Protocol of the Session on April 2, 2003

(Schweitzer, SPD: So ist er immer!)

Das kommt selten vor, aber es ist diesmal so.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ganz neue Koalitionen! – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gibt Ihnen das nicht zu denken, Herr Pörksen? – Pörksen, SPD: In diesem Fall nicht!)

Herr Wiechmann, um allerdings auf Sie noch einzugehen, Sie haben einen Verbesserungsvorschlag von uns gewünscht. Ich hätte da einen. Sie können immer noch Ihren Antrag zurückziehen. Dann hätte sich die Sache auch so erledigt.

(Schweitzer, SPD: Das wäre die beste Verbesserung!)

Das sehe ich auch so.

Mit dem heutigen Gesetzentwurf will die GRÜNENFraktion die Informationsfreiheit scheinbar erstmalig und umfassend ins Leben rufen.

(Frau Grützmacher: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)

Mit diesem Gesetz soll endlich der bisher uninformierte Bürger geschützt und mündig gemacht werden gegen die scheinbar doch so böse Obrigkeit.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht uninformiert, von der Information ausgeschlossen!)

Aber gerade im Zeitalter der immer wieder propagierten Deregulierung – – –

(Zuruf des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie müssen zuhören, sonst wissen Sie hinterher nicht, was ich gesagt habe, weil Sie noch etwas dazu sagen wollen.

Gerade im Zeitalter der immer wieder propagierten Deregulierung muss man sich besonders bei der Verabschiedung von neuen Gesetzes mehr denn je fragen, welche Fortschritte diese Gesetze bedingen. Das kann ich hier wahrlich nicht erkennen. Wir haben 14 Paragraphen in diesem Gesetz. Einer der Paragraphen besagt, wann es in Kraft tritt. Wenn man sich das Gesetz anschaut, dann haben wir gleich vier Paragraphen, die wieder Einschränkungen vornehmen. Unter dem Strich

sind es dann noch genau sieben Paragraphen, die etwas nach vorn bringen wollen, und vier dagegen.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Natürlich braucht man Einschränkungen für Geschäftsgeheimnisse! Das ist doch vollkommen klar!)

Das ist aber ein Riesenwurf in die richtige Richtung, wenn ich mir überlege, was Sie damit erreichen wollen. Man fragt sich also, warum Sie es denn wollen. Man muss sich das überlegen. Dann stellt sich die Frage, was in der Praxis passieren wird. Herr Kollege Pörksen hat es gesagt, welche Auswirkungen das hat und wie oft es in Anspruch genommen wird. Unserer Einschätzung nach wird eigentlich nur eines mit Ihrem Gesetzentwurf geregelt – nur auf den gehe ich heute ein –, es wird im Prinzip eines passieren, es wird nämlich gerade dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind doch die Erfahrungen!)

Verdeutlicht wird das – das hat Herr Kollege Pörksen auch schon erwähnt – in der doch so historischen Fragestunde in den kommunalen Parlamenten und Räten, die so über Gebühr in Anspruch genommen wird, dass man sich immer wieder wundern muss, wo da eigentlich der Informationswille vorhanden sei. Interessanterweise – vielleicht ist das nur in Frankenthal so – sind es meistens die Gleichen, die in dieser Fragestunde irgendwelche Fragen stellen oder irgendetwas zu bemerken haben.

(Pörksen, SPD: Das ist nicht nur in Frankenthal so!)

Vielleicht sind das diejenigen, die am meisten ausgegrenzt sind. Ich weiß es nicht, aber ich habe manchmal das Gefühl, die fragen vieles, was nicht zu fragen wäre.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, dass sind die, die am interessiertesten sind!)

Wir haben hier eigentlich einen Gesetzentwurf vorliegen, der leider genau zu dem führt, was in Deutschland immer mehr zu beklagen ist. Wenn Sie das Bundesgesetzblatt jedes Mal lesen, brauchen Sie sich nicht zu wundern. Im Land ist es manchmal genauso: Wieder ein Gesetz, aber für was?

Meine Damen und Herren, damit wir aber nicht falsch verstanden werden, auch die CDU bekennt sich natürlich nachhaltig zum Zugang zu Informationen, allerdings – da liegt der gravierende Unterschied zu dem Gesetzentwurf – nur dann, wenn für den zu Informierenden auch ein berechtigtes persönliches Interesse besteht, und nicht für jeden x-beliebigen Außenstehenden.

Wenn man einige Beispiele aus Ihrem Gesetz nimmt, so fängt es schon bei § 4 an. Da soll nämlich jede Person ein Informationsrecht haben gleich welcher Vorgeschichte und ohne Einschaltung eines Leumundes in besonderen Fällen. Eine Vorprüfung findet also nicht

statt. Es kann im Prinzip jeder kommen, wie er will. Ob das gewünscht ist, wage ich stark zu bezweifeln.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also erst einen Eignungstest!)

Frau Grützmacher, die Amtsverschwiegenheit soll entfallen. Warum eigentlich? Es gibt genügend Instrumentarien in der jetzigen Gesetzessystematik, die auch bei Beibehaltung der Amtsverschwiegenheit Informationen zugängig machen.

Dann gibt es keine Kostentragungspflicht für Antragsteller im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen. Ja klar, dann habe ich auch die größere Chance, entsprechend mehr anzufragen und entsprechend mehr Verwaltungsaufwand zu betreiben. Das sind nämlich genau die Kosten, die auf die Behörden zukommen werden. Wenn man sich für ihre Zehntagesfrist, die Sie für die Beantwortung setzen, überlegt, was das bedeutet, dann frage ich mich, wie das in der jetzigen Situation bei den Kommunen werden soll, die selbst in ihren Haushalten schon schauen, dass sie zusammenstreichen und das Personal nicht über Gebühr belasten müssen. Wie das noch innerhalb von zehn Tagen zu beantworten sein soll, ist meiner Einschätzung nach ein Unding. Das kann gar nicht funktionieren. Das hängt nämlich im Wesentlichen davon ab, was gefragt wird. So, wie Sie das Gesetz angelegt haben, wollen Sie schließlich alles wissen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus der Presse war zu entnehmen, dass die Antragsteller erreichen wollen, den Ämtern eine Beratungspflicht für Bürger aufzugeben. Wie weit soll die gehen? Soll hier vielleicht eine Rechtsberatung erfolgen, die unter Umständen von nicht entsprechend ausreichend interessierten und auch sachkundigen Personen erteilt wird?

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, da kommen wir zu Ihnen, Herr Baldauf!)

Frau Kollegin, dafür brauche ich das Informationsfreiheitsgesetz nicht. Das ist in Ordnung, dagegen habe ich nichts. Wenn das etwas bringen würde, könnte man darüber reden.

(Pörksen, SPD: Er kann ohne Vorschuss nicht denken! Das nutzt nichts!)

Es bringt aber nichts.

Ich komme zu § 11. Nach § 11 sollen Internas in der Verwaltung veröffentlicht werden. Wo ist denn dann noch die funktionierende Verwaltung? Wo kann denn der Dienstherr noch etwas steuern? Wie wird es denn heute gemacht? Wo werden die meisten Bewegungen verursacht? Deshalb ist es ganz wichtig, dass gewisse Internas in der Verwaltung verbleiben. Da arbeiten auch nicht lauter Unwissende und Leute, die keine Ahnung von ihrem Fach haben. Auf Bundesebene wurde der Informiertenkreis – das ist sehr interessant – auf die Verbraucher beschränkt. Warum sollen es hier alle sein? Warum ist die Regelung hier anders? All dies ergibt sich

aus der Vorlage nicht. Wir werden dieser Vorlage deshalb in der hier vorliegenden Form nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Wiechmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gab so viele Sachen, zu denen ich gern etwas sagen würde. Ich habe leider nur drei Minuten. Ich will es auch noch kürzer machen. Ich möchte nämlich auf einiges eingehen, was Herr Pörksen gesagt hat.

Herr Pörksen, ich habe nicht einen einzigen substanziellen Grund von Ihnen gehört, ein solches Gesetz nicht zu verabschieden. Sie haben keinen einzigen substanziellen Grund gesagt, warum es schädlich wäre, ein solches Gesetz zu verabschieden.

(Creutzmann, FDP: Wir machen es doch nicht, wenn es nur nicht schädlich ist! – Hartloff, SPD: So machen wir jeden Tag einen Haufen Gesetze!)

Die Argumentation, die wir aufgemacht haben, bedeutet auch einen Paradigmenwechsel. Uns geht es um einen Paradigmenwechsel, um eine Umkehr im Denken. Ich glaube, genau das müssen wir hier in diesem Haus tatsächlich auch erst einmal hinbekommen, eine Umkehr im Denken. Es geht nämlich darum, dass wir auch präventiv, gerade was den Bereich der Korruption angeht, mit einem solchen Gesetz enorme Möglichkeiten haben, tatsächlich diese Korruptionsgefahr einzudämmen. Das ist so. Man kann es, weil es präventiv wirken soll, natürlich auch nicht in Euro oder in Cent beziffern.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern zeigen aber, dass tatsächlich auch eine solche präventive Wirkung vorhanden ist.

(Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)

Herr Kollege Pörksen, dann haben Sie gesagt, es würde eine erhebliche Mehrbelastung in den Verwaltungen und in den Behörden auftreten. Lieber Herr Kollege Pörksen, dann haben Sie in der Innenausschussanhörung nicht zugehört. Genau dieses Argument wurde eindeutig von den Experten, die anwesend waren, widerlegt.

(Pörksen, SPD: Wer war das?)

Es führt nicht zu unverhältnismäßig hohen Kosten.

(Pörksen, SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie haben doch selbst gesagt, dass es angeblich nur 200 Fälle in Nordrhein-Westfalen sind. Dann kann es gar nicht zu so unverhältnismäßig hohen Kosten führen.