soll dieses Thema heute, gerade einmal 13 Arbeitstage nach dem Beschluss des Bundesrats am 20. Dezember?
Hat die SPD nichts aus der Vergangenheit gelernt? Das frühe Bejubeln von Konzepten, wo man als Tiger absprang und als Bettvorleger in Rheinland-Pfalz endete, ist nicht zum ersten Mal in diesem Haus geschehen.
Herr Mertes, ich freue mich, dass ich zu Ihrer Erheiterung beitrage. Leider ist das Thema nicht so lustig.
Wir halten den Kompromiss, den wir mitgetragen haben, für notwendig und auch für richtig. Sie meinen, eine Aktuelle Stunde zu einem Konzept durchführen zu müssen, dessen Auswirkungen niemand in diesem Haus tatsächlich vorhersehen kann, genauso wenig wie damals beim „Mainzer Modell“.
Sie haben es in der Presse gelesen und von kompetenten Instituten gehört, dass auch dort sehr umstritten ist, wie die Wirkungen von Hartz II auf den Arbeitsmarkt sein werden. Lassen Sie uns erst einmal abwarten, ehe wir jubeln, oder geht es nur darum, wie wir das gestern zum Jahresauftakt in der Motivation und Optimismus verbreitenden Pressekonferenz unseres Bundeskanzlers gehört haben, jetzt endlich die Jammerer in die Ecke zu verweisen und den Optimismus zu verbreiten. Endlich haben wir das Rezept gefunden, das die Probleme des Arbeitsmarkts löst.
Herr Rösch, ich rechne Ihnen hoch an, dass Sie sagen, diese Abschaffung des 630-Mark-Beschäftigungsgesetzes, das 1999 von der SPD und den GRÜNEN geführten Bundesregierung auf den Weg gebracht worden ist, hat nicht das gebracht, was Sie erwartet haben. Sie selbst gestehen es ein, indem Sie vieles davon durch Hartz II rückgängig machen, und zwar auch im Hinblick auf das Scheinselbstständigengesetz.
Wichtig ist aber zu schauen, wo die tatsächlichen Probleme des Arbeitsmarkts liegen. Natürlich werden wir jetzt kleinere Beschäftigungsverhältnisse bekommen, was gut und richtig ist, nämlich zur Entlastung von privaten Haushalten und Ergänzung eines Arbeitseinkommens in den privaten Haushalten, um sich den einen oder anderen Konsum zu erlauben und damit vielleicht die Unternehmen anzukurbeln. Unsere Befürchtung ist, dass Sie es dabei bewenden lassen wollen. Das wäre für die Wirtschafts- und die Arbeitsmarktsituation fatal.
Ich möchte mit der Erlaubnis des Präsidenten ganz kurz das zitieren, was der Sachverständigenrat zu Hartz in diesem Zusammenhang sagt: „Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind nicht hinreichend zur Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit; denn sie gehen an die zentralen Ursachen der Arbeitslosigkeit nicht heran. Sie sind in vielen Punkten unklar. Der angekündigte Abbau der Arbeitslosigkeit um 2 Millionen Personen lässt sich durch die Vorschläge der Hartz-Kommission
In meinem zweiten Redebeitrag werde ich darüber sprechen, was unseres Erachtens darüber hinaus erforderlich sein wird.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Thelen, ich glaube, die Positionen liegen nicht so weit auseinander. Ich glaube nicht, dass irgendjemand der Meinung ist, dass eine Kommission, wie immer sie heißt, geeignet ist, auf Dauer Arbeitsplätze zu schaffen. Das kann eine Kommission nicht leisten, das können die Ergebnisse dieser Kommission nicht leisten.
Herr Licht, ich habe gesagt, eine Kommissin kann das nicht. Das erwartet auch niemand. Nichtsdestotrotz sollten wir positiv vermerken und nicht im Parteienstreit untergehen lassen, dass die Ergebnisse von Hartz II, wenn auch ein Kompromiss, aber ein wichtiger und guter Kompromiss sind, um Dynamik vor allem in die Arbeitsverwaltung zu bringen. Das war auch der ursprüngliche Ansatz. Ich bin überzeugt davon, dass Hartz II mit seinen vielen verschiedenartig ausgestalteten Impulsen für die Arbeitsverwaltung, aber auch für Arbeitnehmer im Bereich pauschal zu versteuernder Arbeitsverhältnisse Positives leisten wird.
Frau Thelen, ich teile nicht Ihre Ansicht, dass der berüchtigte Vergleich vom Tiger und dem Bettvorleger zutrifft. Wenn man diese Zahlen seriös betrachtet, muss man auch ganz positiv festhalten, dass von immerhin leider nur 8.000 bundesweit eingerichteten Arbeitsverhältnissen im Rahmen des „Mainzer Modells“ 2.800 in Rheinland-Pfalz zustande gekommen sind. Das heißt für mich zweierlei: Es geht wie immer nicht nur darum, was man macht, sondern auch, wie man es macht, mit welcher Intention und welcher Begeisterungsfähigkeit man darangeht; denn 2.800 Arbeitsverhältnisse in RheinlandPfalz können sich nach meinem Dafürhalten sehen lassen. Wer mit solchen Zahlen umgeht, als ob das nichts wäre, der verhält sich für mich zynisch.
Natürlich ist auch das, was Hartz II bringt, nicht der Königsweg, der Weisheit letzter Schluss, der Durchbruch gegen Massenarbeitslosigkeit. Das kann es nicht sein. Selbstverständlich gibt es auch in Hartz II Übergangsprobleme. Alle, die sich damit beschäftigt haben, kennen das Beispiel, dass beim Übergang vom Minizum Midijob für 16 Euro monatlich eine komplette Krankenversicherung zu haben ist. Aber das sind Sachen,
die wir nicht anders ausgleichen können als durch den ganz großen Wurf. Die Reform der Sozialversicherungssysteme ist, wenn überhaupt, nur parteiübergreifend möglich. Jeder muss sich einmal an die eigene Nase fassen. Dann würde es uns gelingen, die Lohnzusatzkosten so weit zu drücken, dass wir dem Ideal des Einstiegs in den Arbeitsmarkt näher kommen, sodass wir eine sanft ansteigende progressive Lohnzusatzkostenkurve bekommen. Nur dann haben wir diese Übergangsprobleme an den Schnittwellen nicht. Aber – das wissen alle Fachleute – dieses System ist zurzeit nicht finanzierbar, weil die Reform der Sozialversicherungssysteme seit Jahrzehnten auf sich warten lässt. Die FDP weist seit Jahrzehnten darauf hin.
Meine Damen und Herren, deshalb möchte ich mich der Meinung von Frau Strobel anschließen, die sich von der Hartz-II-Konzeption für Rheinland-Pfalz einiges verspricht. Ich möchte an alle appellieren, noch ein wenig Geduld zu haben, bis wir tatsächlich Zahlen haben, über die wir dann diskutieren können. Aber dass man die Konzeption jetzt mit einem gewissen Stolz vorstellt, dafür habe ich mit Herrn Rösch volles Verständnis, Frau Thelen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Dr. Schmitz, hinweisen allein genügt nicht. Wenn man über Jahrzehnte in der Regierung sitzt
und nur auf Hinweise kommt, dann ist das ein bisschen wenig. Wir machen es. An uns lag es ganz bestimmt nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an einem Punkt habe ich eben gesehen, dass es schon ein ganz kluger Schachzug der Sozialdemokraten war, diese Aktuelle Stunde zu diesem Thema zu beantragen. Frau Kollegin Thelen von der CDU ist nichts anderes eingefallen, sich geschlagene drei Minuten ihrer kostbaren Redezeit mit der Motivforschung für diesen Antrag aufzuhalten. Viel mehr ist Ihnen leider nicht eingefallen. Dann haben Sie sich in Nörgeleien über Hartz und den Kanzler ergangen. Damit liegen Sie zwar in einem gewissen Trend, aber nicht in einem guten Trend, Frau Kollegin Thelen.
Im Übrigen kenne ich niemanden, der in diesem Land – ich meine im Bund – einigermaßen etwas zu sagen
hat, der jemals davon gesprochen hätte, dass mit den Hartz-Konzepten die Arbeitslosigkeit um 2 Millionen zu reduzieren wäre. Davon hat niemand gesprochen. Allen Beteiligten ist klar, dass diese Konzeption „Hartz I und II“ ein Element in einem ganzen Kanon von notwendigen Maßnahmen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Nörgeln nützt nichts. Sie liegen zwar damit im Trend, wie ich gesagt habe, aber es nützt nichts. Alle sagen, wir müssen etwas Neues ausprobieren, wir müssen neue Dinge ausprobieren. Wenn es dann ans Konkrete geht, dann kommen die Zögerlichkeiten: Klappt das denn überhaupt? Bekommen wir das überhaupt hin? Wird das überhaupt Effekte haben? – Dann machen Sie mit und fragen sich das auch noch.
Niemand hier oder draußen wird sicher sein, wie sich bestimmte Maßnahmen auswirken, weil sie neu sind. Aber das ist eingebaut. Natürlich werden wir das laufend überprüfen und möglicherweise nachsteuern. Man muss das in den richtigen Zusammenhang stellen. Bei Hartz II geht es darum, bestimmte Beschäftigungsverhältnisse auf eine sichere Rechtsgrundlage zu stellen, eine Dynamik auf dem Arbeitsmarkt und in der Arbeitsvermittlung zu entfalten. Es geht darum, die Voraussetzungen für Existenzgründungen zu verbessern und natürlich auch Schwarzarbeit zurückzudrängen und legale Arbeitsverhältnisse vermehrt zu schaffen. Das ist der Hintergrund.
Uns allen ist klar, dass es natürlich notwendig ist, um die Arbeitslosigkeit nachhaltig und gemessen an der großen Zahl, die wir haben, zu senken, dass die Konjunktur anspringt, dass wir hier andere Werte bekommen. Deshalb wissen wir natürlich auch, dass die Konzepte „Hartz I und II“ bei der wichtigen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nur ein Element sein können. Es gibt viele Elemente, die wir darüber hinausgehend brauchen und die natürlich in Berlin auch angepackt werden. Das ist ein entscheidender Punkt. Es müssen alle daran mitwirken. Es geht nicht darum, dass man ein Patentrezept hat und damit die Arbeitslosigkeit in der gesamten Zahl von über 4 Millionen nachhaltig bekämpfen kann.
Es wird viele Elemente geben müssen, und es wird viele Akteure geben müssen. Da ist natürlich die Haltung dieser Landesregierung – sie ist auch ein Akteur – und die Haltung dieser Koalition in Rheinland-Pfalz nicht gerade eine rühmliche, auch wenn Sie das gern in Zusammenhänge stellen. Zwischen Hartz und bestimmten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen im Land RheinlandPfalz besteht kein direkter Zusammenhang, zumindest nicht insofern, als das, was Sie in Ihren Nachtragshaushaltsvorschlägen im arbeitsmarktpolitischen Bereich wegkürzen wollen, durch Hartz in irgendeiner Weise aufgefangen werden könnte. Das ist nicht der Fall. Erwecken Sie also auch nicht den Eindruck.
Herr Kollege Rösch, auch wenn ich der Kollegin Thelen gesagt habe, es sei keine Zeit zum Nörgeln, es ist ab
solut keine Zeit zum Feiern. Es ist schon überhaupt keine Zeit, diese Landesregierung und diese Koalition,
Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Es wird Sie nicht wundern, dass ich davon überzeugt bin, dass natürlich in der Hartz-Gesetzgebung einige Chancen für unseren Arbeitsmarkt liegen, nicht zuletzt deshalb, weil wir als Rheinland-Pfälzer maßgeblich an den unterschiedlichen Stellen mitgewirkt und mitgearbeitet haben, und auch deshalb, weil viele Elemente des Hartz-Konzepts in Rheinland-Pfalz schon lange erprobt sind. Auf ein oder zwei Dinge komme ich nachher noch zu sprechen.
Ich denke, Hartz hat davon profitiert, dass landesweit oder auch europaweit einfach Modelle zusammengesucht worden sind, die bestimmte arbeitsmarktpolitische Effekte hatten. Das gilt auch für Modelle, die in Rheinland-Pfalz praktiziert wurden und erfolgreich waren. Insofern denke ich, sind wir auf einem guten Weg.
Getragen von der Leitidee „Eigenaktivitäten auslösen, Sicherheit einlösen“, verbinden die Hartz-Gesetze die wirtschaftlichen Bedürfnisse nach Flexibilität und umgekehrt den Anspruch des Einzelnen auf soziale Sicherheit.
Frau Abgeordnete Thelen, natürlich bin auch ich der Auffassung, dass heute nicht der Tag ist, an dem wir in Jubel ausbrechen müssen, was auch keiner macht.