Protocol of the Session on November 11, 2004

Warum haben wir das getan?

In der Anhörung im Sozialpolitischen Ausschuss ist uns noch einmal deutlich geworden, wo die Defizite bei der Anerkennung und Förderung der Gebärdensprache in Rheinland-Pfalz liegen. Wir haben die Defizite in unserem Antrag sehr dezidiert und sehr klar benannt. Sie liegen einmal darin:

1. dass es Mängel bei der Koordination für Gebärdendolmetscherinnen und Gebärdendolmetscher in Rheinland-Pfalz gibt,

2. dass es Unsicherheiten hinsichtlich der Kostenerstattung gibt,

3. dass es zu wenig gut ausgebildete Gebärdendolmetscherinnen und Gebärdendolmetscher im Land gibt,

4. dass es zumindest an einer Gehörlosenschule noch Vorbehalte gegenüber der Gebärdensprache gibt und

5. dass die Kooperation zwischen den betroffenen Verbänden einerseits und der Landesregierung andererseits – sagen wir einmal – verbesserungswürdig ist.

Das sind die Mängel, die vorliegen. Man kann sagen, das ist gar nicht so dramatisch, aber es sind Mängel. Wenn wir im Landesgesetz für die Gleichstellung behinderter Menschen wie auch im Bundesgesetz die Förderung der Gebärdensprache zum Ziel haben, muss sich auch die Praxis diesem Ziel annähern. Deshalb müssen selbstverständlich solche erkannten Mängel abgestellt werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir geben in unserem Antrag Antworten darauf, wie diese Mängel abgestellt werden können, indem wir darstellen, wohin die Reise gehen muss und wie die Kooperation verbessert werden muss, wie die Ausbildung verbessert werden kann und wie wir mehr Gebärdendolmetscherinnen und Gebärdendolmetscher bekommen werden, lassen dabei aber der Landesregierung viel freie Hand.

Was tun die drei anderen Fraktionen mit geballtem Sachverstand?

(Mertes, SPD: Jetzt vorsichtig!)

Noch habe ich Sie gelobt! Drei andere Fraktionen mit geballtem Sachverstand, Herr Mertes.

(Mertes, SPD: Aber was dann herauskommt, wissen wir! – Zuruf des Abg. Dr. Schmitz, FDP)

Jetzt ruft er auch schon dazwischen. Herr Dr. Schmitz, langsam wird Ihnen deutlich, mit wem Sie Sachverstand geteilt haben. Es kann auch weniger daraus werden, da muss man aufpassen.

Was tun die anderen drei Fraktionen?

Erstaunlicherweise kommt eine Beschreibung, dass eigentlich alles einigermaßen gut ist, wie es derzeit ist. Das haben Sie von der CDU mit unterschrieben. Ich weiß nicht, ob Sie es vorher gelesen haben. Es ist eigentlich alles gut. Folgerichtig geben Sie als Handlungsanleitung: Weiter so.

(Ministerpräsident Beck: Sehr gut!)

Sehr gut! Wer ruft das nun wieder? – Ah ja, das ist derjenige, der natürlich immer „weiter so“ rufen muss. Herr Ministerpräsident, ich kann es verstehen.

(Ministerpräsident Beck: Ich habe nicht „weiter so“ gerufen, sondern „sehr gut“!)

Aber ich kann natürlich in diesem Fall nicht „weiter so“ rufen. Ich habe Ihnen dargestellt, wo ich die Notwendigkeit sehe, umzusteuern und andere Maßnahmen zu ergreifen. Von daher hilft es in einem solchen Fall nicht, wie es diese sehr große Koalition in Sachen Gebärdensprache getan hat, zu sagen, alles ist gut, und wir machen weiter so. Das hilft nichts. Dadurch werden wir keine Verbesserungen hinbekommen. Deshalb kann ich Sie nur noch einmal bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Sie können es sich immer noch überlegen, auch wenn Sie vielleicht etwas unbedacht Ihre Unterschrift unter einen Antrag gesetzt haben, der vielleicht das Papier nicht wert ist, auf dem er steht.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Abgeordneter Dr. Rosenbauer.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Leider kann ich keine Gebärdensprache, ins ofern sind wir auf den Dolmetscher angewiesen.

Ich möchte zu Beginn Herrn Marz antworten. Es hat sehr lange gedauert, bis wir über diesen Antrag sprechen. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen: Die GRÜNEN/BÜNDNIS 90

(Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Andersherum wird ein Schuh daraus!)

hatten am 21. Januar 2004 den ersten Antrag eingebracht. Es erfolgte die Anhörung, und daraufhin erfolgten zwei weitere Anträge, zum einen erneut ein Antrag von Ihnen und zum anderen ein Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und CDU. Sie sagten soeben, wir hätten mit unterzeichnet, alles sei gut so. Man kann nicht nur um der Kritik willen Kritik üben. Wenn Dinge gut sind – dies ist in der Anhörung auch so herübergekommen –, muss man die Dinge auch so anerkennen, aber selbstverständlich hier und da auch mit Schwächen.

(Beifall der CDU, der SPD und der FDP)

80 % oder 90 % von dem, was Sie vorgetragen haben, wird von uns allen ebenso gesehen, Frau Ebli.

(Frau Ebli, SPD: So ist das!)

Ich möchte nun kurz auf die Unterschiede der beiden Anträge eingehen. Es gibt insbesondere drei Punkte. In Ihrem ersten Antrag vom Januar dieses Jahres haben Sie formuliert „dem Landesgehörlosenverband die zentralen Kompetenzen für die Vermittlung von Gebärdendolmetschern im Lande zu übertragen“.

Nach der Anhörung haben Sie dann diese Formulierung abgeschwächt, indem Ihr Antrag nun lautet: „Die Koope

ration der Träger bei der Vermittlung von Gebärdendolmetschern und Gebärdendolmetscherinnen in Rheinland-Pfalz ist zu verbessern. Eine landesweite Anlaufstelle soll geschaffen werden, bei der dem Landesverband der Gehörlosen als Vertretung der Betroffenen eine zentrale Rolle einzuräumen ist.“ Sie haben also nach der Anhörung einen Wechsel von einem alleinigen Anspruch hin zu einer führenden Rolle vollzogen, wobei mir nicht klar ist, was diese führende Rolle bewirken soll.

In unserem gemeinsamen Antrag lautet dies: „...zu gewährleisten, dass im Land bestehende regionale Trägervielfalt von Anbietern von Gebärdensprachendolmetscherinnen und -dolmetschern gewahrt bleibt...“. Genau dies war eigentlich die Position der Mehrheit derjenigen, die angehört worden sind. Diese Position möchten wir gern beibehalten; denn es sind auch Probleme aufgezeigt worden, wenn nur ein zentraler Ansprechpartner vorhanden ist und man nicht wählen kann.

(Beifall der CDU, der SPD und der FDP)

Grundsätzlich finden wir als CDU, dass alle Kraft darangesetzt werden sollte, dass jeder, dem es möglich ist, die Lautsprache erlernen soll. Das ist ein Kernpunkt. Dies ist bei der Anhörung sehr deutlich geworden. Durch das Erlernen der Lautsprache, wenn dies möglich ist, ist die höchste Integrationsfähigkeit gegeben. Daher sollten wir alle Kraft darauf verwenden.

Selbstverständlich wissen wir, dass es leider nicht bei jedem möglich ist. Dort müssen wir selbstverständlich die Gebärdensprache und genügend Dolmetscher vorhalten. Aber auch dies kommt in dem gemeinsamen Antrag zum Ausdruck. Wir werden alle Kraft dafür einsetzen, dass dies erfolgen kann.

Der dritte Unterscheidungspunkt scheint mir sehr wichtig zu sein. Das ist das Hörscreeningverfahren, welches Sie nicht genannt haben, für das wir uns aber ausgesprochen haben. Das Hörscreeningverfahren ist ein sehr billiges Verfahren, um früh festzustellen, ob Neugeborene Hörschäden haben. Ich habe mich selbst am 8. November 2002 zusammen mit Herrn Bracht in Simmern bei Herrn Dr. Nippel von diesem Verfahren überzeugt.

Ein solches Gerät kostet 2.000 Euro und hat erhebliche Vorteile. Wenn es uns gelingt, landesweit dieses Verfahren auf den Neugeborenenstationen mit einer gewissen Qualitätssicherung einzuführen, haben wir viel erreicht. Später wird es immer weniger junge Menschen geben, die erhebliche Hörschäden haben oder die die Lautsprache nicht mehr erlernen können. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein. Ich weiß, es gibt bereits vielfältige Bemühungen, die wir unterstützen sollten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU, der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Marz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Rosenbauer, ich möchte zwei Anmerkungen zu Ihrem Redebeitrag machen.

Zum einen halte ich es für selbstverständlich, dass man nach einer Anhörung bestimmte Positionen, die sich aus der Anhörung ergeben, möglicherweise relativiert. Ich würde mir wünschen, dass das häufiger der Fall wäre und man häufig Anhörungen ernster nimmt.

(Dr. Schmitz, FDP: Das haben Sie nicht getan! – Mertes, SPD: Sie nennen das doch immer Zurückrudern!)

Herr Mertes, es ist natürlich ziemlich böse für eine politische Debatte, wenn das Einfließenlassen von Ergebnissen einer Anhörung als Zurückrudern interpretiert wird.

(Mertes, SPD: Das tun Sie doch immer!)

Nein, absolut nicht.

(Mertes, SPD: Das macht er regelmäßig!)

Zum Zweiten möchte ich sagen, diese alte Auseinandersetzung zwischen der Frage „Lautsprache oder Gebärdensprache“, die Sie aufgegriffen haben, ist durch die Gleichstellungsgesetze auf Bundes- und Landesebene gelöst, die ich zitiert habe. Ich möchte nicht sagen, man hat sie zugunsten der Gebärdensprache gelöst, aber man hat gesagt, die Gebärdensprache ist eine eigenständige Möglichkeit für gehörlose Menschen, sich eigenständig auszudrücken. Sie erfüllt sozusagen einen emanzipatorischen Ansatz, den man im Gesetzgebungsverfahren haben wollte.