Protocol of the Session on May 27, 2004

Nicht die Demokratie wird von den Jugendlichen infrage gestellt, sondern ihre derzeitige Erscheinungsform, die im Spiegel der Erwartungen der jungen Menschen negativ beurteilt wird. Diese Feststellungen führten 2001 die sozialliberale Regierungskoalition zum Beschluss, eine Enquete-Kommission einzusetzen, die die – ich zitiere aus unserer Koalitionsvereinbarung – „Gründe für eine wachsende Distanz der Jugendlichen gegenüber politischen Institutionen, Organisationen und Akteuren analysieren und Gegenstrategien entwickeln soll“.

Uns liegt heute ein gemeinsamer Antrag vor, der den thematischen Rahmen setzt und die Vorgehensweise bestimmt. Als wesentliches Element haben wir vereinbart, das Gespräch mit Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen – die Beobachtung, die Analyse gelungener Partizipation im Sinne einer „Best-PracticeAnalyse“, aber eben auch die Diskussion über die Gründe für eine Nichtteilnahme, für Desinteresse oder sogar für Verweigerungshaltung, für Frust, für Wut, für Ablehnung und sogar für Aggression.

Um diese Aufgabe zu meistern und um aus den Beobachtungen, den Antworten und den Vorwürfen Empfehlungen zu entwickeln, müssen wir uns bereits hier und heute darüber klar sein, dass auch wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit einem uns vorgehaltenen Spiegel werden umgehen müssen. Wir werden uns damit auseinander setzen müssen, dass unsere Arbeitsform, unsere Rituale, unsere scheinbar unüberwindbaren Sachzwänge, unsere Fixiertheit auf unseren eigenen Erfahrungshorizont nach dem Motto „Das haben

wir doch schon immer so gemacht, das haben wir schon so oft versucht und das hat nie geklappt“, dass unsere mangelnde Offenheit für neue, für unorthodoxe Ideen mit jungen Augen bewertet wird und uns vielleicht vorgeworfen wird, unsere Parteihierarchien, die Akzeptanz innerparteilich notwendiger Karrierewege – lassen Sie es uns auch Ochsentour nennen – uns vielleicht ebenfalls als negativ vorgeworfen wird, dass man uns vielleicht die nach außen so scheinbar alternativlose Politik als abschreckend, weil nicht gestaltbar und veränderbar, vorwerfen wird, dass man uns vielleicht vorwerfen wird, immer dann, wenn Mut zur Entscheidung gefragt wäre, zu externen Ratgebern zu greifen, statt Selbstverantwortung zu übernehmen. Wir werden uns sicherlich noch mit vielen anderen Vorwürfen, die mir noch gar nicht eingefallen sind, auseinander setzen müssen, die wir – jeder und jede für sich selbst – dann sicherlich als ganz ungerecht und jeweils die eigene politische Alltagswirklichkeit auch ganz verzerrend darstellend em pfinden werden.

Um das Gespräch mit den jungen Menschen ehrlich, offen, unvoreingenommen, hörend und hoffentlich verstehend zu führen und uns selbst die Chance zu geben, tatsächliche Ursachen zu erkennen und Lösungen zur Distanzminderung zu entwickeln, werden wir diese Kritik und Vorwürfe eben einfach nicht mit „Das ist gar nicht so“ abtun dürfen. Wir werden sie annehmen und über uns selbst diskutieren müssen. Welcher Trost, diese Forderung werden wir eben auch an Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner aus den anderen gesellschaftlichen Lebensbereichen der jungen Menschen stellen müssen. Wir werden auch nach Faktoren fragen müssen und dürfen, die gar nicht unserem politischen Einfluss oder fast gar nicht unserem politischen Einfluss unterliegen, wie zum Beispiel der Wirkung der vielfältigen Medieneinflüsse.

Mit der heute zu beschließenden Enquete-Kommission haben wir ein hartes und herausforderndes Stück Arbeit vor uns, mit größter Wahrscheinlichkeit aber auch viel Arbeit an uns selbst. Daher hoffe ich, dass auch für uns ein Satz des Kinderfreundes Antoine de Saint-Exupéry Wirklichkeit wird, der meinte: „Kinder müssen mit großen Leuten viel Nachsicht haben“. Wenn die Kinder und Jugendlichen, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, das haben, und wenn wir selbst den festen Willen haben, gute Ergebnisse zu erarbeiten, bin ich mir sicher, werden wir eine gedeihliche, ergebnisreiche und ich hoffe, weil wir es mit jungen Leuten zu tun haben, oft auch vergnügliche Arbeit in der Enquete-Kommission erleben. Ich hoffe – das hoffe ich sicherlich mit Ihnen allen – auf Antworten, die uns die Augen öffnen und die unserer jungen Generation neue Chancen und Wege eröffnen werden, sich aktiv an einer Gesellschaft zu beteiligen, die die Zukunft, die dann auch noch unsere Zukunft ist, gestalten kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Schäfer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Seit Jahren beklagen wir, dass in besonderer Weise Kinder und Jugendliche auf Distanz zur Politik gegangen sind. Wer über einen längeren Zeitraum die Ergebnisse verschiedener Jugendstudien verinnerlicht hat, dem dürfte nicht entgangen sein, dass sich im Lauf der Jahre die Zusammenhänge und möglichen Ursachen verändert haben.

Ob sich Kinder und Jugendliche an politischen Prozessen beteiligen oder einfach nur dafür interessieren, kann von vielen verschiedenen Faktoren abhängen. Solche Faktoren sind etwa das familiäre Umfeld, der jeweilige Freundeskreis oder inwieweit Jugendliche ihrer eigenen Zukunft gegenüber optimistisch eingestellt sind und welche Chancen sie für sich und ihre Freunde sehen.

Die Einstellung zur Politik wird auch dort nachvollziehbar distanzierter, wo Kinder und Jugendliche negative Erfahrungen mit der Politik gemacht haben und ihre Ideen vielleicht nicht erwünscht waren. Wir alle wissen, die Politik ist oft langatmig. Selbst beste Ideen können scheitern, wenn das Geld fehlt. Wenn man Gesprächen von Kindern und Jugendlichen aufmerksam zuhört, erkennt man sehr leicht, wie sensibel die junge Generation auf Bilder und Vorstellungen reagiert, die in der Öffentlichkeit von Politikern existieren. Diese sind, wie wir alle oft genug erfahren, nicht immer positiv. Das nehmen wir ernst.

Wenn man Jugendliche danach fragt, ob sie sich vorstellen könnten, sich politisch zu engagieren, erhält man auch solche Antworten: Ich will meinen Spaß haben. Ich will mich nicht festlegen. Wenn ich nicht mehr will, muss ich aussteigen können. Politisches Engagement muss erfolgreich sein und darf nicht zu lang dauern.

Jugendliche wollen und sollen aber auch mitbestimmen und gefragt werden, wie sie es gern hätten. Wenn sich Jugendliche ausklinken, hat das nicht unbedingt nur etwas mit der Politik zu tun. Immer mehr Kinder und Jugendliche wollen einfach nur abhängen und sich nicht festlegen. Sie wollen sich offenbar nicht in feste Schemata pressen lassen. Viele haben Verständnis für die Politik. Sie wollen mitbestimmen, aber eben zu ihren Bedingungen und ohne Zwänge.

(Beifall des Abg. Rosenbauer, CDU)

Das hat sicher auch etwas mit einer veränderten Werteorientierung zu tun.

Mit all diesen Fragen müssen wir uns ernsthaft auseinander setzen, wenn wir dazu beitragen wollen, dass Jugendliche ihre Distanz zur Politik ablegen, und erns thaft glauben – davon gehe ich aus –, dass es für unsere Demokratie auf Dauer gesehen grundnotwendig ist, dass auch die junge Generation nicht nur zu unserem Staat und unserer Gesellschaft, sondern auch zur Politik Ja sagen kann.

Dazu gibt uns die Enquete-Kommission eine Chance. Die Chance liegt darin, gemeinsam nach Wegen zu suchen, um tatsächlich die Distanz zwischen jungen

Menschen und der Politik zu überwinden und die Beteiligung weiterzuentwickeln, um die Demokratie zu stärken. Die Zeit, die den Mitgliedern der Enquete-Kommission zur Verfügung stehen wird, ist denkbar knapp bemessen. Deshalb ist es notwendig, dass wir uns von vornherein auf das Wesentliche konzentrieren,

(Beifall bei der CDU)

unterstützt durch eine Reihe von Studien zur Ursachenforschung.

Ganz wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche als die Hauptbetroffenen im Mittelpunkt unseres Interesses stehen. Das sind zum einen Jugendliche, die selbst Erfahrungen in der politischen Jugendarbeit gesammelt haben. Das sind nicht wenige. Genauso wichtig ist es, mit den Jugendlichen zu sprechen, die zwar durchaus Verständnis für die Politik, aber ganz bewusst oder unbewusst mit der Partizipation nichts im Sinn haben. Von ihnen können wir erfahren, aus welchen Gründen sie sich nicht beteiligen wollen.

Wenn uns Jugendliche Gründe dafür nennen, was sie an der Politik nicht gut finden und warum sie sich nicht beteiligen wollen, hat das auch etwas Positives. Diese Jugendlichen machen sich Gedanken über die Politik. Vielleicht werden sie sich durch gute Beispiele eines Tages umstimmen lassen. Vor allem machen uns derzeit solche Jugendlichen Sorgen, die uns antworten: Wir wollen uns nicht engagieren, weil wir lieber abhängen, feiern und Alkohol trinken. – Bei ihnen müssen wir aufpassen, dass sie nicht abdriften.

(Beifall der CDU)

Wichtig ist, dass wir zügig zu Ergebnissen kommen. Die „Best-Practice-Methode“ soll gute Ansätze aufzeigen, die zum Nachahmen geeignet sind. Es gibt in vielen Städten und Gemeinden engagierte Personen und Vereine, die gute Ideen entwickelt haben, um Jugendliche für ein gesellschaftliches und politisches Engagement zu gewinnen. Solche Projekte können zur Nachahmung empfohlen werden.

Ich will noch ein positives Beispiel aus diesem Haus nennen. Auf Initiative der CDU-Fraktion konnte in der letzten Legislaturperiode die Öffentlichkeitsarbeit des Landtags für Jugendliche attraktiver gemacht werden. Die steigende Anzahl von Schülergruppen bestätigt, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung war.

(Beifall der CDU)

Allerdings ist „Best Practice“ kein Allheilmittel. Wir müssen uns damit auseinander setzen, warum die Kommunikation zwischen der Jugend und der Politik aus welchen Gründen auch immer nicht funktioniert. Die Enquete-Kommission muss am Ende zu einem wirklichen Ergebnis kommen. Deshalb hat sich die CDU-Fraktion dafür eingesetzt, dass in den gemeinsamen Antrag ein konkreter Arbeitsauftrag der Kommission eingearbeitet wurde.

Am Ende sollen Empfehlungen und Leitlinien erarbeitet sein, die Wege und Möglichkeiten aufzeigen, die wach

sende Distanz der Jugendlichen gegenüber politischen Institutionen, Organisationen und den politisch Handelnden abzubauen. Wir müssen Maßnahmen schaffen, die geeignet sind, die Glaubwürdigkeit und die verständliche Vermittlung der Arbeit und Entscheidungen der politisch Handelnden zu verbessern, um Jugendliche in ihrer Partizipation zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass das Interesse an einer politischen Beteiligung geweckt wird und sie einen Sinn in politischer Betätigung auch für ihr eigenes Leben erkennen können. Schließlich wird es auch entscheidend sein, wie die Politik für die Vertretung der Interessen Jugendlicher sensibilisiert werden kann.

Wir haben genau zwei Jahre Zeit, um zu Ergebnissen zu kommen. Vielleicht liegt darin auch eine Chance, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und konkrete Empfehlungen zu erarbeiten. Entscheidend wird am Ende sein, dass wir alle tatsächlich zu Konsequenzen bereit sein werden, wenn es nämlich darum gehen wird, die Ergebnisse in die Tat umzusetzen. Daran werden wir am Ende gemessen werden.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Morsblech das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der UN-Kinderrechtskonvention wurde ein völkerrechtliches Übereinkommen über die Rechte von Kindern und Jugendlichen und damit auch ein umfassendes Recht für junge Menschen geschaffen, an gesellschaftlichen Prozessen nicht nur passiv teilzuhaben, sondern auch aktiv mitzuwirken. Diese Konvention wurde von der Bundesregierung ratifiziert und stellt historisch gesehen zum ersten Mal eine Ausgangslage dar, in der die gleichberechtigten Ansprüche der jungen Generation formuliert werden. Diese Anerkennung der Rechte und Bedürfnisse und Wünsche von Kindern und Jugendlichen geht inhaltlich über die Festlegung im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland noch hinaus.

Kinder und Jugendliche werden nicht grundsätzlich als passiv und unreif angesehen, sondern auf der jeweiligen Stufe ihrer Entwicklung als vernünftig und bewusst handelnd.

Die Lebenswirklichkeit hat sich bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren genauso rasant verändert, wie sich unsere Gesellschaft insgesamt verändert hat. Oft sind Belastungen durch die Partnerbeziehung der Eltern schwierig. Kinder empfinden sich diesen Situationen oft ohnmächtig ausgeliefert.

Die starke Ausdifferenzierung von unterschiedlichsten Medien und damit Informationsmöglichkeiten führt auch bei uns manchmal zu einer Informationsüberflutung. Bei Kindern und Jugendlichen stelle ich mir das noch

schwieriger vor, weil die Kompetenz, manches auszufiltern, nicht vorhanden ist. Dies führt oft zu passiven Verhaltensweisen. Das Bild von der Politik, das medial vermittelt wird, ist nicht unbedingt immer so anziehend, dass es zum Mitmachen motivieren könnte.

Wir haben gesellschaftlich größere soziale und kulturelle Spannungsfelder als in den vergangenen Jahrzehnten, die Kinder und Jugendliche oft besonders intensiv erleben.

Qualifikationsprozesse und Anforderungen werden auf der einen Seite immer höher, auch an die berufliche Bildung und Ausbildung und an die Schule, aber gleichzeitig ist die Aussicht auf einen Arbeitsplatz und Ausbildungsplatz im Moment eher ungewisser. Nach der ShellStudie ist es so, dass ein großer Teil der Jugendlichen sehr gut mit diesen gewachsenen Anforderungen zurechtkommt. Rund einem Fünftel gelingt die Auseinandersetzung mit den gegebenen Bedingungen nicht. Sie finden entweder keine Unterstützung oder die Unterstützungssysteme erreichen sie nicht wirklich. Gerade diese Gruppe reagiert offensichtlich auch besonders mit Resignation darauf, und das überträgt sich natürlich auch auf die Einstellung zu Demokratie und Gesellschaft insgesamt.

Wenn wir uns den Generationenvertrag ansehen, dann ist er auch in dem Ungleichgewicht, was in dieser Form noch nicht da war. Die Problematik der Rentensysteme ist für diese Rentnergeneration schon spürbar. Bei der heranwachsenden Generation weiß man noch nicht, wie es aussieht. Die Staatsverschuldung ist ein Problem, das vielleicht auch nicht unbedingt motiviert, und die Problematik von Ausbildungs- und Bildungschancen habe ich schon angesprochen.

Wenn man sich dann noch die demographische Entwicklung betrachtet, dann sieht man, dass Kinder und Jugendliche eine immer weiter schrumpfende Gruppe in dieser Gesellschaft werden. Gerade deshalb ist es auch umso wichtiger, Instrumente zu entwickeln, die diese künftige Minderheit in die Lage versetzen, überhaupt beim gesellschaftlichen Diskurs mitzumachen und Entscheidungen auch wirklich mit beeinflussen zu können.

Eben wurden schon zum Teil die Ergebnisse der SchellStudie und anderer Studien zitiert. Im Hinblick auf die schrumpfende Anzahl von Jugendlichen, die sich überhaupt für Politik interessieren oder mitmachen wollen – bei der Shell-Studie ist das sehr deutlich – waren im Jahr 1984 noch 55 % der Jugendlichen politikinteressiert. 1991 waren es noch mehr – das war kurz nach der Wiedervereinigung –, das waren 57 %. Mittlerweile haben wir 34 %. Das ist schon beunruhigend. 52 % der Jugendlichen in den neuen Bundesländern und 27 % in den alten Bundesländern sind gegenüber der demokratischen Praxis, wie wir Demokratie leben, nicht gegenüber der Demokratie selbst, sondern so, wie sie ausgefüllt wird, sehr kritisch eingestellt. Ich habe aber auch das Gefühl, dass die ältere Generation auch einen Einfluss hat. Es ist nicht nur bei politikverdrossenen Jugendlichen ein Abwenden zu spüren, sondern bei den erwachsenen Menschen ist es vielleicht nicht in derselben Zahl, aber in der Tendenz ähnlich.

Ich glaube, mittlerweile haben dies alle politischen Ebenen erkannt. Sie arbeiten auch schon sehr intensiv daran, diese Distanz von Jugendlichen zur Politik und umgekehrt abzubauen und die Beteiligungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten zu verbessern. Es gibt das Weißbuch der Europäischen Union. Das setzt vor allem auch schulische Partizipation, aber auch vor allem lokale Partizipation in den Gemeinden voraus und betont die lokale Ebene. Da waren auch ein paar ganz interessante Praxisbeispiele und Internet-Links enthalten, die man sich im Lauf der Arbeit der Enquete noch genauer anschauen sollte.

Der 11. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung bringt eigentlich auch eine sehr gute Gesamtschau und umfassende Bestandsaufnahme über die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in den unterschiedlichsten Strukturen, in Politik und Verwaltung, im ehrenamtlichen Engagement, Partizipationsmöglichkeiten durch Sportvereine, Jugendverbände, Jugendhilfe und offene Jugendarbeit. Also ist man auch auf dieser Ebene damit beschäftigt.

Wir sind in Rheinland-Pfalz – ich kann mich dem anschließen, was Frau Kollegin Brede-Hoffmann ausgeführt hat – auch schon der Überzeugung, dass man in den frühesten Lebensphasen der Sozialisation beginnen muss, sich um gelungene Partizipation und die Erfahrungen zu kümmern, das heißt, die Familie spielt eine Rolle. Mit der Familie können wir nun von der Politik aus wenig machen. Wir haben auch in unseren Diskussionen vor dem Einsetzungsbeschluss festgestellt, dass man einen schwierigen Zugang bekommt. Kindertageseinrichtungen machen schon sehr viel. Im ländlichen Raum konnte ich in meinem Kreis bei der Aktion „Zukunftsträume“ sehen, dass man gerade auf Gemeindeebene durch Beteiligung von Mädchen und Jungen auch in jüngerem Alter Aktions- und Spielräume zurückgewinnen kann, die auch so sind, wie die Bedürfnisse der Mädchen und Jungen sie zeigen. Auch die Spielleitplanung leistet hierzu einen erheblichen Beitrag.

Gemeinden, die Jugendliche über Jugendgemeinderäte oder Foren oder auch durch selbst verwaltete Jugendräume direkt einbinden, machen völlig unterschiedliche Erfahrungen. Deshalb finde ich „Best Practice“ schon wichtig. Ich vermute, dass es hauptsächlich auf die Persönlichkeiten ankommt, die daran mitwirken, weil das dann oft auch Lust und Frust an der ganzen Sache ausmacht. Ich möchte mich da auch schon noch einmal anschließen. Es wird schon sehr wichtig sein, wie wir selbst auch in dieser Enquete agieren. Ich glaube, dass wir methodisch anders herangehen müssen. Wir werden in ständigem Dialog mit Kindern und Jugendlichen sein. Wir werden in dieser Phase schon sehr daran gemessen werden, wie wir uns verhalten, aber auch wie wir versuchen, gemeinsam Ergebnisse herauszubekommen und wie wir mit den Ergebnissen umgehen. Ich glaube, wir müssen selbst schon in unserer Arbeitsweise schauen, wie wir das machen. Ich halte es für eine ganz spannende Erfahrung, wenn wir uns gemeinsam darauf einlassen.

Ich finde es auch gut, dass wir es letztlich, obwohl es eine heiße Diskussion um den Einsetzungsbeschluss gab, wirklich geschafft haben zu sagen, lasst uns doch

die Methoden so breit wählen, dass wir wirklich versuchen, jeden Zugang, der uns einfällt, auch zu berücksichtigen. Ich glaube, das Problem ist sehr komplex. Frau Kollegin Schäfer, auch das haben Sie schon angesprochen. Obwohl wir viele gelungene „Best-Practice“Beispiele finden werden, bin ich mir sicher, dass es trotzdem schwierig sein wird, den so genannten Stein der Weisen zu finden. Der wird sich auch nicht finden lassen, aber wir müssen sehen, dass wir wirklich Ergebnisse bekommen, die in die Fläche auch übertragen werden können und auch etwas bewirken können und wir handfeste Ergebnisse bekommen, mit denen vor allem die Jugendlichen etwas anfangen können. Dabei kann es nur helfen, wenn man sagt: Man nimmt sich eine wissenschaftliche Grundlage, man hört diejenigen, um die es geht, an, man versucht wirklich in alle Lebensbereiche hineinzugehen und sehr offen Erfahrungen aufzunehmen. – Ich denke, wenn wir wirklich alle Ansätze, die alle auch positiv hervorgebracht haben, mit hineinnehmen, kann es eine interessante und gelungene Erfahrung für beide Seiten werden. Das wäre schon einmal ein großer Gewinn, wenn hinterher beide Seiten und alle Beteiligten in der Enquete sagen könnten: Das war gelungen, und hier haben wir wirklich gemeinsam Erfahrungen gemacht, die sich auch weiterentwickeln lassen und weiterhelfen.

In diesem Sinne hoffe ich auch auf eine Arbeit in der Enquete mit Ihnen und vielen anderen Menschen, die an Partizipationsprozessen beteiligt sind, die uns einen tieferen Einblick in die Motivation und das Engagement und auch die Möglichkeiten von Partizipation, in die Ursachen von Distanz und Frust zwischen Jugendlichen und Politikern gibt. Man merkt schon einiges, wenn man sich mit Schülergruppen oder anderen Gruppen vor Ort unterhält. Es kommt immer darauf an, ob der Dialog untereinander gelingt, ob man es schafft, sich gegenseitig zu verstehen und einen Kontakt herzustellen, wo man sich auf einer Ebene trifft, bei der man einen gelungenen Kommunikationsprozess hinbekommt. Darauf hoffe ich insbesondere.