Protocol of the Session on May 27, 2004

Zum Zweiten, was die Art und den Umfang der Darstellung im Bericht des Bürgerbeauftragten angeht, ist auch das der Sache angemessen und völlig korrekt.

Eine weitere Anmerkung: Ich glaube, es kann nicht angehen, dass Bedienstete von Verwaltungen Organen des Parlaments in einer Form begegnen, wie das hier geschehen ist. Ich glaube, das geht einfach nicht. Von daher war sozusagen auch die Gegenwehr völlig gerechtfertigt.

Ich möchte eine letzte Anmerkung machen und mich nicht zum Thema „Altenkirchen“, sondern zum Thema „Petitionsrecht und Institution des Bürgerbeauftragten insgesamt“ äußern. Ich glaube auch, dass sich diese Institution und deren rechtliche Verankerung in Rheinland-Pfalz bewährt haben. Es gibt viele Länder in der Bundesrepublik, und es gibt auch viele Staaten, in denen man gern ein solches Petitionsrecht und ein solches Bürgerbeauftragtenrecht hätte. Von daher kann man durchaus unterstreichen, dass es sich bewährt hat. Aber kein Recht ist so gut, dass man nicht auch über eine Weiterentwicklung nachdenken kann.

Das sollte man von Zeit zu Zeit tun. Man sollte aber nicht Dinge verändern, die den freien Zugang zum Petitionsrecht in irgendeiner Art und Weise behindern. Es sind immer wieder Ideen geäußert worden, Eingaben bei Bürgerbeauftragten und Petitionsausschüssen mit einer Art Gebühr zu belegen. Ich möchte und wünsche mir, dass wir solchen Ideen eine klare Absage erteilen,

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil wir dann denjenigen Stolpersteine auf den Weg werfen würden, die sehr ernsthaft Eingaben mit großen und kleinen Problemen machen, und weil wir damit deutlich machen würden, dass wir die Eingaben eigentlich nicht wollen. Wir wollen sie aber. Wir wollen, dass die Menschen diesen direkten Zugang zum Parlament haben und auch weiterhin haben sollen. Nur dann können wir das, was Herr Vorsitzender Dröscher vorhin genannt hat, weiterhin für unsere Arbeit nutzen, nämlich die seismographische Funktion. Wenn wir nur noch diejenigen durchlassen, die bereit und in der Lage sind, Gebühren zu bezahlen oder irgendwelche anderen Hürden zu nehmen, bevor sie sich ans Parlament wenden, werden wir ein verzerrtes Bild bekommen. Also sollten wir solchen Versuchen, die den freien Zugang behindern, eine Absage erteilen.

Wir könnten aber einmal über Modelle nachdenken – ich bitte die Regierungskoalition, jetzt nicht gleich zu erschrecken; denn in diese Rolle könnten wir alle einmal kommen –, bei denen abweichend von der sonstigen Praxis der Ausschussbesetzung in Petitionsausschüssen umgekehrte Mehrheitsverhältnisse gelten. Das ist sozusagen eines der Ergebnisse der Reise des Aus

schusses nach Innsbruck, wo wir einen Einblick in verschiedene Modelle des Petitionsrechts gefunden haben. Das heißt, die Mehrheit des Petitionsausschusses als Eingabeausschuss ist die Mehrheit der Opposition. In allen anderen Ausschüssen ist die parlamentarische Mehrheit abgebildet. Ich will nicht sagen, dass das aktuell eine Rolle spielt; denn Mehrheitsentscheidungen im Petitionsausschuss sind eher die Seltenheit. Man muss aber auch vorbauen und fragen, ob Kontrollinstrumente auf Dauer so funktionieren. Ich wünsche mir, dass wir uns nicht ausruhen auf dem, was wir haben, sondern dass wir hin und wieder darüber nachdenken, es weiterzuentwickeln.

Ich danke Ihnen herzlich.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich sehe förmlich die ungeheure Spannung vor dem Vortrag, wenn nun zum vierten Mal die statistischen Daten des Jahresberichts detailliert vorgetragen werden. In der Abfolge der Wortmeldungen gibt es aber auch Punkte, zu denen man sich äußern sollte. Außerdem gibt es Dinge, die gehören sich bei der guten Arbeit, die geleistet wurde. Das ist der Ausdruck der Zufriedenheit und des Dankes an alle Beteiligten. Dieser Dank wurde mehrfach abgestattet. Dem kann ich mich persönlich und für die FDP-Fraktion voll anschließen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es wurde das Bemühen um die Vereinheitlichung im Bereich „Schwerbehindertenausweis G“ erwähnt. Das ist in der Tat erwähnenswert. Für meinen Teil hätte ich mich gefreut – das Defizit liegt aber nicht in Rheinland-Pfalz –, wenn unser westlicher Nachbar Saarland mitgemacht hätte. Vielleicht ist das eine Aufgabe, die sich in Zukunft noch bewältigen lässt.

Herr Kollege Ernst hat darauf hingewiesen, dass es im Grunde genommen Ziel sein müsse, dass die Petitionen als Ausdruck einer verbesserten Verwaltungstechnik und einer größeren Bürgernähe immer weiter nach unten gehen. Dem kann ich mich nur anschließen. In der besten aller Welten bräuchten wir dann überhaupt keine Petitionen mehr. In dieser Frage ist der Weg das Ziel. Ich bin der Auffassung, dass sich der Weg aber noch etwas ziehen wird.

Die Tatsache, dass die Petitionen auf einer gewissen Höhe verharren, zeigt, dass das Petitionsrecht, zu dem wir voll und ganz stehen, nicht nur, weil es verfassungsrechtlich garantiert ist, sondern weil es unserem bürgerrechtlichen Grundverständnis entspricht, durch die Bank mit Maß und Ziel wahrgenommen wird. Auch das muss man sehen. Es droht also keine generelle Gefahr der Aushöhlung.

Allerdings sollte man sehr wohl wachsam sein, damit zumindest nicht von Einzelfällen Signale ausgehen, die dieses wichtige Recht der Lächerlichkeit preisgeben. Wenn einzelne Personen bis zu 78 Petitionen pro Jahr abgeben, dann erschließt sich jedem unvoreingenommenen Leser, insbesondere dann, wenn er sich mit den Inhalten auseinander setzt, dass Dinge zum Teil – mit welchem Hintergrund auch immer – konstruiert werden. Das Petitionsrecht ist jedoch nicht geschaffen für die „Michael Kohlhaases“ dieser Welt, meine Damen und Herren. Das Petitionsrecht ist geschaffen worden, um den direkten Zugang zum Volksvertreter zu gewährleisten.

Herr Kollege Marz, deshalb halte ich Ihren Vorschlag durchaus für bedenkenswert. Mein Bedenken hat jedoch ein sehr schnelles Ergebnis gefunden. Die Vorstellung, das Petitionsrecht mit einer Umkehr der Mehrheiten zu verbinden, hieße für mich letztlich, so konsequent zu sein, dass man am besten die entscheiden lässt, die erst gar nicht ins Parlament hineinkommen. Das würde Ihr Prinzip perfektionieren. Dann würde irgendwann die Partei Bibeltreuer Christen entscheiden. Deshalb halte ich nichts davon.

Meines Erachtens wählt der Souverän eine Mehrheit, die sich in allen Ausschüssen abbildet.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt immer Minderheitenrechte!)

Für mich gibt es überhaupt kein nachvollziehbares Argument dafür, dass wir ausgerechnet in diesem Ausschuss die Mehrheitsverhältnisse umdrehen sollten. Vor allem frage ich mich, weshalb dies zugunsten der Opposition geschehen soll. Dann könnte gleich die kleinste Fraktion mit der entsprechenden Mehrheit ausgestattet werden. Das war ein interessanter Vorschlag, Herr Kollege Marz. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich nicht viel davon halte.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Damit sind die Tagesordnungspunkte 14 und 15 erledigt.

Als Gäste im Landtag begrüße ich Mitglieder des Frauenchors aus Brück sowie ehrenamtlich Tätige aus dem Wahlkreis Pirmasens. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:

Einsetzung einer Enquete-Kommission „Distanz zwischen jungen Menschen und Politik überwinden – Beteiligung weiter entwickeln, Demokratie stärken“ Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3163 –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Das Wort hat Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich zu meiner Rede komme, lassen Sie mich ein paar Worte vorweg sagen. An dieser Stelle sollte eigentlich meine Kollegin Anne Spurzem stehen. Sie wird für die SPDFraktion die Arbeit der Enquete-Kommission nach der Genesung von ihrer Krankheit koordinieren, organisieren und leiten. Heute kann sie leider nicht anwesend sein. Ich möchte die Gelegenheit nutzen – ich bin sicher, Sie teilen dieses Bedürfnis –, ihr von hier aus eine gute Besserung zu wünschen. Sie befindet sich in der Reha auf dem Weg der Besserung. Ich hoffe, wenn wir das nächste Mal dieses Thema wieder ernsthaft diskutieren, wird sie sprechen.

(Beifall im Hause)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Demokratie lebt von der aktiven Mitwirkung ihrer Bürgerinnen und Bürger. Dieser Grundsatz ist in der Bundesrepublik unstrittig. Seinen klaren Ausdruck findet er in Artikel 20 Grundgesetz: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ – Die Grundrechte unseres Grundgesetzes gelten zunächst von Geburt an für alle. Dies gilt also auch unabhängig vom Wahlalter für Kinder und Jugendliche.

Daher sind Mitwirkung, Beteiligung und Partizipation Schlagworte, die mit aller Berechtigung in der Kinderund Jugendarbeit, in der Jugendbildungsarbeit sowie in der Kinder- und Jugendpolitik ständig zu hören sind. Immer lauter werden die Stimmen derjenigen, die konsequenterweise nach einer ausgeweiteten Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am politischen Geschehen – besonders in Bezug auf kommunalpolitische Entscheidungen – rufen. Zu Beginn meiner Ausführungen will ich klar und unmissverständlich betonen, dass dieser Wunsch nach breiter Beteiligung der jungen Generation natürlich auch für alle weiteren gesellschaftlichen Bereiche gelten muss, die die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen in irgendeiner Form betreffen.

Das Vereinsleben, die Kita, die Schule, die Ausbildungsoder die Berufswelt, aber eben auch der Initiativkreis, die Clique oder die nicht vereinsmäßig organisierte Sportgruppe und viele weitere Bereiche müssen hier mit bedacht werden.

Keinesfalls möchten wir, wenn wir von Partizipation sprechen, dies begrenzt verstanden wissen auf den engen Bereich institutionalisierter Politik. Kindern und Jugendlichen steht also ein Recht auf demokratische Mitbestimmung in tatsächlich all den Lebensbereichen, die ihren Alltag, die aber auch ihre Zukunft betreffen, zu. Wo sonst, wie sonst lernen sie demokratisches Verhalten und natürlich auch dessen Stilregeln besser, leichter und spielerischer als bei der Mitgestaltung der eigenen, der direkten Lebensbezüge?

Wenn also Demokratie so für sie erlebbar wird durch die Teilhabe an Entscheidungen, aber auch durch die spür

bare Übernahme von Mitverantwortung – wir sagen ihnen: du hast doch auch mit für diese oder jene Lösung gestimmt, und daher kannst du jetzt auch nicht meckern –, ist für die nächste Generation die Botschaft, dass Demokratie nur durch das Mitmachen lebt, verständlich und hoffentlich selbstverständlich.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Neben dem Erfahren solch notwendiger Selbst- und Mitbestimmung als einem konstituierenden Element von Demokratie zielt Kinder- und Jugendpartizipation natürlich auch darauf ab, die tatsächliche, nachhaltige Befähigung der jungen Bürgerinnen und Bürger zur Teilhabe und zur Gestaltung des Gemeinwesens zu erlernen, in einem pädagogischen Prozess politisch gebildet zu werden, um sich jederzeit adäquat in Entscheidungsprozesse einmischen zu können.

Ein drittes wichtiges Ergebnis von Kinder- und Jugendpartizipation ist das gesellschaftliche Ausnutzen von Expertenwissen der Jugend in ihren Lebensbereichen. Kinder und Jugendliche finden oft die praktischere, die schnellere, die billigere, die realistischere Lösung. Dieses Expertenwissen darf sich die Gesellschaft eigentlich nicht entgehen lassen.

Dies ist also genug Begründung, um die normative Fixierung von Partizipationsansprüchen von Kindern und Jugendlichen vorzunehmen. Das ist auch geschehen in der UNO-Kinderrechtskonvention, in der rheinlandpfälzischen Gemeinde- und Landkreisordnung, im Jugendhilferecht und im Schulgesetz.

Zur Erreichung der genannten Ziele haben wir in Rheinland-Pfalz auch schon vielfältige Angebote, wie die Leitstelle Partizipation, das Jugendonlinemagazin „John“, „Kinderfreundliches Rheinland-Pfalz“ und viele Projekte darin, wie die Spielleitplanung. Natürlich haben wir auch vielfältige Projekte in Vereinen, Verbänden, Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und anderen.

Die Angebote sind also zweifelsfrei vorhanden. Gleichzeitig konstatieren aber viele wissenschaftliche Studien eine immer klarer und unmissverständlicher formulierte Distanz junger Menschen gegenüber politischen Institutionen, Organisationen, politisch Handelnden, gegenüber politischen Vorgängen und Entscheidungen, vor allem aber gegenüber dem Angebot, selbst an solchen Entscheidungsprozessen teilzunehmen.

Die Zahl von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die als Mitglieder, als Mandats- und Funktionsträger aktiv sind und sich selbst als aktiv oder als interessiert bezeichnen, wird in einer zeitlichen Längsschnittanalyse immer kleiner. Die stets niedrige Wahlbeteiligung bei Erst- und Jungwählern erschreckt. Bei Wahlen zu verfassten Studentenschaften an unseren Universitäten haben wir teilweise Wahlbeteiligungen im einstelligen Bereich.

Wir können also konstatieren: Beteiligungschancen sind formal in nicht geringem Maß geschaffen; der Grad der Teilnahme ist jedoch gering.

Die Zahlen belegen aber auch, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nicht von einer grundsätzlichen Beteiligungsverweigerung bestimmt werden. Die meisten Studien konstatieren für diese Generation eine grundsätzlich prosoziale, eine grundsätzlich bürgerschaftliche Orientierung mit hohen moralischen Maßstäben. Diese stehen keinesfalls im Widerspruch zu dem ausgeprägten Bedürfnis nach individueller Selbstentfaltung und nach familiärer Orientierung. Allerdings – das zeigen die Studien auch – gibt es einen hohen Grad an Unzufriedenheit mit mangelnden echten, etwas bewirkenden und verändernden Einflussmöglichkeiten. Beteiligung wird oft als Alibibeteiligung verstanden mit Formen und Abläufen von politischen Entscheidungsprozessen. Unverständliche, langweilige, nicht zielführende Diskussionen, Rituale und Verfahren nerven Jugendliche.

(Hartloff, SPD: Nicht nur!)

Unzufriedenheit mit der Sprache, Darstellung, Verhaltensweise von Politikerinnen und Politikern, viel reden, ohne etwas zu sagen, um den heißen Brei herumzureden, sich vor der entscheidenden Antwort drücken, das ist das, was wir hören: Unzufriedenheit mit vielen weiteren Teilhabe und Mitverantwortung ausschließenden Tatbeständen.

Dennoch formulieren viele junge Menschen Interesse an Einzelaktionen; meist an ökologischen, friedensorientierten Aktionen. Hierbei überwiegen dann Organisationsformen, die keine feste Bindung voraussetzen.

Nicht die Demokratie wird von den Jugendlichen infrage gestellt, sondern ihre derzeitige Erscheinungsform, die im Spiegel der Erwartungen der jungen Menschen negativ beurteilt wird. Diese Feststellungen führten 2001 die sozialliberale Regierungskoalition zum Beschluss, eine Enquete-Kommission einzusetzen, die die – ich zitiere aus unserer Koalitionsvereinbarung – „Gründe für eine wachsende Distanz der Jugendlichen gegenüber politischen Institutionen, Organisationen und Akteuren analysieren und Gegenstrategien entwickeln soll“.