Protocol of the Session on August 30, 2002

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben insgesamt in der Weltwirtschaft zurzeit eine Konjunkturdelle. Wir haben in den USA kein stärkeres Wachstum als in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind leider im Moment weltweit nahezu beim Nullwachstum angelangt. Dann können wir in Deutschland in der Politik bestimmt nicht allein die Konjunktur ankurbeln. Wir brauchen Programme für den Arbeitsmarkt, die bereits vorgelegt worden sind. Darüber kann man nun diskutieren. Dann müssen Sie Stellung dazu nehmen und eventuell bessere Programme vorschlagen.

Wenn die Partei, die bisher als Spaßpartei durch die Lande gezogen ist und jetzt wieder ernsthaft diskutieren will,

(Creutzmann, FDP: Ihnen vergeht der Spaß noch!)

immer sagt, dass die Steuern runter müssten, egal welche Flutkatastrophe es gibt und in welcher Wirtschaftslage sich Deutschland befindet – das soll sich dann auch noch selbst finanzieren in der jetzigen Lage – und wenn das ihr einziger Vorschlag ist, dann ist sie weiterhin auf einem Spaßniveau. Dann kann niemand diese Diskussionsbeiträge ernst nehmen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Wir haben zu unseren Vorschlägen anscheinend keine ernsthaften Diskussionspartner.

In dem gestrigen CDU-Antrag wird darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Teilzeit, den die rotgrüne Bundesregierung eingeführt hat, wieder abgeschafft werden soll. Das würde Arbeitsplätze im Bereich von 100.000 bringen, argumentieren Sie. Ich frage mich, woher Sie diese Argumentation haben. Teilzeit bringt Arbeitsplätze, gerade wenn Partner, Ehepartner oder Lebensgemeinschaftspartner beide arbeiten wollen. Es ist doch wichtig, dass wir einen Anspruch auf Teilzeit haben.

Sie wollen den Anspruch auf Teilzeit wieder abschaffen und behaupten, dadurch könnten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Das stimmt nicht. Das sind ideologische Vorschläge, aber keine Vorschläge, die wir in eine ernsthafte Diskussion mit einbeziehen können, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema zur Senkung der Lohnnebenkosten und der Sozialkosten: Wir haben Vorschläge gemacht und stehen dazu als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass die ökologische Steuerreform die Lohnnebenkosten senkt und den Kostenfaktor Arbeit entlastet.

(Glocke des Präsidenten)

Das ist wichtig für die Zukunft. Sie machen keine Vorschläge, wie Sie die Lohnnebenkosten senken wollen. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir die besten Vorschläge gemacht haben, die wir auch weiterhin umsetzen können.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Creutzmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Polemik des Herrn Kollegen Braun – Herr Kollege Kuhn hat gesagt: „Bleib cool!“ – fällt es schon schwer. Ich hoffe, dass Ihnen am 22. September der Spaß durch das Votum der Wählerinnen und Wähler vergeht.

Ich will Ihnen nur ein Zitat Ihrer Polemik entgegenhalten, uns falle nichts anderes ein, als die Steuern zu senken: In Wahrheit triumphieren bei allen Reden über Solidarität mit den Flutopfern nur die ganz normalen Ressort- und Partikularinteressen. Der Metrorapid – Investitionvolumen in Höhe von 3,2 Millionen Euro – muss rollen, mag auch Sachsen im Schlamm versinken. Der Ausbau der Autobahn von Nürnberg nach München – Gesamtkosten in den nächsten fünf Jahren in Höhe von fast 5 Milliarden Euro – muss im Eiltempo laufen, auch wenn dringend Geld für Dresden gebraucht wird.

Herr Kollege Braun, das ist die Antwort auf Ihre Polemik. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass diese enormen Aufbauleistungen auch ohne Steuererhöhungen möglich sind. Sie haben mich gereizt, und deshalb bleibe ich dabei. Daran wird sich nichts ändern; denn wir haben einen ganz klaren Kurs.

Frau Kollegin, der Vergleich mit „Basel“ war sehr schön, aber ansonsten haben Sie auch nichts Neues vorgetragen. Das haben wir bereits gestern gehört. Es handelt sich bei der CDU immer wieder um eine Wiederholung.

Wir wissen, dass sich die Arbeitslosenquote leider auch in Rheinland-Pfalz erhöht hat. Die FDP-Fraktion bedauert das. Notwendig sind jetzt Reformen auf dem Arbeitsmarkt, um auch in unserem Land neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Vorschläge der Hartz-Kommission haben deutlich gemacht, welche Reformschritte auf dem Arbeitsmarkt notwendig sind. Allerdings – das wissen alle in diesem hohen Hause – sind die Hartzvorschläge nur auf die Verkrustungen in unserer Wirtschaft und Gesellschaft zurückzuführen. Sie schaffen allein noch keine neuen Arbeitsplätze. Dazu ist es dringend erforderlich, dass wieder mehr Wirtschaftswachstum in Deutschland erreicht wird.

Da der Mittelstand der Beschäftigungsmotor in unserem Land ist, müssen die Reformen dort vor allem ansetzen. In Rheinland-Pfalz sind über 80 % aller Arbeitnehmer in Unternehmen von bis zu 500 Mitarbeitern beschäftigt. Rund 43 % der gesamten deutschen Wertschöpfung und ungefähr 45 % aller Investitionen werden vom Mittelstand geleistet.

Der IHK-Präsident Heinz-Michael Schmitz von der IHK Koblenz hat vor einigen Tagen auf einer Podiumsdiskussion in Mainz auf die Benachteiligung des Mittelstands hingewiesen und die Forderung aufgestellt, dass wir in Deutschland – dies gilt natürlich auch für Rheinland-Pfalz – mehr Freiheit für den Mittelstand benötigen.

(Jullien, CDU: Ja, genau!)

Herr Kollege, mehr Freiheit für den Mittelstand ist das Gebot der Stunde und nicht weiter eine Einengung durch Regularien und Vorschriften, wie sie die GRÜNEN hauptsächlich fordern.

Auf eine aktuelle Umfrage haben über 1000 kleine und mittlere Unternehmen geantwortet und ein eindeutiges Votum abgegeben. Sie fordern eine Reform des Arbeitsmarkts – das fordert Hartz auch –, eine Reform des Steuerrechts sowie eine Verbesserung der Bildung und Ausbildung.

Dringend notwendig sind die Wiedereinführung der 630DM- oder jetzt 350-Euro-Jobs in der früheren Form – das ist wichtig –, die Abschaffung der Regelungen zur Scheinselbständigkeit, aber auch eine Beseitigung des überregulierten Arbeitsrechts sowie der riesigen Bürokratie.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Thomas, was wir brauchen, ist Mut zu Reformen und eine Kraftanstrengung – das betone ich – aller politischen Parteien in diesem Land, um Strukturveränderungen zu erreichen.

Die FDP-Fraktion weiß, dass die Lage der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts in Deutschland in diesem Sommer 2002 nicht gut ist. Dabei kann aber Rheinland-Pfalz keine Insel der Glückseligen sein, obwohl wir in diesem Land unsere Hausaufgaben gemacht haben. Die drittoder viertniedrigste Arbeitslosenquote – das schwankt

immer –, viele Unternehmensneugründungen und die erfolgreiche Konversion vieler militärisch genutzter Gelände sind zu nennen. Denken wir nur an die Erfolgsstory des Flughafens Hahn, der fast 2.000 neue Beschäftigungsverhältnisse hat entstehen lassen und – Frau Kollegin Thomas, ich betone das immer wieder –, der gegen den erbitterten Widerstand der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im rheinland-pfälzischen Landtag durchgesetzt wurde. Sonst hätten wir jetzt 2.000 Menschen weniger in Beschäftigung.

Wie sie alle wissen, möchte die FDP-Fraktion die nächste Stufe der Steuerreform – ich habe das betont – nicht außer Kraft setzen. Viele Volkswirte befürchten, dass die Verschiebung auch nur um ein Jahr starke Auswirkungen sowohl auf den privaten Konsum – Herr Kollege Dr. Braun, da haben Sie recht, dort hätte die Absenkung des Eingangsteuersatzes sehr viel mehr getan, da stimmen wir völlig überein –

(Glocke des Präsidenten)

als auch auf die Investitionsentscheidungen der Unternehmen haben könnte.

Meine Damen und Herren, die Lage ist zwar nicht so gut – das räumen wir unvoreingenommen ein –, aber wir haben in Rheinland-Pfalz unsere Hausaufgaben gemacht und mehr Arbeitsplätze geschaffen, als das woanders der Fall ist.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile Herrn Staatsminister Bauckhage das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben gestern schon einmal die Situation aufgrund eines Antrags der CDU-Fraktion diskutiert. Ich will jetzt auch nicht mehr bewerten, wo der Antrag her kam. Das ist alles sehr müßig. Deshalb will ich mich auf einige Sätze beschränken, die unser Bundesland betreffen; denn es wird nicht mehr lange dauern, bis entschieden ist, welche Politik künftig in Berlin gemacht wird. Das werden wir nicht entscheiden, sondern das wird dort entschieden. Frau Kollegin Huth-Haage, deshalb muss man auch sehen, dass die Einflussmöglichkeiten eines Landesparlaments gering sind. Man muss abwarten, welcher Rahmen demnächst in Berlin gesetzt wird.

(Böhr, CDU: Aber die Steuerreform trägt doch Ihre Handschrift, Herr Minister!)

Herr Kollege Böhr, weil Sie das so schön sagen, komme ich darauf direkt zu sprechen. Sie haben mir dazu jetzt die Vorlage gegeben. Dazu wollte ich eigent

lich heute nichts mehr sagen, weil ich das gestern schon getan habe.

Wir haben eine gemeinsame Regierung von CDU und FDP in der Legislaturperiode von 1994 bis 1998 gebildet. Da musste Theo Waigel in der Endphase von uns getrieben werden, eine Steuerreform vorzunehmen.

(Beifall der FDP – Jullien, CDU: Wer hat blockiert?)

Ich bin noch nicht fertig. Sie können sich darauf verlassen, dass ich mich daran sehr gut erinnere. Er musste auf jeden Fall mehr als zum Jagen getragen werden, weil er vorher keine Steuerreform wollte. Das muss man auch sagen. Gerade in diesen Fragen muss man ehrlich und redlich sein. Man muss wissen, dass wir erreicht hatten, den Solidarzuschlag zu halbieren. Wegen einer anderen Kleinigkeit wurde er sofort wieder auf das alte Niveau gebracht. Das ist nicht durch Otto Solms, sondern eindeutig durch Theo Waigel geschehen. Die Solidarzuschlagsgeschichte muss man auch einmal erwähnen dürfen.

Dann muss man auch einmal erwähnen dürfen, dass danach die Steuerreform im Bundesrat von Oskar Lafontaine blockiert wurde. Die gleiche Blockade hatten Frau Merkel und Herr Merz bei dieser Steuerreform vor. Dann haben wir, diese Landesregierung, die mittelstandsfreundliche Komponente hineingebracht nach dem System „Politik ist die Kunst des Möglichen“. Mehr war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben bei dem Spiel nicht mehr mitgespielt. Sie wurden nicht gefragt. Das steht außer Frage, Frau Thomas.

Lassen Sie mich aber noch einige Sätze zu RheinlandPfalz sagen, weil natürlich die konjunkturelle Entwicklung eine der Voraussetzungen für eine gute Wirtschaftsentwicklung ist. Natürlich brauchen wir Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Das ist doch keine Frage. Das ist eine volkswirtschaftliche Binsenweisheit.

(Beifall bei der FDP)