Protocol of the Session on January 21, 2004

Willen zur Gestaltung voraus. Ich fürchte, dieser Wille zur politischen Gestaltung ist ermattet. Jedenfalls lässt der Landeshaushalt 2004 keinen anderen Schluss zu.

Wir werden diesem Landeshaushalt wegen gravierender, schwerwiegender Fehler, sowohl was die Planung bei den Schulden anbelangt als auch die schwerwiegenden politischen Fehler, von denen ich sprach, nicht zustimmen können. Wir lehnen ihn ab.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltend Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Ediger-Eller. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Es spricht Herr Abgeordneter Mertes.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Böhr hat gemeint, er wüsste schon, wie die Antworten ausfallen.

Nun, Demokratie lebt vom Streit. Sie braucht ihn, sie braucht die Auseinandersetzung, und sie braucht auch einen Streit, bei dem Sie, lieber Herr Kollege Böhr, etwa 50 Minuten gebraucht haben, um zu beschreiben, wie verschuldet das Land ist, und 30 Minuten, um zu beschreiben, welche Forderungen Sie für neue Ausgaben für dieses Land stellen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es ist wirklich interessant. Wir wiederholen uns, wahrscheinlich ich auch. Es ist immer wieder das Gleiche: Wir erwarten den künftigen Mann, der politisch beschreibt, wohin sich Rheinland-Pfalz entwickelt und was kommt. Es kommt der Kassenführer des Landes, der beschreibt, dass wir Schulden haben. Wir haben Schulden, andere haben Schulden, und die Dämonisierung von Schulden ist nicht korrekt.

(Zuruf von der CDU: Doch, sie ist korrekt!)

Sie zeigt nur an, dass Sie Ihre Aufgaben in diesem Land nicht erfüllen wollen. Wir sehen dies ganz anders, und deshalb regieren wir!

(Beifall der SPD und der FDP)

Es wäre ein Wunder gewesen, wenn Sie darauf verzichtet hätten, wieder einmal mit der Glocke der Angst durch Rheinland-Pfalz zu laufen.

Zunächst stellt sich die Frage der Verschuldung. Unter Milliarden kann sich jeder etwas vorstellen. Die Leute haben vielleicht 150.000 Euro auf ihrem Haus. Also, es ist zu viel.

Dann kommt die Frage der Inneren Sicherheit. Ganz klar, man muss Angst haben in Rheinland-Pfalz. Die Polizei kommt nicht mehr. Sie braucht 40 Minuten. In einem Einzelfall wird dies geschehen sein, auch vielleicht sogar einmal beim Einsatz des Rettungsdienstes. Danach kommt die Frage nach der Bildung.

(Zuruf des Abg. Anheuser, CDU)

Zuerst sagen Sie, wir hätten zu viele Ausgaben und damit zu viele Schulden, und dann sagen Sie, wir stellten zu wenig Leute ein. Aber warum kommen 96.000 Studierende – ich sage einmal, davon zu viele – aus dem freundlichen Ausland zu uns? – Wahrscheinlich, weil unsere Universitäten zu wenig attraktiv sind. Diese Vorstellung ist fast irreal, meine Damen und Herren!

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich bestreite gar nicht, dass wir eine Überlast haben. Aber die Attraktivität der Universitäten zu bestreiten, wenn sehr viele Studierende aus benachbarten Ländern zu uns kommen, ist wirklich schon verrückt. Die Verunsicherung in diesem Land allein auf die Landespolitik zu beziehen, zeigt eindeutig Ihren eindimensionalen Blick, Herr Kollege Böhr.

Entschuldigung! – Mich wundert, dass wir nicht zur Kenntnis nehmen wollen: Milliarden sind im neuen Markt verbrannt worden. Glauben Sie, die Menschen würden das einfach so wegstecken? – Unsere Sportidole zahlen ihre Steuern lieber in Belgien oder Monaco.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Entschuldigung! Das ist doch für den normalen Bürger der Hinweis darauf, es lohnt sich, es anders zu machen. Es gibt gar keinen Grund, in dieser Republik staatstreu zu sein.

(Beifall der SPD und der FDP)

Da schreien Sie immer auf! Es muss doch auch in Ihrem Interesse sein zu sagen, dieses Land muss doch in der Lage sein, diejenigen, die ausbüchsen, ihre Pflichten nicht erfüllen, aber in Deutschland ihr Geld verdienen, dazu zu verpflichten, es auch in Deutschland zu versteuern. Wo sind wir denn geblieben?

(Beifall der SPD und der FDP)

Da sagt uns ein Herr Müller, er zieht in die Schweiz, nachdem er den Verkauf seines Imperiums in Bayern in Deutschland organisiert hat, weil er die Erbschaftssteuer nicht bezahlen will!

(Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Aber jeder Bäckermeister, der im Hunsrück seinen Betrieb vererbt, wird sie zahlen müssen, weil er nicht in die Schweiz oder nach Luxemburg gehen kann.

(Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Herr Dr. Gölter, gehen Sie in die Schweiz, um Ihre Erbschaftssteuer zu zahlen? Das ist genau der Punkt!

(Zurufe von der CDU – Beifall der SPD und der FDP)

Ich bin nicht mehr bereit, im Konsens darüber zu reden, dass sich die einen entlasten, und die anderen bereit sind, für dieses Land ihre Steuern zu zahlen, damit die Infrastruktur, die Universitäten und die Polizei finanziert werden können. So ist das!

(Zurufe der Abg. Bracht und Dr. Gölter, CDU – Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, die einen verkaufen ihre Redakteure wie Teilherden von Rindern in Kanada, um später billigere Redakteure einstellen zu können, damit sie ihre Zeitung billiger herausgeben können. Das soll ich gutheißen? Dazu soll ich schweigen, nur weil Sie schweigen? – Sie schweigen immer dann, wenn es um solche Fragen geht, weil es Ihnen unangenehm ist, darüber zu reden. Mir ist es auch unangenehm, aber es wird angesprochen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Falls Sie glauben, ich hätte die falsche Zeitung gelesen, muss ich Ihnen sagen, gestern las ich im „Publik Forum“, einer Zeitung, die man durchaus lesen sollte, es gibt zur gleichen Zeit mehr Reichtum und mehr Armut in der Bundesrepublik. Dies sind die Fragen zur großen Verunsicherung unserer Bevölkerung, einschließlich der Frage der Verschuldung.

Meine Damen und Herren, in solchen Zeiten, in denen Expertenkommissionen uns noch zusätzliche Probleme beschreiben, von der Frage der demographischen Entwicklung bis hin zur Rente, in der viele Reformschritte nebeneinander erfolgen und komplizierte Entscheidungsprozesse im Deutschen Bundesrat anstehen, besteht eine Situation, in der sich die Menschen davor fürchten, was ihnen die Zukunft bringt. Die Aufgabe dieser Landesregierung und dieser Koalition ist es, Verlässlichkeit, Kontinuität und beharrliche Geduld zu zeigen und nicht in das Lied einzustimmen, das Ihnen so am Herzen liegt, meine Damen und Herren, nämlich die Verunsicherung nach vorn zu treiben wie Herr Böhr.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zur Verlässlichkeit: Wir setzen unsere Wahlaussage von 2001 um und bauen unser Land zum modernsten Bildungsland um. Zur Kontinuität: Wir halten fest an uns erem erfolgreichen wirtschaftspolitischen Kurs und schaffen damit Wohlstand und Beschäftigung. Zur beharrlichen Geduld: Wir sind bereit, Bildung, Wissenschaft und Forschung zu stärken. Damit wird für etwas gesorgt, was die Menschen brauchen: Sie brauchen öffentliche und wirtschaftliche Sicherheit. Das ist unsere Aufgabe. Dies kann nur der Staat leisten und nicht der Markt, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Bild, das Sie von Rheinland-Pfalz gemalt haben, ist nicht neu. Immer, wenn Sie auf Rheinland-Pfalz blicken, sehen Sie es negativ. Wenn andere aus einem neutralen Blickwinkel auf Rheinland-Pfalz blicken, ergeben sich ganz andere Bilder. Die Bertelsmann-Stiftung hat uns für 2003 in der Länderanalyse eine sehr positive Gesamtentwicklung bescheinigt. Sie bescheinigt uns einen guten Erfolg im Standortwettbewerb der Bundesländer, trotz der Sondereinflüsse und trotz der Frage des Truppenabzugs.

Ich komme nun auf einige Punkte des Kollegen Böhr zu sprechen. Natürlich haben auch andere Länder Steuermindereinnahmen und vergleichbare Probleme. Aber erzählen Sie mir bitte einmal, in welchem Land beispielsweise die Konversionsfragen derart durchgeschlagen haben wie in unseren strukturschwachen Gebieten. Meine Damen und Herren, Rheinland-Pfalz – nach Bernhard Vogel der Flugzeugträger der Nato – hatte am meisten unter diesen Fragen zu leiden. Was haben wir daraus gemacht? – Meine Damen und Herren, wir haben „Hahn“, wir haben „Zweibrücken“, wir haben „Birkenfeld“, und wir haben „Remagen“ daraus gemacht. Dies sind durchaus nur Erfolgsgeschichten für Rheinland-Pfalz. (Zuruf des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Dazu brauchen wir von Ihnen keinen Ratschlag, weil Sie uns nicht geholfen haben!

(Beifall der SPD und der FDP)

Dieses ewige „Rheinland-Pfalz: Schlusslicht“!

(Kuhn, FDP: Ja!)

Nach der Bertelsmann-Stiftung sind wir eines von drei Bundesländern in der ganzen Bundesrepublik, die in der Periode von 1999 bis 2001 ihr Wachstum erhöhen konnten. Wir haben 2002 das höchste Wachstum nach der Wiedervereinigung erreicht. Wir haben die drittniedrigste Arbeitslosenquote nach Bayern und BadenWürttemberg. Meine Damen und Herren, ich kenne Ihre Zwischenrufe. Ja, ich kenne sie. Dies komme nur von den Auspendlern nach Luxemburg, nach Frankfurt und nach Heidelberg. Das ist ganz klar. Es hat nichts mit den Rahmenbedingungen dieser Landesregierung oder der Mittelstandspolitik zu tun. Das ist ganz klar. Diese Entwicklung kommt nur durch die Pendler. Meine Damen und Herren, für wie verrückt halten Sie eigentlich die Rheinland-Pfälzer? – Für viel zu verrückt.

(Beifall der SPD und der FDP)