Genau diese Aufgabe kommt den Standards zu. Ich werde dies in der zweiten Runde noch abschließend erläutern.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich im Namen der CDU-Fraktion Frau Ministerin Ahnen recht herzlich zu ihrer Wahl als Präsidentin der Kultusministerkonferenz gratulieren.
Denken Sie daran, Ganztagsschulen sind sehr wichtig, aber die Bildungspolitik besteht nicht nur aus Ganztagsschulen.
Die Presse wollte von mir auch einen O-Ton darüber haben, was ich oder die Opposition von Ihnen halte. Ich habe den Pressevertretern unter anderem gesagt: Sie sind charmant, humorvoll, schlagfertig. – Das stimmt auch. Wir unterhalten uns gern. Dann habe ich noch gesagt: Sie sind eine exzellente Verkäuferin einer oft mittelmäßigen Bildungspolitik dieser Landesregierung. – Ich hoffe, das wird auch gebracht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Antwort auf das schlechte Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei der PISA-Studie hatte die Kultusministerkonferenz im Mai 2002 die Einführung nationaler Bildungsstandards beschlossen. Jetzt, zwei Jahre nach PISA I, haben sich alle 16 Bundesländer auf einheitliche Standards für die so genannte mittlere Reife geeinigt.
Die CDU-Fraktion begrüßt dies ausdrücklich als einen wichtigen Schritt zu mehr Qualität und Vergleichbarkeit. Sie ist sich allerdings darüber bewusst, dass diesem
Schritt weitere und sicherlich beherztere Schritte folgen müssen, auch im Sinne der Stärkung des Föderalismus, wie Frau Kollegin Morsblech angeführt hat.
Die beschlossenen Standards für die Fächer Deutsch, Mathematik und die erste Fremdsprache beschreiben ein mittleres Niveau, das heißt, Realschulniveau, und nicht, wie von Bundesministerin Bulmahn vorgeschlagen, ein Mindestniveau. Die Kultusminister haben sich verpflichtet, die Standards für die mittlere Reife ab dem Schuljahr 2004/2005, also ab dem kommenden Schuljahr, verbindlich einzuführen.
Die Einführung einheitlicher verbindlicher Bildungsstandards bedeutet allerdings nicht, dass das Bildungswesen nun zentralistisch ist, das heißt, dass nicht die Klassenarbeiten in Hamburg wie in München gleich geschrieben werden und dass auch der Unterricht nicht überall gleich ist. Aber wichtig ist, dass das, was herauskommt, vergleichbar ist. Mit den Standards sollen vielmehr die in der PISA-Studie viel zitierten Kernkompetenzen der Schülerinnen und Schüler ges ichert werden.
Darüber hinaus sollen durch die einheitlichen Bildungsstandards die eklatanten Unterschiede zwischen den Bundesländern, die sich bei der PISA-Studie ergeben haben, abgebaut werden. Es nützt jedoch wenig, Standards zu formulieren und es dabei bewenden zu lassen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist notwendig, ob die Standards auch überall eingehalten werden. Deshalb ist es folgerichtig, dass die Kultusministerkonferenz eine unabhängige, wissenschaftliche Einrichtung, eine bundesweite Agentur für Evaluation, einrichten wird. Es ist gut, dass die Bundesregierung außen vor geblieben ist.
Für uns als CDU unabdingbar ist jedoch, dass diese Agentur nicht nur überwacht, sondern dass sie auch regelmäßig länderübergreifende Tests durchführt und die Ergebnisse veröffentlicht werden.
Die logische Konsequenz aus den einheitlichen Bildungsstandards sind unserer Meinung nach einheitliche Abschlussprüfungen. Die CDU ist dafür. In manchen Bundesländern gibt es sie schon landesintern, in anderen Bundesländern wird über die Einführung konkret nachgedacht. Uns interessiert natürlich, wie die Landesregierung über zentrale Abschlussprüfungen denkt.
Im Hinblick auf die Einführung der Standards im kommenden Schuljahr interessiert uns der Vorbereitungsstand
und wann die Schulen über die neuen Lehrpläne informiert werden. Im kommenden Frühjahr sollen Standards für die Grund- und die Hauptschule formuliert werden. Uns interessiert der Sachstand.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie auch mich die Gelegenheit nutzen, Frau Ministerin Ahnen von Herzen zu gratulieren. Wir sind sicher, sie wird uns nicht blamieren.
Wir sind sicher, sie wird auch weiterhin so kooperativ mit diesem Parlament arbeiten, wie dies bisher der Fall gewesen ist, auch wenn wir sicher sind, wir werden sie im nächsten Jahr wahrscheinlich etwas weniger sehen, weil sie ständig in der Luft, im Zug, im Auto oder sons two unterwegs ist. Aber wir freuen uns, und wir sind stolz darauf, dass unsere Bildungsministerin Präsidentin der Kultusministerkonferenz werden wird.
Herr Kollege Keller hat schon darauf hingewiesen, der KMK-Beschluss direkt nach PISA zu bundeseinheitlichen Bildungsstandards wurde damals bereits von uns als richtiger Schritt begrüßt. PISA hat uns gezeigt, uns ere Schülerinnen und Schüler haben mit der Art der Überprüfung, wie PISA sie vorgenommen hat, ihre Probleme gehabt. Nicht nur die Leistungsmessung war schlecht, sondern es ist uns klar geworden, dort ist etwas gemessen worden, was in der Art von Schule und in den Lehrplänen der Bundesrepublik Deutschland im Grunde so gar nicht vermittelt wird. Kompetenzen, die fachübergreifendes, anwendungsorientiertes und problemlösendes Lernen voraussetzen, sind an vielen Stellen bis jetzt nicht der Inhalt und das Ziel unserer Lehrpläne gewesen. Dort geht es um Wissen und das Anhäufen von Wissen.
Ich möchte gar nicht infrage stellen, dass es sicherlich sehr viele Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz und in der ganzen Bundesrepublik Deutschland gibt, die einen ganz hohen Wissensstandard und kognitive Fähigkeiten haben, die sie vielleicht sogar von anderen Jugendlichen in anderen Ländern positiv unterscheiden. Aber sie sind nicht in der Lage gewesen und werden wahrscheinlich auch weiterhin nicht in der Lage sein, dieses angehäufte Wissen dann auch problemlösungsorientiert und ergebnisorientiert in anderen Fächern zum Beispiel anzuwenden, Verbindungen zu schlagen und Netzwerke auch im Kopf zu knüpfen.
Sie haben Lernvorgänge eingeübt, die nicht das Ziel erreichen, was PISA abgemessen hat, nämlich Kompetenzen zu haben, die man fachübergreifend überall einsetzen kann. Das war das Ziel, das die Kultusministerkonferenz denjenigen aufgegeben hat, die die Entwürfe für die Bildungsstandards vorzulegen haben, über die wir heute diskutieren können.
Lassen Sie mich ganz deutlich sagen, wir begrüßen das Ergebnis dieser Bildungsstandards außerordentlich. Wir glauben, dass es ein ganz wichtiger und ganz positiver Schritt in unserer Bildungslandschaft ist, weil eines deutlich wird: Erfreulicherweise ist jetzt wieder mit den Bildungsstandards in der gesamten Bundesrepublik Deutschland ein definierter Bildungsbegriff eingeführt, der ganzheitlich ist, der ganz andere Lern- und Verstehensprozesse beinhaltet, die nicht vorrangig auf Verwertung von Wissen in Form von Wiedergabe setzen, sondern die auch das Kind und den Jugendlichen im Blick haben und danach fragen, ob er oder sie in der Lage ist, das, was in der Schule erarbeitet worden ist, auf ganz anderen Feldern, zum Beispiel dem selbstverantworteten Feld des gesellschaftlichen Lebens, anzuwenden und einzusetzen. Es ist ein Bildungsbegriff, von dem wir glauben, dass er tatsächlich künftig unsere Gesellschaft nicht zur Wissensgesellschaft, sondern hoffentlich zu einer Bildungsgesellschaft macht.
Ich bin deswegen der Überzeugung, dass diese bundeseinheitlichen Bildungsstandards auch unsere Bildungsdiskussion befruchten werden. Darüber freue ich mich ganz besonders.
Was sind denn diese Bildungsstandards? Wenn man darüber diskutiert, dann gibt es viele Leute, die eigentlich überhaupt nicht wissen, wo der Unterschied zwischen dem Lehrplan und dem Bildungsstandard ist. Wir haben doch immer schon Normierungen gehabt. Warum brauchen wir das?
Bildungsstandards formulieren fachliche und fachübergreifende Kompetenzen, Basisqualifikationen, die dann auch immer anwendungsorientiert umformuliert werden können und die immer auch die Übertragbarkeit von Wissen auf andere Gebiete sichern. Ich habe mir das bei den Bildungsstandards, die jetzt beschlossen worden sind und Grundlage der Kultusministervereinbarung sind, angeschaut. Dort gibt es immer wieder die Worte „Probleme lösen können“, „kommunizieren können“, „erklären können“, „verwenden können“, „Umgehen mit Begriffen und übertragen können“. Im Grunde sind das die Leitideen, die dahinter stehen, also Jugendliche in die Lage zu versetzen, indem sie etwas lernen, mit diesem Gelernten auch ganz anderes in ganz anderen Feldern erklären zu können.
Wir freuen uns, dass das so ist. Wir sind sicher, dass die Umsetzung im Land Rheinland-Pfalz diesen großen bildungspolitischen Schritt mitgestalten wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin Ahnen, auch von uns als Fraktion zunächst einmal
einen herzlichen Glückwunsch! Viel Erfolg im kommenden Jahr! Sie werden viel zu tun haben. Wir trauen Ihnen auch einiges zu.
Frau Ministerin Ahnen, wenn wir einmal das anschauen, was die Kuktusministerkonferenz beschließt, dann muss man das auch sehr kritisch unter die Lupe nehmen, auch das, was Sie am 4. Dezember beschlossen haben. Man sollte die Bildungsstandards nicht als ein Allheilmittel für das gebeutelte deutsche Schulsystem erheben, sondern tatsächlich einmal kritisch hinterfragen, was dort überhaupt beschlossen worden ist.
Ich weiß natürlich auch, nach PISA und den Folgedebatten ist die Sehnsucht nach einem Erfolgserlebnis im Bildungswesen verständlicherweise groß. Wir dürfen nur so unreflektiert nicht davon ausgehen, dass Bildungsstandards per se nun ein Erfolgsgeheimnis für eine Verbesserung des Schulsystems darstellen.
Meine Damen und Herren, es muss klar sein, dass Bildungsstandards nur ein Instrument sind. Klar muss auch sein, dass es davon abhängig ist, wenn sie positiv auf Lehrende und Lernende wirken sollen, ob sie richtig eingesetzt werden.
Meine Damen und Herren, für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte ich klarmachen, dass wir natürlich die Einführung nationaler Bildungsstandards unterstützen, und zwar der Bildungsstandards, die der Verbesserung des Bildungssystem dienen, indem sie klare Erwartungen formulieren und den Schulen Orientierung geben. Sie sollen die Schulleistungen bewerten und dürfen eben nicht zur Bewertung individueller Schülerleistungen missbraucht werden. Das ist ein entscheidender Punkt. Dann würde die Idee der Bildungsstandards komplett konterkariert werden. Das ginge dann auch zulasten der Lernenden sowie der Lehrenden.