Protocol of the Session on July 1, 2004

Keine Frage: Der Ausbildungspakt ist ein Erfolg der rotgrünen Regierungskoalition. Gegen heftigsten Widerstand haben die Bundestagsfraktionen von SPD und GRÜNEN seit dem Herbst 2003 gemeinsam einen Ge

setzentwurf für ein Ausbildungsplatzsicherungsgesetz erarbeitet. Ohne diesen Gesetzentwurf zur Ausbildungsumlage hätte der Druck auf die Wirtschaft nicht ausgereicht, um einen verbindlichen Pakt für mehr Ausbildungsplätze zu erreichen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, endlich ist an die Stelle der allgemeinen Klagen über die Ausbildungsmisere eine klare Handlungsoption getreten. Herr Kollege Schmitz, freiwillige Lösungen haben auch für uns Vorfahrt. Aber es wird in diesem Prozess auch zu beobachten sein, welche Wirkungen der Pakt tatsächlich für Jugendliche erzielt; denn es muss uns allen jetzt darauf ankommen, dass tatsächlich jedem und jeder Jugendlichen ein Angebot gemacht werden kann.

Meine Damen und Herren, über Jahre hinweg hat sich die Wirtschaft mit „halbgaren“ Versprechungen aus der Affäre gezogen. Jetzt gibt es tatsächlich einen belastbaren Pakt. Die Kammern sind einbezogen. Regionale Lösungen sind möglich. 30.000 Ausbildungsplätze werden zusätzlich geschaffen. 25.000 Jugendliche bekommen eine Chance für erste Berufserfahrungen durch Praktika.

Der Ausbildungspakt – dies wurde schon gesagt – nimmt die gesellschaftlichen Gruppen in die Pflicht, die für die Jugendlichen eine besondere Verantwortung tragen; denn natürlich ist es so, dass das Ausbildungsplatzproblem sich nur in einer gemeinsamen gesellschaftlichen Anstrengung lösen lässt.

Meine Damen und Herren, die Wirtschaft wird jetzt zeigen müssen, welche Energien sie für die Zukunft der Jugendlichen und gegen den drohenden Fachkräftemangel mobilisieren kann. Allerdings sind die Formulierungen im Ausbildungspakt sehr weich. So kann es nicht angehen, dass wir trotz der 30.000 zugesagten neuen Lehrstellen am Ende weniger Ausbildungsplätze bekommen, weil neu geschaffene und aufgegebene Ausbildungsplätze nicht miteinander verrechnet werden. Der Pakt muss tatsächlich eine echte Trendwende bringen, sonst muss die ursprünglich geplante gesetzliche Umlage greifen.

Meine Damen und Herren, lieber Herr Kollege Mertes, vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Zahlen zu Angebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen auch hier in Rheinland-Pfalz und mit der neuen Situation durch den Ausbildungspakt ist es nicht hilfreich, dass die Landesregierung und Sie in den vergangenen Jahren und jetzt wieder die Situation auf dem rheinland-pfälzischen Ausbildungsmarkt schönreden.

(Schwarz, SPD: Das gibt es doch nicht!)

Hören Sie einmal zu.

Trotz aller Anstrengungen der Beteiligten, auch bei Ihnen an Ihrem „Ovalen Tisch“, die wir, Herr Kollege Schwarz, durchaus anerkennen, ist es aber in den vergangenen fünf Jahren in keinem einzigen Jahr gelungen, allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Ju

gendlichen ein Angebot für einen Ausbildungsplatz zu machen. Das ist auch Fakt in Rheinland-Pfalz.

(Zurufe von SPD und FDP)

Herr Kollege Schmitz, die Zahlen der gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz und die Zahlen der tatsächlich abgeschlossenen Ausbildungsverträge sprechen eine deutliche Sprache.

(Dr. Schmitz, FDP: Dann nehmen Sie doch einmal die Zahlen zur Kenntnis, Herr Wiechmann!)

Es kann aus unserer grünen Sicht nicht hingenommen werden, dass im Verlauf dieser Jahre jährlich zwischen 4.000 und 7.000 Jugendliche, die sich bei der Arbeitsverwaltung als Ausbildungsplatzsuchende haben registrieren lassen, keinen Ausbildungsplatz bekommen haben und dann nachweislich insbesondere an den berufsbildenden Schulen Warteschleifen drehen mussten.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, zum Abschluss – ich sage gleich noch mehr dazu –: Natürlich werden wir die Auswirkungen des Pakts intensiv beobachten. Kommt die Wirtschaft ihren selbst gesetzten und zugesagten Verpflichtungen nicht nach, dann dürfen wir sie aber trotzdem nicht aus der Verantwortung entlassen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht Herr Staatsminister Bauckhage.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, und zwar aus Erfahrung, dass sie eine gesetzliche Ausbildungsplatzabgabe nicht unterstützen würde. Dies hat die Landesregierung aus der Erfahrung heraus gemacht, weil wir wussten, dass wir mit den Instrumenten, die wir vom „Ovalen Tisch“ aus, wo die Tarifpartner plus die Kammern und die Landesregierung vertreten sind, auf den Weg gebracht haben, erfolgreich waren. Damit kann man auch deutschlandweit erfolgreich sein.

(Beifall des Abg. Dr. Schmitz, FDP, und bei der SPD)

Ich sage dies deshalb, weil es bei dieser Landesregierung nie Überlegungen gegeben hat, den „harten Knüppel des Gesetzes“ herauszuholen. Ich sage dies auch deshalb noch einmal, weil Herr Wiechmann sagt, es war der Druck auf die Wirtschaft. Exakt mit diesem Druck

mittel und mit diesen Drohungen wollten wir und werden wir in Rheinland-Pfalz nicht arbeiten;

(Beifall der FDP und des Abg. Mertes, SPD)

denn wir wissen, man kann die Probleme lösen, indem man dies kooperativ und im Dialog tut. Im Übrigen hat die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz ihre hohe Verantwortung unter Beweis gestellt.

(Beifall bei FDP und SPD)

Man kann lang über Zahlen reden. Einige Zahlen sind Fakt. Die Ausbildungsquote in Rheinland-Pfalz liegt bei 7,2 %. In keinem Bundesland erreicht man die 7,2 %, nur in Rheinland-Pfalz.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich könnte Ihnen die Bundesländer nacheinander aufsagen. Deutschlandweit macht dies 6,4 % aus. Wir liegen fast 1 %, also 0,8 % über dem Bundesdurchschnitt. Außer Berlin hat niemand die 7 vor dem Komma.

Damit wir Klarheit haben: Das ist das Ergebnis eines jahrelang funktionierenden „Ovalen Tisches“.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das drückt sich darin aus, dass beispielsweise die Kammern noch einmal eine so genannte Nachvermittlungsaktion am 16. Oktober 2003 durchgeführt haben. Es waren 2.441 Jugendliche eingeladen.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich weiß es doch!)

Wenn Sie es wissen, dann müssen Sie hier nichts anderes erzählen. Verstehen Sie? Das ist der Punkt.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Wenn Sie das wissen, dürfen Sie nichts anderes erzählen.

2.441 Jugendliche waren eingeladen. Davon haben 40 %, das heißt 973, am Aktionstag teilgenommen. Die Vermittlungsquote an diesem Aktionstag betrug noch einmal – – – Einen Moment, ich kann es Ihnen gleich sagen. Von den 900 konnten 592 direkt vermittelt werden. 160 Jugendlichen wurden berufsvorbereitende Maßnahmen empfohlen. 68 sind in andere Zuständigkeitsbereiche, also Landwirtschaft usw., gegangen.

Also noch einmal: Ein „kräftiger Brocken“ ist auf dieser Nachvermittlungsaktion vermittelt worden.

Ich danke an dieser Stelle nicht nur der Wirtschaft, sondern auch den Lotsen und Paten. Das sind Leute, die die Jugendlichen an die Hand nehmen und mit ihnen in die Betriebe gehen. Ich kenne in Mainz einen ehemaligen Oberbürgermeister, der eine hohe Quote hat, weil er mit seiner Reputation, seinem Renommee in die Unternehmen geht. Die Vermittlungsquote ist bei ihm sehr

hoch. Das ist aufwändig. Das ist nicht der einfache Weg, den wir gegangen sind und den die Wirtschaft geht. Aber es ist ein erfolgreicher Weg.

Gestatten Sie mir, noch einiges zur Bewertung zu sagen. Vonseiten der Landesregierung haben wir alle Möglichkeiten genutzt, um jedem Jugendlichen eine Lebensperspektive zu geben. Man muss wissen, wir reden nicht nur über pure Zahlen, sondern wir reden auch immer darüber, ob der junge Mensch beim Eingang ins Berufsleben eine Lebensperspektive hat oder ob er nach dem Schulabschluss in die Arbeitslosigkeit entlassen wird. Wir reden über Menschen. Deshalb muss man das sehr ernst nehmen. Deshalb haben wir auch unterschiedliche Programme aufgelegt. Ich will die ganzen Programme nicht mehr erwähnen. Aber eins ist mir noch sehr wichtig. Beispielsweise fördern wir von unserem Haus aus die Verbundausbildung, wo ich nach wie vor noch Potenziale sehe, um diese Potenziale auch entsprechend zu nutzen.

Wir haben darüber hinaus gemeinsam mit der Arbeitsverwaltung insbesondere zur Verbundausbildung ein Programm aufgelegt, und zwar für benachteiligte Jugendliche, sodass man sagen kann, dass die Landesregierung ihre Hausaufgaben mehr als gemacht hat.

Bitte gestatten Sie mir, noch etwas zur Landesregierung direkt zu sagen. Aufgrund eines Kabinettsbeschlusses haben wir 731 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen. Insgesamt haben wir etwas über 7.000 Ausbildungsplätze geschaffen. Auch das ist ein Datum, das sich sehen lassen kann.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

In diesem Staat wird immer wieder gesagt, es gebe viele Unternehmen, die sich der Ausbildung verweigern würden. Da ist sicherlich etwas dran. Es gibt aber auch viele Unternehmen, die gar nicht in der Lage sind auszubilden. Zum einen liegt das daran, dass die Unternehmen zu klein sind. Zum anderen war ich vor kurzem in einem Betrieb im Landkreis Ahrweiler, in dem 15 Leute beschäftigt sind. Der Betrieb hat aber gar kein Ausbildungsbild für seine Beschäftigten. Er hätte nicht einen Auszubildenden ausbilden können, weil es kein Bild dafür gibt.

Mir kommt es darauf an zu erwähnen, dass die berufsbildenden Schulen eine enorme Leistung erbringen. Es wurde von Warteschleifen gesprochen. Das kann man „Warteschleifen“ nennen, man kann aber auch von „Qualifikation“ sprechen. Das ist mir im Übrigen der angenehmere Ausdruck. Nicht jeder ist ausbildungsfähig. Das ist so. In diesem Zusammenhang leisten die Berufsschulen Enormes.

Frau Kollegin Ahnen, die berufsbildenden Schulen sind in dieser Frage sehr flexibel, weil sie dann in die Bresche springen, wenn die Ausbildungsfähigkeit nicht gegeben ist. Man muss ehrlich miteinander umgehen. Es macht keinen Sinn, wenn man die Sachen nicht offen und ehrlich anspricht.

Frau Kollegin Dreyer, Frau Kollegin Ahnen, der Herr Ministerpräsident selbst und ich sind noch einmal in die

Regionen gegangen. In einer Arbeitsmarktregion sagte mir ein Unternehmer: Ich habe noch 50 freie Ausbildungsplätze, aber keine qualifizierten Bewerber. – Ein anderer Unternehmer aus einem anderen Bundesland hatte 240 Ausbildungsplätze und hat diese Zahl auf 500 erhöht. Er wohnt bei mir in der Nachbarschaft und hat mir gesagt: Herr Bauckhage, ich muss nun aber Seminare einrichten, um sie zu qualifizieren. – Ich sage das deshalb, weil wir offen miteinander reden müssen. Die Berufsschulen leisten Enormes.