Protocol of the Session on March 18, 2004

(Lelle, CDU: Er hat wenigstens Ahnung!)

Meine Damen und Herren, man merke auch, Gymnasiasten machen die Sekundarstufenreife grundsätzlich nur noch in neun Jahren. Alle anderen Schülerinnen und Schüler aus anderen Schulformen machen das in zehn Jahren. Was heißt das? Jeder und jede, der bzw. die aus einer anderen Schulform ins Gymnasium überwechselt, wird automatisch zum Sitzenbleiber. Das ist eine Regelung, die wir im Rahmen von KOSI 2010 versucht haben, zugunsten der Kinder zu reduzieren, Herr Kollege Frisch. Bei Ihnen wird jeder und jede zum Sitzenbleiber, der nicht von vornherein ins Gymnasium gekommen ist. Ich betone das noch einmal. Sie sagen noch, Sie verstehen überhaupt nicht, dass die Schülerinnen und Schüler anders, als sie empfohlen bekommen haben, ins Gymnasium gehen. Wenn die Wahl dazu bedeutet, dann werde ich zum Sitzenbleiber, dann werden noch mehr Kinder über die gute Beratung hinweg dieses machen.

(Zurufe von der CDU)

Wir wollen daran erinnern, Finnland hat es uns und insbesondere Herrn Kollegen Keller beigebracht. Er hat uns das allen in einer bemerkenswerten Presseerklärung mitgeteilt. Nicht mehr Gemeinsamkeit bei der CDU ist also das Ziel, sondern noch mehr Separierung, noch mehr Auslese, nicht mehr vorhandener Übergang zwischen der einen und der anderen Schulform.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sollen unserem Antrag zustimmen!)

Meine Damen und Herren, wir wollen das nicht. Wir setzen auf Durchlässigkeit. Wir setzen auf innere Qualitätsentwicklung von unseren Schulen, auf Verantwortungsübernahme aller Akteure vor Ort, auf zusätzliche pädagogische Angebote wie zum Beispiel unsere

Ganztagsschulen, auf Öffnung unserer Schulen in die Region und damit auf Entwicklung von Identifikationsniveau von Schulen mit Niveau in der Region und für die Region. Wir setzen auf Förderung, auf Chancenverbesserung, nicht auf Separierung und Auslese. Wir wollen eine deutliche Verbesserung der Bildungschancen uns erer Kinder im Bereich der beruflichen Schulen. Mein Kollege Heribert Heinrich wird gleich dazu das Seine sagen. Diese Forderungen und Ideen sind im Schulgesetz umgesetzt.

Herr Kollege Keller hat darauf hingewiesen, einige, zum größeren Teil redaktionelle Änderungen haben wir im Rahmen unserer Diskussion im Ausschuss aufgenommen. Wir haben das getan. Ich brülle noch ein bisschen lauter, weil die Gespräche sonst vielleicht überall spannender sind.

Wir haben das getan als Umsetzung der Anhörung, in der uns einige Argumente überzeugt haben. Wir haben die Ideen und Anregungen derjenigen, die vorgetragen haben, aufgenommen und bringen sie heute mit unserem Änderungsantrag ein. Um diese Ideen tatsächlich wirksam werden zu lassen, haben wir das eine oder andere inhaltlich verändert. Dazu gehört unter anderem der Vorschlag, dass die in § 60 sehr hart gezogene Grenze der Beschulbarkeit von Kindern deutlich erweitert wird. Wir wollen Schulrecht und -pflicht für jedes Kind gewährleisten. Wir haben nur kleinere Veränderungen vorgebracht, weil das vorgelegte Schulgesetz unsere Zustimmung fand.

Ich danke dem Ministerium. Ich danke Frau Ministerin Ahnen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das, was uns vorgelegt worden ist. Sie hat uns die Beratungen einfach gemacht. Wir denken, dass wir ein Schulgesetz entwickeln und heute beschließen werden, das Schule für Zukunft möglich macht.

Danke schön.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Lelle das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Einige Dinge, die Frau Brede-Hoffmann angesprochen hat, muss ich einfach richtig stellen. Frau Brede-Hoffmann, Sie bemühen sich immer wieder, uns zu unterstellen, dass es der CDU-Fraktion nur um Separierung ginge. Dies ist schlicht und einfach falsch.

(Beifall bei der CDU)

Wir bemühen uns, uns in unseren Entscheidungen nach dem Wohl der Kinder zu richten. Das ist für uns ausschlaggebend.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb will ich Ihnen das nochmals in aller Deutlichkeit sagen, solange wir ein dreigliedriges

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Oh, solange wir!)

oder mehrgliedriges Schulsystem haben, haben wir Schulen, die ein ganz bestimmtes Leistungsprofil haben und auch eine bestimmte Leistung einfordern. Daran geht kein Weg vorbei, wenn Sie den Bildungsstandards oder den Lehrplänen, wie wir sie bisher haben, entsprechen wollen. Deshalb, und nur deshalb, ist es wichtig, dass die Kinder entsprechend nach ihrer Befähigung und ihrer Leistungsfähigkeit in diesen entsprechenden Schulen sind.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Diese entsprechenden Schulen!)

Nun machen wir uns nichts vor, natürlich hat es falsche Empfehlungen gegeben, als ausschließlich die Lehrer diese Entscheidung getroffen haben. Genauso steht auch fest, dass auch jetzt, wo Sie den Elternwillen völlig freigegeben haben, falsche Entscheidungen getroffen werden. Es geht darum, dass wir diese Kinder davor bewahren, dass sie bis zu drei Jahren in einer Schule sind, die sie nur überfordert und die sie nur im Frust erleben.

(Beifall der CDU)

Ich glaube, das ist das Schlimmste, was Kindern passieren kann, wenn sie Schule als Frust erleben.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Deswegen wollen Sie sie zentral prüfen und herausekeln!)

Deshalb sind wir dafür, dass Korrekturen vorgenommen werden, nicht, um zu separieren, wie Sie uns das gern aus ideologischen Gründen unterschieben wollen.

(Pörksen, SPD: Völlig fremd!)

Deshalb gibt es auch keine falschen Kinder,

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Doch!)

sondern es gibt Kinder, die an der falschen Schule sind.

(Beifall der CDU)

Ich möchte auch noch eine Anmerkung zu unserem Vorschlag, das Abitur nach zwölf Jahren abzulegen, machen. Herr Kollege Keller hat darauf hingewiesen, wie schnelllebig die Zeit ist. Wir in Rheinland-Pfalz werden den Zug verpassen, wie es aussieht. Ich will darauf hinweisen, weil sicherlich von anderer Stelle nachher auch noch der Vorwurf kommt. Wir werden mit unserem Vorschlag keinen Bildungsabbau betreiben, weil wir an den 265 Stunden festhalten und keine Lehrer einsparen wollen. Wir sagen das auch den Leuten. Wir sagen es den Schülern und den Eltern, dass dies dann eben auch Nachmittagsunterricht zur Folge hat; denn anders geht das nicht. (Zurufe von der SPD)

Sie wollen doch an anderer Stelle auch die Ganztagsschule. Das ist auch irgendwo ein Beitrag dazu. Auch da denke ich, wird unser Vorschlag auf Dauer derjenige sein, der richtig ist. Es wird sich zeigen, dass wir hier einen richtigen Weg beschreiten, den Sie bisher leider nicht mitgehen wollen. Aber Nordrhein-Westfalen hat gezeigt, Sie kriegen die Kurve schneller, als wir das vielleicht glauben. (Beifall der CDU)

Zu einer Erwiderung hat Frau Abgeordnete BredeHoffmann das Wort.

Herr Kollege, das Wohl der Kinder, das auch der Herr Kollege Keller wieder einmal in den Mittelpunkt der Debatte gestellt hat, hängt auch ganz weitgehend davon ab, dass die Entscheidungen akzeptiert und verstanden werden. Sie schlagen Lösungen vor, bei denen das Elternrecht und die Elternmeinung am Ende des fünften Schuljahres außen vor sind.

(Lelle, CDU: Nein, ist nicht wahr!)

Ohne Elternzustimmung – so Ihr Vorschlag – kann ein Kind am Ende des fünften Schuljahres von der einen Schule in die andere zwangsversetzt werden. Ich möchte dieses Wort wirklich in Ihre Köpfe bekommen: „zwangsversetzt“ werden. – Was das mit dem Wohl der Kinder zu tun hat,

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Sehr viel!)

nachdem wir uns eigentlich einmal ein ganz klein bisschen schon einig waren in diesem Hause, dass eine zweijährige Orientierungsphase in der Klasse fünf und in der Klasse sechs pädagogisch sinnvoll und wichtig sei, das erschließt sich mir überhaupt nicht mehr. Sie können sicher sein, den zuständigen Lehrkräften erschließt sich das auch nicht mehr. Die Kinder, die bei Ihnen ewig und immer in irgendwelche Schubladen gesteckt werden, und die „falschen“ Schulen, das möchte ich immer wieder wiederholen.

(Lelle, CDU: Dann gehen Sie doch mit den GRÜNEN! Machen Sie IGS überall!)

Man muss das den Schulen einmal sagen, dass Sie die „falschen“ Schulen für Kinder sind. Schulen haben die Aufgabe – dieses Schulgesetz formuliert es erneut –, individuell zu fördern und sich den Kindern zuzuwenden. Was hat uns denn in Finnland allesamt – ich betone es immer wieder – samt dem Seppel Keller beeindruckt, dass es in Finnland diese Diskussion so nicht mehr gibt, sondern dass man sich dort mit der tatsächlichen individuellen Förderkultur beschäftigt, mit anderer Schulkultur, Herr Kollege.

Jetzt lassen Sie mich noch etwas zu Ihrer Abitursidee sagen. Abitur nach acht Jahren, Erhalt der 265 Stunden

das muss so sein, anders würden Sie es gar nicht genehmigungsfähig bekommen –, heißt, das, was wir heute bei BEGYS haben, findet in allen Gymnasialklassen statt? Beantworten Sie doch einfach nur die Frage – – –

(Lelle, CDU: BEGYS verkürzt!)

Beantworten Sie einfach nur die Frage, warum unsere Gymnasien sich im Moment sehr konsequent dem Angebot „Nun beantragt doch BEGYS-Klassen“ widersetzen. Die sagen uns nämlich, diesem Leistungsdruck halten die meisten Schülerinnen und Schüler nicht stand. Sie selbst waren oft genug bei Podiumsdiskussionen dabei, wo uns Schülerinnen und Schüler des vorgezogenen rheinland-pfälzischen Abiturs mit vorwurfsvollem Blick erzählt haben, dass die acht Wochen Verkürzung, die dort stattfinden, schon zu einem Leistungsdruck führen würden, dass sie eigentlich kaum mehr wüssten, wo sie schnaufen sollen, und Sie wollen ein ganzes Jahr für diese Gymnasiasten zusammenschieben.

Wenn Sie auf Nordrhein-Westfalen verweisen, sage ich Ihnen, Nordrhein-Westfalen hat die teuerste denkbare Lösung derzeit in die Diskussion eingeworfen. Dort wird nämlich der Unterricht aus der Klasse elf auf die Klassen fünf bis zehn für alle Schularten aufgeteilt. Herr Kollege, man merke auf.

(Glocke der Präsidentin)

Sie müssen sich überlegen, was das an einem zusätzlichen Lehrerwochenstundenvolumen bedeutet. Dann sagen Sie mir ganz einfach, wie Sie das finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben weitere Gäste hier im Landtag, und zwar Mitglieder der Jungen Union aus dem Kreisverband Altenkirchen sowie Mitglieder der Frauen-Union aus der Südwestpfalz. Herzlich willkommen im Landtag!