Protocol of the Session on May 27, 2004

In diesem Sinne hoffe ich auch auf eine Arbeit in der Enquete mit Ihnen und vielen anderen Menschen, die an Partizipationsprozessen beteiligt sind, die uns einen tieferen Einblick in die Motivation und das Engagement und auch die Möglichkeiten von Partizipation, in die Ursachen von Distanz und Frust zwischen Jugendlichen und Politikern gibt. Man merkt schon einiges, wenn man sich mit Schülergruppen oder anderen Gruppen vor Ort unterhält. Es kommt immer darauf an, ob der Dialog untereinander gelingt, ob man es schafft, sich gegenseitig zu verstehen und einen Kontakt herzustellen, wo man sich auf einer Ebene trifft, bei der man einen gelungenen Kommunikationsprozess hinbekommt. Darauf hoffe ich insbesondere.

Ich erhoffe mir aber auch eine Palette an Lösungsansätzen, die sich tatsächlich auch in die Praxis umsetzen lassen und in Rheinland-Pfalz übertragen und verbreiten lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Wiechmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vielen Jugendlichen fehlt das Vertrauen in die institutionalisierte Politik. Eine entscheidende Ursache dafür ist sicherlich oftmals die eigene Erfahrung, dass man ohnehin nichts ändern kann oder von den Politikerinnen und Politikern nicht ernst genommen wird.

Der Demokratie den Rücken gekehrt haben die Jugendlichen dennoch nicht. Das haben auch meine Vorrednerinnen alle betont. Junge Menschen haben Interesse an demokratischem Engagement, an Teilhabe, und sie setzen sich in Vereinen, in Organisationen, in Initiativen, wie zum Beispiel Greenpeace, BUND, amnesty international und in ihrer Kirchengemeinde oder auch bei der Aktion Tagwerk für Werte und für Ziele ein, die ihnen wichtig sind.

So engagieren sie sich überwiegend in zeitlich begrenzten Projekten, die ein konkretes Ziel verfolgen und nicht direkt an ein Parteiprogramm gebunden sind. Wer will es ihnen verübeln, meine Damen und Herren?

Meine Damen und Herren, deshalb freue ich mich, dass alle Fraktionen im rheinland-pfälzischen Landtag heute – – –

(Ministerpräsident Beck: Wenn Sie so reden, ist das genau der richtige Ausweg! Das schafft Vertrauen!)

Herr Ministerpräsident, wir müssen doch aber ganz ehrlich uns selbst einmal selbstkritisch hinterfragen, wie wir uns darstellen. Genau das wollen wir mit dieser Enquete-Kommission machen. Wir können nicht so tun, als ob alles in Ordnung wäre und wir es nicht verstehen würden, warum sich junge Menschen von Politik abwenden. Das ist das, worauf ich hinweisen wollte.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Staatsministers Zuber)

Wir wollen gemeinsam diesen Einsetzungsbeschluss tragen und somit auch den Startschuss für die EnqueteKommission geben, in der wir gemeinsam Beteiligung weiterentwickeln und die Demokratie stärken wollen.

Ganz ehrlich, es war kein einfacher Diskussionsprozess, der sich auch über eine längere Zeit hingezogen hat. Aber ich glaube, dass wir nun doch gemeinsam zu einem guten Ergebnis gekommen sind, mit dem sich auch alle Beteiligten einverstanden erklären können und in dem sich alle Beteiligten wiederfinden.

Wir GRÜNE wollen uns dafür einsetzen, dass der Titel dieser Enquete-Kommission seinem Anspruch gerecht wird und wir es so gut, wie wir es verstehen, in dieser Enquete-Kommission umsetzen können.

Wir Politikerinnen und Politiker müssen uns zusammen mit den jungen Menschen auf den Weg machen, neue Brücken zwischen Jugend und Politik zu schlagen, Wege für mehr Verständigung zu ebnen und auch Beteiligungen so weiterzuentwickeln und zu organisieren, dass Engagement und Gestaltungswille der jungen Menschen besser wirken können.

Die Demokratie kann nur gewinnen. Je mehr Menschen an demokratischen Prozessen mitwirken, desto stärker wird sie.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die heute einzusetzende Enquete-Kommission ist auch die Chance, das politische Engagement junger Menschen in Rheinland-Pfalz zu analysieren, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen und den Worten tatsächlich auch jenseits – das betone ich, Herr Ministerpräsident – von parteitaktischen Spielchen Taten folgen zu lassen, Politikerinnen- und Politikerverdrossenheit abzubauen und wieder etwas mehr Glaubwürdigkeit herzustellen.

Meine Damen und Herren, für uns GRÜNE ist besonders die direkte Beteiligung der Jugendlichen an der Enquete-Arbeit von sehr großer Bedeutung. Diesbezüglich muss der Schwerpunkt liegen, und im Einsetzungsbeschluss wird das formuliert. Es wird auch der Schwerpunkt der Arbeit hier liegen.

Wir Politikerinnen und Politiker dürfen nicht mehr länger über junge Menschen, über Politikerinnen- und Politikerverdrossenheit von jungen Menschen reden, sondern müssen mit ihnen reden.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Das Motto „ein offenes Ohr für junge Menschen haben“ darf nicht eine Politikerfloskel sein, sondern wir müssen es – – –

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Herr Kollege Pörksen, ich weiß, dass wir es immer wieder versuchen, jeder in seinem Wahlkreis, in den Kontakten, die er oder sie zu unterschiedlichsten Schülergruppen haben.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich glaube, es ist ganz gut, dass wir diese EnqueteKommission machen. Ich würde mich freuen, wenn Sie in dieser Enquete-Kommission mitarbeiten würden.

(Frau Morsblech, FDP: Er hat Kinder!)

Ich weiß nicht, wen Ihre Fraktion berufen hat. Ich glaube, dass wir trotzdem alle in dem Zusammenhang noch Nachholbedarf haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstgerechtigkeit wird in dieser Enquete-Kommission glücklicherweise sicherlich keine Rolle spielen. Wir sollten uns an die eigene Nase fassen und sehen, was wir in der Vergangenheit falsch gemacht haben.

Wir dürfen nicht länger immer nur fragen, warum junge Menschen, Jugendliche etablierte Politik so unattraktiv finden, sondern wir müssen uns die Frage stellen, was wir als Politikerinnen und Politiker tun können, um für junge Menschen attraktive Angebote zu machen, zeitgemäße Angebote zu machen, um ihnen wieder mehr Beteiligung zu ermöglichen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was stört junge Menschen an den Formen, wie Politik sich darstellt? Wie können wir uns und die politischen Institutionen wieder stärker für die Interessen Jugendlicher sensibilisieren?

Aus diesem Grund begrüßen wir ganz besonders die Anhörung, die wir an den Anfang der EnqueteKommission stellen, einen möglichst breiten Kreis anzuhörender junger Menschen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen und Zusammenhängen.

Wir begrüßen es außerdem, dass der Einsetzungsbeschluss deutlich dem Prinzip des Gender Mainstreamings folgt, weil sich Mädchen möglicherweise aus anderen Gründen und anders als Jungen engagieren und es deshalb wichtig ist, sich anzuschauen, wie sich die unterschiedlichen Sichtweisen und Lebenslagen der beiden Geschlechter bemerkbar machen, wie man das Engagement in unterschiedlicher Weise messen kann und welche Unterschiede sichtbar werden.

Auch die Schullaufbahn, der Schulabschluss, die sozialen und kulturellen Unterschiede sowie ein eventuell bestehender Migrationshintergrund oder auch der Herkunftsort, Stadt oder Land, ein sicherlich entscheidender Einflussfaktor, müssen in der Enquete-Arbeit berücksichtigt werden.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass sich die Kommission in ihrem Einsetzungsbeschluss an der UNKinderrechtskonvention orientiert; denn das bedeutet, dass es uns gemeinsam darum geht, Möglichkeiten für die Beteiligungen von Kindern und Jugendlichen zu schaffen und wirkliche gesellschaftliche Teilhabe zuzulassen.

In diesem Sinn verstehe ich diese Enquete-Kommission als Einladung an junge Menschen, ihre Standpunkte darzulegen und sich einzubringen. Daher ist es mir ein großes Anliegen, dass nicht nur die geplante Anhörung jugendgerecht gestaltet wird, sondern dass unsere gesamte Arbeit von Kindern und Jugendlichen wirklich als Einladung verstanden werden kann.

Dazu gehört sicherlich auch, dass sich die traditionelle Gestalt einer eher trockenen Kommissionsarbeit für neue Kommunikationsformen öffnen muss.

Meine Damen und Herren, in dieser Enquete geht es auch um uns als Politikerinnen und Politiker. Wir müssen uns die Frage stellen, wie Politik für junge Menschen wieder glaubwürdiger, transparenter, verständlicher und interessanter gestaltet werden kann.

Wir müssen uns der Aufgabe stellen, dies im Dialog gemeinsam mit den jungen Menschen zu beantworten und Lösungen zu erarbeiten. Das ist eine zentrale Voraussetzung, damit diese Enquete ihrem Anspruch gerecht werden kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ohne die Ergebnisse der Enquete vorwegnehmen zu wollen oder zu können, erscheint es mir allerdings unabdingbar, jungen Menschen mehr direkten Einfluss zu geben. Dies darf nicht in einer sogenannten Pseudopar

tizipation enden, mit der junge Menschen ruhig gestellt werden.

Lebendige Demokratie lebt vom Mitmachen und vom Mitentscheiden. Also müssen wir junge Menschen mitmachen und mitentscheiden lassen.

Nur wenn es uns gelingt, bei jungen Menschen die Bereitschaft zur politischen Teilhabe zu wecken, statt sie – wie es häufig geschieht – auf ein politisches Abstellgleis zu schieben, dann kann das demokratische Gemeinwesen als Ganzes gestärkt werden.

Meine Damen und Herren, in diesem Sinn wünsche ich uns allen, dass wir es hinbekommen, die wachsende Distanz junger Menschen gegenüber politischen Institutionen, Organisationen und Akteurinnen und Akteuren tatsächlich ein Stück weit abzubauen und gemeinsam konkrete Vorschläge zu erarbeiten, die verbesserte Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Partizipation und Mitwirkung junger Menschen an politischen Entscheidungen in Rheinland-Pfalz schaffen.

Ich bin sicher, es lohnt sich.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)