Verehrte Frau Ministerin, Ihre starre Haltung gegen die Einführung des Abiturs nach zwölf Jahren macht Sie zunehmend einsamer,
isoliert Rheinland-Pfalz und – was entscheidend ist – benachteiligt massiv unsere Schülerinnen und Schüler. Sehen Sie doch endlich ein, dass der gut gemeinte rheinland-pfälzische Sonderweg „Abitur nach 12,5 Jahren“ gescheitert ist.
Sperren Sie sich nicht länger gegen eine notwendige Entwicklung, die auch in Rheinland-Pfalz spätestens 2006 beschlossen wird. Nur, dann sind wir die Letzten, da bin ich sicher.
Die FDP will auch das Abitur nach zwölf Jahren. Es gibt entsprechende Parteitagsbeschlüsse. Nur dann, wenn es zum Schwur kommt, kneift sie.
Die CDU stellt weitere Anträge, die entscheidend zur Qualitätsverbesserung unseres Schulwesens beitragen, zum Beispiel die Korrektur der Schullaufbahn bereits nach der fünften Klasse. Eltern entscheiden bekanntlich in der vierten Klasse, in welche Schule ihr Kind gehen soll. Diese Entscheidung akzeptieren wir.
Wir wollen jedoch, dass die Grundschulempfehlung der aufnehmenden Schule vorgelegt werden muss, damit die aufnehmende Schule ihrem Auftrag auch gerecht werden kann, eine adäquate Beratung über die Schullaufbahn durchführen zu können.
Wir wollen folgende neue Regelung im Interesse der Kinder einführen: Wenn Eltern ihr Kind entgegen der
Schulempfehlung in einer anderen Schulart angemeldet haben, soll diese Entscheidung bereits am Ende der fünften Klasse korrigiert werden können, wenn klar ist, dass das Kind in der gewählten Schulart hoffnungslos überfordert ist.
Wir wollen diese Kinder nicht länger in der für sie falschen Schulart belassen, man kann sogar sagen, in der für sie falschen Schulart quälen lassen, die sie nach der sechsten Klasse ohnehin verlassen müssen, dies mit all den Frustrationen, die schulisches Versagen mit sich bringt. (Beifall bei der CDU)
Wir wollen die Hauptschule stärken. Deshalb fordern wir, dass es zu gezielten Maßnahmen an allen Hauptschulen für abschlussgefährdete Hauptschüler kommt, und zwar durch Praxis- und Berufsfindungsklassen, die bereits an einigen Hauptschulen mit Erfolg existieren.
Mitentscheidend für den schulischen Erfolg ist auch die Qualität der Lehrer. Neben einer guten Ausbildung ist eine gute und permanente Fort- und Weiterbildung wichtig. Wir fordern deshalb die Fortbildungspflicht für Lehrer.
Ein unmöglicher Vorschlag der Landesregierung wurde erfreulicherweise durch die Regierungsfraktionen korrigiert. Die Regierung wollte, dass die Bewerber für Schulleiterstellen, die ohnehin nicht Schlange stehen – das ist unser Problem, das wir in der letzten Plenarsitzung thematisiert haben –, ihre gesamten Bewerbungsunterlagen einschließlich Beurteilungen dem Schulträger und dem Schulausschuss vorlegen müssen. Dies ist ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz.
Ich habe den Datenschutzbeauftragten über die geplante Regelung informiert. Er hat sofort reagiert. Die Regierungsfraktionen haben, was richtig ist, korrigiert.
Es bleibt aber die Frage, wie man im Bildungsministerium überhaupt auf einen solchen abstrusen Vorschlag kommen konnte.
Ich möchte noch einige Worte zu den Anträgen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sagen. Wir lehnen sie mit unterschiedlicher Intensität alle ab, genauso wie die Regierungsvorschläge und die Vorschläge der Regierungsfraktionen.
Die Entschließungsanträge stellen überwiegend einen Aufguss von Träumereien und Irrtümern der 70er-Jahre dar. Die Zeit ist darüber hinweggegangen.
Bezüglich der Änderungsanträge muss ich sagen, es sind einige Punkte darin enthalten, die wir so ähnlich sehen. Wir haben sie aber bei uns in unserem Änderungsantrag enthalten, sodass es nicht notwendig ist, diesen Punkten zuzustimmen, weil wir es besser gemacht haben.
Meine Damen und Herren, ich begrüße als Gäste im Landtag Schülerinnen und Schüler der Karl-Fries-Schule Bendorf. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Keller, es war eine selten sanfte Rede.
Das Schulgesetz 2004, über das wir heute abschließend beraten, das wir in vielen Runden schon behandelt und über sehr viele Details diskutiert haben, wie uns berichtet worden ist, setzt die rheinland-pfälzische Qualitätsoffensive an unseren allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen kons equent um.
Wir haben die Basis der in der Zwischenzeit erlassenen Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für die Kindertagesstätten, bei denen Frühförderung, Sprachförderung, Lernstanddokumentation festgeschrieben sind. Dieses bildet die Basis für das, was uns im Primarbereich begegnet. Das ist ergänzt um die Einführung einer flexiblen Schuleingangsphase, die individuelle Bedürfnisse von Kindern berücksichtigt. Das geschieht fördernd und fordernd. Wir haben die gesetzliche Verankerung der Erfolgsmodelle Volle Halbtagsschule, Schwerpunktschulen im Integrationsbereich und vor allen Dingen die Ganztagsschule in Angebotsform für alle Schulen der allgemein bildenden Schule im Schulgesetz.
Wir haben die Stärkung der Selbstständigkeit von Schulen festgeschrieben. Ich sage die Stichworte PES, Personalauswahl durch Schulen, erweiterte Schulleitungskompetenz, Entwicklung von Schulprofilen, Evaluationsverantwortung.
Meine Kolleginnen und Kollegen, dies ist für unsere Schule die wesentliche Basis für eine zukunftsträchtige Schulentwicklung. Ich höre dann, wir haben nicht die richtige Antwort auf PISA, wir haben keine Visionen in diesem Schulgesetz. Von Visionen könnten sich unsere Schulen und Ihre Schulleitungen gar nichts kaufen. Sie haben Chancen, Freiräume, Entwicklungspotenziale, die wir durch das neue Schulgesetz einräumen. Damit können sie passgenau die Entwicklungsschritte in ihren
Schulen planen und umsetzen. Damit können sich die Schulen die Zukunft gestalten. Sie können Angebote und Möglichkeiten pädagogischer Unterstützung machen, die im Schulgesetz festgeschrieben sind. Sie können die in dem Schulgesetz angebotenen Ideen und Modelle für sich praktisch umsetzen. Sie können heute damit aktiv die Schulzukunft von morgen gestalten. Diese Chancen und Freiräume sind ein Zentrum unseres Entwurfs zum Schulgesetz. Herr Kollege, nicht Visionen, sondern Zukunft gilt es gestalten. Das haben wir gemacht.
Ein weiterer wesentlicher Punkt, der in diesem Schulgesetz aufgenommen worden ist, sind die Regelungen zu Fragen von Bildungszielen und -standards.
Damit gehen Evaluationsverfahren einher. Das sind sowohl Verfahren, die im Inneren der Schule entwickelt und angewandt werden, als auch Verfahren, die von außen auf die Schule mit dem Hinweis zukommen, dass sie daran teilnehmen sollten.
Verankert worden sind Instrumente wie Parallel- und Vergleichsarbeiten in Schulen. Das geschah sowohl zur Überprüfung der Erreichung dieser vereinbarten Standards und Bildungsziele als auch zur Feststellung von Defiziten und dem daraus folgenden Förderungsbedarf. Ich kann Ihnen sagen, wir und die Schulen wollen, dass Lern- und Leistungsstandardüberprüfungen als Unterstützung für die Schulen dienen. Wir wollen nicht Versagen dokumentieren. Wir wollen schon gar nicht danach aussortieren.
Dieser fatalerweise auch noch pädagogisch verbrämte Gedanke, den Herr Kollege Keller erschreckenderweise auch im Ausschuss mit dem falschen Kind in der falschen Schule umschrieben hat, lehnen wir entschieden ab, meine Kolleginnen und Kollegen.
Der vorgelegte Gesetzentwurf macht etwas ganz anderes. Er legt viel mehr Wert auf individuelle Förderung und entwickelt dafür den Rahmen und die adäquaten Instrumente. Hier geht es um Raum für zukunftsfähige Entwicklungen. Es sind nicht Visionen und Wolkenkuckucksheim, sondern wir gestalten Zukunft.
Wir sind gegen den Antrag der CDU auf Einführung eines Abiturs nach zwölf Jahren, weil wir gegen Aussonderung und dagegen sind, dass man beschließt, dass Übergangschancen nicht mehr bestehen oder nur noch mit hohen Hürden geschafft werden. Das Prinzip der maximalen Durchlässigkeit zwischen den Schularten wollen wir haben.
Meine Damen und Herren, wir sehen, dass die Lebenszeit von jungen Menschen etwas ganz Wichtiges ist. Diese darf man nicht verplempern. Mit 19 ½ Jahren ist man doch noch nicht so sehr alt, Herr Kollege Keller. Von 19 ½ Jahren können wir nur träumen. Wir sehen, dass man sie nicht verplempern darf. Wir haben als einziges Bundesland eine Realisierung eines vorgezogenen Abiturs, weil wir das sehen. Das spart tatsächlich Lebenszeit. Die anderen haben Lösungen, die in acht oder neun Jahren greifen. Unsere greift jetzt schon. Wir haben deswegen unseren Schulen angeboten, dass sie BEGYS einrichten können. Jedes Gymnasium, das es will, kann es einrichten. Wir haben diese Lösungen angeboten. Wir bieten keine Lösungen an, bei denen Durchlässigkeit verloren geht oder der Übergang gar nicht oder nur sehr schwer möglich ist.
Schulzeitverkürzung darf nicht zu Grenzziehungen führen. Der Wechsel muss bei einem entsprechenden Leistungsniveau möglich sein. Er sollte sogar gefördert werden. Wir wünschen uns, dass Schülerinnen und Schüler von der einen in die andere Schulart, von der Realschule ins Gymnasium übergehen können. Bei der CDU haben wir die ganze Zeit nicht gewusst, wie sie sich das vorstellt. Dankenswerterweise hat Herr Kollege Frisch im Ausschuss endlich geklärt, wie Sie sich das vorstellen.