Weiter wurden in Rheinland-Pfalz die Integrationsfachdienste entwickelt, die ebenso in das Neunte Buch Sozialgesetzbuch aufgenommen worden sind. Darüber hinaus ist kürzlich das Landessonderprogramm zum Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen überarbeitet worden. Der Ausbau von Integrationsbetrieben wird ebenso weiter gefördert.
Durch diese und weitere zahlreiche zukunftsweisende Aktivitäten zeigt die Landesregierung, dass in Rheinland-Pfalz die Politik für und mit Menschen mit Behinderungen einen herausragenden Stellenwert hat. Menschen mit Behinderungen sind keine Randgruppe. In Rheinland-Pfalz leben etwa 430.000 als schwerbehindert anerkannte Menschen. Ihre Familienangehörigen und Lebenspartner sind mittelbar von der Benachteiligung dieser Personengruppe betroffen.
Darüber hinaus sollte sich jeder Bürger und jede Bürgerin bewusst sein, dass er oder sie jederzeit durch Krankheit oder Unfall von einer Behinderung betroffen sein könnte. Insbesondere die Zahl der Menschen mit ps ychischen Beeinträchtigungen steigt in allen Industrienationen stark an.
Das Landesgesetz zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen wird maßgeblich dazu beitragen, im Alltag dieser Personen
gruppen Hindernisse zu beseitigen. Barrierefreiheit kommt zudem Familien mit Kleinkindern und der stetig wachsenden Zahl der Senioren und Seniorinnen zugute, die ihrerseits zurzeit 17,4 % der rheinland-pfälzischen Bevölkerung stellen. Von einer Verbesserung der baulichen und anderer Standards profitieren letztendlich alle Menschen. (Beifall der SPD und der FDP)
Befürchtungen, dass durch das Landesgleichstellungsgesetz unkontrollierbare Kosten entstehen könnten, sind unbegründet. Das zeigt das Beispiel des „Americans with Disabilities Act“, ADA genannt, aus dem Jahr 1990. Die rechtzeitige Berücksichtigung der Belange behinderter und anderer Menschen führt zu einer Vermeidung teurer Anpassungen im Nachhinein. Den entstehenden Kosten müssen daher immer die in der Zukunft vermiedenen Kosten fiktiv gegengerechnet werden.
Insgesamt findet das Gesetz einen angemessenen Ausgleich zwischen Kostenaspekten und dem Gleichstellungsauftrag. Zahlreiche Vorschriften stehen unter einem Haushaltsvorbehalt und zielen auf eine kostengünstige Lösung ab.
Beispielsweise bedeutet die bereits genannte Barrierefreiheit von öffentlichen Bescheiden für blinde Menschen nicht unbedingt, dass alle Bescheide in Brailleschrift zu erstellen sind, sondern vielmehr, dass die Barrierefreiheit beispielsweise durch Vorlesen oder durch die Übermittlung per E-Mail in einem internetfähigen Computer erreicht werden kann.
Festzuhalten ist, dass die Verankerung der Barrierefreiheit im Landesgesetz eine weitsichtige Investition in die Zukunft ist, die den Grundsätzen der Nachhaltigkeit entspricht. (Beifall der SPD und der FDP)
Das Landesgesetz zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen ist im Einklang mit den Verbänden der Selbsthilfe behinderter Menschen erarbeitet worden. Dadurch konnte das neue, aber inzwischen schon bewährte Prinzip „Teilhabe statt Fürsorge“ weiter verfeinert werden. Der Landesbehindertenbeirat war von Anfang an mit einbezogen. Er hat wichtige Hinweise gegeben, die in das Bundesgleichstellungsgesetz sowie in den vorliegenden Gesetzentwurf einfließen konnten.
Ebenso wurde bei der externen Anhörung Wert darauf gelegt, möglichst alle interessierten Stellen und Institutionen einzubinden und deren Stellungnahmen in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen. Insgesamt wurden fast 200 Organisationen angeschrieben und um Stellungnahme gebeten.
Das Ergebnis ist ein Gesetzentwurf, der einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen behinderter Menschen und anderen wesentlichen Interessen, insbesondere auch der Finanzierbarkeit, schafft.
Der Umfang des Gesetzes und die betroffenen Bereiche zeigen deutlich, dass Gleichstellung behinderter Menschen nicht nur eine sozialpolitische Aufgabe, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sind weiterhin gefordert, behinderte Menschen einzustellen, aber auch die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen müssen helfen, behinderte Menschen in einen Betrieb zu integrieren.
Es reicht nicht, dass wir öffentliche Gebäude Schritt für Schritt barrierefrei gestalten. Auch Architekten und Architektinnen müssen lernen, von Anfang an kreativ mit dem Thema „barrierefreies Bauen“ umzugehen. Wir brauchen die Wirtschaft, die Verkehrsplaner, die Wohlfahrtsverbände, alle gesellschaftlichen Gruppierungen, die Verantwortung für die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für behinderte Menschen übernehmen.
Ich denke, dass die Landesregierung mit dem Gesetzentwurf Regelungen vorlegt, die einerseits die rechtliche Situation der behinderten Menschen deutlich verbessern und andererseits das gesellschaftliche Bewusstsein positiv mit beeinflussen werden.
In diesem Sinn würde ich mich sehr freuen, wenn der Landtag ein Signal setzen würde, indem er mit einer breiten Mehrheit den Gesetzentwurf in der zweiten Beratung annimmt und das Gesetz zu Beginn des Europäischen Jahres für behinderte Menschen in Kraft treten würde.
Meine Damen und Herren, bevor ich die Aussprache eröffne, begrüße ich Gäste im Landtag, und zwar Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrer vom Mons-TaborGymnasium Montabaur sowie Mitglieder der Liedertafel 1903 Dudenhofen. Herzlich willkommen im Landtag!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Ministerin Dreyer! Ich verstehe die Aufregung nicht so sehr, weil ich denke, dass wir bislang in der Diskussion zum Thema „Gleichstellung Behinderter“ in weiten Bereichen in diesem Hause einen Konsens hatten.
Es passt dazu, dass wir von der CDU-Fraktion 90 % Ihrer Ausführungen mit gutem Gewissen und ehrlicher Überzeugung mit unterschreiben würden. Aber Sie dür
Ich möchte nur kurz an den Werdegang dieses Gesetzes erinnern. Sie haben Ausführungen dazu gemacht, aber Sie haben einen kleinen Vorlauf ausgelassen, der jedoch nicht unerheblich ist und auch in gewisser Weise unsere Reaktion erklärt, was die Zeitabläufe angeht.
Wir haben bereits aufgrund der Einbringung eines Landesgesetzentwurfs durch die GRÜNEN zum Ende der letzten Legislaturperiode, das heißt, Ende des Jahres 2000, über dieses Thema diskutiert und überlegt, wie wir uns verhalten und wie wir damit umgehen. Wir waren uns darüber einig, dass es auch aufgrund der nur noch sehr kurzen zur Beratung zur Verfügung stehenden Zeit in dieser Legislaturperiode wenig Sinn machte, ein solch umfangreiches Artikelgesetz einzubringen, zumal klar war, dass auf Bundesebene ein solches Gesetz in der Entstehung war.
Auch die Landesregierung hat uns damals durch Herrn Staatssekretär Dr. Auernheimer versichert, dass man sehr zügig parallel zur Beratung des Bundesgesetzes und unmittelbar nach dessen Beschluss einen eigenen Landesgesetzentwurf vorlegen werde, was auch geschehen ist. Daran üben wir keinerlei Kritik: das konnte man gar nicht schneller machen. Uns wundert aber, dass es doch noch eine erhebliche Zeit nach Vorlage des Referentenentwurfs dauerte, bis wir letztendlich den Gesetzentwurf für die parlamentarische Beratung vorgelegt bekommen haben.
Frau Ministerin, unsere Sorge ist auch - ich hoffe, dass sie unbegründet ist -, dass dem Parlament eigentlich zu wenig Zeit zur Beratung zur Verfügung steht. Ich habe sehr aufmerksam Ihre Presseerklärungen verfolgt und habe zu meiner kleinen Beruhigung gesehen, dass Sie nicht sagen, dass das Gesetz zum 1. Januar 2003 in Kraft treten soll. Das Gesetz soll im Jahr 2003 in Kraft treten.
Auch wir sind dafür, dass das Gesetz zügig in Kraft tritt. Ich sage dies, damit es darüber keine Unklarheiten gibt. Aber Sie haben soeben sehr ausführlich geschildert, wie schwierig ein sinnvoller und notwendiger Beratungsprozess in einem Gesetz ist, das über 74 Artikel andere Gesetze verändert und damit eine Vielzahl von betroffenen Personengruppen berührt. Von daher wäre es uns auch wichtig, ausreichend Zeit für eine ordentliche Anhörung auch in dem fachlich zuständigen Ausschuss zur Verfügung zu haben.
Das werden wir in dem Maß betreiben, wie es möglich ist, das heißt, ohne schuldhaftes Verzögern. Aber ich glaube, das Parlament oder der Ausschuss muss die Möglichkeit haben, wenn auch nicht mit 200 Organisationen, wie Sie dies seitens der Landesregierung getan haben, aber doch mit den wesentlichen Organisationen, die von diesem Gesetzentwurf betroffen sind, zu sprechen und zu hören, wie ihre Positionen dazu sind.
Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir etwas erstaunt sind über das halbe Jahr, das man brauchte. Aber wir sind froh und dankbar, dass der Gesetzentwurf vorliegt. Nach unserer ersten Durchsicht enthält er auch keine
wesentlichen Lücken, was Änderungen anderer Gesetze angeht. Unseres Erachtens – dabei sind wir auch noch auf die Anhörung gespannt – sind die wesentlichen Lebensbereiche, die in der Zuständigkeit der Landesregierung liegen, angesprochen. Auch die grundsätzlichen Formulierungen, die Definition des Behindertenbegriffs und die grundsätzliche Zieldefinierung sind richtig.
Die Behinderung eines Menschen macht sich nicht unbedingt an seinen körperlichen Konstitutionen fest. Sie macht sich eigentlich in der Reaktion der Gesellschaft auf diese körperliche und gesundheitliche Befindlichkeit fest. Das wird in den grundsätzlichen Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs zum Ausdruck gebracht.
Wir müssen dazu beitragen – dazu ist die Diskussion über diesen Gesetzentwurf schon ein wesentlicher Schritt –, diese Benachteiligung, die eigentlich in den Köpfen beginnt, durch diese Diskussionen abzubauen und in allen Einzelbestimmungen darauf hinzuweisen, dass Benachteiligung im Grund genommen keine Zukunft hat.
Das Prinzip ist das richtige. Die Frage ist: Welche Erwartungen wecken wir bei Betroffenen, und inwieweit sind wir selbst in der Lage, diesen Erwartungen gerecht zu werden? – Es ist eben nicht nur der Landtag oder die Landesregierung, die viele Erwartungen erfüllen müssen, sondern es sind viele Behörden vor Ort, die Kommunen, die Verbandsgemeindeverwaltungen, die Stadtund Kreisverwaltungen und viele andere mehr, die zum Abbau von Barrieren beitragen müssen.
Ich bin mir sicher – dies hat auch die Anhörung gezeigt, soweit sie uns von den kommunalen Spitzenverbänden zugänglich gemacht wurde –, dass auch die kommunalen Spitzenverbände im Prinzip der Richtung und der Zielsetzung des Gesetzes zustimmen. Allerdings stellen sie fest, dass alle Mühe, alle berechtigten Anliegen und deren Umsetzung meistens nicht zum Nulltarif zu haben sein werden. Über das Thema der kommunalen Haushaltssituation haben wir schon mehr als einmal gesprochen. Im Parlament sitzen genügend Kollegen, die Verantwortung vor Ort tragen und die sich häufig fragen, ob noch Nachtragshaushaltssatzungen nötig sind, weil die Kassen vor Ort leer sind. Es wird schwer werden, das Gesetz den Erwartungen der Betroffenen entsprechend zügig umzusetzen. Es wird sicherlich hier und da länger dauern, als es uns allen vielleicht lieb ist.
Für uns stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Anhörung nicht noch Ideen und Anregungen eingebracht werden, die vielleicht auch einfachere Möglichkeiten eröffnen, um den Anliegen, Diskriminierungen und Benachteiligungen abzubauen, gerecht zu werden. Es wird auch Diskussionen mit Betroffenen sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite geben. Das Thema haben wir in der letzten Legislaturperiode schon angesprochen, als in dem Gesetzentwurf der Grünen der Anspruch auf integrative Beschulung in Regelschulen grundgelegt werden sollte.
Für uns stellt sich immer die Frage: Wo beginnt das Recht der Schule und der Schulträger sowie das Recht nicht behinderter Kinder auf einen zügigen Unterricht?
Wo endet das Recht benachteiligter, behinderter Kinder, egal mit welchen Behinderungsformen, in einer Regelschule beschult werden zu können? Dies ist für mich sicher eine Gratwanderung. Ich bin auf die Diskussionen mit Vertretern beider Seiten gespannt. Die Wahrheit wird in der Mitte liegen. Das Ziel des Gesetzes muss es in jedem Fall sein, in der Praxis umsetzbar und handhabbar zu sein. Nur dann wird es uns gelingen, es auch umzusetzen.
Ich möchte am Ende noch einmal kurz auf die Äußerungen der Ministerin eingehen. Sie wissen, dass ich mich gern mit dem Thema der demographischen Entwicklung befasse, was uns im sozialpolitischen Bereich besonders betrifft. Wir wissen alle, dass Deutschland altert, was die Ministerin auch angedeutet hat. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wie sie jetzt absehbar ist, werden wir im Jahr 2020 das älteste Volk auf dieser Erde sein. Wer weiß, welche Handikaps im Alter dazu kommen werden, von denen sich heute niemand von uns befreien und sagen kann, das wird ihn nicht treffen. Man sollte sich vielmehr bewusst sein, dass dieses Gesetz letztendlich für uns alle einmal von Vorteil sein kann, wenn die Knochen nicht mehr so wollen. Dann ist es ein guter Ansatz, die Dinge jetzt auf den Weg zu bringen.
Ich glaube, dass wir für die Entwicklung des gesellschaftlichen Miteinanders auch in einer älter gewordenen Gesellschaft einen guten Beitrag geleistet haben.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleichgültigkeit und fehlende Sensibilität gegenüber behinderten Menschen nehmen scheinbar in der Gesellschaft ab. Dennoch, eine Normalität, die Behinderten immer noch nicht zubilligt, was jeder von uns selbstverständlich für sich beansprucht, ist keine Normalität.