Protocol of the Session on July 9, 2003

Die Bürger werden mit ihrer Stimmabgabe auch erstmals Einfluss auf die politische Zusammensetzung und Ausrichtung der Kommission nehmen. Ferner erhalten sie ein verbrieftes Grundrecht: Verstöße der EU-Organe können sie vor dem Europäischen Gerichtshof geltend machen.

Die EU wurde durch die Verfassung zukunftsfähig. Die Charta der Grundrechte, die seinerzeit unter Leitung von Roman Herzog erstellt wurde, ist, wie wir auch alle hofften, zum Bestandteil der Verfassung geworden, meine Damen und Herren.

Wir Christdemokraten hätten gern die Verantwortung des Menschen vor Gott in der Präambel der Verfassung verankert und haben sehr lange darum gestritten. Das war leider nicht durchsetzbar. Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Bedeutung des religiösen Erbes Europas wurde jedoch ein Kompromiss gefunden.

Drei der vier Entwurfsteile sind fertig. Der dritte Teil, der die Ausgestaltung der einzelnen Politikfelder und die geforderte Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik regelt, soll Mitte dieses Monats ausfor

muliert werden. Meine Damen und Herren, wünschen wir ein gutes Gelingen für das friedensfestigende Kernstück der Verfassung!

Nun geht es darum, das Regelwerk umzusetzen und den Bürgern aller Beitrittsländer ein lebendiges Europa zu vermitteln. Es braucht noch mehr Menschen, die es verstehen, durch Transparenz und Bürgernähe gerade aufgrund der Verfassung Begeisterung bei den Menschen hervorzurufen.

(Beifall bei der CDU)

Es braucht Menschen, die bereit sind, sich darauf einzulassen, verstärkt den Dialog vor allen Dingen mit der Jugend zu suchen, die sich insbesondere für Europa begeistern lässt.

(Beifall der CDU)

Fördern und verstärken wir alle gemeinsam die Zusammenarbeit der Jugend in allen Beitrittsländern. Meine Damen und Herren, stärken wir den Mittelstand und begründen und beleben wir neue Partnerschaften. Achten wir darauf, dass das Subsidiaritätsprinzip für alle verständlich wird. Tragen wir alle gemeinsam dazu bei, die gemeinsamen Interessen, Wurzeln und Grundwerte in den Herzen und Köpfen der Europäer zu verankern und durch die Verfassung zu verdeutlichen. Erfüllen wir die Verfassung mit Leben – das ist mein Anliegen an Sie alle, und darin beziehe ich alle Parteien ausdrücklich mit ein –, und werden wir in diesem Sinne gute Botschafter für ein Europa in Frieden und Freiheit.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, ich begrüße Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrer der 12. Klasse des Leistungskurses Geschichte des Karolinen-Gymnasiums Frankenthal. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Es spricht nun Frau Abgeordnete Morsblech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anlass dieser Debatte im rheinland-pfälzischen Landtag ist für uns alle sehr erfreulich. Wir haben uns gemeinsam über Jahre hinweg für eine europäische Verfassung eingesetzt und immer wieder eingefordert, dass Europa demokratischer, transparenter und bürgernäher werden muss. Wir haben uns gerade auch in persönlichen Begegnungen mit jungen und alten Bürgerinnen und Bürgern sowie im Rahmen von Partnerschaften und unserer Mitarbeit in interregionalen Grem ien immer wieder ganz konkret für eine bürgernahe Europäische Union eingesetzt.

Die europäische Verfassung wird mit Sicherheit die beste Grundlage sein, auf der Europa bisher gestaltet werden konnte. Dadurch, dass der Europäische Konvent maßgeblich aus Parlamentariern zusammengesetzt war und Bürgerinnen und Bürger an diesem Diskurs beteiligt waren, war dies sicherlich eine richtige Methode, um Europa zu öffnen, auch wenn man sich manchmal gewünscht hätte, dass diesem Diskurs mehr publizistische Aufmerksamkeit beigemessen worden wäre.

(Ministerpräsident Beck: Das ist wahr, ja!)

Daher hat die FDP einen Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, um die europäische Verfassung von den Bürgerinnen und Bürgern in einer Volksabstimmung abstimmen zu lassen. Wir sind der Meinung, dass diese Verfassung die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger darstellt, dass es ihre Verfasstheit in einer europäischen Demokratie ist und sie deshalb auch selbst darüber abstimmen können sollten. Es wäre schön, wenn man sich auf Bundesebene gemeinsam auf ein solches Vorgehen einigen könnte. Ich fordere Sie auf, in Ihren Fraktionen dafür zu werben.

Ein Verfassungsentwurf, wie er für die EU in den ersten beiden Teilen vorliegt, ist in seiner Ausgestaltung machtpolitisch nicht ganz einfach auszuhandeln. Auch wir im Landtag Rheinland-Pfalz, speziell aus der Perspektive einer starken Region in einem Föderalstaat, wären sicherlich in dem einen oder anderen Punkt noch weiter gegangen. Wir hätten uns gewünscht, dass das Parlament das Recht der vollen Mitentscheidung ohne die immer noch angedachten Ausnahmen bekommt. Wir hätten uns auch gewünscht, dass man beispielsweise auch im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik Mehrheitsentscheidungen treffen kann. Das gilt auch für die anderen Bereiche, die jetzt noch ausgenommen werden sollen und in denen die Europäische Union handlungsfähiger werden muss.

Wir hätten uns auch gewünscht, dass im Rahmen der Stärkung des Subsidiaritätsprinzips einzelne Regionen ein Klagerecht vor dem EuGH bekommen hätten. Aber gleichgültig, aus welcher Interessenlage heraus es noch berechtigte Verbesserungsvorschläge gibt, darf man doch den vorliegenden Kompromiss von insgesamt über 200 ordentlichen und stellvertretenden Konventsmitgliedern aus 25 Staaten meiner Ansicht nach weder kleinreden noch in der Regierungskonferenz erneut aufschnüren.

In den Teilen I und II, die jetzt schon vorliegen, sind erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Die Kompetenzabgrenzung zeigt, dass das Subsidiaritätsprinzip künftig nicht mehr nur auf dem Papier existieren wird. Die Wahl des Kommissionspräsidenten, aber auch die erhebliche Ausweitung der Rechte des Parlaments und die unkomplizierteren und gleichberechtigten Gesetzgebungsverfahren von Parlament und Rat sorgen für eine erhebliche Demokratisierung der EU. Die Rechte des Bürgers gegenüber den Institutionen werden gestärkt und auch durch Elemente der direkten Demokratie ergänzt. Die Zuständigkeiten und die Bindung von Verantwortung an Personen wird klarer, und nicht zuletzt wird es durch die Charta der Grundrechte eine gemeinsame Basis durch

einen Wertekanon geben, der uns alle gemeinsam in die Lage versetzt, uns auf einer ethischen Basis mit dieser EU zu identifizieren.

(Beifall der FDP und der SPD)

Für die Länder und auch für die Kommunen ist das Recht auf kommunale Selbstverwaltung verankert, und ein Klagerecht wird es künftig zumindest für die Nationalparlamente, für den Bundesrat und sogar für den Ausschuss der Regionen geben. Subsidiaritätsverstöße können künftig schon in einem Frühwarnsystem rechtzeitig im Gesetzgebungsprozess moniert und damit korrigiert werden. Vieles von dem, was nun erreicht wurde, haben wir sehr lange diskutiert und haben es zum Teil auch schon mehr oder weniger als Vision eines starken Landes in einem Föderalstaat gesehen. Ich denke, aus dieser Perspektive heraus ist es für uns ein sehr gutes Ergebnis, über das wir uns freuen können. Ich würde mir wünschen, dass wir diese Freude, aber auch das Engagement für die uns vorliegende Verfassung mit den Bürgerinnen und Bürgern noch stärker teilen könnten. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

Vielen Dank. (Beifall der FDP und der SPD)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Wiechmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute über die zukünftige europäische Verfassung sprechen können; denn dies ist tatsächlich ein Anlass zur Freude. Die Europäische Union steht vor einer der wohl wichtigsten Weichenstellungen ihrer Geschichte. In nur knapp einem Jahr werden zehn neue Mitglieder aufgenommen. Damit wird die vorübergehende Teilung unseres Kontinents aufgehoben. Der Konvent für eine europäische Verfassung wird seine Arbeit in diesen Tagen – heute und morgen tagt er noch einmal in Brüssel – hoffentlich erfolgreich abschließen. Der Weg hin zu einer Erweiterung und zu einem notwendigen und grundlegenden Integrationsfortschritt in der Europäischen Union ist somit vorgezeichnet, und das ist gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ein Wesensmerkmal der Europäischen Union ist es sicherlich, dass sie sich schrittweise von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl über die Zollunion zum Binnenmarkt und zur Währungsunion entwickelt. Jetzt werden wir in einem Jahr hoffentlich eine europäische Verfassung bekommen. Aber auch diese wird sich in Zukunft sicherlich immer weiterentwickeln. Sie muss sich auch weiterentwickeln.

Wir sind noch lange nicht am Ende der Integration in Europa angekommen. Deswegen glaube ich, dass die

Diskussionen über die Finalität der Europäischen Union nicht gerade zielführend sind. Sie sind auch deshalb nicht zielführend, weil wir der jungen Generation und den künftigen Generationen nicht vorschreiben können und dürfen, wie sie eines Tages Europa gestalten. So wird beispielsweise auch die Erweiterung der Europäischen Union mit der Aufnahme der zehn weiteren Länder im nächsten Jahr sicherlich noch nicht abgeschlossen sein.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, trotzdem lohnt es sich, sich ein Europa der Zukunft zu erträumen: Frieden, Solidarität, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind sicherlich die Grundwerte, denen wir uns gemeinsam verpflichtet fühlen müssen.

Damit dies dauerhaft Wirklichkeit wird und bleibt, brauchen wir ein starkes Europa, ein Europa, das zu mehr globaler Gerechtigkeit und Solidarität beiträgt und sich gemeinsam im Rahmen der Weltgemeinschaft einbringt, um für weltweiten Frieden, weltweite Sicherheit und weltweite Stabilität zu sorgen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, man muss heute auch erwähnen, vor allem brauchen wir ein offenes und ein tolerantes Europa, in dem Fremdenfeindlichkeit, Faschismus und Rechtspopulismus keine Chance haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ich möchte hier betonen: Was kann ein italienischer EURatspräsident mit seinen wirklich skandalösen verbalen Entgleisungen schon gegen Vino, Panini und Dolce Vita ausrichten? Berlusconi wird eine vorübergehende Erscheinung sein, aber Europa bleibt. Ich glaube, das ist zentral.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir werden Freundschaften über Staatsgrenzen hinweg schließen. Wir werden auch als Deutsche die Regionen besuchen und kennen lernen. Wir werden gemeinsam am Europa der Bürgerinnen und Bürger weiterbauen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, nun liegt die Verfassung der Europäischen Union vor. Zwar wird der Konvent in diesen Tagen nochmals den dritten Teil beraten, in dem die Zuständigkeiten der Europäischen Union in den einzelnen Politikfeldern definiert werden, wie zum Beispiel die Außen- und Umweltpolitik, aber der eigentliche Verfassungsteil ist fertig.

Der Konvent hat damit nicht nur seine Aufgabe und seinen Auftrag erfüllt, eine transparentere, demokratischere und bürgernähere Union zu schaffen, sondern er konnte auch ganz wichtige Integrationsfortschritte erzielen, die, wenn man sich die letzten Regierungskonferenzen noch einmal in Erinnerung ruft, ziemlich illusorisch waren.

Besonders erfreulich ist sicherlich die Stärkung des Europäischen Parlaments. Es ist nun mit dem Ministerrat gleichberechtigt Gesetzgeber und Haushaltsbehörde der Europäischen Union. Zwar gibt es immer noch einige Ausnahmen von dieser Regel – meine Kollegin Morsblech hat noch einmal darauf hingewiesen –, aber ich glaube, wir sind einen bedeutenden Schritt weiter auf dem Weg zu einer Demokratisierung der EU.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Glocke des Präsidenten)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, trotz mancher Schwächen und Mängel, bei denen wir sagen würden, an diesem Punkt hätten wir gern noch ein wenig weitergemacht, ist die europäische Verfassung das beste Fundament, auf dem das europäische Haus je gestanden hat. Deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam dieses Haus weiterbauen und uns tatsächlich in einem übergreifenden Konsens wiederfinden. Deswegen ist diese Diskussion heute besonders wichtig.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Ministerpräsident Beck das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wohl wahr: Vor zwei Jahrzehnten hätte sich noch kaum jemand vorstellen können, dass wir Mitte des Jahres 2003 zusammenkommen und über die Endphase der Verfassungsgebung für ein zusammenwachsendes und größer werdendes Europa miteinander debattieren können.

Das zeigt, dass wir vorangekommen sind. Das zeigt aus meiner Sicht aber auch, dass dieses Europa aus einer schrecklichen Vergangenheit heraus gelernt hat, dass es aber auch die richtigen Lehren zieht, nachdem die Teilung Europas aufgehoben ist. Zu dieser Teilung Europas hat auch über vier Jahrzehnte hinweg die Teilung uns eres Vaterlandes gehört.

Wir sind jetzt dabei, dieses Europa zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen zu lassen, die rund 450 Millionen Menschen umfassen wird. Weitere Schritte sind nicht ausgeschlossen, wenngleich ich sehr ernsthaft mit allen, die diese Diskussion führen, über die Grundwerte und die Beibehaltung dieser Grundwerte und Grundorientierungen sprechen möchte, ohne Türen zuzuschlagen auch in Richtung Türkei, aber auch mit der ernsthaften Frage, wie wir das Gemeinschaftliche, die kulturellen, geistigen und auch die religiösen Wurzeln dieses Europas wach halten können.