Meine Damen und Herren, leider gibt es ganz aktuell Berichte aus dem Sudan, die erschreckend an die Geschehnisse in Ruanda von vor zehn Jahren erinnern.
Meine Damen und Herren, vielleicht ist die Aktuelle Stunde auch dafür da, dass wir uns alle noch einmal gemeinsam dazu auffordern, alles dazu zu tun, dass ein solches Versagen der Weltgemeinschaft, wie das damals in Ruanda passiert ist, nie wieder geschieht.
Auch noch zehn Jahre nach dem schrecklichen Genozid gilt es in erster Linie, diesen aufzuarbeiten und die Versöhnung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Land voranzubringen.
Einen wesentlichen Anteil und eine entscheidende Funktion daran haben die ruandische Wahrheits- und Versöhnungskommission, aber auch das Land Rheinland-Pfalz, der Partnerschaftsverein und die vielen Vereine, Verbände, Schulen und Hochschulen in RheinlandPfalz, die eine Graswurzelpartnerschaft mit der ruandischen Bevölkerung pflegen. Auch denen muss gedankt werden, weil das Modell einer dezentralen, bürgernahen und bedürfnisorientierten Hilfe für unser Partnerland und die Menschen dort sich gerade auch in den schwierigen Zeiten nach dem Genozid bewährt hat.
Meine Damen und Herren, Herr Minister Zuber, ich darf Ihnen für Ihren persönlichen Einsatz in diesem Zusammenhang danken.
Meine Damen und Herren, heute scheint das Land befriedet. Inzwischen beginnt sich die politische und gesellschaftliche Lage zu stabilisieren. So scheint es jedenfalls. Im vergangenen Jahr fanden zum ersten Mal nach der Unabhängigkeit des Landes in den 60erJahren überhaupt Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Auch eine eigene Verfassung wurde verabschiedet.
Ruanda ist an dem Beginn des steinigen Wegs, ein demokratischer Staat zu werden. Wir in Rheinland-Pfalz müssen diese Entwicklung weiter unterstützen. Aber, und dies muss unter Partnern erlaubt sein, wir müssen diese Entwicklung auch kritisch begleiten, kritischer vielleicht noch, als wir dies bisher getan haben. Das sage ich sehr wohl auch an die eigene Adresse gerichtet.
Wenn amnesty international feststellt, dass Einschüchterungen und Bedrohungen von Politikern der Opposition
vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen üblich gewesen seien und die hohe Bestätigung von Präsident Kagame in seinem Amt nur durch Einschüchterung vonseiten der Regierung zustande kam und auch die überwältigende Annahme der Verfassung darauf zurückzuführen ist, dann muss uns dies aufrütteln.
Natürlich, eine neue Verfassung ist verabschiedet. Aber bei der Umsetzung dieser Verfassung im Alltag besteht deutlicher Nachholbedarf.
Nun konnte und durfte man sicherlich nicht davon ausgehen, dass das durch den Völkermord ausgelöste Trauma innerhalb von zehn Jahren überwunden werden würde. Doch ist es unsre Pflicht, hinter diese Fassaden zu schauen und Missstände deutlich anzuprangern. Aus diesem Grund müssen gerade auch wir als Partnerinnen und Partner von Ruanda bei aller Wertschätzung für die gesellschaftliche und politische Entwicklung in den vergangenen Jahren stets die konsequente Einhaltung der Menschenrechte einfordern, Presse- und Meinungsfreiheit erbeten, erhoffen und möglichst durchsetzen und darauf aufmerksam machen, dass Frieden und Versöhnung nur durch rechtsstaatliches Handeln zu erreichen sind.
Ruanda befindet sich zweifellos im Prozess einer zunehmenden Stabilisierung. Rheinland-Pfalz muss und wird diesen Prozess weiter unterstützend begleiten.
Durch unsere Partnerschaft haben wir die Chance und die Pflicht, weiter lautstark und vehement die Wahrung der Menschenrechte einzufordern und zur Entwicklung rechtsstaatlicher Strukturen über den eingeleiteten Versöhnungs- und Demokratisierungsprozess beizutragen. Das ist wirkliche Hilfe zur Selbsthilfe, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Abschuss der Präsidentenmaschine beim Landeanflug auf den Flughafen der ruandischen Hauptstadt Kigali am 6. April 1994 begann der Völkermord in unserem Partnerland, dem insgesamt – man kann darüber streiten – zwischen 800.000 und 1.000.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Systematisch ist dieser Genozid vorbereitet worden. Planmäßig wurden die Todeslisten im wahrsten Sinne des Wortes abgearbeitet. Die Ehefrau des Präsidenten, dessen Flugzeug abgeschossen worden
ist, hat weniger der Tod ihres Mannes interessiert, sondern vielmehr die Tatsache, dass sofort mit dem Töten begonnen worden ist.
Die mit Abstand größte Opferzahl hatte die Bevölkerungsgruppe der Tutsi zu beklagen. Ihnen galt der Völkermord. Darüber hinaus wurden aber auch oppositionelle Hutus ermordet, die in den Augen ihrer Mörder die Annäherung und Aussöhnung mit den Tutsis suchten und deshalb sterben mussten.
Der Völkermord hat unser Partnerland gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich weit zurückgeworfen. Es gab kaum eine Familie, die nicht von dem Genozid betroffen war. Millionen Menschen wurden zu Opfern und zu Tätern. Die ruandische Gesellschaft war tief gespalten.
Auf meiner Reise im Oktober 1994 habe ich mir als erster internationaler Regierungsvertreter ein Bild vom Ausmaß der Zerstörungen machen können. Ich darf Ihnen versichern, dass ich diese Bilder unvorstellbaren menschlichen Leids, die vielen Leichen, die ich mit eigenen Augen sah, niemals vergessen werde. Das hat sich tief in mein Bewusstsein eingegraben und ist mir sehr deutlich geworden anlässlich meiner Reise zu den Veranstaltungen zum zehnjährigen Gedenktag.
Insgesamt war ich seit dem Jahr 1994 sechsmal in Ruanda. Während in der ersten Zeit das Land wie gelähmt schien, gibt es in den vergangenen drei bis vier Jahren verstärkt ermutigende Zeichen. Dabei denke ich insbesondere an das vergangene Jahr. So wurde die Verfassung in einer Volksabstimmung am 26. Mai 2003 mit 93 % der Stimmen angenommen. An der Ausarbeitung der wahlrechtlichen Bestimmungen innerhalb der Verfassung sowie an dem Wahlgesetz haben zwei Mitarbeiter des Innenministeriums im Rahmen mehrerer Dienstreisen nach Ruanda aktiv mitgewirkt.
Am 25. August 2003 wurde Paul Kagame mit 95 % der Stimmen zum ersten gewählten Staatspräsidenten gewählt. Positiv zu bewerten ist hinsichtlich der Wahl, dass die Ruander erstmalig die Wahl zwischen verschiedenen Kandidaten hatten, nämlich zwischen drei Kandidaten. Darüber hinaus fanden vom 29. September bis 2. Oktober 2003 die Parlamentswahlen statt. Dabei errang das Bündnis der FPR von Präsident Kagame mit anderen Parteien rund 75 % der Stimmen.
Das neue Parlament hat 80 Sitze. 49 % der Abgeordneten sind weiblich. Ihnen wurde als Quote 24 Sitze reserviert. Bei den restlichen Sitzen haben sich zum Teil ebenfalls Frauen durchgesetzt, sodass dieser hohe Prozentsatz zustande kam. Ich meine, das ist der höchste Frauenanteil in einem Parlament auf der gesamten Welt und entspricht der Tüchtigkeit der ruandischen Frauen, auf denen eine große Last liegt.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass alle Wahlgänge in Ruanda in Ruhe und Sicherheit abgelaufen sind. Das ist sehr bemerkenswert vor dem Hintergrund des erst zehn Jahre zurückliegenden Völkermords und der Wunden, die dieser geschlagen hat.
Hinter manche Berichterstattung, die man in hiesigen Gazetten nachlesen kann, und hinter manche Berichterstattung von amnesty international und anderen mache ich persönlich ein Fragezeichen. Das mag jeder so bewerten, wie er es möchte.
Zur aktuellen Situation Ruandas, von der ich mir vor einigen Tagen selbst wieder ein Bild machen konnte, als ich mich anlässlich der Gedenkfeier zum zehnjährigen Gedenktag in unserem Partnerland aufhielt, bleibt festzuhalten, dass es zurzeit ein stabiles und sicheres Land ist. Alle Regionen des Landes sind frei zugänglich, ohne dass Überfälle befürchtet werden müssen. Die Menschen können wieder ohne Angst auf ihren Feldern arbeiten. Das ist im Übrigen einer der Hauptgründe für den Wahlerfolg von Präsident Kagame. In diesem Zusammenhang teile ich die Ausführungen von Herrn Dr. Altherr ausdrücklich.
Auch die ruandische Wirtschaft wächst wieder, wenngleich von einem niedrigen Niveau aus. In diesem Jahr dürfte eine gute Ernte zu erwarten sein, weil der Regen reichhaltig und rechtzeitig gekommen ist.
Bei all den erfreulichen Entwicklungen müssen wir aber natürlich auch die Schwierigkeiten sehen, mit denen unser Partnerland zu kämpfen hat. Dabei denke ich zum Beispiel an das Problem der vielen noch in den ruandischen Gefängnissen einsitzenden Tatverdächtigen des Völkermords. In diesem Zusammenhang sind noch erhebliche Anstrengungen notwendig. Immerhin gibt es ermutigende Versuche wie zum Beispiel die Einführung der lokalen Gerichtsbarkeit „Gacaca“. Ob und wie nachhaltig dadurch die Gefahr der Kultur der Straflosigkeit begegnet werden kann, bleibt abzuwarten.
Auch die Situation an den Grenzen zu den Nachbarländern bleibt eine Belastung für Ruanda. Dabei halte ich deutlich fest, dass ich die Ängste der Ruandaer vor einem Angriff – zum Beispiel von ehemaligen HutuMilizen über den Kongo in ihr Land – nachvollziehen kann. Nach all dem Leid, das den Menschen widerfahren ist, ist dies menschlich zutiefst verständlich.
Der Völkermord selbst hat tiefe Narben in der ruandischen Seele hinterlassen. Das Abheilen wird sicherlich noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Umso wichtiger ist es, dass wir auch künftig nicht nachlassen, Ruanda und seine Menschen nach besten Kräften zu unterstützen. Vieles haben wir bisher in gemeinsamer Anstrengung erreicht. So ist beispielsweise das ruandische Schulsystem dort, wo wir uns engagieren, verglichen mit anderen ähnlich armen Länder dank rheinlandpfälzischer Hilfe in einem guten Zustand. Vor allen Dingen engagieren wir uns auch abseits der Asphaltstraße in den entlegensten Winkeln von Ruanda. Dabei ist es sicherlich kein Vergnügen, viele Stunden über Pisten zu fahren, die in einem schlechten Zustand sind.
Diesbezüglich mache ich persönlich in Bezug auf die großen internationalen Hilfsorganisationen ein großes Fragezeichen. Es interessiert mich brennend, in welchem Verhältnis bei ihnen Nutzen und Ertrag stehen.
Meinen Dank möchte ich den rheinland-pfälzischen und ruandischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in uns erem Partnerschaftsbüro in Kigali abstatten, die eine großartige Arbeit leisten. Dies gilt im Übrigen auch für das vom Innenministerium betriebene Internetkaufhaus, mit dem wir ebenfalls Ruanda unterstützen.
Für mich steht nach meinem Besuch fest: Die Partnerschaft zwischen den Menschen in Rheinland-Pfalz und Ruanda ist lebendiger denn je. Es ist beeindruckend, die Früchte dieser Partnerschaft gedeihen zu sehen.
Vor dem Hintergrund, dass Ruanda noch sehr viele Probleme zu schultern hat, wünsche ich mir, dass sich noch viele rheinland-pfälzische Gemeinden finden, die eine kommunale Partnerschaft eingehen, allen voran – ich bedaure, dass ich das wieder einmal sagen muss – unsere Landeshauptstadt Mainz, die sich bedauerlicherweise bis zum heutigen Tag nach 22 Jahren Partnerschaft nicht dazu entschließen konnte, eine Partnerschaft mit der Hauptstadt von Ruanda einzugehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen danken, die Sie sich auch im kommunalen Bereich aktiv für unsere Partnerschaft einsetzen und dafür werben, dass neue und zusätzliche Partnerschaften hinzukommen.
All den im Haus vertretenen Parteien danke ich sehr herzlich, dass sie diese international wie national in höchstem Ansehen stehende Partnerschaft mittragen. Ich bitte Sie alle, dies auch künftig zu tun. Die Menschen in Ruanda haben das verdient. Das ist auch die Voraussetzung dafür, dass sich das, was sich vor zehn Jahren ereignet hat, nicht wiederholt, und dass das, was man vor zwei oder drei Wochen überall im Land lesen oder hören konnte, eintreten kann, nämlich das „never again“. Dieses „never again“ bezieht sich in der Tat auch auf das Versagen der Völkergemeinschaft im Jahr 1994.
Meine Damen und Herren, ich begrüße Gäste aus dem Kreis Trier-Saarburg. Herzlich willkommen im Landtag!
Darüber hinaus begrüße ich Senioren des Missionswerks Neues Leben in Wölmersen. Herzlich willkommen im Landtag!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In den zurückliegenden Tagen und Wochen wurde in vielfältiger Weise und an zahlreichen Orten des schrecklichen Genozids vor zehn Jahren in unserem Partnerland Ruanda gedacht. Die Ermordung von bis zu