landesverbandes und eine landesweite Zusammenarbeit im sehr positiven Sinne auch in Zukunft gibt.

Für noch bestehende Probleme werden bereits Lösungsmöglichkeiten gesucht, auch bei uns im Ministerium. Darauf möchte ich mit einigen Worten eingehen.

Die Zusammenarbeit zwischen Diensten und Verbänden wird bereits durch zwei Gremien auf Landesebene praktiziert. Das ist einmal die gemeinsame Arbeitsgruppe der

berufsbegleitenden Dienste und die Koordinierungsgruppe der Integrationsfachdienste, in denen natürlich auch Hörbehindertendienste mit vertreten sind.

Auch aufgrund der Ergebnisse der Ausschussberatung wird es in Zukunft die Einrichtung eines runden Tisches unter Federführung meines Ministeriums geben, um noch offene Fragen zu klären, insbesondere auch die Frage, wie die Qualitätssicherung bei der Vermittlung von Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern gewährleistet werden kann. Ziel kann eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Organisationen sein, bei denen die besonderen Kompetenzen gehörloser Menschen mit einbezogen werden.

Wir brauchen – ich glaube, das hat auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN inzwischen erkannt – keine zentrale Gebärdendolmetschervermittlung – ich denke, das Ergebnis im Ausschuss war eindeutig gewesen und wird dementsprechend auch im gemeinsamen Antrag aufgegriffen –, sondern, wie es auch dort ausgedrückt wird, zusätzlich zu den vorhandenen Strukturen eine gemeinsame Koordinierungsstelle für Dolmetschereinsätze. Wie eine geeignete Struktur einer solchen Koordinierungsstelle aussehen kann, wollen wir gern der Kompetenz und dem Fachwissen der beteiligten Träger überlassen. Natürlich wird auch das dann das entsprechende Thema unter den Beteiligten sein.

Hinsichtlich eines Fortbildungsangebots „Grundkenntnisse der Gebärdensprache“ für Beschäftigte im Landesdienst biete ich gern an, mittels Rundschreiben und Gesprächen an die für Fortbildung der Landes- und Kommunalbediensteten zuständigen Stellen mit der Bitte heranzutreten, im Rahmen des bestehenden Angebots auch Schulungen in Gebärdensprache stärker zu berücksichtigen.

Auch zur Finanzierung von Dolmetscherzentralen in Rheinland-Pfalz möchte ich ein paar Worte sagen. Diese Finanzierung ist eine freiwillige Leistung des Landes. Eine Förderung ist nur „modellhaft“ über die Ausgleichsabgabe möglich. Zurzeit wird vom Integrationsamt eine zeitlich befristete Anschubfinanzierung für Gebärdendolmetscherinnen und -dolmetscher geleistet. Dabei verfolgt die Landesregierung eine Förderpraxis, die allen im Land anzutreffenden Gehörlosen gerecht wird. Sie kennen unsere Förderpraxis. Wir finanzieren sowohl den Landesverband der Gehörlosen in Frankenthal als auch den Integrationsfachdienst der Firma InForma gGmbH in Neuwied und als Drittes auch den Integrationsfachdienst des Caritas-Verbandes in Trier.

Ich sage das deshalb sehr deutlich an dieser Stelle, weil ich noch einmal ausdrücken möchte, dass wir die Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes sehr ernst nehmen und wir uns selbst dort, wo es sich im Grunde um freiwillige Leistungen handelt, bemühen, einen Anschub auch in die Landschaft zu geben, um die Umsetzung dann auch tatsächlich realisierbar zu machen.

Die Ausbildung war auch ein Punkt in der Anhörung gewesen. Sie wissen, dass die Ausbildung aufgrund einer gemeinsamen Vereinbarung in Hessen stattfindet. Wir greifen auch hier gern noch einmal auf, was im ge

meinsamen Antrag angeregt wird, dass wir gemeinsam mit dem federführenden Ministerium bei Bedarf auch dafür sorgen werden, dass zusätzliche Ausbildungsstellen ermöglicht werden.

Schließlich ist die Berufung eines Gremiums zur Erarbeitung von Qualitätskriterien unter Federführung meines Ministeriums geplant, in dem alle Anbieter von Gebärdensprachdolmetscherdiensten in Rheinland-Pfalz sowie die betroffenen Verbände vertreten sein werden, um sich wirklich auch mit der Qualität der Ausbildung nochmals zu befassen.

Ein weiteres Wort zum Neugeborenen-Screening. Die Anhörung war auch hier sehr deutlich. Ich glaube, es ist unbestritten, dass hier auch zum Ausdruck gekommen ist, dass eine medizinische Untersuchung schon nach der Geburt zunächst durch OAE-Screening und bei entsprechendem Befund durch anschließendes BERAScreening in jeder Geburtsstation eines Krankenhauses unbedingt zur Regel werden muss. Es ist eine präventive Maßnahme. Sie kann rechtzeitig dazu führen, dass die richtigen Therapien eingeleitet werden und helfen, dass die Zahl zukünftiger schwerst hörgeschädigter und gehörloser Menschen gesenkt wird.

Bei einem positiven Befund ist es natürlich auch so, dass nach entsprechender Untersuchung auf Schwersthörschädigung oder Gehörlosigkeit in der Regel auch das Cochlea-Implantat helfen kann. Das ist auch die wissenschaftliche Meinung an diesem Punkt. In unseren Krankenhäusern wird dieses Thema auch sehr intensiv bearbeitet.

Die Landesregierung setzt sich für ein generelles HörScreening bei Neugeborenen ein. Mit einer Erkrankungshäufigkeit – das muss man sich einmal vorstellen – von 1 bis 3 je 1.000 Neugeborene sind angeborene Hörstörungen deutlich häufiger als andere Erkrankungen, für die bereits Screening-Programme für Neugeborene längst etabliert sind. Sie hat nach Erörterung mit den Beteiligten an der Gesundheitsversorgung weiteren Fachorganisationen und Fachleuten die Krankenhäuser, die über eine Geburtshilfe verfügen, gebeten, ein HörScreening für Neugeborene durchzuführen.