Protocol of the Session on September 26, 2002

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Antwort des Finanzministers auf die Mündliche Anfrage heute hat sich, wenn man genau hingehört hat, ein dreifacher Wortbruch verborgen, der sich im ersten Jahr des ersten Doppelhaushalts dieser Legislaturperiode manifestiert hat.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen aufzeigen, wo der dreifache Wortbruch stattgefunden hat. Sie haben zuerst einmal versprochen, einen Konsolidierungskurs zu fahren. Sie haben aber schon bei dem Haushalt, den Sie vorgelegt haben, eine Neuverschuldung von einer Milliarde Euro veranschlagt. Das ist alles andere als Konsolidierungskurs.

Ich komme nun zum zweiten Wortbruch. Wenn Sie genau hingehört haben, so hat der Finanzminister heute gesagt, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass er diese Grenze nicht einhalten wird, sondern dass er auch über dem landen wird, was verfassungsrechtlich möglich ist.

Ich komme nun zum dritten Wortbruch. Verbunden mit ihrem Konsolidierungskurs haben Sie immer angekündigt, dass Sie einen Subventionsabbau betreiben wollen. Davon wollen Sie aber im konkreten Fall nichts mehr wissen. Ich erinnere an die Diskussionen, die wir in der letzten Plenarsitzung geführt haben, als Sie nicht in der Lage waren, einem Antrag von uns zuzustimmen, mit dem wir einen dreiprozentigen strukturellen Abbau einführen wollten. Sie waren dazu nicht in der Lage, insbesondere nicht diejenigen, die den Subventionen in ihren

Bereichen besonders nachhängen, nämlich die Fraktion der FDP.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Herr Creutzmann, in dem Zusammenhang höre ich immer besonders gern Ihre Zwischenrufe. Sie haben auf Bundesebene immer anderes als das angekündigt, was Sie hier konkret machen. Dort wollen Sie einen ganzen Bundeshaushalt mit neuen Belastungen und Subventionskürzungen konsolidieren. Hier bekommen Sie es noch nicht einmal hin, 3 % zurückzuführen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das ist alles andere als nachhaltige Finanzpolitik. Das ist ein „Weiter so“. Ich möchte Ihnen das an konkreten Zahlen aufzeigen. Herr Mittler hat sich darum bemüht, deutlich zu machen, dass die Zahlen, die wir verwenden, nicht richtig stimmig sind. Wir berufen uns nur auf die Angaben, die wir aus dem Finanzministerium haben. Für Ende August kann man festhalten, dass es eine Differenz zwischen den Einnahmen gibt, mit denen Sie im Haushalt gerechnet haben, und dem, was Sie bis Ende August eingenommen haben. Diese Differenz beträgt 850 Millionen Euro. Diese Summe müsste in den nächsten vier Monaten noch hereinkommen, damit Sie Ihre Zusagen verwirklichen können.

Nein, es war nicht alles. Für 230 Millionen Euro haben Sie gesagt, wollen Sie Vorsorge betreiben. Wo dies im Einzelnen konkret ist, steht immer noch offen. Eine genaue Benennung seitens des Finanzministeriums fehlt noch.

In dieser Situation, in der noch 850 Millionen Euro bzw. 550 Millionen Euro fehlen, macht der Finanzminister eine Kehrtwende. Er hat vorher immer gesagt, er mache alles mit ruhigem Kopf. Plötzlich geht er zur Vorwärtsverteidigung über und sagt, die Einnahmen, die nunmehr hereinkommen, werden nicht reichen, vermutlich werden wir im Haushalt etwas korrigieren müssen.

Herr Finanzminister, solche Sekundärtugenden, die Sie schon im ganzen Jahr vor sich hertragen, sind als Finanzminister nicht gefragt, nicht Vorwärtsverteidigung, auch nicht der Mut, einmal etwas Wahres zu benennen Sie brauchen stattdessen Mut, einen Haushalt so zu gestalten, dass Sie die gesetzten Ziele einhalten können. Das ist die Tugend eines Finanzministers, und nicht das, was Sie derzeit praktizieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind doch mit offenen Augen in diese Situation hineingerannt. Sie haben die Spendierhosen nicht ausgezogen. Wir haben Ihnen im Rahmen der Haushaltsberatungen x Projekte genannt, die Sie weiter finanzieren wollen, obwohl der Haushalt so angespannt ist. Wir haben Ihnen die Volumina im Wirtschaftsministerium genannt, in dem Sie Mittel verteilen, von deren Wirksamkeit nur einer überzeugt ist, nämlich der Wirtschaftsminister und seine ihn unterstützende Fraktion.

Herr Minister, wenn Sie Ihre Haushaltspolitik mit diesem Blindflug weiterführen, kann ich Ihnen zwar zustimmen, wenn Sie sagen, wir werden uns in der nächsten Zeit Steuersenkungen außer denen, die schon vereinbart worden sind, nicht mehr leisten können, aber Sie werden einen knallharten Gegenkurs zu dem bekommen, was Sie an Ausgabenpolitik in diesem Land machen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir erwarten heute von Ihnen, dass Sie Tacheles reden und klar und deutlich sagen, dass Sie die Grenze, die Sie sich gesetzt haben, überschreiten werden.

(Glocke des Präsidenten)

Wir erwarten, dass Sie uns darlegen werden, welche Maßnahmen Sie ergreifen wollen, und Sie tatsächlich Transparenz herstellen. Ich warne Sie nur vor einem: Sparen Sie sich die Mahnung an uns, wir sollten konkrete Sparmaßnahmen benennen. Sie haben die Chance gehabt, mit einem Nachtragshaushalt eine Diskussion in diesem Parlament und Rückhalt für einzelne Sparmaßnahmen zu bekommen. Diese Chance haben Sie selbst vertan.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Wer´s glaubt, wird seelig! – Billen, CDU: Die ausgestreckte Hand habt ihr zurückgewiesen!)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Ramsauer das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Thomas, ich denke, wir können froh sein, dass wir in Berlin die Wahl gewonnen haben. Sonst könnten wir die Finanzen des Landes mit den Vorschlägen des ehemaligen Kanzlerkandidatens nicht mehr im Griff halten.

(Beifall bei der SPD)

Zur aktuellen Situation möchte ich auf eine Meldung der ARD von heute Morgen, 9:25 Uhr, verweisen, die darauf aufmerksam macht, dass die öffentlichen Haushalte nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern in der gesamten Bundesrepublik Deutschland in einer prekären Lage sind.

Während die Einnahmen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen im ersten Halbjahr um 2,1 % gesunken sind, sind die Ausgaben in allen öffentlichen Bereichen einschließlich der Sozialversicherungen um 2,2 % gestiegen. Das heißt, wir haben keine isolierte Situation, sondern den Sonderfall, dass ein Finanzminister rechtzeitig gehandelt hat.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach ja!)

Selbstverständlich. Die Bewirtschaftungsmaßnahmen in drei Stufen mit Einsparungen von rund 300 Millionen Euro sind rechtzeitig ergriffen worden.

Ich habe vorhin diese Zusatzfrage gestellt. In keinem Bundesland ist so rechtzeitig konsequent eingegriffen worden. Sie haben heute zugehört. Sie haben genau die Zwischentöne gehört. Sie wissen natürlich, dass der Finanzminister und die Regierungsfraktionen sich auf die Konsequenzen vorbereiten, die aus den rückläufigen Einnahmen zu ziehen sind. Aus diesem Grund halte ich es nach wie vor für überzogen, von Wortbruch zu reden.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auf den Verfassungsbruch oder worauf?)

Das ist einfach nicht legitim, wenn man die Handlungsweise des Finanzministers analysiert. Sie haben von anderen Ausdrücken Abstand genommen.

(Billen, CDU: Aber die Wahrheit! – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier hat niemand sein Wort gebrochen, sondern hier ist eine klare Linie der Finanzpolitik skizziert worden, die zu jedem Zeitpunkt sehr offen und im Dialog in der Korrektur im Parlament besprochen worden ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, ich denke, dass dies der Weg sein muss, auf dem wir in den nächsten Monaten fortschreiten müssen. Es hat keinen Wert, Kaffeesatz lesen zu wollen. Der Finanzminister hat die Zahlen klar auf den Tisch gelegt. Ich denke, es ehrt ihn, dass er das vor der Bundestagswahl gemacht hat, um jedem deutlich zu machen, wohin der Hase im Augenblick läuft.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich denke, wir werden das in den nächsten Monaten gemeinsam diskutieren müssen, wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen, wenn die November-Steuerschätzung auf dem Tisch liegt. Ich habe keine Glaskugel. Ich glaube, Sie haben auch keine seherischen Fähigkeiten.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben ein Gefühl dafür, dass es eine schwierige, eine prekäre Finanzsituation ist.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das kriegen Sie doch auch jeden Monat?)

Selbstverständlich. Wir haben Vorzeichen dafür, dass wir in eine schwierige Diskussion kommen. Darauf bereiten wir uns vor. Sie können sicher sein, dass niemand Wortbruch begeht und man sich in Verantwortung an die Gestaltung der neuen Haushalte macht.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Herr Abgeordneter Bracht.

(Billen, CDU: Jetzt werden wir die Wahrheit hören!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, die von Ihnen gegebenen Antworten auf die Fragen in der Mündlichen Anfrage waren sehr unbefriedigend. Sie setzen weiter auf das Prinzip Hoffnung. Dieses Prinzip Hoffnung und die dafür angeführten Argumente sind sehr unbegründet. Sie sprechen die Erwartung aus, dass im September die Steuereinnahmen in zweistelligen Prozentsätzen steigen. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass sie im August um 6,7 % gesunken sind.

(Kuhn, FDP: Ist das verschwiegen worden?)

Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sie im September in einem zweistelligen Bereich steigen werden. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass sie in den nächsten vier Monaten in diesen Prozentsätzen steigen werden. Selbst wenn sie in diesen Prozentsätzen steigen würden, würden sie das bisher aufgelaufene Defizit bei weitem nicht ausgleichen können, Herr Minister.

Die von der Kollegin angeführten Zahlen mit über 800 Millionen – netto sind es um die 600 Millionen – stimmen. Das ist aufgelaufen. Das ist nicht mit dem ausgleichbar, was jetzt noch im Steuerbereich zu erzielen ist. Da müsste es wahrhaft und tatsächlich eine Explosion bei den Steuereinnahmen geben. Das käme einem Wunder gleich.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund und vor der bisherigen Entwicklung halten wir es für unverantwortlich, dass Sie, die Landesregierung, bis jetzt nicht wissen, wie die 100 Millionen Euro von den 230 Millionen eingestandenem Defizit der Steuerschätzung ausgeglichen werden sollen. Wir halten es für unverantwortlich, dass Sie bisher noch nicht wissen, wie Sie diese 100 Millionen ausgleichen. Viel weniger wissen Sie es für das, was sonst noch aufgelaufen ist.

Wir halten es für unverantwortlich, dass Sie bisher keinerlei Vorsorge für die weiteren dramatischen Einnahmeneinbrüche getroffen haben, sondern nur und ausschließlich auf das Prinzip Hoffnung setzen.

Meine Damen und Herren, wenn man sich die einzelnen Steuerarten ansieht, kommt man zu genau dem gleichen Ergebnis, dass das, was Sie an Prinzip Hoffnung einbringen, unrealistisch ist. Sehen Sie sich die Lohnsteuer an. Sie stagniert bis August. Die veranlagte Einkommensteuer und die nicht veranlagten Steuern vom Ertrag sind rückläufig. Der Zinsabschlag ist rückläufig. Bei der Körperschaftsteuer gibt es einen völligen Einbruch. Sie müssen zurückzahlen. Sie haben nicht nur keine Einnahmen, sondern Sie müssen in diesem Jahr in hohem Maß zurückzahlen. Die Gewerbesteuerumlage ist rück

läufig. Bei der Umsatzsteuer haben Sie eine minimale Steigerung. Man kann fast sagen, es stagniert. Im Vergleich zum August des vorigen Jahres ist die Umsatzsteuer rückläufig.