Protocol of the Session on May 27, 2004

Die Telekom hat Vorstellungen entwickelt, 10.000 Kräfte an diese künftige Arbeitsgemeinschaft abzugeben. Gibt es Überlegungen Ihrerseits, dass gegebenenfalls auch Landesbedienstete versetzt werden?

Nein, derartige Überlegungen gibt es natürlich nicht, Herr Abgeordneter Schnabel. Es ist auch nicht Aufgabe des Landes, in diese Tätigkeit einzugreifen. Wir verfolgen das gemeinsame Ziel, dass in Rheinland-Pfalz vor Ort Arbeitsgemeinschaften zwischen Kommunen und Agenturen für Arbeit entstehen. Dann wird ganz konkret miteinander verhandelt werden müssen, wer welches Personal für was stellt und wer dieses Personal bezahlt. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es aufgrund der neuen Zuständigkeit im Rahmen der kommunalen Gebietskörperschaften sehr viel frei werdendes Personal gibt. Insofern wird es spannend sein, vor Ort zu überlegen, wie die jeweiligen Personalressourcen eingesetzt werden können.

Sie waren sehr zuversichtlich, dass die Zusammenlegung zum 1. Januar umgesetzt wird. In dieser Hinsicht

bin ich bei weitem nicht so zuversichtlich. Ich denke, es ist auch nicht realistisch, davon auszugehen, dass das Konzept zum 1. Januar steht.

Die Sozialhilfeempfänger und die Langzeitarbeitslosen werden zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit vor den Rathäusern stehen. Ist die Landesregierung gewappnet, um die Kommunen in dieser Hinsicht finanziell zu unterstützen; denn das ist von den Kommunen nicht zu leisten?

Herr Abgeordneter Schnabel, Sie gehen von einer anderen Prämisse aus als ich. Ich glaube immer noch daran, dass wir Lösungen vor Ort finden werden, wenn wir sinnvoll und konstruktiv zusammenarbeiten. Ich verhehle nicht, dass wir schon erheblich weiter wären, wenn wir uns nicht auf Bundesebene seit Monaten immer wieder über bestimmte Dinge streiten würden.

(Beifall der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für mich ist es unbefriedigend, dass man sich nach wie vor über das Optionsgesetz streitet und die Termine immer wieder nach hinten verschoben werden. Dem Termin – 1. Januar 2005 – haben wir es zu verdanken, dass die Partner in Rheinland-Pfalz bereit sind, die Streiterei sein zu lassen und das Problem pragmatisch anzugehen und zu versuchen, das Problem zugunsten der Menschen zu lösen, um die es eigentlich gehen sollte.

Ich stelle fest: Die Mündliche Anfrage ist beantwortet.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Hartloff das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seitens der SPD-Fraktion stelle ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Grosse, Hannelore Klamm, Renate Pepper und Heike Raab (SPD), Regionen und Branchen im Wandel – Nummer 1 der Drucksache 14/3168 –, zur Aussprache.

Das Wort hat Herr Abgeordneter Jullien.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die CDUFraktion beantrage ich die Aussprache zur Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Christian Baldauf (CDU), Nachträgliche Sicherungsverwahrung – Nummer 2 der Drucksache 14/3168 –.

Insgesamt steht eine Stunde zur Verfügung. Das heißt, wir behandeln jedes Thema jeweils eine halbe Stunde. Wir beginnen mit der Aussprache zu „Regionen und Branchen im Wandel“. Für die Antrag stellende Fraktion spricht Frau Abgeordnete Raab.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stellt heute gern das Gutachten „Regionen und Branchen im Wandel“ zur Aussprache; denn Multimediapolitik ist heute eine Querschnittsaufgabe, die nicht allein in einem Ausschuss oder einer EnqueteKommission abschließend und erschöpfend besprochen werden kann.

(Unruhe im Hause)

Es geht um Medien, die IT-Branche, aber auch um den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz. Das neue Gutachten ist eine Erweiterung des Gutachtens vom vergangenen Jahr. Wir messen dem eine große Bedeutung zu.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, die Geräuschkulisse ist fast unerträglich, vor allen Dingen für die Rednerin.

Meine Damen und Herren, wir können zu Recht stolz auf die Bilanz der beiden Einschätzungen sein, sowohl auf die von accenture als auch auf die vom FraunhoferInstitut. Wir sollten unser Licht nicht unter den Scheffel stellen, wie das im Medienausschuss von einigen Kollegen der CDU-Opposition getan worden ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich greife gern die Worte von Herrn Professor Dr. Rombach auf, der sagte: Das Ergebnis beider Gutachten – auch des Dialogs in den Regionen – zeigt eindeutig, dass der Medienstandort Rheinland-Pfalz für die Medien- und IT-Branche hervorragende Voraus-setzungen bietet.

In keinem anderen Bundesland ist so detailliert eine auf die Medien- und IT-Branche bezogene Bilanz erarbeitet und nach dem Clustermodell mit hervorragenden Perspektiven dargestellt worden.

Veränderung durch Strategie ist das Leitbild. Dies ist stringent: Mediengutachten, Dialog in den Regionen und dieses neue Gutachten. – Ich selbst habe im vergangenen Jahr Regionalforen besucht. Meine Kolleginnen und Kollegen und ich haben dabei festgestellt, dass von den Oppositionsfraktionen leider sehr wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer anwesend waren. Wir hätten uns

gewünscht, dass dieses wichtige Thema in RheinlandPfalz breiter diskutiert wird.

Ich bin froh, dass am 3. Juni mit dem Multimediaforum die neuen Ergebnisse breit vorgestellt und zahlreiche Experten zu Wort kommen werden.

Es geht um traditionelle und neue Medien. Es geht um die gesamte Branche, die der drittgrößte Sektor neben der Chemie und neben dem Agrarbereich in RheinlandPfalz ist. Rheinland-Pfalz hat nicht nur nach dem Gutachten hervorragende Voraussetzungen. Wir haben gehört, dass in den Regionen jetzt schon Initiativen auf den Weg gebracht werden. Wir können mit Stolz darauf schauen, dass in der Region Koblenz-Mittelrhein der größte europäische Internetprovider zu Hause ist und ein IT-Businesspark auf den Weg kommt. Das Medienkompetenznetz im Medienbüro der Stadt Mainz hat eine wichtige Mittlerfunktion. Die E-Government-Initiativen der Landesregierung in Trier und Ludwigshafen sind zu nennen. Alle Regionen zeigen dynamische Entwicklungen durch den IT- und Medienbereich.

Klar ist, dass man hier Mittel konzentrieren muss, um regionale Entwicklungen nach vorn zu bringen. Dies tun auch andere Bundesländer erfolgreich. Bayern hat das in ähnlicher Weise für den Bereich Biochemie getan.

Der 10-Punkte-Plan „Bilden, Beschäftigen, Wachsen“ beinhaltet zehn konkrete Felder, die nun konzentriert bearbeitet werden. Wir halten dies für eine sauber vorbereitete und für eine gut durchdachte Strategie, die die Medien- und IT-Branche in Rheinland-Pfalz weiterentwickeln wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Huth-Haage das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Sonne scheint derzeit überall in Rheinland-Pfalz. Der FCK schafft den Klassenerhalt und Mainz 05 den Aufstieg in die 1. Liga. Märchenhaft werden alle Fußballträume wahr.

Märchenhaft, zumindest in Teilen, erscheint mir das Gutachten der Landesregierung „Regionen und Branchen im Wandel“, das uns eine herausragende Stellung von Rheinland-Pfalz im Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte suggeriert.

(Schwarz, SPD: Feststellt!)

Ein wesentlicher Teil des Gutachtens stellt die Zusammenfassung der Geschäftspotenziale der rheinlandpfälzischen IT- und Medienindustrie nach Regionen und Branchen dar. Diese Marktinformation, die für gut organisierte und strategisch denkende Player der „New Economy“ ohnehin nichts Neues ist, bildet die Grundlage für die gezielte Entwicklung von Clustern, die wir grundsätz

lich für richtig und gut halten. Doch der stark durch die IT- und Medienlandschaft geprägte Ansatz scheint auch im Blick auf erfolgreiche Clustermodelle in verschiedenen Ländern zu einseitig. So sind es sicherlich noch viele andere Faktoren als nur IT-Infrastruktur und Kompetenz, die Dresden zum Innovationszentrum für die Chipindustrie oder Graz zum Kompetenzzentrum für die Automobilindustrie gemacht haben.

Wenn Rheinland-Pfalz mit einer Innovationsstrategie erfolgreich sein will, braucht es Konzepte und Handlungsempfehlungen mit mehr Tiefgang.

(Schwarz, SPD: Das steht im Gutachten!)

Das Gutachten bescheinigt Rheinland-Pfalz und damit zugleich auch seinem Auftraggeber eine hohe Attraktivität im Bundesvergleich. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Capgemini belegt Rheinland-Pfalz Platz 1 in puncto Lebensqualität und Platz 2 in puncto staatliche Verwaltung. Es ist sicherlich erfreulich, wenn die Unternehmen im Land die Lebensqualität hoch bewerten und die Verwaltung als schlank und effizient einschätzen. Gleichzeitig bewegen wir uns aber bei Steuern und Abgaben nur im Mittelfeld. Wir belegen hintere Plätze bei den Standortfaktoren Verkehrsanbindung, Arbeitskräfte sowie Forschung und Bildung.

(Beifall der CDU – Schwarz, SPD: Ich weiß gar nicht, wie man da klatschen kann! Das muss man aufnehmen und darf nicht klatschen!)

Meine Damen und Herren, mir ist schleierhaft, wie man aus dieser Bewertung ernsthaft ableiten kann, dass Rheinland-Pfalz einen dritten Platz im Länderranking bekommt.

(Zuruf des Abg. Schwarz, SPD)

Bei den aus der Sicht der Wirtschaft entscheidenden Faktoren wie Verkehrsanbindung, Forschung und Bildung sowie der Möglichkeit der Akquirierung von Arbeitskräften wird Rheinland-Pfalz schlecht bewertet. Man kann natürlich hingehen und den Faktor Lebensqualität viel stärker gewichten und dadurch das Ranking verschieben. Ist das aber seriös? Bringt uns das wirklich weiter?

(Beifall der CDU)

Die Schlussfolgerung im Gutachten, Rheinland-Pfalz habe eine ausgezeichnete Ausgangsposition im Länderwettbewerb, ist schlichtweg falsch. Es müsste vielmehr heißen: Auf den entscheidenden Feldern hat Rheinland-Pfalz noch viele Hausaufgaben zu machen. – Das wäre die richtige Schlussfolgerung.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, wir können vor dem Hintergrund der anstehenden Kommunal- und Europawahlen verstehen,

(Ministerpräsident Beck: Lieber Gott!)

dass sich die Landesregierung gern mit Gutachten schmückt. Die Zeit der Nabelschau ist aber vorbei. Defizite bei den Wettbewerbsfaktoren Arbeitskräfte, Forschung und Bildung können wir nicht ausschließlich, wie im Gutachten vorgeschlagen, mit Maßnahmen im Bereich Hochschule und IT-Aus- und Weiterbildung beheben. Wir brauchen ein gutes Ausbildungs- und Bildungsniveau in der Breite.

Ich kenne viele mittelständische Betriebe – das ist nun einmal die Mehrzahl der Struktur der Betriebe in Rheinland-Pfalz –, in denen sich Mitarbeiter auch noch in einem Alter von weit über 50 Jahren in komplexe ITStrukturen einarbeiten können. Entscheidend ist das, was sie an Grundkenntnissen mitbringen, wenn sie aus der Schule kommen.