Protocol of the Session on May 22, 2001

Meine Damen und Herren, von Europa zu reden und Nationalstolzdebatten loszutreten, das passt wirklich zusammen wie Pumps und Stiefel.

(Beifall bei der SPD)

Bei allem Respekt, wo soll denn das in einem Kopf zusammen gebracht werden? Es geht Ihnen aber bei vielen Dingen nicht darum, irgendeine Sache zu machen, nein, Sie wollen einen anderen in eine Ecke stellen. Da sollten wir stehen, die vaterlandslosen Gesellen. Die musste man wieder in dieser Art und Weise angehen.

(Widerspruch von der CDU – Dr. Gölter, CDU: Quatsch!)

- Ja, das ist alles Quatsch. Nur, die Stimme von Herrn Dr. Gölter war in dieser Debatte in keinster Weise dämpfend zu hören. Sie war nicht zu hören.

(Beifall bei der SPD)

Es hilft uns nicht weiter, hier vorn den Staatsmann zu spielen und dann, wenn es in der eigenen Partei Feuer unter dem Dach gibt, nicht zu sagen: Leute, jetzt einmal zurück.

(Dr. Gölter, CDU: Sie sind völlig von der Rolle! – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

- Entschuldigung, das ist doch keine Debatte, die wir geführt haben.

(Keller, CDU: Jetzt einmal zur Regierungserklärung!)

- Ich bin noch mittendrin.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU – Jullien, CDU: Total von der Rolle!)

Meine Damen und Herren, unsere unverbindliche und scheinpolitische Regierungserklärung befasst sich im Schwerpunkt damit, dass wir die Bildungspolitik als das große Zukunftsprojekt unseres Landes sehen. Sie können jetzt ruhig mit auf den Zug aufsteigen. Wir sind für jeden dankbar, der bereit ist, mit zu helfen und mit zu diskutieren, sodass wir in der Lage sind, ein Ganztagsangebot zu machen.

Es wurde und wird uns auch von anderer Seite immer wieder vorgeworfen, dass wir keine Visionen hätten. Meine Damen und Herren, es gibt kein einziges Flächenland in der Bundesrepublik, auch nicht Bayern mit Frau Hohlmeier, das das Ziel hat, in dieser laufenden fünfjährigen Periode ein Ganztagsangebot wohnortnah und kinder- und elternnah zu machen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Natürlich ist es richtig, dass das nicht nur ein Bildungsangebot ist. Das hat etwas mit familien-, mit arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Schwerpunkten zu tun. Meine Damen und Herren, wir haben über Jahre hinweg ignoriert, dass Familien Berufstätigkeit und Familienar

beit miteinander verbinden wollen. Wir haben es einfach nicht zur Kenntnis genommen. Vielleicht konnten wir es auch nicht finanzieren. Selbst die Opposition, die eigentlich der Treiber der Landespolitik sein sollte, hat hier nie einen Antrag eingebracht, in dem gestanden hat: Jetzt kommt die Ganztagsschule, und wir werden die Ersten sein, die es beantragen werden. – Nie haben Sie das gemacht.

(Beifall bei der SPD – Lelle, CDU: Es hat doch dringestanden, und Sie haben nichts gemacht! Das ist Fakt!)

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Frauen die Mehrfachbelastungen haben und daran gehindert werden, ihre Qualifikationen, die sie heute selbstverständlich haben, weiter im Beruf einzusetzen.

Meine Damen und Herren, es liegt im Interesse unserer Gesellschaft, aber auch unserer Wirtschaft, dass die Erwerbsquote von Frauen durch Betreuungsangebote erhöht wird. Genau das ist unser Ziel. Es ist ein verbundenes Ziel.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich setzen wir auch Hoffnungen in diesen neuen bildungspolitischen Schwerpunkt, dass wir mehr Platz für intensives Lernen und Leben im schulischen Miteinander haben. Soziale Kompetenz, von der so oft die Rede ist, soll wieder mehr gefördert werden. Es soll zu einem Lebens- und Erfahrungsraum Schule kommen. Herr Lelle, Sie bekommen Ihre Antwort zu diesem Thema.

(Lelle, CDU: Hoffentlich!)

Ich sehe es an Ihren Augen. Es war die Frage: Wie wollt Ihr es denn machen? Die Schule am Nachmittag ist nicht die Fortsetzung der Schule vom Vormittag. Dies ist der erste Punkt. Es gibt also keine zwei Klassen. Der zweite Aspekt ist, wir werden den Kindern und den Eltern anbieten, dass am Nachmittag der Ausgleich von Schwächen erfolgt. Ich hätte zum Beispiel rechnen lernen müssen oder auch Geometrie. Es soll ein Ausgleich von Schwächen erfolgen. Das ist so etwas wie Nachhilfe. Man hilft. Meine Damen und Herren, wir haben aber nicht nur Schwächen, sondern wir haben auch Talente und Fähigkeiten. Wir müssen nachmittags Talente fördern, Zusatzangebote für besonders begabte Kinder und Jugendliche machen. Das heißt, dass wir dieses Talent dann fördern, wenn es ein solches gibt, zum Beispiel in der Musik und Kunst, wieso eigentlich aber nicht im Sport. Diese Talente sollen nachmittags gefördert werden.

Wir wollen als dritten Punkt die gesellschaftliche Wirklichkeit in Zusammenarbeit mit Trägern der Jugendhilfe, der Vereine, der Kirchen und vielen Kooperationspartnern ein bisschen in die Schule hineintragen. Wir wollen also eine Mischung zwischen schulischen Angeboten, Förderangeboten, Talentförderung, Schwächenminimierung und dem machen, was draußen vor sich geht.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das heißt natürlich, dass Schulen viel mehr Bildungsmanagement organisieren müssen. Wir müssen und werden den Schulen auch Spielräume geben – Frau Ministerin Ahnen hat dies auch genauso formuliert –, und zwar finanzielle, aber auch Verantwortungsspielräume. So etwas wollen wir mit Eltern, Schülern und Lehrern gemeinsam organisieren. Wir wollen nicht wieder, wie es üblich war, ein Papier, das die Punkte a, b, c und d beschreibt und sagt: Schluss, so wird es gemacht. – Nein, wir sagen: Du mit deiner Schule in Simmern im Hunsrück kennst deine Kinder, du kennst die Befähigung, du kennst auch deine Lehrerinnen und Lehrer, du sagst uns zusammen mit den Eltern, wo sich innerhalb eines Rahmens ein Angebot entwickelt. – Wir wollen viel mehr heraus in der Fläche entscheiden lassen, als dies in zentralen Strukturen über Curricula und Ähnliches möglich ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Böhr, das birgt große Risiken. Wenn wir es sozusagen bis zum letzten TZ durchbuchstabiert hätten, könnten wir sagen: So wird es gemacht. – Jetzt haben wir das „Problem“ der geistigen Freiheit einer Schule, die sagt: Ich möchte gar keine Musik machen, wir machen Stabhochsprung. –

(Heiterkeit bei der SPD)

Entschuldigung, wir werden Konflikte erleben, wenn Schulen dann sagen, wir machen das ganz anders, wir machen nicht das Übliche. Dafür soll von dieser Koalition Freiheit gegeben werden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Dann wird es jemanden geben, der sagen wird: Aber nach der Landeshaushaltsordnung müssen sie dann, wenn sie über Geldausgaben beschließen, gelbe oder grüne Socken anhaben oder was weiß ich, was dann alles eingehalten werden muss. Das wird alles passieren. Meine Damen und Herren, wenn wir uns darauf nicht einlassen, dass wir den Schulen in bestimmten Bereichen auch die Freiheit in finanzieller Hinsicht geben, dann hat dieses Experiment keine großen Möglichkeiten, regional, dezentral, eltern- und schülernah gemacht zu werden. Deshalb werden wir das machen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Eben war von Rommels mürrischem Begleiten die Rede. Die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU hat dazu gesagt, es ist die Fortsetzung der kommunalfeindlichen Politik der vergangenen Jahre.

(Kramer, CDU: Ist es auch!)

Meine Damen und Herren, tatsächlich übernimmt das Land 100 % aller Personalkosten, was es jetzt bei Vollangeboten nicht tut. Das wird jetzt anders werden. Wir haben überhaupt nicht ausgeschlossen, dass wir, wenn wir entsprechende Umbauten haben, uns gemeinsam engagieren. Aber das Einzige, was wir von der Kommunalpolitischen Vereinigung erfahren, ist die Fortsetzung der kommunalfeindlichen Politik. Die kommunalpolitische

Realität von Rheinland-Pfalz wird dazu führen, dass die Ministerin in Anträgen von CDU-Bürgermeistern waten wird. Das ist die Realität.

(Starker Beifall der SPD, Beifall der FDP und vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Lelle, wenn Sie all die Sätze zurücknehmen könnten, die Sie zur Einführung der Regionalen Schule hier vorn gesagt haben, dann bräuchten Sie einen 38Tonner-LKW.

(Starker Beifall der SPD und Beifall der FDP)

Okay, es ist gesagt. Wir werden uns da finanziell engagieren. Es kann auch sein, dass Herr Kollege Böhr vielleicht mit 1 Million DM oder mit 10 Millionen DM nicht Unrecht hat, was es in einem Jahr mehr oder weniger kostet. Entscheidend ist, dass wir bereit waren, dafür – und nur dafür – Geld als Koalition bereitzustellen. Das ist die Entscheidung. Das ist Prioritätensetzung.

(Beifall der SPD und der FDP)

Natürlich können Sie sagen: „Na und, ein einziges Brot gefunden in dieser ganzen Regierungserklärung, die Ganztagsschule, und wir sind sogar bereit, das Salz dazu zu liefern.“

Meine Damen und Herren, wissen Sie, es geht noch weiter. Sie haben zum Beispiel eben in Ihrem Beitrag so trefflich darüber gesprochen, dass wir wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen sollten. Erstens ist das 50 Jahre nach dem Krieg in einer – ich gebe zu, ein besseres Wort finde ich nicht – europäisierten Wirtschaft wohl nicht so einfach, aber dass Sie dann bei der Finanzbetrachtung Folgendes gemacht haben, Sie haben die Schuldenberge genannt. Ich mache es mir nicht so einfach, dass ich jetzt die Bundesschuldenberge nenne. Das wäre wirklich simpel. Aber eine Ursache hat es gegeben: die deutsche Wiedervereinigung.

(Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Entschuldigung. Die deutsche Wiedervereinigung, die Konversionspolitik, alles, was in diesem Zusammenhang weggerutscht ist, mussten wir aufhalten, sonst wären wir weitergerutscht, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die Meinungsforscher sagen, ein Teil des Schubs für diese Regierung ist die Anerkennung der Konversionsund Ausbildungspolitik der Regierung Beck. Wir haben in der Tat 6,9 % Arbeitslose. Wir liegen damit vor Hessen. Mein Kollege Armin Clauss kann es eigentlich nie fassen, dass wir im Jahresergebnis immer vor Hessen liegen, also günstiger als Hessen, was die Quote angeht. Aber zur Wahrheit gehört, wir profitieren natürlich auch von Wirtschaftsräumen jenseits des Rheins, so wie umgekehrt natürlich auch Leute aus dem Neckar-Raum in Ludwigshafen arbeiten usw.

Meine Damen und Herren, die Beschäftigung mit der Konversion hat uns Ergebnisse gebracht, die diese

6,9 % unterstützen, aber noch ein Punkt mehr. Wir haben eine ganz andere Arbeitsmarktpolitik als vorher gemacht. Wir verteilen nicht nur Geld sozusagen nach Bedürfnislage, sondern wir bauen um, wir schulen um, und wir gehen hin, wo Neues beginnt, finanzieren mit Unternehmen, mit dem Arbeitsamt gemeinsam neue Arbeitsmärkte. Da kämen wir dann in die Richtung, auch Arbeit muss sich wieder lohnen. Auch dies ist ein Programm, das Leute herausholen soll. Es mag nicht immer glücklich gewesen sein, auch nicht das, was der Bundeskanzler zur Frage von Arbeit sagt, aber wir haben konkret gehandelt. Wir haben mit dem Programm „Arbeit muss sich wieder lohnen“, Kindergeldzuschlag für erwerbstätige Sozialhilfeempfänger, eine Chance gegeben, wieder einer geregelten Arbeit nachzugehen. Verunglimpfen Sie das bitte nicht immer als zweiten Arbeitsmarkt. Wir gehen hin und bauen Leute wieder auf, die weggerutscht sind. Das ist unsere Christenpflicht und unsere Politikerpflicht.