Protocol of the Session on January 21, 2004

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Thomas für eine Kurzintervention das Wort.

Nachdem ich heute Vormittag um diese Zahlen gebeten habe und weil ich der Meinung bin, dass man sie im Kontext mit den jetzt vorgelegten und diskutierten Zahlen besprechen muss, doch einige Anmerkungen von meiner Seite.

Herr Mittler, mutig, mutig, dass Sie sich mit den Zahlen heute so heraustrauen. Ich hatte vermutet, Sie präsentieren sie gegenüber der Presse und lassen noch einmal aus Ihrem Haus heraus erklären, wie es dazu gekommen ist. Sie haben heute doch Folgendes festgestellt:

1. Wir haben uns in den Ansätzen im Nachtragshaushalt 2003 ziemlich vergriffen. So lange ist das noch nicht her, dass wir ihn diskutiert haben. Acht Monate ist das her.

2. Ich habe auch nicht auf die Stimmen aus der Opposition gehört, die gesagt haben, es gibt in diesem Nachtragshaushalt Positionen, die deutlich unterveranschlagt sind. Herr Mittler, ich kann mich noch gut an unsere

Debatte erinnern, als wir über die Veranschlagung des Wohngelds gesprochen haben.

3. Sie haben das zwar nicht gesagt, aber es steht hinter dem, was Sie gesagt haben. Meine Haushaltssperre, die ich im September verhängt habe – wir GRÜNEN haben die schon im Mai eingefordert –, hat nicht funktioniert. Es ist mir nicht gelungen, den Anstieg von Ausgaben einzudämmen. Das hatte ich mir als Ziel gesetzt.

Schauen Sie sich das doch einmal an. Sie haben von einer Nettoneuverschuldung einschließlich der Landesbetriebe von rund 1,5 Milliarden Euro gesprochen. Nach dem Nachtragshaushalt waren rund 1 Milliarde Euro geplant. Das bedeutet, Sie haben 500 Millionen Euro mehr an Verschuldung in dem Haushaltsjahr eingefahren, für das Sie gerade den Abschluss machen. Sie haben sehr deutlich gesagt, dass davon „nur“ 230 Millionen Euro einnahmenbedingt sind oder – in der Sprache der Regierungsfraktionen – ein Einnahmenproblem sind. Der größere Teil erstreckt sich also nicht auf das Einnahmenproblem, sondern auf Ihr Ausgabenproblem. Herr Mittler, es erstreckt sich vor allem auf Ihr Ausgabenproblem, weil Sie es nicht mit einer Haushaltssperre geschafft haben, von der Sie gesagt haben, dass sie sehr streng und strikt sein wird und Sie nur die Tür öffnen, wenn es um sinnige Investitionen geht, sie also streng und strikt sein wird, damit man die Ausgaben unter Kontrolle halten kann.

Ich bitte Sie noch einmal zu sagen, wie hoch Ihr Ausgabenwachstum im vergangenen Jahr war. Ich erinnere Sie noch einmal daran, dass Sie im Finanzplanungsrat bestimmte Größenordnungen mit abgesegnet haben. Sie haben nämlich gesagt, im Jahr 2003 sollten die Ausgaben nicht um mehr als 1 % steigen. Sie liegen deutlich darüber. Sie liegen auch in der Kombination mit dem Haushalt, den Sie uns heute vorschlagen zu verabschieden, über der 2%-Marke für die Jahre 2003 und 2004.

Ich sage noch einmal: Mutig, mutig. Wenn ich eine solche Bilanz vorlegen müsste, hätte ich das entweder verschämter getan oder klarer und deutlicher gesagt, wo das tatsächliche Versagen liegt. Er hat gesagt, wir sind noch prima im Vergleich zu den anderen Bundesländern. (Glocke der Präsidentin)

Herr Mittler, ich sage Ihnen das sehr klar und deutlich: Sie haben die Hand nicht darauf gehabt, und Ihnen laufen die Ausgaben auseinander, weil Sie die Haushaltssperre und die Ausgabenkontrolle in diesem Land nicht im Griff haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Burgard das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich am Ende der allgemeinen Aussprache

noch einige Ausführungen zu der bedeutenden Baumaßnahme machen, die wir alle gemeinsam tragen, die für die nächsten Jahre und auch für unsere gemeinsame Zukunft von Bedeutung ist. Es geht um den Bau einer Dokumentations- und Begegnungsstätte am ehemaligen SS-Sonderlager KZ Hinzert.

Am 25. Februar 1944, also fast genau vor 60 Jahren, standen 23 Luxemburger im Wald in Hinzert aneinandergekettet, nur mit einem Hemd bekleidet, an einer Grube und wurden nach und nach ohne Gerichtsurteil mit Schüssen in den Rücken erschossen. Es genügte, dass sie gegen die deutschen Besatzer protestierten und versuchten, einen Waffenbunker aufzubrechen. Der jüngste der Männer war 21 Jahre, der älteste 48 Jahre.

Vor zehn Jahren schrieb mir als Vorsitzendem des Fördervereins der Luxemburger Kulturminister Guy Dockendorf in einem Brief: Hinzert bedeutet ein friedloses, unfreies, in Angst und Ungewissheit gequältes Leben. Dies ganz persönlich für jeden einzelnen der über 13.000 Häftlinge.

Wir haben gemeinsam im Landtag im März 2002 einen Baustein für dieses gemeinsame Projekt gesetzt und einen grenzüberschreitenden Architektenwettbewerb ausgelobt, der nun im Sommer 2003 umgesetzt wurde. Die internationale Jury, darunter auch ehemalige Häftlinge, hat sich unter 28 Arbeiten aus der Großregion einstimmig für einen mutigen Entwurf des Architekturbüros Wandel, Höfer und Lorch entschieden. Es ist ein Entwurf mit eigenwilliger Konstruktion, der gleichwohl auch gut in die Landschaft passt.

Die Architekten, die bereits beim Neubau der Synagoge in Dresden mit dem Kritikerpreis für Architektur ausgezeichnet wurden und die derzeit auch das jüdische Kulturzentrum in München umsetzen, überzeugen durch eine eindringliche, funktional stimmige und ästhetisch herausragende Architektur. Die außergewöhnliche Hülle steht irritierend als Verwerfung in der idyllischen Landschaft.

Die Reaktionen auf das gemeinsame Projekt mit den zahlreichen Medienberichten zeigen aber auch die Betroffenheit vieler deutscher Familien. So rief mich an diesem Montag eine Frau aus Trier an, weil sie endlich das Schicksal ihres verschollenen Onkels erforschen will, der aus christlichem Widerstand heraus im KZ Hinzert war. Vor zwei Monaten schrieb mir ein Mann aus Kassel, weil er sich mit dem Leben seines Großvaters, der als SS-Mann in Hinzert eingesetzt war, schon seit Jahrzehnten beschäftigt und endlich Klarheit haben will.

Ehemalige Häftlinge aus Luxemburg und Hinzerter Bürger melden sich. Sie signalisieren, dass sie Gegenstände aus dem Lagerleben gern einem solchen Haus zur Verfügung stellen wollen.

60 Jahre nach der Befreiung der letzten Häftlinge sollten wir im kommenden Jahr den letzten Überlebenden und insbesondere auch den jungen Menschen in Europa, besonders in unseren Nachbarländern, ein Haus übergeben, wo Gedenken und Nachdenken einen besonderen Ort, einen Erinnerungsort, hat.

Robert Schuman, der große Europäer, in Luxemburg geboren und als Widerständler in der Pfalz in Haft, mahnte: Der Respekt vor dem anderen ist der Friede für alle.

Was würde Robert Schuman heute sagen, wenn er sieht, dass in den Wäldern um Hinzert bei Damflos wieder Militärfahrzeuge aus dem Dritten Reich herumfahren und diese Hakenkreuze mitführen? Er würde sagen: Wo ist der Respekt vor den Toten und den Überlebenden von Hinzert? – Wir alle sollten dies unerträglich finden. Ich danke der Polizei, die diesem schlimmen Spuk rasch ein Ende setzte.

Wenn wir Abgeordnete am 27. Januar landesweit zum nationalen Gedenktag in die Schulen gehen, sollten wir mit den jungen Menschen mit Blick auf die Jahre 1933 bis 1945 auf den Einsatz jedes Bürgers für Freiheit und Demokratie eingehen. Eine schuldlose Jugend soll keine ahnungslose Jugend sein. Die Expertenkommission der Bundesregierung hat die Bedeutung des Baus in Hinzert anerkannt und wird den Bau fördern. Wir rechnen mit 50 %.

Ich danke nochmals allen Fraktionen für dieses gemeinsame Vorgehen, das Beachtung verdient. Es ist mehr als eine Pflicht. Es ist mehr als ein Haus. Wenn Professor Dostert dieser Tage aus Luxemburg schreibt und unseren Landtag lobt, so verbindet er damit die Hoffnung, dass noch viele Überlebende die Fertigstellung 2005 erleben dürfen. Setzen wir zügig einen Baustein auf den anderen, dass dieser Traum der Überlebenden und der Angehörigen der Getöteten Realität wird. Ich denke, 60 Jahre nach der Befreiung der letzten Häftlinge sind sie nicht vergessen. Wir setzen ein Zeichen für eine gemeinsame demokratische Zukunft. Wir schaffen Erinnerungsräume.

Vielen Dank. (Beifall im Hause)

Damit sind wir am Ende der Grundsatzaussprache und die Aussprache zum Einzelplan 02.

Ich begrüße zunächst weitere Gäste im Landtag, und zwar Schülerinnen und Schüler des Sebastian-MünsterGymnasiums Ingelheim, Schülerinnen und Schüler der Gehörlosenschule Vallendar sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgemeinschaft „AusgabenBudgetierung in öffentlichen Haushalten“ der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Allen Gästen ein herzliches Willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Wir kommen nun zur Aussprache über den

Einzelplan 08 – Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von 35 Minuten je Fraktion vereinbart.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wirz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen für das Jahr 2004 gestalten sich einerseits einfacher, als dies noch im Herbst des vergangenen Jahres zu erwarten war. Andererseits hat die im Rahmen des Steuerkompromisses erfolgte Besserstellung des Landes Rheinland-Pfalz dennoch nicht dazu geführt, dass wir auf stringente Sparmaßnahmen verzichten können und der Landeshaushalt nunmehr ohne Probleme wäre – im Gegenteil. Ein Haushaltsabschluss des Jahres 2003 mit einer erneut sehr hohen Neuverschuldung spricht eine deutliche Sprache, wobei ich die Zahlen offen lassen will. Es wird sich sicher klären, ob unsere Zahlen stimmen oder die von Herrn Finanzminister Mittler.

(Ministerpräsident Beck: Das ist geklärt!)

Für uns ist es bis jetzt noch nicht geklärt.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang erscheinen allerdings die Äußerungen des Finanzministers, der es nach eigenem Bekunden lieber gesehen hätte, wenn die Steuerpläne der rotgrünen Bundesregierung in vollem Umfang Gültigkeit erlangt hätten, sehr unverständlich. Sie erscheinen vor diesem Hintergrund eher als nicht redlich.

Herr Minister Mittler, wo wären wir gelandet, wenn es nicht unter dem Zwang zur Einigung im Vermittlungsausschuss zu einer Lösung gekommen wäre, die unser Land vor noch Schlimmerem bewahrt hat? Nach unserer Überzeugung – damit stehen wir nicht allein – übersteigt der vorliegende Regierungsentwurf die Verfassungsgrenze um rund 100 Millionen Euro und ist damit nicht verfassungskonform. Da eine Haushaltskonsolidierung nicht nach dem Motto „Allen wohl und niemand weh“ erfolgen kann, haben wir entsprechende Einsparanträge gestellt, die nach Lage der Dinge nicht ohne schmerzliche Einschnitte möglich sind und nicht am Haushalt des Wirtschafts- und Verkehrsministers vorbeigehen können.

Der Haushalt für das Jahr 2004 führt uns deutlich vor Augen, dass wir in Rheinland-Pfalz eine Kernfrage lösen müssen, nämlich die, wie wir eine erfolgreiche Strukturförderung im Land künftig mit weniger anstatt mehr Haushaltsmitteln gestalten können.

Drei Zahlen dokumentieren, welche Aufgaben wir zu lösen haben.

1. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner liegt in Rheinland-Pfalz noch immer einmal auf dem vorletzten und einmal auf dem letzten Platz und dem zweitletzten Platz der alten Bundesländer.

2. Das langjährige Wirtschaftswachstum – Herr Ministerpräsident, ich widerspreche Ihnen nicht – für das Jahr 2002/2003 war sehr gut. Das hatte aber andere Ursachen. Das hatte die einzige Ursache, dass die Binnenkonjunktur in der gesamten Bundesrepublik am

Boden war und uns unsere drei großen exportstarken Firmen herausgerissen haben. Aufgrund dessen hatten wir ein sehr gutes Wirtschaftswachstum. Ich beklage das nicht. Ich freue mich darüber, dass es so ist. Wäre es für die anderen Jahre auch so, ständen wir besser da. Im langjährigen Mittel liegt Rheinland-Pfalz mit rund 8,8 % gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 10,2 % in der ganzen Liste der westlichen Bundesländer hinten.

3. Die Zahl der Arbeitsplätze ist mit 290 Arbeitsplätzen je 1.000 Einwohner nach wie vor die niedrigste aller westlichen Bundesländer. Deshalb müssen wir klare Prioritäten setzen. Diese Priorität heißt: Vorrang für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Forschung und Entwicklung. – Um auch mittelfristig Spielraum für die Finanzierung von neuen Prioritäten zu schaffen, müssen auch im Einzelplan 08 unserer Überzeugung nach Kürzungen vorgenommen werden.

(Beifall der CDU)

Dies ist nach unserer Auffassung – das wurde schon angesprochen – eine Erhöhung der globalen Minderausgabe um 3,5 Millionen Euro. Wir sind der Auffassung, dass die bereits bestehende globale Minderausgabe um den Betrag von diesen 3,5 Millionen Euro durch Einsparungen über alle Haushaltsansätze zusätzlich eingespart werden kann. Vordringlich sollten es Einsparungen im nicht investiven Bereich sein.

Für die Haushaltsansätze in Titel 346 01 – Einnahmen aus Erstattungen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung –, so genannte EFRE-Mittel, beantragen wir eine Reduzierung um 5 Millionen Euro, weil wir der Auffassung sind, dass die extrem angespannte Haushaltslage eine Reduzierung dieses Ansatzes rechtfertigt und wir davon ausgehen, dass sich dieses EU-Programm künftig mehr auf die neuen Beitrittsländer der EU konzentrieren wird und von daher die Möglichkeiten der EU eingeschränkt werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Hauptbeitragszahler der Europäischen Union sowohl nicht in der Lage als auch nicht willens sind, ihre Beitragszahlungen noch weiter auszuweiten,