Protocol of the Session on May 22, 2001

(Zuruf von der CDU)

War es eine gemütliche Aufgabe, zu den Menschen zu gehen und ihnen zu sagen: Wir haben eine Chance für dich?

Meine Damen und Herren, Sie reden einfach etwas in den Boden, was vielen Menschen hilft. So werden wir unsere Politik auch weiterhin anlegen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wie haben wir dagestanden, als wir vorgeschlagen haben, Verbesserungen für Verbrechensopfer und die Videoüberwachung einzuführen? Wie stand die gesamte Republik um uns herum? – Die anderen haben doch gesagt: Nein, das geht nicht. Es kam das typisch deutsche Argument: Das hatten wir noch nie. Aber wir haben es durchgesetzt. Das ist die Harmonie und Scheinpolitik.

Ich kann nur sagen, Sie gehen immer noch mit einem Bild an uns heran, das eigentlich am 25. März hätte enden müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP – Kuhn, FDP: Richtig!)

So ist auch Ihr erster Kommentar zur Koalitionsvereinbarung: „Der Regierung fehlt die Kraft zum Aufbruch.“

Ich habe noch ein schönes Zitat von Hans-Otto Wilhelm, der das Gleiche gesagt hat. Er sagte: „Die erste Koalitionsvereinbarung weist darauf hin, dass diese Regierung nicht lange zusammen bleibt.“

Meine Damen und Herren, von den Irrtümern von HansOtto Wilhelm leben wir gut, glauben Sie es mir! Davon leben wir gut!

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das war jetzt zu hintergründig. Natürlich gibt es auch einige Dinge, von denen ich sage, dass sie Hans-Otto nicht so schlecht gehandhabt hat.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU – Kramer, CDU: Sie können es uns einmal erklären!)

Hans-Otto hat am 12. Juni 1991 gesagt: „Das große Versäumnis der Regierungsgrundlage ist schon heute: Sie ist ohne Fantasie. Sie ist mutlos. Sie ist entscheidungsarm, und sie vermittelt keine Aufbruchstimmung.“

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht sagen, wir könnten mit solchen Kommentaren gut leben. Aber reden wir doch einmal weiter über dieses Thema. Die Sache mit den Ganztagsangeboten haben Sie im Prinzip zustimmend beschrieben. Sie haben die Sorgen beschrieben, die man haben kann. Darauf werde ich noch zurückkommen.

Aber Sie haben zum Beispiel kein einziges Wort mehr zu unserem Vorschlag gesagt, einen neuen Landesbetrieb „Verkehr und Straße“ einführen zu wollen.

(Zuruf von der SPD: Das haben sie nicht verstanden! – Zurufe von der CDU)

Ja, das haben wir alles schon einmal erlebt. Ich kann fast sagen, ich brauche gar keinen Text mehr, weil das, was passiert, ist sozusagen ein Déjà vu. Es passiert immer wieder das Gleiche.

Als wir den Pensionsfonds eingeführt haben, haben Sie hohnlachend erklärt, dass dies nicht funktioniere. Als wir die LBB eingeführt haben, die im Übrigen Herr Koch nun mit kleinen Änderungen ebenfalls einrichten will, haben Sie hohnlachend erklärt, weshalb es nicht gehe.

(Zuruf von der CDU)

So werden Sie auch hohnlachend über den neuen Landesbetrieb reden, und er wird funktionieren, weil wir ihn funktionierend machen, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Es ist diese Stillstandsrhetorik: In diesem Land geschieht nichts. Es ist immer das Gleiche. Für Sie ist es eine furchtbare Herausforderung.

(Zuruf von der CDU: Wo ist die funktionierende LBB?)

Sie sollten sich einmal die Vorlagen vom Haushaltsund Finanzausschuss etwas sorgfältiger anschauen und nicht nur jeweils Ihre eigenen Vorurteile vortragen. Dann kommen Sie auch ein Stück weiter.

(Zuruf von der CDU: Das ist keine Antwort auf diese Frage!)

Wir werden diese Schritte weitergehen. Sie sind nur deshalb so verblüfft, weil Sie selbst nicht darauf kamen.

Wissen Sie, weshalb Sie nicht darauf kamen? Das weiß man aus den letzten sechs Wochen: Sie hatten anderes zu tun, meine Damen und Herren!

(Heiterkeit bei der SPD – Beifall der SPD und der FDP)

Es ist schon wahr: Die Schwerpunkte der 14. Wahlperiode kann man im Grunde an vier, von mir nun im Einzelnen vorzutragenden Punkten festm achen.

Manfred Rommel hat geschrieben: „Wenn sich die Welt ändert, dann muss sich eigentlich auch die Politik ändern, und zwar durch zielorientiertes Vorausdenken und nicht durch mürrisches Nachfolgen.“

Was hat sich geändert? – Darüber müssen wir reden. Insofern nehme ich Ihre Frage auf und frage mit Ihnen gemeinsam, wie wir uns die Zukunft vorstellen.

Welche Vorstellungen haben wir von der Zukunft? In welchem Rheinland-Pfalz sollen wir 2010 leben?

Meine Damen und Herren, grundsätzlich wollen wir ein tolerantes Land sein. Darüber sind wir uns einig.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir wollen ein tolerantes Land sein, das fest in Europa eingebunden ist und trotzdem seine liebens- und lebenswerten Eigenschaften behält, also auch eigene regionale Identität.

Das Wesentliche, über das wir streiten, ist, wir wollen ein Land sein, in dem alle Menschen ihre Talente und Fähigkeiten im eigenen Interesse optimal entfalten können und auch bereit sind, diese in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Das ist sozusagen die Zusammenfassung unserer Zielvorstellungen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir wollen ein Land werden, das seine Ressourcen und Möglichkeiten optimal nutzt.

Meine Damen und Herren, die europäische Integration schreitet fort. Wir werden den Euro bekommen. Wir wissen, wir haben noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, aber er wird kommen. Wir werden dann ein gemeinschaftliches, großes, europäisches Wirtschaftsland sein, in dem die Frage, wer wo aus welchen traditionellen Überzeugungen heraus arbeitet, nicht mehr mit Ländergrenzen zu definieren ist.

Ich komme nun auf Ihren Punkt zurück. Er ist nicht falsch. Natürlich arbeiten viele Rheinland-Pfälzer und Rheinhessen im Rhein-Main-Gebiet. Die Eifeler arbeiten traditionell wie auch die Leute aus dem Saargau in Luxemburg. Das war so und ist so.

Wollen wir denn vor dem Hintergrund der europäischen Integration sagen: Da es dort alte Ländergrenzen gibt, ist dies eine Frage, die wir negativ für dieses Land entscheiden? – Nein, das wollen wir nicht. Wir wollen eine Integration, die auch die Arbeits- und Verbrauchermärkte mit einschließt, meine Damen und Herren. Wenn man

das nicht versteht, hat man Europa schlichtweg nicht verstanden. (Heiterkeit bei der CDU – Beifall der SPD und der FDP)

Wenn dieses Europa aus Ihrer Sicht keinen Beitrag dazu leistet, gemeinsame Wirtschaftsräume zu bekommen, wer entscheidet das dann? Glauben Sie, dieses Rund entscheidet, wo die Wirtschaft investiert? – Überheben wir uns einmal nicht! Diese Entscheidungen sind in ganz anderen Zusammenhängen zu sehen, und sie sind heute vorhanden. Wir müssen unsere eigenen Chancen sehen, die wir dem entgegen stellen.

Herr Kollege Böhr, das wundert mich auch. Sie haben beredt darüber gesprochen, wie wenig einzelne Erwerbstätige wir haben. Mit der Statistik ist das so eine Sache. Aber eines ist klar: Je dünner die Besiedlung eines Raumes, desto weniger Struktur ist vorhanden. Daran haben sich die Regierungen der CDU und der FDP 40 Jahre lang die Zähne ausgebissen, und wir tun dies jetzt ebenfalls. Sie können kein großes Werk in einen Raum schicken, in dem Sie nicht einen entsprechenden Besatz an Menschen haben.

Diese ländlichen Strukturen nun zum Gegenstand eines Vorwurfs zu machen, ist nicht besonders ehrlich. Das werden wir nicht ändern können, allenfalls dann, wenn Sie solche Regionen beschreiben, diesen Kranz von wunderbaren Regionen wie die Wallonie, Lothringen und Elsass. Das sind alles Regionen, aus denen Leute zu uns oder nach Luxemburg kommen. Sie dürfen nicht nur Luxemburg nehmen. Wenn Luxemburg nicht die von mir mit Freude gesehene Exklusivität hätte, ein ganz besonderer Finanzplatz zu sein, kämen nicht so viele dorthin. Viele meiner Verwandten arbeiten nur noch in den Banken. Früher war mein Vater Schriftsetzer in Luxemburg. Damals waren Handwerksberufe in Luxemburg aus Deutschland gefragt. Das ist heute längst vorbei. Das machen die Leute aus Lothringen und aus der Wallonie, und die Bankberufe kommen fast alle aus Eifel, Hunsrück und Trier.

Was wollen wir einer solchen gemeinsamen Entwicklung, wie sie in einer gemeinsamen Region vorhanden ist, eigentlich entgegenhalten? Wollen wir sagen: Wir wollen diese Entwicklung nicht? Ich denke, das wäre viel zu kurzsichtig. Es ist das Europa.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zum Rhein-Main-Gebiet werden wir sicherlich auch noch etwas im Zusammenhang mit dem Flughafen und mit Hahn sagen. Zuerst einmal möchte ich sagen, dieses gemeinsame Europa, diese gemeinsame Region muss ein tolerantes Europa bleiben. Ich frage mich nur, ob Sie eigentlich einen Beitrag zu diesem toleranten Europa leisten, wenn Sie diese Nationalstolzdebatten führen.

In der Zeitung stand, dass man Christoph Böhr eigentlich in der Schule schon hätte beibringen sollen, dass Abkupfern sich nicht lohnt. Seine patriotische Verzweiflungskampagne in letzter Minute habe die CDU in Rheinland-Pfalz auf einen Tiefstand gedrückt. Ich habe nur zitiert.