Protocol of the Session on July 10, 2003

(Beifall der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Baldauf das Wort.

Frau Kollegin Reich, ich bin kein Richter. Aber ich kann zumindest lesen. Sind Sie nicht der Meinung, dass Herr Werner, der in einem Presseartikel – „Allgemeine Zeitung“ vom 26. Juni – stocksauer reagiert hat, in irgendeiner Art und Weise Recht haben kann, oder meinen Sie, dass nur Ihre Ansicht die richtige sein kann? Spricht Herr Werner vielleicht nur für fünf Richter oder vielleicht für ein paar mehr? Das würde mich einmal interessieren.

(Beifall bei der CDU)

Zur Erwiderung hat Frau Abgeordnete Reich das Wort.

Herr Kollege Baldauf, selbstverständlich haben wir auch die Presseverlautbarung gelesen. Wir verstehen auch, dass es ein verständlicher Wunsch aus der Richterschaft ist, vielleicht mit mehr Richtern und Richterinnen in dem Gremium vertreten zu sein. Aber ich habe versucht, in meiner Rede klarzumachen, dass wir ein neues Parlamentsgremium schaffen. Es ist für uns als SPD-Fraktion, aber auch für die FDP-Fraktion klar, dass in diesem Gremium die Parlamentarier die eindeutige Mehrheit haben.

(Hartloff, SPD: Rechtsprechung des Verfassungsgerichts)

Das ist eine politische Entscheidung, die wir gegenüber der Richterschaft auch so offensiv vertreten werden.

(Beifall der SPD und des Abg. Kuhn, FDP)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Grützmacher.

Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Richtergesetz, wo es vor allem – das ist

der Mittelpunkt der Beratung – um die Installierung eines Richterwahlausschusses geht, geht die Landesregierung unserer Meinung nach auf jeden Fall einen Schritt in die richtige Richtung.

Mit dem Richterwahlausschuss – dies sagte auch schon Frau Reich – wird jetzt erstmals die Trennung zwischen Judikative und Exekutive klarer durchgeführt. In Zukunft entscheidet nicht mehr allein der Justizminister über Auswahl und Beförderung von Richtern und Richterinnen, sondern der Wahlausschuss, dem in RheinlandPfalz zwei Richterinnen und Richter, ein Anwalt bzw. eine Anwältin und acht Abgeordnete angehören sollen.

Das ist unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung ein längst fälliger Schritt.

Herr Baldauf, das ist ein Schritt, den sowohl der – wenn ich dies so sagen darf – konservative Richterbund als auch andere Richterbünde gefordert haben.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Der Wahlausschuss an sich ist nicht strittig, auch unter den Betroffenen und Beteiligten. Es gibt auch eine Empfehlung des Europarats. Da wird eindeutig darauf hingewiesen – ich zitiere –: „Die für die Auswahl und Laufbahn der Richter zuständige Behörde sollte von der Exekutive unabhängig sein.“ – Das ist die Grundlage. Die finden wir richtig. Das wird in anderen Bundesländern und in anderen europäischen Ländern schon gemacht. Hier hinken wir eher ein bisschen hinterher.

Aber jetzt kommen noch zwei Einschränkungen, die ich auch in unserem Änderungsantrag niedergelegt habe.

Allerdings wird der Grundsatz, dass die Judikative von der Exekutive unabhängig sein soll, in dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht stringent durchgeführt; denn der Wahlausschuss ist nur für die Anstellung der Richterinnen und Richter auf Lebenszeit zuständig. Die Ersteinstellung, also die Anstellung der Richterinnen und Richter auf Probe, bleibt weiterhin bei der Exekutive. Dabei ist es bisher noch so, dass die Ersteinstellung die alles entscheidende ist; denn die so genannten Proberichter und -richterinnen werden zu 99 % übernommen, wenigstens bisher.

Wenn dieser Gesetzentwurf mehr Transparenz bei der Einstellung von Richtern und Richterinnen herstellen soll, dann müssen unserer Meinung nach dessen Befugnisse auch auf den Fall der Ersteinstellung ausgedehnt werden. Das haben wir auch in unserem Änderungsantrag eingebracht.

Meine Damen und Herren, das war im Moment der Hauptpunkt. Es gab viele Diskussionen um die Zusammensetzung des Ausschusses. Von der Richterschaft kam der Vorwurf, dass mit acht Abgeordneten und nur zwei Richterinnen und einem Anwalt/einer Anwältin einer parteipolitisch gelenkten Auswahl der Richterinnen Vorschub geleistet werden kann. Das haben SPD und FDP natürlich mit Entrüstung von sich gewiesen.

Meine Damen und Herren, besonders von der SPD und der FDP, wenn der Richterwahlausschuss richtigerweise

von parteipolitischer Ausrichtung unabhängig sein soll, ist zu fragen, warum es dann nicht möglich ist, dass jede Fraktion ein Grundmandat in diesem Ausschuss hat. Das wäre dann ein deutliches Beispiel, dass es Ihnen wirklich um einen parlamentarischen Ausschuss geht, in dem alle Fraktionen vertreten sind, also parlamentarisch, wie Sie, Frau Reich, immer betont haben, und zwar ein parlamentarischer Ausschuss, in dem alle Fraktionen vertreten sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in unserem Änderungsantrag gefordert, dass es ein Grundmandat für die kleinen Fraktionen gibt; denn wenn es ein parlamentarisches Gremium ist, dann sollten alle Fraktionen beteiligt sein.

Meine Damen und Herren, wir haben diese Kritikpunkte in einen Änderungsantrag eingebracht. Dieser wird heute nicht besprochen, geht aber, so hoffe ich, mit in die Anhörung und weitere Diskussion an die Ausschüsse. Ich bin gespannt, was in den Ausschüssen und der Anhörung dazu zu sagen ist.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Baldauf, Ihre Rede ist schon bemerkenswert.

(Baldauf, CDU: Danke!)

Der Richterwahlausschuss ist des Teufels.

Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg: Überall in diesen Bundesländern gibt es einen Richterwahlausschuss.

(Baldauf, CDU: Das ist etwas ganz anderes! Das wissen Sie genau!)

Ich komme nachher noch darauf zurück.

Im Gegensatz zu diesen Ländern ist all das, was der Richterwahlausschuss in Rheinland-Pfalz entscheidet, auch noch gerichtlich überprüfbar. Darin unterscheiden wir uns von den anderen Ländern, wo diese Entscheidungen endgültig sind. An diesem kleinen Beispiel mögen Sie schon sehen, dass es nicht Intention des Gesetzentwurfs war, für parteipolitische Taktierereien eine Grundlage zu schaffen.

Meine Damen und Herren, für das Anliegen der Richterinnen und Richter, wonach die Richterschaft bestimmen solle, wen sie in den Wahlausschuss entsendet, haben wir durchaus Verständnis. Ich würde es begrüßen, wenn

der Landtag bei der Wahl der Richterinnen und Richter dem Vorschlag aus der Richterschaft folgen würde. Gleiches gilt im Übrigen für die Wahl des Rechtsanwalts bzw. der Rechtsanwältin in den Richterwahlausschuss.

Die Richterschaft bzw. die Anwaltschaft besitzt eine hohe Fachkompetenz, die wir Parlamentarier für unsere eigene Entscheidung nutzen sollen.

Meine Damen und Herren, sehr wichtig für die FDPLandtagsfraktion war, dass auch in Zukunft bei der Auswahlentscheidung am Prinzip an der Bestenauslese festgehalten wird. Dies unterstützen wir ausdrücklich. Nach meiner innersten Überzeugung dürfen bei der Ernennung und Beförderung eines Richters und einer Richterin keine parteipolitischen Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Die persönliche und fachliche Eignung eines Bewerbers bzw. einer Bewerberin muss den Ausschlag geben.

Alle Rechtsuchenden in Rheinland-Pfalz haben einen Anspruch darauf, dass an unseren Gerichten nur die Besten Recht sprechen. Dabei müssen jedoch – das betone ich an dieser Stelle – in Rheinland-Pfalz die Verfahren so erledigt werden, dass der gesetzlich vorgegebene Zeitrahmen bei der Untersuchungshaft einsitzender Gefangener auch eingehalten wird.

Für die FDP-Fraktion war es wichtig, dass sich das Gremium des Richterwahlausschusses ausschließlich an der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der vom Justizminister vorgeschlagenen Bewerberinnen und Bewerber orientieren darf.

Herr Baldauf, durch diese für alle Bewerberinnen und Bewerber gleichen und insbesondere transparenten Maßstäbe bei Personalentscheidungen wird parteipolitisches Taktieren ausgeschlossen, auch wenn gegenteilige Befürchtungen im Vorfeld der Gesetzgebungsberatung immer wieder durch die rheinland-pfälzische Justiz geisterten und von Ihnen aufgegriffen werden.

Sie wissen, dass dieser Gesetzentwurf dies nicht zulässt. Es ist schlicht und einfach falsch.

Übrigens: Die jeweilige Opposition hat zusammen mit den Richtern und dem Rechtsanwalt im Richterwahlausschuss immer eine Mehrheit und könnte die fünf Abgeordneten der Regierungsfraktionen jederzeit überstimmen. Trotzdem dürfte eine parteipolitisch motivierte Abstimmung auch in Zukunft nicht zum Ziel führen; denn jede Entscheidung des Richterwahlausschusses muss durch diesen schriftlich begründet werden, was bundesweit einmalig ist.

Herr Kollege Baldauf, das ist bundesweit einmalig.

(Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Dies erleichtert nicht nur die Durchsetzung des Leistungsprinzips im Wege einer möglichen Konkurrentenklage eines unterlegenen Bewerbers, sondern auch, und dies ist in Rheinland-Pfalz einmalig, die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs des Landes durch den Justizminister bzw. die Justizministerin bei Zweifeln an der Einhaltung des Prinzips der Bestenauslese. Somit hat

der Justizminister bzw. die Justizministerin die Möglichkeit, gegebenenfalls – dies betone ich – sachfremd motivierte Entscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen, wenn es um die Ernennung bzw. Beförderung von Richterinnen und Richter auf Lebenszeit geht.

Die Möglichkeit einer objektiven gerichtlichen Überprüfung auf höchster Ebene, die es im Übrigen in andern Ländern wie beispielsweise in Hessen nicht gibt, schafft die von der FDP-Fraktion geforderte nötige Transparenz und stärkt das Ansehen des Richterwahlausschusses.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)