Protocol of the Session on April 3, 2003

Ich nenne das Stichwort „Rückverlagerung von Entscheidungen nach unten“. Ich denke, es gibt keinen anderen Weg, um wieder politische Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.

In diesem Zusammenhang interessiert mich sehr ein Vorschlag, der vor wenigen Tagen in einem unserer Nachbarbundesländer erarbeitet wurde, da ich glaube, dass damit der Wegweiser in die richtige Richtung gestellt wurde. Ich denke an das, was Erwin Teufel als eine große Aufgabe einer Behörden- und Verwaltungsvereinfachung vorgeschlagen hat. Ich möchte dies nicht im Detail vortragen, sondern nur die Begründung vortragen, weshalb er sich zu diesem Vorschlag durchgerungen hat.

Ich erlaube mir, dies zu zitieren. Nach der Meinung von Erwin Teufel „genügt es nicht mehr, auf der Basis der vorhandenen Strukturen Verbesserungen zu erreichen.“ - Jetzt kommt der entscheidende Satz: „Wir müssen vielmehr die Grundstruktur als solche infrage stellen.“ So ist es.

(Beifall der CDU)

Wir müssen die Grundstruktur als solche infrage stellen.

„Stelleneinsparungen auf der Basis der vorhandenen Verwaltungsstrukturen werden zunehmend schwieriger.“– Das ist doch klar. Wie soll es auch anders gehen?

„Weitere Stelleneinsparprogramme setzen eine umfassende Verwaltungsreform voraus, die neue Einsparpotenziale freimacht.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau das ist unsere Aufgabe. Diese Aufgabe können Sie nicht auf dem Weg lösen, den Sie beschritten haben, als Sie die Bezirksregierungen abgeschafft haben. Ich behaupte bis

zum Beweis des Gegenteils – irgendwann einmal ist ein Bericht fällig, in dem uns Auskunft gegeben werden soll, wie das ganze Unternehmen ausgegangen ist –, dass am Ende diese so genannte Reform den Steuerzahler mehr gekostet hat, als sie ihm erspart hat. Das kann es wirklich nicht sein.

(Beifall der CDU)

Ich denke, unser Weg ist, eine Verwaltungsstrukturreform zu diskutieren, die die Grundstruktur als solche infrage stellt und Einsparpotenziale dadurch frei macht, dass wir die Grundstruktur verändern. Ich sagte eben schon, dass wir über den Sommer hinweg eine Reihe von Vorschlägen machen werden. Ich fürchte, wer zögert, abwartet oder zu spät entscheidet, wird das bereuen. Wir haben eine Situation in der Haushaltspolitik unseres Landes erreicht, in der sicher mancher, der in den letzten Jahren die Hand gehoben hat, bereut, dass er es getan hat. Es wäre besser gewesen, manches nicht zu machen, was getan wurde.

Niemand wird übrigens die Politik aus dieser Verantwortung entlassen, kein runder Tisch, kein halbrunder Tisch, kein ovaler Tisch. Niemand wird die Politik aus dieser Verantwortung entlassen. Deswegen wird es unsere Aufgabe und unsere Verantwortung sein, das zu tun. Ich fordere Sie auf, haben Sie den Mut, Vorschläge zu machen. Haben Sie den Mut, Vorschläge, die wir machen, ernsthaft zu diskutieren. Haben Sie den Mut, die ersten Schritte auf diesem Weg zu gehen, damit die nächsten Haushalte dieses Landes gefahren werden können. Das ist ein Ziel, von dem wir im Moment noch weit entfernt sind. Es ist ein gar nicht so hoch gestecktes Ziel, die Haushalte wieder fahren zu können.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltend Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, auf der Zuschauertribüne begrüße ich als Gäste im Landtag Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen des Werner-HeisenbergGymnasiums, Neuwied, sowie Auszubildende als Hauswirtschaftshelferinnen und -helfer im ersten Lehrjahr beim Internationalen Bund Mainz. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Es spricht nun der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Joachim Mertes.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte meine Rede zuerst einmal so halten, wie ich sie mir aufgeschrieben habe, weil ich vorhabe, alle Bemerkungen des Herrn Kollegen Böhr an den Punkten zu kommentieren, an denen ich sie selbst platziert habe. Ich mache dies deshalb, weil ich ein wenig stolz darauf bin, dass wir Sozialdemokraten am 23. Mai dieses Jah

res 140 Jahre alt werden und wir uns des alten Drechslermeisters erinnert haben, natürlich auch an Ferdinand Lassalle, der gesagt hat: „Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit.“ Herr Kollege Böhr, das haben Sie auch gemacht. Sie sind deshalb noch kein Sozialdemokrat, keine Sorge.

(Heiterkeit im Hause)

„Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.“

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

Ich glaube, wir können dies alle unterschreiben. Wir müssen in der Tat lernen auszusprechen, was ist. Was ist mit diesem Nachtragshaushalt? Wir haben einen engen Gestaltungsspielraum. Wir haben eigentlich keinen Gestaltungsspielraum mehr. Ich habe mir gestern Abend in mein Manuskript noch hineingeschrieben – auch wenn dies heute ein Kommentator in einer Zeitung aus der Pfalz auch so geschrieben hat –: Wir haben allenfalls eine Nachjustierung, vielleicht ein zaghaftes Klopfen an eine Tür mit der Schrift: Sanierung des Haushalts.

Als wir sie einen Fußbreit aufgemacht haben, standen uns Wälder von Plakaten, von Demonstrationen und von Gegenangriffen gegenüber. Meine Damen und Herren, das ist die Realität, die man in dieser Zeit auch aussprechen muss.

Wenn wir nur 4 % der bereinigten Gesamtausgaben unseres Haushalts überhaupt gestalten können und von den 470 Millionen Euro bereits 100 Millionen Euro Investitionsmittel sind, muss man dies berücksichtigen. Ich gehe jetzt auf Sie ein, Herr Kollege Böhr. Ich fand, es war eine interessante und auch für die Opposition zurückhaltende Rede. Wenn es so ist, dass wir nur den jeweiligen Bedarf bedient haben, muss man sagen, bis vor sechs Wochen war das bei Ihnen auch nicht so anders, was nachzuweisen ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich habe nicht vor, dies vollkommen durchzudeklinieren. Ich werde es aber noch in einigen Punkten machen müssen.

(Kramer, CDU: Es hätte doch etwas gefehlt, wenn Sie uns Recht geben müssten!)

Herr Kollege Böhr, Sie haben natürlich mit der finanzpolitischen Beschreibung der Vorfinanzierung Recht. Das ist eine Vorbelastung.

Herr Kollege Kramer, ich muss Ihnen sagen, wenn vor Ort eine Schule gebaut werden soll und wenn wir sie nicht vorfinanzieren und es nicht machen, was passiert denn dann?

(Beifall der SPD und der FDP – Kramer, CDU: Das war das falsche Beispiel!)

Die gleichen Kollegen, die das lokal unterstützen und haben wollen, beispielsweise in Rheinböllen, beklagen sich nachher, wenn der ausgedruckte Vertrag mit der Landesregierung sagt: Du bekommst das ratenweise. – Ich habe schon einmal gesagt, die Landesregierung sollte sich demnächst lieber fünfmal oder zehnmal überlegen, ob sie das wirklich tun soll, obwohl der Bedarf vor Ort vorhanden ist. Wir können nicht zur gleichen Zeit sagen, wir haben einen riesigen Nachholbedarf im Schulbau und sind dann gegen die Vorfinanzierung. Meine Damen und Herren, das passt nicht zusammen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich komme nun zu Mauritius. Als Volksschüler mit acht Jahren Schule muss ich zugeben, ich weiß nicht genau, wo es liegt. Ich glaube, es liegt im Pazifischen Ozean, oder liegt es im Indischen Ozean?

(Böhr, CDU: Ich weiß es auch nicht!)

Sie wissen es auch nicht? Na gut, auf jeden Fall soll es dort schön sein. Meine Damen und Herren, wenn es jemand weiß, dann sagt er es mir bitte nach der Rede, damit ich dort hinfahre.

Ich frage mich nur, was die kommunalpolitischen Anliegen, die Gemeindehäuser, die Ortsdurchfahrten, die Schulbauten und die Universitäten auch nur entfernt etwas mit Mauritius zu tun haben. Sie sind eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit gewesen, die wir finanziert haben, aber kein Luxus. Ich glaube, das sollte man deutlich machen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wir sollten allerdings so selbstkritisch sein, um zu sagen, wenn wir die Ausstattung des Landes RheinlandPfalz mit Feuerwehrhäusern, mit Gemeindehäusern, mit Stadthallen usw. sehen, dann muss man sagen: Diesem Land geht es ganz gut. – Wenn ich die Anträge der Kommunalpolitik zu diesem Thema sehe, dann sind das Weinen und Beschreien der kommunalpolitischen Finanzlage manchmal sehr unverständlich, da wir kaum derer Herr werden, die an unsere Tür klopfen und sagen: Nun macht einmal etwas für diesen Antrag. – Insofern gibt es in diesem Punkt Widersprüche.

Wie schwierig es mit diesem Haushalt und den Einsparungsvorschlägen gewesen ist, möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Wir streiten um die Planung einer Straße, die wir mit 11,6 Kilometer Länge bemessen haben. Nach dem Nachtragshaushalt sind es nun noch 11,4 Kilometer. Die Route war vorgegeben. Sie weicht zwischen Ihnen und uns kaum ab. In vielen Teilen ist sie auch technisch vorbestimmt.

Was die GRÜNEN angeht, so kann es auch ein Fahrradweg sein, selbstverständlich. Ich möchte aber deutlich machen, der Spielraum, über den wir reden konnten, war, ob es 11,6 Kilometer oder 11,4 Kilometer sind. Wir haben schnell erkannt, dass wir das insgesamt kaum verändern können.

Als ich eben sagte, dass nur 4 % unserer Ausgaben gestaltbar sind, so ist dies mehr oder weniger von Ihnen

so hingenommen worden. Eigentlich liegt da genau das Problem. Es ist das Problem, dass wir nur noch 4 % gestaltbare Ausgaben haben.

Herr Kollege Böhr, zum Schluss kamen sie sozusagen etwas stärker auf, auch beim Personal. Wir haben nicht 40 %, sondern 42,5 % Pensionslasten. Wenn wir die Debatte über das Personal führen – auf die Polizei komme ich noch einmal zu sprechen –, dann bitte ich Sie, sich alle auch einmal selbstkritisch zu fragen, ob zum Beispiel der Kollege Dieter Schmitt nicht eine Buße tun sollte,

(Schmitt, CDU: Welche Buße?)

wenn er mit zu den Unterstüzern einer Großdemonstration gehört „Rettet den Raum Trier“, weil ein Kulturamt mit einer anderen Einrichtung zusammengelegt wird. Genau dort liegt das Problem.

(Beifall bei SPD und FDP – Schmitt, CDU: Tun Sie selbst einmal Buße!)

Herr Schmitt, ich weiß, Sie haben den Initiatoren abgesagt.

(Zurufe von der CDU)

Es gibt ein Kernproblem. Herr Wirtschaftsminister, es mag sein, dass man das alles noch schneller und effektiver hätte machen können. Das ist keine Frage. Wenn er es macht, hat er in diesem Land nur Widerstand. Der kommt dann auch aus diesem Haus. Herr Kollege Böhr, nicht von Ihnen, aber eben aus Ihrer Familie. Sie müssen Verantwortung mitnehmen. Das ist keine Frage.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)