Protocol of the Session on September 10, 2003

Ich möchte zum Schluss kommen. Meine Damen und Herren, ich denke, auf Landesebene begleiten wir nur den Prozess der Bundesebene, der letztendlich dann zur Entscheidung kommt. Ich finde es wichtig, dass wir das vornehmen, und ich möchte mich auch bei allen bedanken, wie wir diese Debatte bisher geführt haben. Wir haben das sehr ernsthaft und in einer sehr kollegialen Art gemacht. Ich möchte für uns von der SPD-Fraktion noch einmal sagen, dass es uns wichtig ist, mit unserem Antrag die Belange und die Anliegen der betroffenen Paare, aber auch der betroffenen Frauen, in die weiterführende Diskussion mit einzubringen.

(Starker Beifall der SPD und der FDP)

Ich begrüße Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag, und zwar die Seniorinnen und Senioren der IG Bergbau, Chemie und Energie aus Pirmasens. Herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Helga Hammer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der öffentlichen Auseinandersetzung um die Zulassung einer eng begrenzten Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen war der danach einsetzende Streit um die Präimplantationsdiagnostik abzusehen; denn einmal mehr geht es um menschliche Embryonen und den Umgang damit. Mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik wird ein im Reagenzglas gezeugter Embryo auf seine erbliche Belastung überprüft. Nur, wenn der Embryo als erblich unbelastet getestet worden ist, wird er anschließend in die Gebärmutter der Frau übertragen.

Im Fall einer Belastung wird er vernichtet. Das heißt, hier findet ganz eindeutig eine Selektion und eine Zuschreibung von Lebenswert statt. Damit aber etabliert die Präimplantationsdiagnostik ein neues Prinzip. Eine auch nur begrenzte Zulassung dieser Präimplantationsdiagnostik setzt voraus, dass dem Embryo kein mit dem geborenen Menschen gleichwertiger Status zuerkannt wird und eine Stufenfolge des Menschwerdens angenommen wird.

Meine Kolleginnen und Kollegen, dies aber lehnen wir ab. Für uns gibt es nicht die mehrstufige Menschwerdung.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPD, von Ihnen wird im Antrag angeführt, und Sie haben es hier auch noch einmal ausgeführt, dass die Präimplantationsdiagnostik nichts anders sei als eine vorgezogene pränatale Diagnostik, und im Vergleich mit einer Schwangerschaft auf Probe bei der Pränataldiagnostik sei die Zeugung auf Probe bei der Präimplantationsdiagnostik die die Frau weniger belastende Variante.

Ich finde, dieser Vergleich hinkt. Ich stelle fest, dass die Belastung bei einer Präimplantationsdiagnostik nicht zu unterschätzen ist. Die Anwendung der Diagnostik setzt eine genetische Untersuchung beider Partner, die Hormonbehandlung der Frau zur Stimulation der Eireifung, die Entnahme der Eizellen sowie die Samenspende voraus. Durch die noch immer relativ geringe Erfolgschance von ca. 15 % bis 20 % kann sich eine solche Behandlung über Monate oder gar Jahre erstrecken. Das ist eine Behandlung, die für die Frau, aber auch für den Mann belastend ist. Aufgrund der Fehlerhäufigkeit der Präimplantationsdiagnostik übrigens empfehlen die Ärzte zusätzlich eine Pränataldiagnostik nach Eintritt einer Schwangerschaft. Der entscheidende Unterschied zwischen Präimplantationsdiagnostik und Pränataldiagnostik besteht aber darin, dass für die Präimplantationsdiagnostik eine Zeugung im Reagenzglas erst eingeleitet wird, bei der Pränataldiagnostik hingegen eine Schwangerschaft bereits besteht.

Der mögliche schwere Konflikt, der mit einer Behinderung des Embryos gegeben sein kann, wird bei der PID, also durch ärztliches Handeln, erst herbeigeführt.

Nun befürworten Sie, meine Kollegen von SPD und FDP, die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik nur bei streng gestellter Indikation. Die Erfahrung lehrt uns aber, dass es naiv ist zu glauben, dass dies eingehalten würde. Von streng gestellter Indikation war anfangs auch bei der Reagenzglasbefruchtung und bei der Pränataldiagnostik die Rede. Ein Blick in die Nachbarländer, vor allem aber in die USA zeigt, dass dort schon heute die Präimplantationsdiagnostik nicht nur in mehr als 60 % der Fälle bei erhöhtem mütterlichen Alter und extrakorporaler Befruchtung eingesetzt wird, sondern auch zum normalen Screeningprogramm mehr und mehr von im Reagenzglas erzeugten Embryonen gehört, also auf Gruppen angewendet wird, für die die Präimplantationsdiagnostik gar nicht gedacht war.

Nun weisen Sie auch darauf hin, dass es im Fall einer Nichtzulassung der PID in Deutschland zu einem Tourismus ins Ausland käme. Ein solcher ist aber natürlich im Fall einer Zulassung nicht auszuschließen; denn wer im Rahmen einer strengen Indikationsstellung, wie Sie sie fordern, hier nicht zum Zuge kommt, wird weiterhin Auswege im Ausland suchen. Dass im Ausland im Übrigen die Gesetzgebung im Hinblick auf die PID und den Embryonenschutz zum Teil liberaler ist, darf uns nicht davon abhalten, die von uns als richtig erkannten Pos itionen weiterhin aufrechtzuerhalten.

Im Übrigen wird auch im Ausland durchaus kontrovers über diesen Themenbereich diskutiert.

Es geht noch um eine weitere Dimension, die kaum wahrgenommen wird. Der Druck auf Frauen, die zum Beispiel ein Kind mit einer schweren Behinderung bereits geboren haben, eine Reagenzglasbefruchtung auf sich zu nehmen, die sie eigentlich gar nicht in Anspruch nehmen müssten, um ein Kind zu bekommen, wird riesig groß werden. Eine Zulassung der PID wird diesen Druck zwingend mit sich bringen. Deshalb hat zum Beispiel auch der Deutsche Ärztinnenbund gegen die PID votiert, ausdrücklich im Interesse der Frauen, die ein Kind bekommen können und durch das gesamte Verfahren erst zu In-vitro-Fertilisations-Patientinnen gemacht werden.

Die schwierige Situation von einigen Paaren, die die Sorge haben, ein behindertes Kind zu bekommen, ist zwar gut nachvollziehbar, aber ein Katalog von Krankheiten und Klassifizierungen, bei denen Lebensrecht zuerkannt oder abgesprochen wird, darf es nicht geben.

(Beifall bei der CDU)

Die optionale Verwerfung menschlichen Lebens widerspricht dem Menschenbild, wie es in unserer Verfassung beschrieben und Grundlage unserer Gesellschaft ist. Menschliches Leben darf zu keinem Zeitpunkt grundsätzlich zur Disposition gestellt werden, nicht am Anfang und nicht am Ende. Dies darf es gerade im Hinblick auf die Erfahrungen im letzten Jahrhundert in unserer nationalen Geschichte nie wieder geben.

Ich denke, wir haben an unser Handeln andere Maßstäbe anzulegen als andere Länder.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aus all den angesprochenen Gründen wird die CDU den Antrag der Fraktionen der SPD und FDP ablehnen.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! PID, Präimplantationsdiagnostik, ist das heutige

Thema. Wir haben schon die beiden unterschiedlichen Positionen im Grundsatz erfahren.

Ich glaube, in einer Sache sind wir uns einig. Wir wollen, dass das Embryonenschutzgesetz, das bisher der juristische Hintergrund für die PID ist, klarer definiert wird. Wir wollen es in unterschiedlicher Art und Weise.

Der Gruppenantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte ein klares Verbot, nicht wie jetzt im Embryonenschutzgesetz eine unklare Situation, sondern ein klares Verbot. SPD und FDP sprechen sich für einen abwägenderen Umgang in dieser Frage aus.

Es wurde schon angesprochen, dass Beziehungen zwischen der Präimplantationsdiagnostik und der Pränataldiagnostik bestehen. Ich möchte zuerst auf diesen Problembereich eingehen.

Ich gebe meiner Kollegin ausdrücklich Recht, dass eine Haltung, die die Pränataldiagnostik – das schreiben Sie expressis verbis in Ihrem Antrag – in selektiven Einzelfällen erlaubt, die Präimplantationsdiagnostik in eben diesen selektiven Einzelfällen – nur um die geht es uns, um Missverständnissen vorzubeugen – nicht erlaubt, eine Haltung ist, die ich nicht nachvollziehen kann.

Es gibt die Position, dass man sagt, anders als die Natur, die sehr viele Embryonen verwirft, die nicht schwanger werden können, die eingenistet sind, aber dann abgestoßen werden, darf der Mensch einen Embryo nie und unter gar keinen Umständen verwerfen. Frau Hammer, so habe ich Sie verstanden. Dann ist das eine klare und konsequente Haltung. Aber mit dieser Haltung verträgt sich keine PND, auch nicht in selektiven Einzelfällen.

Wer also sagt, wir sind strikt dagegen, der muss auch laut und deutlich sagen: Wir sind dagegen, dass jetzt 70.000/80.000 Frauen pro Jahr PND in eigener Verantwortung, nach Prüfung ihres eigenen Gewissens, nach Diskussionen mit Partnern und nach Information und Beratung durchführen lassen. – Dann muss man die Ehrlichkeit besitzen, das zu sagen.

(Beifall der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, man muss darüber hinaus die Ehrlichkeit haben zu sagen: Dann sind wir auch gegen In-vitro-Fertilisationen; denn auch da kommt es über die Technik, die uns bekannt ist, zum Verwerfen von Embryonen. – Dann muss man klipp und klar sagen: Wir sind gegen jede Form des Embryonenverbrauchs. – Solange man das nicht sagt, solange man dazu nicht bereit ist – ich bitte, das nicht falsch zu verstehen –, ist die Grenze zwischen Sektierertum und Prinzipienfestigkeit nicht klar gezogen.

Solange man das nicht klar sagt, setzt man sich dem Vorwurf aus, dass man politisch einen bequemeren Weg geht, auch deshalb, weil man großen gesellschaftlichen Gruppen folgt, die das zu ihrem Thema und zu ihrer

Meinung gemacht haben, was ich für diese großen gesellschaftlichen Gruppen akzeptiere.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Dr. Schmitz, das ist unglaublich!)

Frau Thomas, ich erwarte auch von Ihnen, dass Sie mein christliches Gewissen so wie das vieler anderer genauso respektieren, wie ich das tue.

(Beifall der FDP und der SPD)

Von daher verstehe ich Ihren Einwurf nicht.

Frau Thomas, ich werde im Übrigen – das sei schon jetzt angemerkt – auch noch auf die Position von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser Frage im Detail eingehen.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch auf einen weiteren Unterschied in der Betrachtungsweise eingehen. Es gibt einen großen Unterschied, ob ich eine Pränataldiagnostik betreibe, die im Ergebnis – Frau Hammer, da gebe ich Ihnen Recht – dazu führt, dass Kinder per Abtreibung aussortiert werden. Das ist das Ergebnis der Pränataldiagnostik; denn wer nicht bereit ist, sein Kind abtreiben zu lassen, braucht keine Pränataldiagnostik. Das Ergebnis PND in Kauf genommen ist die Abtreibung.

Das angestrebte Ergebnis der PID in ca. 100 Fällen in Deutschland – nur um die geht es uns – ist die Schwangerschaft. Das ist ein himmelweiter Unterschied.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte auch mit dem Missverständnis aufräumen, das die Position stützen soll, gegen die PID einzutreten, nämlich mit dem Missverständnis, dass man Selektion und PID zusammenbringt. Selektion und PID sind zwei ganz unterschiedliche Dinge.

Wenn mich jemand fragen würde, ich kann nicht schwanger werden, wie stehst du zu meinem Vorschlag, Präimplantationsdiagnostik zu betreiben, damit ich einen Embryo eingepflanzt bekomme, der bei mir lebensfähig ist, dann würde ich sagen: Dafür habe ich großes Verständnis. – Wenn mir aber jemand sagen würde, er wolle ein blondes, blauäugiges und intelligentes Kind, was er auf irgendwelchen technischen Wegen erreichen wolle, dann hätte ich kein Verständnis dafür und würde meine Abscheu vor einem solchen Denken klipp und klar zum Ausdruck bringen. Ich bin aber dagegen, dass man diese beiden Vorstellungen leichtfertig zusammenbringen darf.

Meine Damen und Herren, zur Frage des Umgangs mit Behinderten und zur Verbindung dieser Fragestellung mit der Präimplantationsdiagnostik: Wir wissen alle, dass die große Zahl der Behinderungen nach der Geburt entsteht und die große Zahl der Behinderungen, die im Rahmen der Geburt deutlich werden, Behinderungen sind, die auch bei der Pränataldiagnostik nicht sichtbar sind. Ich bin der Meinung, dass sich unsere Gesellschaft bei der Beurteilung, der Bewertung und dem Miteinander

mit Behinderten in den vergangen Jahrzehnten erfreulich fortentwickelt hat, sodass ich das Gegenteil dieser Gefahr sehe. Ich stelle mit großer Freude fest, wie die Gesellschaft inzwischen mit Behinderungen und behinderten Menschen umgeht. Ich sehe überhaupt kein Risiko, dass man in unselige Zeiten zurückfallen wird. Ich meine, dass sich die Gesellschaft in diesen Fragen in der Tat weiterentwickelt hat.

Meine Damen und Herren, zur politischen Bewertung: Frau Thomas, vielleicht darf ich noch einmal auf Ihre Ausführungen eingehen. Ich kann Ihnen das nicht ersparen. Sie müssen mit dem Vorwurf leben, in Fragen der Abtreibung und in Fragen des Embryonenschutz diametral entgegensetzte Positionen einzunehmen, die Sie in Fragen der Bioethik – nicht Sie persönlich, sondern die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – komplett unglaubwürdig machen.

(Beifall bei FDP und SPD)