Protocol of the Session on June 21, 2001

Während die Landesregierung durchschnittlich ganze drei Grundschulen für einen Landkreis vorsieht,

(Glocke des Präsidenten)

wollen wir hingegen an 400 Grundschulen in RheinlandPfalz beginnen. Nach dem Motto „kurze Beine – kurze Wege“ wollen wir hingegen verhindern, dass Grundschülerinnen und Grundschüler zu Fahrschülerinnen und Fahrschülern werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mertes, SPD: Dann müssen wir den Verfassungsschutz beauftragen!)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich weise darauf hin, dass wir für ein ganztägiges durchorganisiertes Bildungsangebot sind. Sie können sicher sein, dass wir alles unternehmen werden, um die Schulen mit ihren Ganztagsangeboten nicht zu nachmittäglichen Aufbewahrungsstätten verkommen zu lassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lelle, CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte wird immer amüsanter. Herr Wiechmann, von Ihnen hatte ich etwas anderes erwartet als von Herrn Dahm, der sich immer sehr gut im Drehen von Zahlen verstanden und sonst nicht viele Argumentationen abgeliefert hat. Es ist schade, dass Sie so weitermachen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Es ist schon interessant, wie sehr es die Opposition ärgert, wenn Wahlversprechen eingehalten werden,

(Beifall bei FDP und SPD)

und dann auch noch so konkret, dass alle Zahlen in der Koalitionsvereinbarung schwarz auf weis stehen, die Sie

immer wieder einfordern und die Sie offensichtlich nicht lesen können. Deshalb werde ich sie noch einmal wiederholen. Von Frau Kollegin Brede-Hoffmann ist es zwar schon einmal gesagt worden, aber bevor Sie die gleichen Fragen erneut stellen, die Sie in den vergangenen Wochen offensichtlich immer noch nicht durch verschiedene Berichte beantwortet bekamen, kann ich es gern noch einmal wiederholen, Herr Lelle.

Wir haben konkrete Koalitionsvereinbarungen getroffen. Es sollen an 300 Schulen und nicht, wie Herr Wiechmann behauptet, an 240 Schulen Ganztagsangebote eingerichtet werden.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zusätzliche!)

Dafür sollen 1.000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. Dafür sind konkrete Vorgaben für den Haushalt gemacht worden: Für das Jahr 2002 30 Millionen DM, für das Jahr 2003 70 Millionen DM, für das Jahr 2004 100 Millionen DM und für das Jahr 2005 120 Millionen DM. All das können Sie der Koalitionsvereinbarung entnehmen. Das ist meiner Meinung nach konkret genug.

Herr Lelle, ich komme auf Ihre Frage nach dem Elternbeitrag zu sprechen. Dadurch, dass das Land die Personalkosten abdeckt, bleiben noch Kosten für das Mittagessen übrig. Das zahlen die Eltern ihren Kindern auch sonst. Deshalb werden sie diese Kosten für ein Mittagessen übernehmen müssen. Bauliche Veränderungen, soweit sie notwendig werden, muss der Schulträger übernehmen. Es ist heute bereits klar geregelt, wer welche Kosten im Schulwesen trägt.

(Beifall bei FDP und SPD)

Kernpunkte bei den Ganztagsangeboten sollen zum einen der Angebotscharakter und die Freiwilligkeit der Nutzung sein. Es kann davon ausgegangen werden, dass an den Schulen ein Halbtagsangebot bestehen bleibt und Eltern und Schüler selbst bestimmen können, ob sie die Ganztagsangebote wahrnehmen möchten oder nicht.

(Beifall bei FDP und SPD)

Nach der Anmeldung soll die gewählte Form für ein Jahr verpflichtend sein. Auch das ist meiner Meinung nach schon recht konkret.

Zweiter Kernpunkt wird die Ausrichtung des Angebots am jeweiligen Bedarf der Schule vor Ort sein. Das sollte uns wichtig sein und bleiben, auch wenn Sie das immer wieder kritisieren. Wir wollen, dass sich die pädagogischen Konzepte, die an den jeweiligen Schulen nachmittags angeboten werden, an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientieren, die im Mittelpunkt stehen sollten; sei es, dass Schwache besonders gefördert werden sollen, sei es, dass ein besonderer Schwerpunkt auf das soziale Miteinander und auf interkulturelles Lernen gelegt werden soll, sei es, dass nachmittags ausländischen Schülern Sprachunterricht angeboten werden soll, sei es, dass besonders begabte Kinder und Jugendliche gefördert werden sollen, oder sei es, dass

sich Unterricht zeitlich anders auf den Vor- und Nachmittag verteilen soll. Wenn wir die Angebote optimal auf die jeweilige Schule zuschneiden wollen, müssen wir den Schulen Freiräume für ihre pädagogischen Konzepte einräumen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Herr Kollege Lelle, ein vom Land diktiertes pädagogisches Einheitskonzept führt zu qualitativ schlechteren und nicht zu bedarfsgerechten pädagogisch sinnvollen Angeboten.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, die Ganztagsschule soll sich nicht nur am statistischen Bedarf vor Ort orientieren, sondern sie soll auch in die regionalen Lebensbedingungen vor Ort eingegliedert sein. Es sollen lebendige Angebote sein, die dazu führen sollen, dass Eltern, Schulträger und außerschulische Einrichtungen stärker kooperieren und Jugendhilfe, gesellschaftliches Umfeld und Schule mehr zusammenrücken.

Die FDP-Fraktion hat im Mai alle kommunalen Schulträger angeschrieben, um einen Überblick über den Bedarf an Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz für die kommenden Haushaltsjahre zu bekommen. Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Resonanz sehr positiv und groß war.

Der CDU fällt wieder einmal nichts anderes ein, als gegenüber der Presse mit blanker Polemik zu beklagen, dass wir den Kommunen neue Lasten aufbürden würden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Lelle, die Schulträger vor Ort sehen das Vorhaben Ganztagsschule nicht als Belastung an – das ist bereits aus Ihrer Ecke geäußert worden –, sondern vor allem als Chance. Wenn dieses Vorhaben mit Investitionen verbunden sein sollte, sind Sie offensichtlich gern bereit, diese mit zu tragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile der Bildungsministerin Frau Doris Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heute von der CDU-Landtagsfraktion beantragte Aktuelle Stunde zur Ganztagsschule hat mich unweigerlich an den bayerischen Schriftsteller und Komiker Karl Valentin erinnert. Ich zitiere: „Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“

(Beifall der SPD und der FDP)

Die CDU hat es versäumt, gesellschaftliche Bedürfnisse aufzugreifen und das wichtige Thema „Ganztagsschule“ ins Blickfeld zu rücken. Jetzt will sie auf den fahrenden Zug der Landesregierung drauf. Da man nicht so ganz drauf kann, muss man noch ein bisschen herumkritteln. Die Landesregierung dagegen hat sich zum richtigen Zeitpunkt getraut, eine klare Aussage zur Einführung eines bedarfsorientierten und regional ausgewogenen Netzes von Ganztagsschulen im Land zu machen. Wir werden, wenn wir dieses ehrgeizige Vorhaben in dieser Legislaturperiode verwirklicht haben, das erste Bundesland sein, das ein Ganztagsschulangebot in dieser Größenordnung vorweisen kann.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir werden damit ein bundesweit einmaliges bildungs-, frauen-, familien- aber auch arbeitsmarktpolitisches Zeichen setzen. Deshalb freue ich mich über diesen Antrag zu einer Aktuellen Stunde; denn ich schließe daraus, dass Sie für die Ganztagsschule sind. Ich kann auch gut verstehen, dass Sie auf den fahrenden Zug drauf wollen.

(Keller, CDU: Sie wiederholen sich!)

Inhaltliche Alternativen seitens der CDU-Opposition sind mir bisher nicht zu Ohren oder vor die Augen gekommen. Ich schließe daraus, Sie sind nicht nur grundsätzlich für die Ganztagsschule, sondern sie schließen sich auch dem Vorhaben in der Ausgestaltung der Landesregierung an, aber Sie wollen es noch einmal erläutert bekommen. Ich erläutere das gern, aber es ist nur schade, dass mir so wenig Zeit zur Verfügung steht; denn Sie haben keine Frage gestellt, die ich nicht beantworten könnte, es sei denn aus zeitlichen Gründen, Herr Abgeordneter Lelle.

Zur Zielsetzung: Die Zielsetzung ist eine bildungspolitische, eine familienunterstützende, eine familienpolitische, eine arbeitsmarktpolitische und eine standortpolitische. Das haben wir immer klar gesagt, und das gilt auch weiterhin.

Zu den inhaltlichen und pädagogischen Vorgaben ist bereits gesagt worden, so viele Vorgaben wie notwendig, so viel Freiheit wie irgend möglich.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das heißt, die Ganztagsschule besteht aus unterrichtsergänzenden Angeboten, aus Projekten und Projektarbeit, aus freizeitpädagogischen Angeboten, aus Hausaufgabenbetreuung und Ähnlichem mehr. Sie wird an mindestens vier Tagen in der Woche von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr ein Angebot unterbreiten. Das ist so organisierbar, dass es ergänzende Angebote am Nachmittag gibt oder aber auch, dass der gesamte zeitliche Rahmen neu strukturiert wird. Auch das haben wir mitgeteilt.

In der Tat steckt hinter unserem Konzept ein pädagogisches und bildungspolitisches Anliegen und eben nicht nur eine Betreuung. Betreuung, allemal eine gute Betreuung, ist ein Wert für sich. Wir wollen aber mehr, nämlich wir wollen die Ganztagsschule. Da würde es mich schon einmal interessieren, wie sie sich zu dem

Vorstoß meines Kollegen aus dem Saarland verhalten, der das rheinland-pfälzische Konzept kritisiert, weil er meint, man müsse das nicht mit Pädagoginnen und Pädagogen machen, sondern man könne das mit Betreuungskräften machen. Dazu würde mich eine Aussage interessieren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Bei den Errichtungsbedingungen hat es bei der Regionalen Schule kein Windhundverfahren gegeben, und es wird auch bei der Ganztagsschule kein Windhundverfahren geben, sondern es wird ein geregeltes Antragsverfahren geben mit Anträgen durch Schule und Schulträger, da das nur durch beide gemeinsam geht. In den Anträgen werden die entsprechenden Voraussetzungen vor Ort dargestellt werden müssen. Dazu werden wir den Trägern eine entsprechende Checkliste zur Verfügung stellen. Im Übrigen befinden wir uns darüber mit den kommunalen Spitzenverbänden im Gespräch. Ich gehe davon aus, dass sie auch der Meinung sind, dass eine solche Abstimmung sinnvoll ist.

Die Finanzierung ist glasklar. Auch das ist bereits mehrfach gesagt worden – 30, 70, 100 und 120 Millionen DM. Herr Wiechmann, wenn Sie von Wählertäuschung sprechen, weise ich zum einen natürlich dieses Wort auf das Schärfste zurück, und zum anderen werden die Wählerinnen und Wähler eine Täuschung, die darin besteht, dass nicht 100 Millionen DM, sondern 120 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, verkraften.