Protocol of the Session on November 10, 2004

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Grosse das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es in der Vergleichbarkeit und Aussagekraft der Arbeitsmarktstatistik? Frau Kollegin Thelen hat es eben schon angesprochen. Ich will das kurz wiederholen.

Anlass war, dass aufgrund der Umsetzung von Hartz III zu Beginn des Jahres die Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit eine Änderung erfahren hat, und zwar im Wesentlichen dahin gehend, dass die Statistik nunmehr nur noch diejenigen Menschen berücksichtigt, die Arbeit suchen und dem Arbeitsmarkt auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Das sind die wesentlichen Punkte, und darum geht es auch in der internationalen Vergleichbarkeit, Frau Thelen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das ist der Punkt, auf dem zugegebenermaßen die Internationale Arbeitsorganisation – IAO – in ihren Daten auf Umfragen basiert. Sie berücksichtigt aber nur die Menschen, die Arbeit suchen, und die Menschen, die innerhalb von zwei Wochen sofort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen können. Das ist der wesentliche Punkt, was die internationale Vergleichbarkeit angeht. Diese beiden Kriterien sind jetzt angeglichen worden durch die BA. Das halten wir für außerordentlich wichtig, weil wir international vergleichbar sein müssen, um auch

innerhalb von Europa eine effektive Arbeitsmarktpolitik gestalten zu können.

(Beifall bei SPD und FDP)

Abgesehen davon ist es tatsächlich eine logische Entwicklung der vorherigen Grundwerte der Statistik und im Übrigen bundeseinheitlich. Die CDU versucht daraus eine Ländersache zu machen. Dem ist nicht so. Das gilt bundeseinheitlich und nicht nur für Rheinland-Pfalz. Das halte ich schon für einen verhältnismäßig wichtigen Hinweis.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Zweite ist: Es ist auch schön, dass wir in RheinlandPfalz noch einmal über dieses bundespolitische Thema sprechen, das im Übrigen in einer Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion schon von der Bundesregierung im März im Wesentlichen beantwortet worden ist und sich auch die identischen Fragen zum Teil in dieser Anfrage wiederfinden. Das macht nichts und ist auch in Ordnung, wenn wir noch einmal darüber sprechen. Aber es ist schon ein wichtiger Hinweis.

Frau Thelen, Sie haben darauf hingewiesen, dass nach dem normalen Menschenverstand diejenigen, die sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden, auch als Arbeitslose zählen müssten. Aber dann sind wiederum die Grundkriterien nicht erfüllt, dass sie sofort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen können. Würden wir so verfahren, wäre das doch fatal für unsere arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, für die wir ja – wozu wir auch stehen – sehr viel Geld ausgeben, um sie für den Arbeitsmarkt vorzubereiten und sehr viel davon halten, diese Menschen zu qualifizieren. Wir können nicht mitten in einer Maßnahme die Menschen aus einer Maßnahme herausnehmen und sie dann ohne Qualifizierung wieder in den Arbeitsmarkt geben. Dann wären die ganzen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für die Katz. Das geht nicht.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Dann komme ich zur Pressemeldung der CDU. Ich helfe Ihnen ein bisschen weiter: Das war schon im August, als die Anfrage gestellt wurde. Herr Jullien, Sie haben die Pressemeldung herausgegeben und sich auf die 58erRegelung bezogen, die eben auch Frau Thelen genannt hat. Ich darf Ihnen auch hier einmal helfen: Die 58-erRegelung – Vorruhestand – und dass diejenigen, die in den Vorruhestand gehen, nicht mehr in die Arbeitslosenstatistik eingehen, das ist eine so genannte Blüm’sche Regelung. Sie haben davon gesprochen, das sei nicht integer und ein hemmungslos geschöntes Bild. Dann fragt man sich schon, für wie integer Sie ihren ehemaligen CDU-Minister halten, auf den das zurückzuführen ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Noch eine letzte Anmerkung. Bei der Pressemeldung, die Sie veröffentlicht hatten, erwähnen Sie acht Zahlen aus der Beantwortung der Großen Anfrage. Von diesen acht Zahlen stimmen zwei nicht. Ich halte die Fehlerquote bei einer Anfrage und bei einer Pressemeldung,

die sich darauf bezieht, die, wie Sie meinen, man sollte sorgfältig mit Zahlen und statistischen Daten umgehen, für verhältnismäßig sehr groß. Es ist nämlich nicht so, dass in den Trainingsmaßnahmen im Jahr 2004 5.508 Menschen waren, sondern es waren 4.480. Im Übrigen geben Sie mir damit die Gelegenheit, zu zeigen, wie sorgfältig ich die Antwort gelesen habe. Des Weiteren waren in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Jahr 2004 nicht etwa 500.000 Menschen, wie Sie es in Ihrer Pressemitteilung anführen, sondern 50.000. Das ist ein kleiner Unterschied. Ich denke, das hätte Ihnen auffallen müssen.

Fazit: Wir halten die Veränderung in der Statistik, die im Übrigen – ich wiederhole es gern noch einmal – bundespolitisch einheitlich vollzogen worden ist, für sehr wichtig und in sich logisch. Wir appellieren an die CDU, dass wir vielleicht in der Arbeitsmarktpolitik alles tun, auch sorgfältig und ordentlich mit Statistiken umgehen, um Menschen in den Arbeitsmarkt zu bekommen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Marz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Erkenntniswert dieser Großen Anfrage und ihrer Antwort ist, um es vornehm auszudrücken, sehr begrenzt. Das liegt ausnahmsweise nicht an denjenigen, die die Antwort gegeben haben, sondern das liegt an denjenigen, die gefragt haben.

Es hat immer wieder Korrekturen bei der Erhebung der Arbeitsmarktstatistiken gegeben und bei ihrer Darstellung, übrigens – Frau Kollegin Grosse hat zu Recht darauf hingewiesen – auch einige in der Amtszeit von Norbert Blüm. Es gab immer wieder, das will ich hier auch sagen, den Verdacht, solche Korrekturen hätten sozusagen eine politische Motivation, und man kann bei der einen oder anderen Korrektur auch trefflich darüber diskutieren.

Bei dieser nicht, glaube ich.

Was wir allerdings bei der Großen Anfrage bzw. bei der Antwort – ich muss darüber reden – zunächst einmal festzustellen haben: Die Landesregierung ist weitgehend noch nicht einmal für die Datenerhebung zuständig, um diese Große Anfrage beantworten zu können. Das macht es natürlich schwierig, über Eier zu reden, die anderswo gelegt worden sind.

Sie sehen mich fast sprachlos. So muss es einen auch nicht wundern – ich will das konkretisieren, was Frau Grosse gesagt hat –, dass insgesamt neun von 32 Fragen fast wortgleich in einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag vor einigen Monaten schon beant

wortet wurden und da tatsächlich an der richtigen Stelle auch beantwortet worden sind.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD – Zuruf des Abg. Bischel, CDU)

Was ich für wichtig halte bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage ist etwas, das in der Einleitung steht. Das ist in der Einleitung zur Anfrage selbst ganz treffend dargestellt. Da heißt es, Text der CDU-Fraktion, die Arbeitsmarktstatistik muss eine zuverlässige Informationsquelle über tatsächliche Situationen und Bewegungen am Arbeitsmarkt darstellen. Das sind für eine realistische Darstellung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit unabdingbare Voraussetzungen.

Richtig ist das. Das greift im Grunde dem vorweg, was dann in der Antwort der Großen Anfrage steht, nämlich dass man differenziertes, statistisches Material braucht, um die Arbeitsmarktsituation realistisch einschätzen zu können. Das tut sie auch weiterhin.

All die Fragen, die Sie eben aufgeworfen haben, all die Fragen an eine Statistik, wer was macht, wer wie beschäftigt ist, wer wie weiterqualifiziert wird, all diese Antworten, die Sie verlangt haben, die werden wir selbstverständlich in Zukunft in ihrer Differenziertheit auch haben. Wir werden sagen können, wie viele Menschen bei uns arbeitslos sind, wie viele Menschen bei uns in welchen Qualifizierungsmaßnahmen sind usw., Frau Kollegin Thelen.

Wir werden all das sagen können. Wenn das so ist – das wird so sein –, dann erfüllt die Arbeitslosenstatistik der Zukunft die Anforderungen, die wir an sie stellen müssen. Von daher verstehe ich die Aufregung um diese Änderung nicht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmitz.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe“, ist das berühmte Churchill-Wort. Das ist auch die Mutmaßung, die generell jede Opposition anstellt, wenn es um Arbeitsmarktstatistiken geht, weil diese Quote so enorm wichtig ist.

Jeder, der sich mit dem Thema beschäftigt, weiß aber, dass es eben nicht nur diese Quote gibt, diese berühmte für die Tagesschau, sondern dass das ein umfängliches statistisches Werk ist, das sich sehr detailliert lesen lässt.

(Rösch, SPD: So ist es!)

Auf die Unterschiede in der Statistik, in den Erhebungen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) einerseits und der

IAL andererseits, Entschuldigung, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) andererseits, wurde schon mehrfach hingewiesen. Ich brauche das nicht zu wiederholen, weil es auch dem Ende zugeht.

Das aber schon einmal vorneweg. Dieser Generalvorwurf, die Regierung trickst, ist so nicht aufrechtzuerhalten. Das müsste man, wenn überhaupt, als Vorwurf über alle Zeiten formulieren.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Dann kann es so richtig wie falsch sein. Der Herr Kollege Marz hat es angesprochen. Was war mit den 300.000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen vor der 1998er Bundestagswahl, die von der einen Seite bestritten und von der anderen Seite als Vorwurf erhoben wurde? Was war damit?

Was war mit den Veränderungen der Anrechnung 18Stunden-Woche ist Arbeit, über 18 Stunden pro Woche, und dann nur über 15 Stunden pro Woche? Das ist noch in der Arbeitslosenstatistik zu berücksichtigen.

Das waren alles Veränderungen dieser Statistik. Die wurden von Regierungen immer damit erklärt, dass man die Statistiken der Bundesagentur an internationale Gepflogenheiten anpassen will. Auch das ist eine Forderung, die immer wieder gestellt wird.

Es wurde schon gesagt, das ist natürlich alles andere als Ländersache, das Thema, über das wir jetzt zum Ende des Tages reden. Von daher leuchtet es nicht ganz ein, warum wir diesem Thema diesen Raum geben.

Es ist richtig, das leugnet niemand, dass mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt die Teilnehmer an Eignungsfeststellungen oder Trainingsmaßnahmen aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen, aber das doch nur, weil sie den BA-Kriterien unmittelbarer Arbeitsaufnahme nicht entsprechen. Die haben also in dieser Statistik auch nichts verloren.

Außerdem für Rheinland-Pfalz – das weist die Antwort auf die Große Anfrage auf – sind die aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen deutlich rückläufig. Da hat es ein Umdenken gegeben.

Die Zahlen, die früher die Arbeitsmarktstatistik in der Tat kurzfristig beeinflussen konnten, sind in der Gänze rückläufig, genauso rückläufig wie die Zahlen der Frühverrentungen, was in einem höheren durchschnittlichen Renteneintrittsalter überdeutlich zum Ausdruck kommt.

Also hier Vorwürfe nur auf die Statistik zu erheben und die Zahlen, die zugrunde liegen, nicht zu bewerten, das ist nicht ganz solide. Frau Kollegin Thelen, das gilt auch für die Frage, ob Ich-AGs-Inhaber oder 1-Euro-Jobs aus der Statistik fallen.

Wenn man sich nur mit der Statistik befasst, gilt das, was ich bisher gesagt habe. Aber würden Sie denn so weit gehen und behaupten, dass diese Instrumente grundsätzlich keinen Sinn machen, nur weil sie gegebenenfalls zu statistischen Verfälschungen führen? So weit

würden Sie sicherlich ebenso wenig gehen wie wir von der FDP.